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Windkraft: Offshore- Techniker trainieren das Überleben Geld: Wenn Mitarbeiter selbst festlegen, wie viel sie verdienen Ratgeber: Welchen Fisch man noch essen darf ========================= ========================= WEITERE THEMEN: Gewohnheiten bestimmen unser Leben mehr als wir denken. Wer weiß, wie sie funktionieren, kann sie ändern 01 Deutschland 7,50 BeNeLux 8,20 Schweiz sfr 14,80 Österreich 8,50 4 191828 907506 8 Seiten: Beruffliche Weiterbildung SPECIAL: ====================== www.enorm-magazin.de enorm 01 Feb./März 2014 Exklusiver Auszug Raus aus der Routine 01 Feb. / März 20 14

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Windkraft: Offshore-Techniker trainieren das Überleben

Geld: Wenn Mitarbeiter selbst festlegen, wie viel sie verdienen

Ratgeber: Welchen Fisch man noch essen darf

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Weitere themen:

Gewohnheiten bestimmen unser Leben mehr als wir denken. Wer weiß, wie sie funktionieren, kann sie ändern

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Als sie für ihre Geschichte über die Verpackungs-branche auf einer Messe recherchierte und Kaf-fee bestellte, hielt Redakteurin Katrin Zeug an-schließend neun Stücke Abfall in der Hand: vom Becher über Zucker- und Löffeltütchen bis hin zur Kaffeekapsel – Dinge, denen sie im All-tag sonst wenig Beachtung schenkt. Auch die ein-

zeln verpackte Knoblauchknolle im Supermarkt war ihr vorher nicht aufgefallen. Um Konsum möglichst einfach zu machen, werden im-mer kleinere Portionen immer aufwendiger umhüllt. Doch es regt sich Widerstand: Erste Läden verkaufen ihre Ware lose. Seite 34

Myanmars politische und wirtschaftliche Reformen sind bemerkenswert, über die Geschwindigkeit, in der sich das Land ändert, staunten Autor Fritz Schaap und Fotograf Patrick Tombola dann aber doch. Zwei Wochen lang reisten sie durch die ehemalige Diktatur, sprangen, je nach Ort, zwischen den Jahrzehnten hin und her und trafen Jungunternehmer, die den Wan-del mit viel Ehrgeiz für sich nutzen wollen. Am er-hellendsten war es aber, Valentino Soe Mynint zu be-gleiten, der in seinem Leben „schon viele Hüte getragen hat“, wie er sagt. Und der jetzt mit seinen Mitteln versucht, den einziehenden Kapitalismus in die richtigen Bahnen zu lenken. Seite 64

Patrick tombola und Fritz SchaaP

anja dilkheike littger

katrin zeug

Ohne Gewohnheiten könnten wir im All-tag nicht bestehen. Hätten die beiden Au-torinnen unserer Titelgeschichte, Heike Littger und Anja Dilk, jedesmal darüber grü-beln müssen, wie sie einen Telefonhörer halten oder morgens ins Büro finden – sie wären womöglich gar nicht dazu gekom-men, das Thema zu recherchieren und die

Geschichte für uns aufzuschreiben. Gewohnheiten sparen mentale Ener-gie für die wichtigen Dinge. Doch leider beachtet das Gehirn dabei nicht, ob etwas nützlich ist – und bremst uns bei dem Versuch, vom Wissen zum Handeln zu kommen: Schlaue Bücher über einen nachhaltigeren Lebensstil allein reichen nicht. Die Umsetzung muss eingeübt werden. Wie das gelingen kann, darüber haben Littger und Dilk mit zahlreichen Personen gesprochen – und Doris Freigofas und Daniel Dolz von Golden Cosmos haben die Ideen aus der Recherche pointiert illustriert. Das in-ternational ausgezeichnete Duo arbeitet unter anderem für den „New Yorker“ und lebt in Berlin. Seite 16

daniel dolz & doriS FreigoFaS

DIE N

äCHSTE AUSGABE

VON enor

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AM 25.

APRIL

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Häufiger mit der Bahn fahren, weniger Fleisch essen – wir wissen, was wir tun könnten. Und enden doch immer wieder beim Alten. Was hilft, die Gewohnheiten zu besiegen? Erste Kommunen und

Unternehmen entwickeln Projekte zur Umprogrammierung

TExT Anja Dilk und Heike Littger

ILLUSTRATIONEN Doris Freigofas & Daniel Dolz

Seite 17Titelgeschichte

Seite 18Titelgeschichte

So mühsam hatte sich Sylke Conzelmann das Leben ohne Auto nicht vorgestellt. Eine Fahrradtasche für die Unterlagen am Arbeitsplatz, eine für den Nachmittag, voll gestopft mit Büchern der Stadtbibliothek,

Schwimmzeug oder Noten für die Gitarrenstunde ih-res Sohnes. Noch rasch die Regenjacke eingepackt, Zusatzschlösser für Helm und Fahrradkorb nicht ver-gessen, und dann auf mit dem Rad zu Schule und Ar-beit. Vier Kilometer bei Wind und Wetter, Ehemann Thorsten strampelte sogar 25 Kilometer über den Berg zur Arbeit von Esslingen nach Böblingen. „Man muss wirklich gut strukturiert sein“, sagt Conzelmann,

„denn das Auto ist nicht nur Fahrzeug, sondern auch Logistikzentrum.“ Alles reinpfeffern, was man für ei-nen langen Tag mit Arbeit und Kind braucht, geht nicht als Fahrrad-Bus-und-Bahn-Familie.

Seit zwei Jahren feilt die Stadt Stuttgart an einem Mobilitätspaket mit elektronischer Chipkarte für Bus und Bahn, mobilem Routenplaner und intermodalem Verkehrskonzept. Zusammen mit der Testfamilie Con-zelmann wollten die Verantwortlichen herausfinden, wie sie auch andere Bürger in der Region zu einem neuen Mobilitätsverhalten ermuntern können. Drei Wochen lang haben die Conzelmanns den Umstieg erprobt. Was braucht es, um ihre Gewohnheiten zu ändern? Wie lange muss man sie begleiten und sind die Menschen überhaupt bereit? Die Stuttgarter sind nicht die einzigen, die Antworten auf solche Fragen suchen.

Fast jeden Tag aufs Neue warnen Experten vor den gravierenden Folgen, die uns blühen, wenn wir jetzt nicht auf einen ökologisch verträglichen Lebensstil umschwenken. Sie appellieren an unsere Einsicht, an unseren Verstand. Und die meisten Menschen wol-len sogar etwas ändern. 80 Prozent, das ergab eine Studie der Universität Magdeburg, fühlen sich bereit, zum Beispiel Energie zu sparen, viele können sich auch vorstellen, aufs Fahr-rad umzusteigen. Trotzdem tut sich wenig.

Der Grund ist in der Wissenschaft längst bekannt und dutzendfach belegt: Auch wenn unser Bild vom aufgeklärten Bürger uns glauben lässt, dass unser Wille unser Handeln lenkt – es ist nicht so. Die Ratio, so die Forscher aus Neurologie, experimen-teller Psychologie und Verhaltens ökonomie unisono, ist nicht der Chef im Ring unse-res Gehirns. Zwischen 30 und 50 Prozent unseres täglichen Handelns laufen automa-tisch ab. Gerade wenn es um die kleinen Dinge des Lebens geht: Wo kaufe ich ein, was esse ich, wie komme ich zur Arbeit, was ziehe ich an, welchen Waschgang nutze ich?

„Die alltäglichen Verhaltensweisen sind so stark ha-bitualisiert, dass die bloße Absicht, sie zu ändern, gar nichts bringt“, sagt Sebastian Bamberg, Sozialpsycho-loge an der Fachhochschule Bielefeld. „Abgelegt in den Verästelungen des Gehirns sind Gewohnheiten nicht kognitiv erreichbar.“ Es handelt sich um auto-matisierte Kleinstprogramme, die das Gehirn auf Schlüsselreize hin automatisch abspult.

Grundsätzlich ist das auch gut so. Müssten wir tag-täglich über das Halten der Gabel oder den Weg zur Arbeit grübeln – wir würden uns völlig verfransen.

„Das Gehirn strebt danach, so viel wie möglich zu rou-tinisieren“, sagt Gerhard Roth, Hirnforscher an der

Universität Bremen. „Gewohnheiten sind sowohl stoffwechselbiologisch als auch neuronal billig.“ Das schafft freie Kapazitäten um zu planen, zu diskutie-ren, um Häuser oder Raketen zu bauen. Nur unter-scheidet das Gehirn bei der Automatisierung nicht zwischen guten und schlechten Gewohnheiten. Es belohnt schlicht und einfach immer dann, wenn der Mensch sich verhält wie immer. Darum verselbstän-digt sich das Zähneputzen

genauso wie

Seite 22Titelgeschichte

Gemeinde, ihren Bürgern automatisch Ökostrom zu liefern, es sei denn, sie entscheiden sich dagegen.

Gerhard Fehr beschäftigt sich beruflich mit solchen Stupsern. Mit seiner Firma Fehr Advice & Partners berät er Unternehmen und Kommunen, wie sie die Erkenntnisse der Forschung nutzen können, um das Verhalten von Mitarbeitern und Einwohnern zu be-einflussen. „Nudges können dabei sehr nützlich sein“, sagt Fehr. „Vorausgesetzt, die Menschen sind sich bewusst, dass sie sich anders verhalten sollten und bereit, sich zu ändern.“

Beispiel Routinekontrolle beim Zahnarzt. Die meis-ten Menschen wissen, dass sie sinnvoll ist. Trotzdem verschlampen und vergessen sie ihre Termine. Als Wissenschaftler jüngst in einem Feldversuch Patien-ten unaufgefordert per SMS an den bevorstehenden Zahnarztbesuch erinnerten, änderte sich das schlag-artig. 200 Prozent mehr Patienten kamen zur Kon-trolle. „Quick-win“, nennt Gerhard Fehr das. Wenig Aufwand, viel Erfolg.

Bei komplexeren Problemen hilft ein simpler An-stoß allein dagegen wenig. Zum Beispiel beim Ab-schied vom Auto. „Da braucht es einen gezielten Mix

unterschiedlicher Interventionen, die genau auf die Bedürfnisse der Zielgruppe abgestimmt sind“, sagt Fehr. Er könnte sich das so vorstellen: Eine Gemeinde bietet Fahranfängern ein Mobilitätspaket zu einem jährlichen Festpreis an. Es müsste den Spaß an tollen Fahrzeugen geschickt kombinieren mit präzisen Auf-lagen für den Umstieg auf Bus, Bahn und Rad. Wer zum Beispiel zwei Drittel seiner Strecken mit den Öf-fentlichen zurücklegt, darf für ein Drittel ein Auto nutzen, das die Gemeinde zur Verfügung stellt. Wer mehr fährt, muss draufzahlen. Und wer häufiger aufs Autofahren verzichtet, darf zweimal im Jahr mit ei-nem Maserati Cabrio durch die Stadt cruisen. „All-mählich würde so eine neue soziale Norm wachsen, ein neues Leitbild: Ein eigenes Auto ist uncool.“

Welch mächtige Hebel soziale Leitbilder sind, zeigte schon vor einigen Jahren ein Beispiel aus Texas. Jah-relang säumte Müll die langen Highways in den Wei-ten des Bundesstaates. Coladosen, Burgerpackungen, Kippenschachteln, leere Ölflaschen. Kampagnen, mit denen die Behörden an die Bürgerpflicht der Umwelt-

sünder appellierten, verpufften unbeachtet. Erst als die Staatsdiener gezielt an das Wir-Gefühl der männ-lichen Texaner appellierten, die den meisten Abfall aus ihren Autofenstern pfefferten, änderte sich etwas. Über alle Kanäle flimmerten TV-Spots, in denen die Footballspieler der Dallas Cowboys Müll einsammel-ten, Bierdosen zerdrückten und knurrten: „Don’t mess with Texas.“ Bald konnte man überall T-Shirts, Kaffeebecher und Aufkleber mit dem markigen Slo-gan kaufen. Müllsammeln wurde zur Sache der Ehre, bei der mitzog, wer angesagt sein wollte.

So ähnlich könnte auch Fahrradfahren zur sozialen Norm werden. Neidisch blicken die deutschen Groß-städte auf Kopenhagen. In der dänischen Hauptstadt radeln 55 Prozent der Einwohner zur Arbeit oder in die Schule. Erreicht hat das die Stadt nicht mit Ap-pellen, etwa an das Umweltbewusstsein der Bürger. Sie hat die richtigen Anreize gesetzt.

Vor acht Jahren begann Kopenhagen, das Auto mit einem ausgeklügelten Plan zurückzudrängen: grüne Welle bei Tempo 20, Fahrradwege statt Parkplätze, mehr 30er-Zonen, bis zu fünf Meter breite Radwege. Seitdem kommen die Kopenhagener mit nichts so schnell von A nach B wie mit dem Fahrrad und las-sen das Auto lieber stehen. Die Nebeneffekte: Wenn sich die halbe Stadt aufs Fahrrad schwingt, ist es für den Einzelnen einfacher, seine Gewohnheiten zu än-dern und auch umzusteigen. Und man erlebt nicht nur die Vorteile des Fahrradfahrens – Zeit- und Geld-ersparnis, Flexibilität, Fitness. Man wird, wie in Te-xas auch, Teil einer großen Bewegung, die unter dem Namen „Copenhagenize“ mittlerweile auch andere Städte infiziert. Eine davon: München.

Um ihr selbsterklärtes Ziel „Radlhauptstadt“ zu er-reichen, nehmen die Münchner Stadtväter nicht nur den Autofahrern Spuren weg, um die Radwege brei-ter und sicherer zu machen, oder erklären kurzer-hand sogar Straßen komplett zu Fahrradstraßen – mit 47 belegt München in Deutschland hier den Spitzen-platz. Sie feilen auch mit etlichen Aktionen und Events am positiven Radl-Image: mit Nächten, Flohmärkten, Sicherheitschecks und Fashionshows für Radler, mit der Schultournee „Check Dein Radl“ und dem Wett-bewerb „München sucht den Radlstar“. Den Erfolg belegen die Zahlen: 2002 lag der Anteil des Fahrrads am Stadtverkehr bei 10 Prozent, 2011 waren es schon 17,4 Prozent. 2020 sollen es 25 Prozent sein. Um das zu erreichen, will die Stadt künftig auch verstärkt Un-ternehmen ansprechen, die ihre Mitarbeiter auf den Radlsattel hieven möchten.

Eine kluge Idee, findet Ulf Schrader. Warum nicht neue Leitbilder dort auf den Weg bringen, wo die Menschen den größten Teil ihrer Zeit verbringen, am Arbeitsplatz? Ließen sich nicht gerade dort Gewohn-

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Mehr dazu imneuen Heft 1 / 2014

Dies ist eine Bildunterschrift. Kein Bild ohne BU. BU immer ohne Punkt

Auf Kuschelkurs zum Wunschgehalt

Über sein Gehalt spricht man nicht. Heißt es. Julian Vester hält das für Blödsinn. Er legt alles offen – und geht jetzt noch einen Schritt weiter:

Seine Angestellten sollen selbst entscheiden, wie viel sie verdienen

TExT Felix Brumm FoToS Nicolas Felder

Seite 30Unternehmen

Sina Clasen, 32 Kundenbetreuerin

Julia Sabrowsky, 27Designerin

Julian Vester, 30 Geschäftsführer

Christopher Rohs, 28 Konzepter

Ines Kuchler, 24 Projektmanagerin

Johannes Bräunig, 26 Webentwickler

Henner Witt, 30 Texter

Melanie Joos, 28Projekt-

managerin

Wer verdient wie viel im Monat? Bei der Hamburger Agentur Elbdudler ist das kein Geheimnis mehr – die Mitarbeiter legen ihr Gehalt offen

erdienen, was man selbst für richtig hält. Das ist der Traum eines jeden An-gestellten. In einer Hamburger Kirche soll er nun in Erfüllung gehen. Hier ar-beitet Julian Vester, 30 Jahre jung, Ge-

schäftsführer der Social Media-Agentur Elbdudler. Jeden Tag betritt er die entwidmete St. Stephanus-Kirche in Eimsbüttel, umarmt seine Mitarbeiter und nimmt zwischen ihnen im Kirchenschiff Platz. Hier reiht sich auf langen Holztischen Mac an Mac. Da-zwischen Lampen und Zimmerpalmen. Wer es noch etwas bequemer mag, kann sich, wo einst der Pastor vom Altar predigte, in eine tiefe Sofaecke fläzen – zu Füßen einer überlebensgroßen Jesus-Malerei auf gol-denem Hintergrund. In der Bar davor gurgelt die Es-pressomaschine. Und hinten, wo früher die Orgel dröhnte, überblickt die Office Managerin heute ein Büro, das man kaum als solches erkennt.

Vester legt großen Wert auf eine familiäre Atmo-sphäre. Der Arbeitsplatz soll ein Ort zum Wohlfüh-len sein. Nun will Vester seine Unternehmensphilo-sophie auf die Spitze treiben und das Modell der freien Gehaltswahl einführen. Ein radikaler Schritt, könnte man meinen. Für Vester ist es nur das logi-sche Ende eines fließenden Übergangs. Seine Ange-stellten genießen längst viele Freiheiten, die sonst unüblich sind. Sie entscheiden, wann sie kommen, wann sie gehen, was sie für ihre Arbeit be-nötigen. Es gibt kaum Hier-archien, kaum

Andreas Jäger, 31 Konzepter

Micha Heigl, 36 Technischer Leiter Anna Nissen, 28

Verkaufs- und Marketingmanagerin

V

Seite 33Unternehmen

mangelnde Kommunikation, Intranspa-renz – das alles regt ihn maßlos auf. Er macht die Dinge lieber „so wie es sich gut anfühlt“. Gemeinsam mit seinem Kommi-litonen Jonas Wegener schmiss der ange-hende Berufsschullehrer 2009 das Studi-um und mietete ein kleines Büro in einem Gründerhaus auf St. Pauli. Ohne Geld für Möbel, die Rechner auf dem Schoß, zogen die Zwei eine Social Media-Agentur auf, noch bevor Facebook und Twitter zu Stan-dards in der Unternehmenswelt wurden. Ein paar namhafte Kunden setzten auf das Start-up, seitdem wächst das Unterneh-men, bringt Marken ins Social Web, ent-wickelt Apps und Social Media-Auftritte, vom Fotoshooting bis zum Monitoring.

Mit der Idee der freien Gehaltswahl ist Vester „schwanger, seit es Elbdudler gibt“. Er ist kaum älter als seine Mitarbeiter. Und

zu bestimmen, was die verdienen, will er sich nicht anmaßen. Sicher, er könnte es. Aber er will lieber, dass seine Mitarbeiter selbst entscheiden, er setzt auf ihr Wissen und ihre Eigenverantwortung. Davon ver-spricht er sich vor allem eines: Wenn die Kollegen sich mit ihrem Gehalt auseinan-dersetzen, müssen sie sich zugleich mit der wirtschaftlichen Situation des Unter-nehmens befassen. Das, sagt Vester, sei das Spannendste an der ganzen Geschich-te: dass die Mitarbeiter ein Bewusstsein, ein Gefühl für betriebswirtschaftliche Zu-sammenhänge entwickeln.

Im Sommer 2013 erstellte Vester ein Online-Dokument mit drei Spalten: Name, Ist-Gehalt, Wunschgehalt. Von allen aus-zufüllen bis nächsten Freitag. Seinen Mit-arbeitern gab er vier Fragen mit auf den Weg: Was brauche ich? Was verdiene ich

auf dem freien Markt? Was verdienen mei-ne Kollegen? Und schließlich: Was kann sich das Unternehmen leisten?

Die Mitarbeiter waren zunächst baff. Ju-belschreie blieben aus. Aber sie ließen sich auf das Spiel ein. Doch wie bemisst man seinen Wert? Was zahlt sich aus? Hoch pokern und vielleicht sein Gesicht verlie-ren? Oder lieber auf Nummer sicher ge-hen und eine womöglich einmalige Chan-ce vertun? Natürlich heißt freie Gehaltswahl in der Praxis nicht, dass jeder einfach be-kommt, was er will. Vester spricht lieber von einer „einvernehmlichen Gehaltswahl“.

Kann ich also 100 000 Euro aufschrei-ben? Vester sagt: „Wenn du das vor dei-nen Kollegen rechtfertigen kannst, versuch’s.“ Was ist mit den Frauen, stapeln die nicht häufig tiefer als Männer? „Schlechter als woanders kann es ja erstmal nicht wer-den“, sagt Vester. Und: „Ich möchte hier auch nur Leute haben, die für sich einste-hen können.“ Er ist davon überzeugt, dass die soziale Kontrolle zwischen den Kolle-gen greift. Das Ergebnis gibt ihm Recht: Am Ende hatte die eine Hälfte der Mitar-beiter ihr Gehalt auf der Liste erhöht, die andere gab sich mehr oder minder mit dem vorherigen Gehalt zufrieden.

Allerdings: Mit den Wunschgehältern erhöhen sich die Personalkosten um etwa zehn Prozent. Wirtschaftlich ist das zur Zeit noch nicht drin. Seit Wochen disku-tiert Julian Vester mit seinen Kollegen, wie das Ziel trotzdem zu erreichen ist. Er lernt selbst dabei, sagt er, und staunt, wie enga-giert die Kollegen mitdenken: Wie viel Ge-winn braucht die Firma? Wie wichtig sind Rücklagen? Was passiert, wenn die Firma den Gürtel mal enger schnallen muss? Für Vester sind diese intensiven Gespräche keine vertane Zeit, er freut sich darüber.

Dass seine Saat aufging merkte er, als ein Kollege vorschlug: „Wenn wir die Ge-hälter noch nicht schaffen, müssen wir

unsere Prozesse weiter optimieren.“ Ves-ter strahlt, wenn er davon erzählt: „Genau das wollte ich erreichen.“ Nun bleiben ih-nen noch ein paar Wochen Zeit, Umsätze zu steigern und Arbeitsprozesse zu verbes-sern. Im April sollen die Wunschgehälter Wirklichkeit werden. Bis dahin soll jeder Mitarbeiter nochmal in sich gehen und mindestens zwei Kollegen konsultieren.

Dieses Modell stammt vom deutschen Vorreiter auf dem Gebiet der freien Ge-haltswahl: der Unternehmensberatung Vollmer & Scheffczyk (V&S) aus Hanno-ver, 20 Mitarbeiter, spezialisiert auf Ma-schinenbau. Julian Vester besuchte die Firma 2012 mit ein paar Kollegen. Der Ge-schäftsführer von V&S, Lars Vollmer, führ-te die freie Wahl des Gehalts im Dezem-ber 2010 ein. Bis dahin entlohnte er nach einem aufwendigen Bonussystem. Das aber führte dazu, dass sich die Mitarbeiter im Zweifel nicht für die Lösung entschieden, die gut fürs Unternehmen war, sondern für diejenige, die den Bonus brachte. „Wir haben darum überlegt, wie sich ein Rah-men schaffen lässt, in dem jeder Kollege so viel Markt wie möglich selber spürt und auch sein Handeln danach ausrichtet“, sagt Vollmer. Er beschloss daraufhin, die gan-ze Organisation umzubauen, sich von der Philosophie des Managements zu verab-schieden und stattdessen auf mehr Eigen-verantwortung und Transparenz zu setzen.

„Das hat uns am Schluss auch dazu geführt, über die Entlohnung nachzudenken.“

Zunächst wurden die Gehälter offenge-legt. Dann sollte jeder Kollege sein Gehalt selbst festsetzen. Begründungen, Abni-cken durch den Chef, alles nicht nötig. Da-für musste aber jeder mindestens drei Kol-legen seiner Wahl konsultieren, auch Vollmer selbst. Der Umstellungsprozess, sagt er, war eine Zeit voller Diskussionen und Widerstände.

Nach der Einführung entschieden sich acht Kollegen zu gehen. Doch heute zieht Lars Vollmer ein positives Fazit: „Es herrscht ein viel höherer unternehmerischer Geist in der Firma, wir haben einander besser kennengelernt und mir persönlich macht die Arbeit auch wieder viel mehr Spaß. Or-ganisation ist für uns letztlich sogar zu ei-nem großen Beratungsthema geworden, das wir Kunden anbieten können.“

Auch Vester ist überzeugt, dass das Zu-sammenspiel der kleinen und großen Mit-verantwortungen dazu führt, dass alle Kol-legen mehr wissen und mehr mitdenken.

„Unsere Unternehmensstruktur“, das ist Vester aber auch bewusst, „ist nicht für je-den gemacht. Die Leute sind einfach nicht so sozialisiert. Viele wollen um 17 Uhr den Stift fallen lassen. Die werden aber bei uns nicht glücklich.“

Über Gehalt spricht man nicht – das ist in Deutschland Tradition. Vester will da-mit brechen. „Ich glaube, dass dieses Mo-dell irgendwann in der Zukunft mal Main-stream wird“, sagt er. Natürlich sei das alles ein Experiment, er halte sich alle Op-tionen offen. Aber Vester glaubt an sein Modell. „Ich will beweisen, dass man ein Unternehmen – und dann auch noch in dieser ohnehin verheizten Branche – pro-fitabel und zur Zufriedenheit aller Betei-ligten führen kann. Ich glaube nicht, dass zuallererst der Kunde König ist. Dem Mit-arbeiter muss es gut gehen, dann macht er auch gute Arbeit für den Kunden. Oft-mals ist es jedoch umgedreht: Die Inhaber machen sich die Taschen voll, der Kunde steht vermeintlich ganz oben und unten werden die Mitarbeiter getreten.“

So ein Unternehmen will Vester nicht führen. Sowieso, es geht ihm auch nicht um Wachstum. Zum einen ist seine Kir-che fast voll, zum anderen will er lieber entscheiden können, welche Aufträge er annimmt und welche nicht. „Indem man einfach wächst, kann man über viele Miss-stände hinwegtäuschen. Ich finde es viel spannender, nach innen zu optimieren.“

Vester ist überzeugt, dass sich sein Mo-dell auch auf große Unternehmen über-tragen lässt. Von halbherzigen Versuchen rät er jedoch ab. „Es bringt nichts, die freie Gehaltswahl einzuführen, wenn der Rest des Unternehmens nicht dazu passt. Dann heißt es schnell: War ja klar, der Hippie-Quatsch funktioniert nicht, wir rudern zu-rück. Dabei wäre die eigentliche Lösung, den Rest der Firma auch umzukrempeln.“

Viele Unternehmer begegnen Julian Ves-ter mit Unglauben. Freie Gehaltswahl, das könne doch nicht funktionieren. „Unsere Mitarbeiter sind zufrieden und loyal“, sagt er. „Insofern haben wir den Beweis, dass es geht, längst angetreten.“ /

„Ich glaube nicht, dass zuallererst der Kunde König ist. Dem Mit-arbeiter muss es gut gehen, dann macht er auch gute Arbeit für den Kunden“

Agentur-Chef Julian Vester vetraut auf die Eigenverantwortung seiner Mitarbeiter

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Mehr dazu imneuen Heft 1 / 2014

Erste Regel im Übungsbecken und auf See: zusammenbleiben. Nur im Team hat man eine Chance zu überleben

Seite 39Unternehmen

Orkan im Wasserbecken

Windparks in Nord- und Ostsee sollen Deutschland saubere Energie bringen. Wer dort arbeitet, riskiert sein Leben. In Bremerhaven

trainieren Monteure und Ingenieure für den Notfall

TExT Felix Brumm FoTos Kay Michalak

Nun treiben Bernd Nolte und die anderen sieben Männer in den Wellen und warten auf Rettung. Gestern noch waren sie Fremde, heute kämpfen

sie schon gemeinsam ums Überleben. Nur im „Huddle“, dicht an dicht gedrängt im Kreis, können sie im Notfall da draußen überleben, das hatte man ihnen vorher noch gesagt. Sie sind Maler und Maschi-nenbauer, Techniker oder Geophysiker – die Männer hinter den Kulissen der Energiewende. Bald werden sie auf den Windpark-Baustellen in Nord- und Ostsee dafür sorgen, dass sich die Windräder dre-hen und Deutschland mit grüner Energie versorgt wird. Doch zunächst müssen sie zwei Tage Ausnahmezustand überstehen. Und Nolte hängt gerade mittendrin.

Wie man im Ernstfall auf See überlebt, lernt der 34-Jährige im Offshore-Sicher-heitstrainingszentrum von Bremerhaven. Hierhin kommt, wem im Job auf hoher See Lebensgefahr droht. Seit Eröffnung der Halle im Jahr 2011 ist hier der Extrem-fall an der Tagesordnung. Denn wer off-shore, also vor der Küste, arbeiten will, muss eine ganze Reihe von Trainings ab-solvieren. Da die deutsche Windenergie-Branche stetig wächst, werden in Zukunft Hunderte Männer und Frauen aufs Meer pendeln. 2700 Menschen kamen 2013 al-lein in das Trainingszentrum von Bremer-haven, probten Mann-über-Bord-Manöver, Notabseilen oder den Ausstieg aus einem abgestürzten Helikopter.

Bernd Nolte, rahmenlose Brille, Kapu-zenpullover, immer einen lockeren Spruch

parat, hat gestern erst sein jährliches Hö-hentraining gemeistert, tags zuvor stram-pelte er noch auf dem Fahrrad ergometer für das Belastungs-EKG. Wer raus will auf die See, muss fit sein. Und auf alles vorbe-reitet.

Vor zehn Jahren hat Nolte schon mal ei-nige Tage offshore gearbeitet, allerdings bei schönem Wetter. Die Arbeit auf rauer See kennt er bislang nur aus der Theorie. Und in der Theorie, das weiß er, ist das Unfallrisiko da draußen hoch. Erst im Ja-nuar 2012 stürzte ein 31-jähriger Indust-riekletterer bei Arbeiten am Fundament einer Windkraftanlage in die Nordsee. Und

im Juli 2013 kam ein Taucher bei Unterwasserarbeiten in einem Windpark vor Borkum ums Leben.

Noltes Ausbilder, ein bulliger Typ mit Händen groß wie Schwimm-flossen, macht gleich klar, worauf es ankommt. Zusammenbleiben! Das ist die erste Regel auf hoher See. Im Kurs: Handys aus, Restalkohol wird nicht toleriert. Schnell wird klar: Das hier ist

eine ernste Angelegenheit. Schließlich ler-nen Nolte und die anderen Teilnehmer hier, wie sie im Notfall auf hoher See über-leben.

Windenergie gilt als sauber, sicher und potenziell unendlich. Doch das Thema ist abstrakt. Die Giganten rotieren weit drau-ßen auf dem Meer, wo sie kaum jemand zu Gesicht bekommt. „Die meisten Leute denken“, sagt Nolte, „so ein Windrad be-steht nur aus Turm und Rotor. Die haben keine Ahnung, wie kompliziert die Dinger mittlerweile sind.“

Wer ins Meer fällt, treibt wegen der Strömung schnell ab, ist bald kaum mehr zu orten und kühlt in wenigen Minuten aus Seite 41

Unternehmen

tus vor Borkum – ging 2010 in Betrieb. Heute gilt Offshore-Strom als wichtige Energiequelle der Zukunft. Vom Ausbau erhoffen sich vor allem die Bundesländer an der Küste auch wirtschaftlichen Auf-schwung und tausende neue Arbeitsplätze. Die fünf deutschen Offshore-Windparks, die in Betrieb sind, speisen bereits 520 Megawatt ins Netz. Weitere 31 Parks sind genehmigt oder befinden sich bereits im Bau, rund 60 weitere im Genehmigungs-verfahren. Die schwarz-gelbe Bundesre-gierung hatte bis 2020 eine Gesamtleis-tung von 10 Gigawatt jährlich anvisiert. Die Große Koalition ruderte jüngst zurück und senkte das Ausbauziel auf 6,5 Giga-watt. Zum Vergleich: Die noch in Betrieb befindlichen neun deutschen Kernkraft-werke leisten im Schnitt jeweils ungefähr 1,4 Gigawatt.

Zwar weht der Wind auf dem Meer stär-ker und stetiger als an Land. Doch die deut-schen Offshore-Windparks sind teuer und unerprobt. Die Anlagen sind wartungsin-tensiv, die Wege weit. Anders als in Groß-britannien oder Dänemark stehen die deut-schen Windräder zumeist bis zu 100 Kilometer von der Küste entfernt. Den Touristen soll der Blick nicht verstellt wer-den, zudem sind die Küsten großteils Na-tionalpark. Und nun soll auch noch der Ausbau langsamer voranschreiten als ge-plant. Das lähmt die Branche. Investoren halten sich zurück, Zulieferer müssen Mit-

arbeiter entlassen, Anlagenbauer Millio-nenbeträge abschreiben.

Doch Bernd Nolte glaubt an den Wind. „Ständig heißt es, Windkraft kostet zu viel, die Anlagen verschandeln die Landschaft. Aber Atomkraftwerke wollen die Leute doch genauso wenig.“ Seine eigene kleine Energiewende hat er jedenfalls schon voll-

zogen. 2012 installierte Nolte eine Solar-anlage auf dem Dach seines Hauses im niedersächsischen Schüttorf. Erneuerbare Energien, sagt er, sind die Zukunft.

Dabei arbeitete Nolte zunächst als Ener-gie- und Anlagenelektroniker im Ölge-schäft. „Ob ich nun auf einer Ölbohrinsel oder einer Windanlage die Systeme pflege, der Job ist gar nicht so anders. Nur produ-zierst du auf der einen Seite grüne Ener-gie und auf der anderen holst du Dreck aus der Erde, der die Umwelt verpestet.“ Die Arbeit mit dem Wind macht ihm Spaß und manchmal macht sie ihn auch ein biss-

chen stolz: „Auch nach 13 Jahren freue ich mich jedes Mal, wenn sich mein Windrad zum ersten Mal dreht. Dann denkt man, wow, wieder eins angeschubst.“

Bislang war Nolte jedoch immer an Land. Seit Anfang des Jahres arbeitet er nun für die Deutsche Windtechnik Offshore und Consulting. Deswegen muss er raus aufs Meer. Für ihn eine neue Herausforderung. Er freut sich darauf. „Nur wenige Firmen haben bislang Erfahrungen auf dem Ge-biet. Neue Strukturen werden geschaffen, da kann man noch mitwirken“. Ab April wird er auf Windpark-Baustellen in der Nordsee sicherstellen, dass der Bau plan-gemäß vorangeht und die Auftraggeber bekommen, wofür sie bezahlen.

Doch erstmal muss Nolte sich um sein Leben küm-mern.

Die Halle, die gleich zur Hölle wird, ist unspektaku-lär. Hohe, weißgetünchte Wände, verkabelt wie ein Schiffsbauch, ein blauer Kran ragt über den 16 Me-ter langen Pool. Das Was-ser hat 20 Grad, ist drei Me-ter tief. Die unendliche Weite der Nordsee und ihre Kälte lassen sich hier nicht simulieren. Man wolle die Leute ja auch nicht völlig

verängstigen, sagt der Ausbilder trocken.Die Männer flachsen herum, während

sie in ihre feuerroten Sicherheitsanzüge schlüpfen. „Ohne die“, sagt der Ausbilder,

„seid ihr da draußen in 15 Minuten weg.“ Nolte schnallt sich einen Helm auf,

zwängt sich in Schwimmweste und Siche-rungsgurt. Am Ende sieht er aus wie eine Mischung aus Astronaut und Feuerwehr-mann.

Dann folgt Lektion Eins: Notabseilen. Nolte ist der Erste, scherzt mit dem Aus-bilder, als der ihn knapp vier Meter in die Tiefe hinablässt. Nolte zündet die Gasdruckpatrone seiner Rettungsweste, schwimmt auf dem Rücken mit gekreuz-ten Beinen zum anderen Ende des Pools und verharrt vorschriftsgemäß in der HELP-Stellung, Arme und Beine eng am Körper, um so wenig Körperwärme wie möglich zu verlieren.

Wenig später üben Nolte und die ande-ren den Einstieg in eine Rettungsinsel. Ohne Hilfe. Für den Fall, dass man der einzige Überlebende ist. Nolte wuchtet sich als Erster hinein. Der Trainer spritzt lächelnd Regenwasser in die wenigen Öff-nungen. Eng, stickig und nass ist es in der Rettungsinsel. Sie stinkt erbärmlich nach Gummi. Es gibt ein paar Spuckbeutel und Tabletten. Ohne Aussicht kann schon der geringste Wellengang Seekrankheit aus-lösen. Nolte ist so ein Kandidat. Doch zum Glück naht Rettung in der Nordsee relativ schnell. Normalerweise innerhalb von

zwei bis 14 Stunden, wenn alles glattgeht. Wenn.

Es sind nur vier Schalter, die der Aus-bilder umlegen muss, und schon verwan-delt sich die Halle in ein tosendes Meer. Wind bläst aus zwei Turbinen unerbittlich, es blitzt und donnert mit ohrenbetäuben-dem Lärm. Man versteht sein eigenes Wort nicht mehr. Mit jedem Pfiff des Ausbilders steigt die Belastung. Das Wasser schäumt, wirft die Männer hin und her, die um ihr Leben rudern.

Nolte kämpft gegen die Wellen und den Wind. Er schließt die Augen, atmet tief und schluckt Wasser, kriegt es in die Au-gen, rudert mit den Armen rückwärts ge-gen die Wellen, doch die drücken ihn an den Rand des Beckens. Versteinerte Ge-sichter, wohin man blickt. Bloß raus hier. Doch sie müssen zusammenbleiben, posi-tiv denken, so haben sie es am Morgen in der Theorie gelernt. Gar nicht so einfach. Obwohl die Männer nur Meter voneinan-der entfernt sind, finden sie kaum zuein-ander. Wellen schwappen über den Rand des Pools, die ersten Ketten brechen aus-einander. Einzelne treiben erschöpft am Rand. Nach fünf Minuten Orkan bricht der Ausbilder ab – aus Sicherheitsgrün-den.

Abgekämpft und vor Nässe triefend sit-zen die Männer nun am Beckenrand. Der Ausbilder schimpft, oft muss er diese Übung eigentlich nicht abbrechen. „Überleben auf See ist wirklich Teamarbeit. Allein

habt ihr da draußen keine Chance! Das waren jetzt 60 Zentimeter hohe Wellen. Auf See werden die vier Me-ter hoch und können über euch zusammenbrechen.“

Dann stürzen sich die Männer auf die Mettbröt-chen. In der Rettungsinsel gäbe es jetzt vakuumver-packte Kekse.

Bernd Nolte ist eigentlich ein bodenständiger und vor-sichtiger Typ, der die Dinge abwägt. Wieso geht er die-ses Risiko ein für seinen

Hilfe aus der Luft: Bernd Nolte wird mithilfe eines Krans, der einen Hubschrauber simuliert, aus dem Becken gezogen

Die Belastung steigt mit jedem Pfiff des Ausbilders. Das Wasser schäumt, wirft die Männer hin und her, die um ihr Leben rudern

Viererkette: Sie bei Seegang nicht abreißen zu lassen, ist eine der schwierigsten Übungen

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Mehr dazu imneuen Heft 1 / 2014

Kleine Pause: Valentino Soe Mynint ist viel unterwegs, um sein Land voranzubringen

Seite 65Politik & Gesellschaft

Immer mit der RuheMyanmar öffnet sich. Investoren und Konzerne nutzen die Chance und

kommen ins Land – Valentino Soe Mynint aber will ihnen den Wiederaufbau nicht alleine überlassen. Er schult die Bauern in nachhaltigem Wirtschaften

TExT Fritz Schaap FoTos Patrick Tombola

ndächtig hockt Bauer U Aung Than vor dem So-larpanel. Schon 20 Minu-ten verharrt er so vor die-sem Ding, das einmal helfen

soll, seine Ernte zu verdreifachen. Wäh-rend er so sitzt, bricht um ihn herum Un-ruhe aus. Die Testpumpe will nicht funk-tionieren. Außer dem Bauern, der das Geschehen gar nicht wahrzunehmen scheint, bewahrt nur ein Mann die Ruhe. Valen-tino Soe Mynint lehnt an einem Holzge-rüst, darauf der Wassersack, den die Pumpe eigentlich füllen sollte. „Veränderungen brauchen Zeit“, sagt er, „gerade in Myan-mar. Man muss langfristig denken.“ Das Land öffnet sich, gerade außerhalb der gro-ßen Städte kommt das für viele einem Zei-tensprung gleich. Kleine Hindernisse wie eine defekte Pumpe erträgt Soe Mynint mit Geduld.

Gelernt hat er das früh von seinem Va-ter, einem Rebellenführer und Minister, damals, bevor 1962 die Militärjunta die Macht an sich riss. Nach seiner Zeit im Gefängnis, in dem er gleich zu Beginn des Regimes der Generäle als ehemaliges Re-gierungsmitglied gelandet war, versuchte Soe Mynints Vater jahrelang, im Norden des Landes Frieden zu schaffen zwischen Rebellen und der Regierung. Mit relativ großem Erfolg. „Man kann die Machtha-ber nicht offen bekämpfen, man muss ver-suchen, sie langsam zu ändern. Das hat er immer gesagt“, sagt Valentino Soe Myn-int. Im vergangenen Jahr starb sein Vater, am Grab standen Generäle und Rebellen-führer. „Und wenn man die Menschen än-dern will, muss man genauso behutsam vorgehen.“

Soe Mynint will den Weg seines Vaters wei-tergehen, für ein besse-res Myanmar, aber mit anderen Mitteln. Er will das Denken der Land-bevölkerung verändern, eigentlich sogar neu prä-gen. Ein wenig, sagt Soe Mynint, sei das wie mit einem unbestellten Feld. Nach den Jahrzehnten der Isolation, fast ohne Einflüsse von außen, will er die Chance ergreifen, die Bauern zu nachhal-tigem Handeln zu be-wegen und sie für die ökologische Land-wirtschaft zu gewinnen. Er muss dafür schnell sein, bevor andere ihre Ideen besser verkaufen – der chinesische Raubtierkapitalismus, er liegt schon auf der Lauer.

Soe Mynint schaut auf das Feld, auf dem noch immer der Bauer hockt. Acht Furchen sind in den har-

„Man muss lang-fristig denken. Veränderungen brauchen Zeit, gerade in Myanmar“

A

Die Dorfbewohner hören zu, was Soe Mynint über ökologischen Anbau sagt

2000 im Land tätig sind. Sie kamen nach Stationen in Indonesien und Kambodscha nach Myanmar, sahen, wie sehr das Land Hilfe benötigte – und blieben. Auf den ers-ten Blick macht Proximity Design nichts Neues: das Sozialunternehmen versorgt die Landbevölkerung mit preiswerten Pumpen,

den dazugehörigen Solarpanels und auch Solarlampen. Das gibt es in vielen Ländern.

„Aber unser Finanzierungsmodell ist an-ders“, sagt Soe Mynint mit einem spitzbü-bischen Lächeln, das er oft aufsetzt, wenn er über seine Arbeit spricht. Natürlich kön-nen sich die Farmer weder Pumpen noch

Solarlampen leisten, auch nicht in den bil-ligsten Ausführungen. Proximity Design bat Studenten hochrangiger US-Universi-täten – von Stanford, Harvard, vom Mas-sachusetts Institute of Technology –, eine neue, günstigere Pumpe zu entwerfen. Aber auch die war noch zu teuer.

Die Lösung, teure Anschaffungen mög-lich zu machen: Das Sozialunternehmen hat in den vergangenen zehn Jahren in vie-len Dörfern Komitees geschaffen. „Und über diese Komitees läuft die Finanzie-rung“, sagt Soe Mynint. „Alle Bauern ge-ben zum Beispiel täglich einen bestimm-

ten Betrag für Kerzen aus. Wir geben ihnen eine Solarlampe, und sie zahlen dann Tag für Tag die Summe, die sie sonst für diese Kerzen ausgeben würden, ans Dorfkomi-tee. Nach hundert Tagen ist die Lampe ab-bezahlt und wir erhalten das Geld.“ Bei den Pumpen und Bewässerungssystemen müssen die Bauern erst nach der Ernte zahlen, die mit den neuen Anlagen zwei- bis dreimal so hoch wie vorher ausfällt.

Die Dorfkomitees, die 1,2 Millionen Menschen, die man bisher erreicht hat, und das große Netzwerk – Soe Mynint

hofft, dass sie die Grundlage bilden für die nächsten, höheren Ziele von Proximity Design: eine vernünftige Marktwirtschaft und eine nachhaltig denkende Bevölke-rung in ganz Myanmar. Nicht zuletzt soll dabei auch das bei den Bauern gewonnene Vertrauen helfen. „Die Farmer begreifen, wie sehr wir ihnen helfen. Sie können sich Fahrräder oder Radios leisten und ihre Kinder zur Schule schicken. Das schafft großes Vertrauen, das wir für die Umset-zug unserer Vorstellungen des Landes nut-zen können“, sagt Soe Mynint.

Denn Myanmar steht am Scheideweg. Vieles ist möglich, vieles kann schieflau-fen. Vor drei Jahren erst öffnete sich das Land politisch und wirtschaftlich, nach-

dem die Generäle wegen des Drucks von außen und innen zurückgetreten waren. Fast fünf Jahrzehnte lang war es isoliert. Die Generäle regierten mit eiserner Hand, der Westen verhängte scharfe Sanktionen. Myanmar verarmte, versank teils im Chaos, von der Weltgemeinschaft fast vergessen. Die oft militärisch ausgetragenen ethni-schen Unruhen hatten die Militärs nie in den Griff bekommen.

Noch immer ist Myanmar zersplittert. Doch seit 2011 wurden 13 Waffenstill-stände mit verschiedenen Gruppen ge-schlossen. Die neue Regierung um Staats-präsident Thein Sein verabschiedet nun Reform um Reform, das Land verändert sich in einem schier unglaublichen Tempo. Die meisten Sanktionen des Westens sind aufgehoben. Ausländische Investoren drän-gen ins Land, auch einheimische Unter-nehmer versuchen, ihr Terrain abzuste-cken. Denn Myanmar hat viel zu bieten: erhebliche Rohstoffvorkommen. Viel Gas, viel Öl, zudem Jade, Kupfer, Gold und Tro-penhölzer. Es liegt strategisch günstig zwi-schen Indien und China, nicht zuletzt hat Myanmar 60 Millionen Einwohner – ein nicht zu vernachlässigender Markt.

Die Investoren der ersten Stunde kamen aus Thailand und China, doch auch das änderte sich schnell. Die Chinesen haben sich vorerst vom Markt zurückgezogen, nachdem die Regierung Myanmars den Bau eines Staudamms gestoppt hatte, der auf heimischem Gebiet Strom für China erzeugen sollte. Dafür kommen andere In-vestoren: Allein Coca Cola und Unilever wollen bis 2020 insgesamt 850 Millionen Dollar investieren. Auch japanische Un-ternehmen drängen ins Land.

Das Solarpanel soll helfen, U Aung Thans Ernte zu verdreifachen. Noch aber ist der Bauer skeptisch

Coca Cola und Unilever wollen zusammen bis 2020 insgesamt 850 Millionen Dollar im Land investieren

Mit einer Kollegin untersucht Soe Mynint eine defekte Pumpe

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Mehr dazu imneuen Heft 1 / 2014

Seite 84Special

E s ist ein gewaltiger Sprung: Jedes zweite große Unternehmen weltweit veröffentlicht heute Daten zur Nach-

haltigkeit in seinem Geschäftsbericht, so das Ergebnis einer aktuellen Studie der Beratungsgesellschaft KPMG. Vor zwei Jahren taten das gerade einmal 20 Prozent, 2009 waren es sogar nur neun Prozent. Lange wurden diese Erhebungen als sepa-rate Berichte herausgegeben. Doch mitt-lerweile informieren zahlreiche Unterneh-men in ihrem zentralen Finanzbericht

darüber, welche Folgen ihr Wirtschaften für Mensch und Umwelt hat – soziale und ökologische Daten treten gleichberechtigt neben die ökonomischen Fakten.

Immer mehr Unternehmen entdecken die Themen Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung: Sie wollen Energie bei der Herstellung sparen, grüne Technologien testen oder die Sozialstandards ihrer Zu-lieferer prüfen. Doch um solche Konzepte umsetzen zu können, brauchen sie quali-fiziertes Personal.

Die meisten deutschen Unternehmen sehen sich hier allerdings schlecht aufge-stellt: Jedes zweite hält die eigene Beleg-schaft für nicht ausreichend qualifiziert für den wirtschaftlichen Wandel, so das Ergebnis des CSR-Barometers der Leu-phana Universität Lüneburg. Satte 95 Pro-zent aller deutschen Firmen wollen des-halb ihr Personal weiterbilden. Jede dritte plant außerdem Neueinstellungen – das eröffnet vor allem Absolventen und Quer-einsteigern neue Karrierewege.

Fit für den WandelUm nachhaltig zu wirtschaften, brauchen Unternehmen Mitarbeiter mit Know-how.

Die aber fehlen häufig. Absolventen und Quereinsteigern eröffnet das neue Karrierewege. Zumal viele Firmen planen, massiv in Fortbildungen zu investieren

TExT Jenny Niederstadt IllusTraTIon Charlotte Simon

Seite 85Special

Sie profitieren von den zahlreichen neu entstandenen Studiengängen: Immer mehr Universitäten bieten spezielle Lehrgänge zu den Themen Nachhaltigkeit und sozia-les Unternehmertum an oder integrieren die Inhalte in bestehende Kurse. Deutsch-landweit greifen bereits rund 300 Studien-gänge das Thema Nachhaltigkeit dezidiert auf, so der Zukunfts- und Bildungsforscher Gerhard de Haan (siehe Interview Seite 91). Nach dem Abschluss helfen dann spe-zielle Jobbörsen bei der Suche nach geeig-neten Stellen für die Profis, die sich in Sa-chen Corporate Social Responsibility (CSR) auskennen.

Doch derartige Spezialisten leisten sich nur die großen Häuser und wenige Mit-telständler. Und auch dort ist der Bedarf begrenzt. Der baden-württembergische Outdoor-Ausrüster Vaude etwa ist zwar stark engagiert und unterhält deshalb ein CSR-Team mit sieben Mitgliedern. Doch davon ist nur eines ausschließlich für das Thema zuständig: Hilke Patzwall. Ihre Kol-legen dagegen kommen aus den übrigen Vaude-Abteilungen und sollen so den Ge-

danken des nachhaltigen Wirtschaftens in das ganze Unternehmen tragen.

Über die neuen, grünen Ausbildungs- und Studiengänge freut sich Patzwall. „Aber meiner Ansicht nach ist es nicht zielfüh-rend, lauter CSR-Spezialisten auszubilden, ohne dass damit eine ‚echte‘ Fachrichtung

verbunden ist.“ Sie selbst hat Betriebswirt-schaft studiert, ihre Kollegen kommen aus der Soziologie, sind Ingenieure oder Geographen. „Die tatsächlich im Be-trieb erforderlichen CSR-Inhalte sind oft sehr branchenspezifisch. Man kann sie besser während der Arbeit erwerben.“

Erst wer sich in seinem Fach

die Grundlagen erarbeitet hat, sollte zur Kür ansetzen – so beschreibt auch Barbara Hemkes den idealen Weg. Die Nachhal-tigkeits-Expertin beobachtet beim Bundes-institut für Berufsbildung das Engagement der Unternehmen in Sachen ethisches Wirtschaften. „In der Weiterbildung ist das Thema deutlich präsenter als zum Bei-spiel in der Ausbildung.“ Das mache durch-aus Sinn: Mitarbeiter mit Berufserfahrung haben ganz konkrete Fragen, Ideen und Projekte, mit denen sie in die jeweiligen Seminare kommen. Davon profitieren dann auch die Unternehmen.

Hemkes kennt viele innovative Ansätze: Vertriebs-

Als Türöffner gilt der MBA-Abschluss der Uni Lüne-burg. Das Programm kostet aber knapp 14 000 Euro

Seite 88Special

Seite 89Special

Rostock

Hamburg

Bremen

Hannover Berlin

Eberswalde

Dresden

Münster

Düsseldorf

StuttgartLinz Wien

GrazInnsbruck

Regensburg

Ulm

Freiburg

ZürichBasel

Koblenz Landau

KaiserslauternMannheim

Saarbrücken

Würzburg

Nürnberg

Frankfurt a. M.

Braunschweig

Salzgitter Cottbus

Bielefeld

Köln

Wiesbaden

Wolfsburg

Kiel

Dessau

Lüneburg

Chemnitz

Leipzig

Mittweida

St. Gallen

Salzburg

Bayreuth

Luzern

Eichstätt-Ingolstadt

Zittau/Görlitz

KremsMünchen

Hagen

Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde

Strategisches Nachhaltigkeitsmanagement

Der zweijährige berufsbegleitende Masterstudiengang ist für Fach- und

künftige Führungskräfte in Unterneh-men und Non-Profit-Organisationen

konzipiert, die an Transformationspro-zessen in der Flächen- und

Ressourcennutzung interessiert sind.www.hnee.de

Technische Universität Kaiserslautern

Nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit

Das zweijährige Master-Fernstudium kombiniert ökonomische, ökologische und sozialwissenschaftliche Inhalte. Es richtet sich an Entwicklungshelfer mit

mindestens einem Jahr Berufserfahrung.www.zfuw.uni-kl.de

Technische Universität Braunschweig

Nachhaltiges Management und Schutz von Gewässern

Das zweijährige Master-Fernstudium ist für Ingenieure und Naturwissenschaft-ler aus Planungs- und Beratungsbüros

sowie aus Industrie und Verwaltung mit Bezug zum Gewässerschutz geeignet.

www.prowater.info

Hier gibt’s WissenWochenendseminar, Fernstudium, MBA-Abschluss:

25 Weiterbildungen für Berufstätige, die sich auf den grünen Sektor spezialisieren wollen

Universität St. Gallen

Certified CSR Professional

Die Weiterbildung setzt 20 Präsenztage voraus. Gedacht ist sie für Führungs-

kräfte aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft, int. Organisationen und Politik.

www.iwe.unisg.ch

Zürich International Business School

Ethik, Sustainability & Corporate Governance

Die zweitätige Fortbildung dient dazu, Führungskräften und Unterneh-menschefs grundlegende Argumente für mehr Ethik im wirtschaftlichen

Handeln zu vermitteln. Das Seminar findet 2014 zweimal statt, im Sommer

in Frankfurt, im Winter in Zürich.www.zibs.ch

Hochschule Luzern

Corporate Social Responsibility

Die zertifizierte Weiterbildung vermittelt Fachkräften aus Unterneh-men, Institutionen und Non-Profit- Organisationen über ein halbes Jahr

(24 Studientage) Wissen über Konzepte und Instrumente von CSR und nachhal-tiger Entwicklung. Starker Praxisbezug.

www.hslu.ch/c205

Universität Basel

Sustainable Development

Der interdisziplinäre Masterstudien-gang ist für künftige Entscheider in For-schung, Politik, Wirtschaft und Gesell-schaft konzipiert. Das Programm läuft über zwei Jahre, kann aber in Teilzeit absolviert werden. Das Thema: nach-

haltiges Wirtschaften aus den Perspek-tiven der Natur-, Wirtschafts- und

Gesellschaftswissenschaften.www.msd.unibas.ch

Leuphana Universität Lüneburg

Sustainability Management

Das zweijährige MBA-Programm richtet sich an Führungspersonen, CSR-

Experten und Nachhaltigkeits- manager aller Funktionsbereiche. Es

gilt in der Branche als Türöffner.www.sustainament.de

Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Salzgitter

Umwelt- und Qualitätsmanagement

Das MBA-Fernstudium für Absolventen der Wirtschafts-, Ingenieur- oder Natur-

wissenschaften dauert zwei Jahre. Es ist aber auch ein Teilzeitstudium möglich – dann über acht Semester.

www.ostfalia.de

Steinbeis University Berlin

Responsible Management

Die Teilnehmer können im Studium eigene Projekte zum Thema Nachhal-

tigkeit vorantreiben oder Fragen aus der beruflichen Praxis bearbeiten. Der

Masterstudiengang dauert 15 Monate und richtet sich an Führungskräfte

aus Unternehmen, Nicht-Regierungs-Organisationen und der Verwaltung.

Er kann in Teilzeit oder zum Teil online absolviert werden.

www.master.steinbeis-icrm.eu

Universität Bayreuth

CR-Management für Praktiker

In dem fünftägigen Intensivseminar geben führende CR-Verantwortliche

einen praxisorientierten Einblick in ihre Arbeit. Teilnehmer lernen anhand anonymisierter Praxisbeispiele und

arbeiten in Kleingruppen Fallstudien aus. www.cr-manager.com

TÜV Rheinland

Nachhaltigkeitsberichterstattung nach GRI-Richtlinien

Der TÜV Rheinland bietet mehrere Weiterbildungen an, zum Beispiel das erste zertifizierte Training mit

Abschluss-Zertifikat der Global Reporting Initiative (GRI).

www.tuv.com

Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin

Nachhaltigkeits- und Qualitätsmanagement

Der berufsbegleitende Masterkurs verbindet aktuelle Forschung mit

praktischen Erfahrungen. Das zweijäh-rige Programm beinhaltet zwei

Lehrgänge zum europäisch anerkann-ten Qualitätsbeauftragten/TÜV und

zum Qualitätsmanager/TÜV. Abschluss eröffnet Zugang zum Höheren Dienst.

www.mba-berlin.de

Deutsche Industrie- und Handelskammer

Gesellschaftliche Verantwortung im Unternehmen nachhaltig umsetzen

Ihren dreimonatigen Zertifikatslehr-gang bietet die DIHK bundesweit an.

Er richtet sich an Fach- und Führungs-kräfte, die im Rahmen einer begleiten-den individuellen Arbeit eine CSR-Stra-

tegie für ihren Betrieb entwickeln.www.dihk.de

Hochschule Mittweida

Nachhaltigkeit in gesamtwirt-schaftlichen Kreisläufen

Den Masterkurs (Dauer: zwei Jahre) können Fach- und Führungskräfte be-

rufsbegleitend belegen. Möglich ist auch die Buchung einzelner Module.

www.institute.hs-mittweida.de

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AUFTAKT

AnschauungsmaterialEin Forschungsprogramm auf Hawaii sammelt wichtige CO²-Daten. Jetzt droht ihm das Aus

UNTERNEHMEN

Auf AugenhöheStreit schlichten, zuhören, unterstützen: Ein Berliner Unternehmen schickt Dialogmoderatoren an Schulen

POLITIK & GESELLSCHAFT

Und Action!Guerilla-Protest ist heute so kreativ wie nie –

und erreicht dank Internet die ganze Welt

VERBRAUCHER

Ratgeber: FischViele Fischarten sind bedroht. Welche darf man

noch essen? Die 20 beliebtesten im Check

Weitere Highlights der Ausgabe 1 / 2014

Windkraft: Offshore-Windkraft: Offshore-Techniker trainieren Techniker trainieren das Überleben

Geld: Wenn Mitarbeiter Geld: Wenn Mitarbeiter selbst festlegen, wie selbst festlegen, wie viel sie verdienen

Ratgeber: Welchen Ratgeber: Welchen Fisch man noch essen darf

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Weitere themen:

Gewohnheiten bestimmen unser Leben mehr als wir denken. Wer weiß, Leben mehr als wir denken. Wer weiß, wie sie funktionieren, kann sie ändern

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8 Seiten:Beruffliche Weiterbildung

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Es ist nicht so, dass die Situation ganz neu wäre für Ralph Keeling. Probleme, seine Arbeit zu finanzieren, hatte er auch in den letzten Jah-ren. Jetzt aber, sagt er, „sieht es so düster aus wie nie zuvor“. Und das zu einer Zeit, da die

ganze Welt über CO²-Werte spricht. Seine CO²-Werte. Keeling leitet am kalifornischen Scripps Institut für

Ozeanografie zwei wissenschaftliche Programme. Sie messen, wie sich die Gehalte von Kohlendioxid und Sau-erstoff in der Atmosphäre verändern. Die CO²-Messung hat er von seinem Vater übernommen. Charles David Keeling begann damit 1958, auf dem Gipfel des Mauna Loa auf Hawaii, in 3400 Meter Höhe. Seitdem misst das Observatorium (Foto) und machte seinen Erfinder be-rühmt. Die „Keeling Curve“ zählt heute zu den wich-tigsten Forschungsprojekten aller Zeiten.

Geld dafür geben will aber kaum noch einer. Es sei paradox, so Ralph Keeling: Um zu ergründen, was in der Atmosphäre passiert, müsse man langfristig und ganzheitlich arbeiten. „Es ist aber viel einfacher, für kurzfristige, spezialisierte Programme Unterstützung zu finden.“ Stationen wie die auf Mauna Loa gibt es heu-te weltweit. Keeling kämpft für seine trotzdem. Weih-nachten 2013 stellte er einen offenen Brief ins Internet und bat um Hilfe. 500 000 Dollar peilte er an. Viel kam nicht zusammen. 10 000 Dollar gerade mal. / MW

Schlechte Aussicht

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Foto Jonathan Kingston/National Geographic Stock

Seite 11Anschauungsmaterial

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Seite 59Politik & Gesellschaft

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Dies ist eine Bildunterschrift. Kein Bild ohne BU. BU immer ohne Punkt

Und Action!Guerilla-Aktivisten stellen die Mächtigen der Welt mit kreativen Protesten bloß.

Übers Internet erreichen sie ein Millionen-Publikum. Aber ändern sie auch etwas?

tExt Tiemo Rink

Es ist ein Mittwochabend, kurz vor halb zehn, als der Mann aus der Pressestelle des Ölkon-zerns Shell spürt, dass ihm die Kontrolle entglitten ist. Dass

er hinters Licht geführt wurde, dass sich diese Veranstaltung in eine völlig andere Richtung entwickelt, als von ihm geplant. Als er das merkt, sitzt er einen Moment da, den Kopf in die Hände gestützt. Dann springt er auf und läuft zum Tontechni-ker: Er solle doch bitte endlich den Ton abdrehen.

Kurz zuvor stand auf der Bühne beim Shell Science Slam, einem Wettbewerb, bei dem Jung-Wissenschaftler ihre Ideen für eine bessere Welt präsentieren sollten, eine unscheinbare metallene Maschine. Die könne, so ihre Erfinder, das CO² aus Autoabgasen filtern. Doch anstatt etwas zu reinigen, erweist sich das Ding als Dreck-schleuder – und ergießt an die 60 Liter ei-ner dunkelbraunen, ölartigen Flüssigkeit in den Saal. Eine inszenierte Ölkatastro-phe. Einer der Aktivisten platscht durch die Pfützen auf dem Boden und ruft zu zi-vilem Ungehorsam gegen den Erdölkon-zern auf. Das Publikum johlt, der Sicher-heitsdienst macht große Augen. In einem offiziellen Statement wird später Shell-Pressesprecherin Cornelia Wolber sagen, dass die Veranstaltung komplett unterwan-dert worden sei.

Das PR-Problem im schicken Berliner Tempodrom haben Shell die etwa 30 Ak-tivisten des Kollektivs Peng! bereitet, Po-lit-Guerilleros mit einem Faible für über-raschende Auftritte. Sie sind bei weitem nicht die einzigen, die Unternehmenskri-tik mit solchen Aktionen in die Öffentlich-

keit tragen. In den letzten Jahren haben sich immer mehr Gruppen darauf spezia-lisiert, den Mächtigen in Politik und Wirt-schaft kreativ auf die Nerven zu gehen. Eine neue Protestkultur?

„Zumindest hat sie lange historische Wur-zeln“, sagt Dieter Rucht, emeritierter Pro-fessor für Soziologie, der am Berliner Wis-senschaftszentrum für Sozialforschung lehrte und ein Experte auf dem Gebiet so-zialer Bewegungen ist. Bereits im Mittel-alter, erklärt Rucht, seien Menschen mit Musikinstrumenten vor die Türen der Mächtigen gezogen, um sie mit absicht-lich falsch und laut gespielten Liedern zu ärgern: der sogenannten Katzenmusik. Ein paar hundert Jahre später waren es Men-

schen wie der Aktivist und Kommunarde Fritz Teufel, der sich auf das Veralbern des politischen Gegners spezialisierte. Er ließ zum Beispiel Mao-Bibeln von einem Kirch-turm auf die Berliner Bevölkerung herab-regnen und plante, Puddingbomben auf den damaligen US-Vizepräsidenten Hu-bert Humphrey zu werfen.

Was also ist neu an den heutigen For-men des Guerilla-Protests? „Es ist vor al-lem das technische Know-how, das die Protestler besitzen und einsetzen“, sagt Soziologe Rucht. „Der Grad an Professio-nalität ist mittlerweile hoch. Das gab es in der Vergangenheit so noch nicht.“

Zur Professionalität gehört auch die rich-tige Tarnung. Bleiben die Aktivisten lange genug unentdeckt, passiert das, was die Organisatoren der Shell-Veranstaltung im Tempodrom erlebten. Shell suchte Wis-senschaftler mit „Ideen für die Zukunft der Energie“ – aber auch eine Gelegenheit, sich als Unternehmen zu präsentieren, das an Fragen des Umweltschutzes interessiert ist. „Greenwashing“ nennen Kritiker diese Methode.

Unter dem Namen Paul von Ribbeck hatte sich der Peng!-Kollektivist Jean Pe-ters beim Shell-Slam beworben. Sein ei-gentliches Ziel: Protest gegen die Bohr-pläne des Konzerns in der Arktis und gegen die Menschenrechtsverletzungen in Nige-ria, wo Öl aus lecken Pipelines die Lebens-grundlage vieler Menschen zerstört haben soll. Weil Peters damit aber kaum zu ei-ner offiziellen Veranstaltung des Unter-nehmens eingeladen worden wäre, ent-wickelten er und seine Mitstreiter eine Art trojanische Wundermaschine – den CO²-Umwandler.

Ein Ingenieur hatte den metallenen Kas-ten entworfen, Webdesigner die entspre-chende Internetseite gebaut. Und Shell tappte in die Falle. Als sich die braune Flüssigkeit unter lauten „Oh, oh!“-Rufen von Peters im Raum verteilte, filmten ein-geschleuste Kameraleute das PR-Debakel, ein Cutter schnitt noch in der Nacht das Video. Wenige Stunden nach der Aktion war der Film im Internet, schon zwei Tage später hatten über 100 000 Menschen den gut zwei Minuten langen Beitrag gesehen und sich gut amüsiert. „Lachen ist eine Waffe“, sagt Peters. „Mächtige, über die gelacht wird, sind nackt.“

Die Aktivisten bereiten sich hoch professionell vor. Das war früher nicht so

Die Wundermaschine des Berliner Kollektivs Peng! inszenierte bei einer Veranstaltung des Shell-Konzerns eine kleine Ölkatastrophe

TinTenfisch

infO: Die 800 Arten leben in allen Meeren. Kalmare und Sepien kommen bei uns aus Asien, Kraken aus dem Mittelmeer. Hoher Bedarf für Fertiggerichte. Einige Arten von Sepien sind stark überfischt.fAnGMeThODe: Angel, FalleeMPfehLUnG: Kalmare gerne kaufen, sie gelten als immun gegen Überfischung.

zAnDer

infO: Süßwasserfisch, der in Ost- und Nord- europa vorkommt. Zwischen 40 und 130 cm lang und bis zu zehn Kilo schwer. Wird auch in Teichen gezüchtet. Bevorzugt tierisches Futter, daher ist die Zucht in Aquakulturen problematisch.fAnGMeThODe: Angel, NetzeMPfehLUnG: Naturland-Siegel bevorzugen

MiesMUscheL

infO: Lebt u.a. in der Nordsee und im Atlantik. Ist 5 bis 10 cm groß. Muschelbänke im norddeutschen Watt sind dezimiert. Die Ernte zerstört wichtige Lebensräume.fAnGMeThODe: Schürfnetz, maschinelles Abkratzen eMPfehLUnG: Zuchtmuscheln von Hänge- und Pfahlkulturen bevorzugen.

Ratgeber Fisch

Kurrbaum, offen gehalten werden. Auch sie durchwühlen den Meeresboden.

LangLeinen sind bis zu 130 km lang und mit Tausenden Haken bestückt. Darin verfangen sich auch Meeresschildkröten und Seevögel.

Ringwaden sind Netze, die ringförmig um einen Schwarm (oft Thun) gelegt und dann zugezogen werden. Früher Delfinkiller, heute dank verbesserter Netze fischfreundlicher.

Fangmethoden

PeLagische schLePPnetze ermöglichen eine intensive Befischung oberhalb des Meeresbodens. Problem ist oft der Beifang.

gRundschLePPnetze besitzen Ketten oder Metallkugeln und Scherblätter, die über Meeresboden schrammen. Im Netz landen auch viele andere Tiere.

BaumkuRRen sind spezielle Grundschlepp-netze, die von einer Querstange, dem

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rOTbArsch

infO: Lebt im nördlichen Atlantik in bis zu 1000 Meter Tiefe. Meist rund 50 cm groß. Sehr spät geschlechtsreif, darum alle Bestände stark überfischt. Sein Fleisch wird meist zu Fischfilet verarbeitet.fAnGMeThODe: pelagisches Schleppnetz, GrundschleppnetzeMPfehLUnG: Im Einkaufswagen tabu!

KArPfen

infO: Ursprünglich in Kaspischem Meer und Aralsee beheimatet, heute weltweit verbreitet. Zucht in Teichen, Seen, Bergbauseen. Ernährt sich überwiegend vegetarisch, daher problemlos in der Haltung. Produktion in Deutschland: 11 000 Tonnen im Jahr.fAnGMeThODe: Angel, NetzeMPfehLUnG: Naturland-Siegel bevorzugen.

scheLLfisch

infO: Stammt z.B. aus Biskaya, Nordsee, Barentsee, Island, Grönland. Erreicht 100 cm Länge und 14 Kilo Gewicht. Stand auf der Liste der bedrohten Arten. Bestand leicht erholt.fAnGMeThODe: meist GrundschleppnetzeMPfehLUnG: Fisch aus Island, Nordsee, Norwegen und Nordostatlantik ist noch in Ordnung. Auf MSC-Siegel achten.

fOreLLe

infO: Lebt in kalten Bächen, Flüssen, Seen und Baggerseen. Wird je nach Art 80 cm lang und 3 Kilo schwer.fAnGMeThODe: Angel, NetzeMPfehLUnG: Direkt beim Züchter kaufen und das Naturlandsiegel bevorzugen. Nicht empfehlenswert: Regenbogenforelle aus Zuchtkäfigen

schOLLe

infO: Der Plattfisch lebt u.a in der Nordsee und im Mittelmeer. Beim Fischen fällt bis zu 50 Prozent Beifang an; wird Seezunge gefischt, ist Scholle Beifang, der über Bord geht.fAnGMeThODe: BaumkurreeMPfehLUnG: Greenpeace rät zu Fischen aus kleinen Fanggebieten (Grundlangleine; Aleuten, Beringsee, Golf von Alaska).

seeLAchs

VOrKOMMen: Lebt an Küsten und im offen -en Meer im Nordatlantik und in der nörd - lichen Nordsee in bis zu 250 Metern Tiefe. Wird bis zu 30 Jahre alt und 120 cm lang. Heißt eigentlich Köhler und ist kein Lachs.fAnGMeThODe: pelagisches Schleppnetz, Langleine, RingwadeeMPfehLUnG: MSC-Siegel bevorzugen

sArDine

infO: Große Schwärme in Atlantik, Nordsee und Mittelmeer. Wird im Schnitt rund 20 cm groß und 200 g schwer. Wenige, aber stabile Bestände. Sardinen werden von Delfinen gefressen, wenige Berichte über Beifänge.fAnGMeThODe: pelagisches Schleppnetz, RingwadeeMPfehLUnG: MSC-Siegel bevorzugen

herinG

infO: Schwarmfisch, lebt vorwiegend im Nord atlantik, auch in Nord- und Ostsee. Er - nährt sich von tierischem Plankton. Wichtig als Beute für andere Fische.fAnGMeThODe: pelagisches Schleppnetz, StellnetzeMPfehLUnG: Kein Hering aus der Ostsee und Nordostatlantik, Bestand ist gefährdet.

Es ist so eine Sache mit dem Fisch. Ernährungs- wissenschaftler empfehlen, genug davon zu essen. Wertvolle Omega-3-Fettsäuren! Andererseits: Je nach Berechnung sind rund 50 Prozent der Bestände weltweit überfischt. Was also darf noch auf den Teller oder ist mit Einschränkungen zu empfehlen? Diese Übersicht der zwanzig in Deutschland beliebtesten Fische und Meeresfrüchte erklärt es

RecheRche Christian Sobiella IllustRatIon Charlotte Simon

FRiend oF the sea

Zertifiziert Fisch aus nachhaltiger Fischerei und Aquakultur. Orientiert sich an UN-Richtlinien, die allerdings

nicht besonders streng sind

msc

Bekanntestes Label für Meeresfisch. Hat auch Schwächen, etwa dass

Fischen mit Grundschleppnetz erlaubt ist. Trotzdem empfehlenswert

natuRLand

Das Bio-Label unterstützt Projekte für nachhaltige Fischerei und Aquakultur.

Berücksichtigt die gesamte Lieferkette. Sehr transparent. Das beste Siegel

Noch zu empfehlen

Finger weg

Auf den Teller

ALAsKA-seeLAchs

infO: Heißt eigentlich Pazifischer Pollack, lebt in den Küstengebieten des nördlichen Pazifiks. Spielt in der Fischerei erst seit 1984 eine Rolle und wird in Fischstäbchen und Schlemmerfilets verarbeitet.fAnGMeThODe: pelagisches SchleppnetzeMPfehLUnG: Viele Bestände sind über -fischt. Auf MSC-Siegel achten.

ThUnfisch/bOniTO

infO: Lebt in allen warmen Meeren, bis zu 300 cm lang und 300 kg schwer. Wird als Jungtier gefangen und in Farmen mit Fisch gefüttert. Alle Arten überfischt, die Bestände des Gelbflossenthun sind relativ stabil.fAnGMeThODe: Ringwade, LangleineeMPfehLUnG: Wenn überhaupt, nur Dosen mit MSC-Siegel kaufen.

KAbeLjAU/DOrsch

infO: Häufig im Nordostatlantik und in der Barentsee. Wird bis zu 140 cm groß und 40 kg schwer. In der Ostsee heißt er Dorsch, dort gibt es wieder gesunde Bestände.fAnGMeThODe: GrundschleppnetzeMPfehLUnG: Auf MSC-Siegel achten. Greenpeace empfiehlt Kabeljau aus dem Golf von Alaska.

LAchs

infO: Häufig im Nordatlantik, Pazifik und Nordsee. In der Zucht gibt es Krankheiten und Wasserverschmutzung durch Fäkalien. Futter ist Fischmehl, 3 kg ergeben 1 kg Lachsfleisch.fAnGMeThODe: Ringwade, Schleppangel, Stellnetz, FalleeMPfehLUnG: Lachs aus Schottland mit Naturland-Siegel bevorzugen.

PAnGAsiUs

infO: Süßwasserfisch, der z.B. im Mekong lebt und bis zu 150 cm lang wird. Stammt aus (Käfig-) Zucht von Reisfeldern in Vietnam, China und Thailand. Die langen Transport- wege sind ökologisch problematisch.fAnGMeThODe: Angel, NetzeMPfehLUnG: Pangasius aus geschlossenen Tanks in Vietnam von Naturland zertifiziert.

MAKreLe

infO: Schwarmfisch, z.B. in Nordostatlantik, Mittelmeer, Schwarzmeer und Nordsee be - heimatet. Wichtige Beute für große Fische. Seit den 1950er-Jahren überfischt, wird durch Höchstfangquoten geschützt.fAnGMeThODe: pelagisches SchleppnetzeMPfehLUnG: Vorerst nicht kaufen. MSC hat vielen Fischereien Siegel entzogen.

GArneLen

infO: Heißen auch Scampi oder Shrimps. Kommen weltweit vor. Nordseegarnelen werden zum Pulen nach Marokko gefahren. Fang schädigt Meeresboden, viel Beifang.fAnGMeThODe: Baumkurre, Grundschlepp -netzeMPfehLUnG: Am besten Eismeergarnelen mit MSC-Siegel kaufen.

jAcObsMUscheL

infO: Stammt aus östlicher Atlantikküste, vor Mittel- und Südeuropa, Mittelmeer. Im Handel sind meist Muscheln aus Schottland, Frank - reich, Irland. Fang zerstört Meeresboden.fAnGMeThODe: Dresche (Schleppnetzmit kleinen, spitzen Kanten)eMPfehLUnG: Ernte von Tauchern im Atlantik vor Norwegen bevorzugen.

hUMMer

infO: Die europäische Art, die bei uns meist verkauft wird, lebt in Alantik und Mittelmeer. Hummer in der Nordsee (Helgoland) sind bedroht. Werden beim Kochen lebend in siedendheißes Wasser geworfen.fAnGMeThODe: Korb, ReuseeMPfehLUnG: Nach Hummern aus dem Fanggebiet Nordostatlantik fragen.

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Gegründet vom WWF, zertifiziert Fisch aus Aquakultur. Nicht ganz unumstritten, weil u.a. bestimmte

Medikamente zugelassen sind

Seite 92ratgeber

Seite 59Politik & Gesellschaft

Und Action!

Seite 53Unternehmen

Auf AugenhöheWenn Lehrer an ihre Grenzen geraten, hilft das Unternehmen „Dialog macht Schule“.

Es schickt junge Mentoren in Brennpunktschulen, und die machen das, was im Unterricht häufig zu kurz kommt: Sie schlichten Streit und hören zu

TExT Kristin Oeing FoTos Esteve Franquesa und Kathrin Harms

Das zierliche Mädchen schreit:

„Was beleidigst du denn ihre Mutter?“ Seine Wangen sind gerötet, die Haare zum Zopf geflochten. Mit schnellen

Schritten stürmt es durch das Klassenzim-mer und bleibt wenige Zentimeter vor dem Gesicht eines Klassenkameraden stehen. Der 12-Jährige brüllt umgehend zurück:

„Sie hat angefangen, sie hat mich einen Zwerg genannt!“ Mitschüler mischen sich

ein, rempeln, schubsen, ergreifen Partei für die eine oder andere Seite. Die Kinder spucken Worte über den grauen Linoleum-boden; aggressiv, einschüchternd, verlet-zend. Es schlummert viel Wut in den klei-nen Körpern.

Beim Klingeln zur ersten Schulstunde steht der Streit kurz vor der Eskalation. Eine Minute lässt Dialogmoderatorin Mary Korkis, 29, die Kinder schreien, dann mischt sie sich mit kräftiger Stimme ein:

„Wenn ihr euch untereinander beleidigt, ist das eure Sache. Aber Freunde oder Fa-milienmitglieder sind tabu, die haben mit eurem Streit nichts zu tun.“ Die Kinder rechtfertigen sich lautstark, die junge Frau mit den langen dunkelbraunen Haaren, dem schwarzen Blazer und den rosalackier-ten Fingernägeln hört ihnen mit hochge-zogenen Augenbrauen zu. Dann schüttelt sie den Kopf. „Ihr beleidigt schnell, weil ihr denkt, dass es witzig ist. Aber aus Spaß

wird ganz schnell Ernst. Und jetzt fangen wir an, setzt euch bitte.“ Es wird gemurrt, Rucksäcke fliegen in die Ecke, aber wie von unsichtbaren Fäden gelenkt, setzen sich die Kinder auf ihre Plätze im Stuhl-kreis. Plötzlich können sie wieder lachen. Es gleicht einem kleinen Wunder.

Als Wunder würden es Mary Korkis und ihr Kollege Fadl Speck, 25, nicht bezeich-nen, eher als harte Arbeit. „Manchmal ist es ein Ritt auf der Rasierklinge. Oder als würden wir versuchen, einen wilden Bul-len zu zähmen“, sagt Speck. „Nach so ei-ner Stunde ist man erschöpft.“ Seit einem Dreivierteljahr begleiten die beiden Aka-demiker jeden Montag zwölf Schüler der 8. Klasse einer sogenannten Brennpunkt-schule in Berlin, die meisten von ihnen haben einen Migrationshintergrund.

Korkis und Speck arbeiten neben ihren Berufen für das gemeinnützige Unterneh-men „Dialog macht Schule“, das aus dem Modellprojekt „Jugend, Demokratie, Re-ligion“ der Robert-Bosch-Stiftung und der Bundeszentrale für politische Bildung ent-standen ist. Knapp sechzig Dialogmode-ratoren stehen als Mentoren, Diskussions-partner und Streitschlichter Schülern in Berlin, Stuttgart und Wuppertal zur Seite. Sie reden mit ihnen über Politik, Identi-tät, Religion und Gerechtigkeit, in dieser Klasse momentan auch immer wieder über Sexualität. „Die Schüler kommen gerade in die Pubertät, sie wollen über Rollenbil-der sprechen, darüber wie der Traummann, die Traumfrau aussieht“, sagt Fadl Speck. Die Moderatoren lassen Raum für Diskus-

sionen. Ihnen ist es wichtig, dass die Schü-ler zuhören, sich eine Meinung bilden und diese vertreten, andere Meinungen akzep-tieren, lernen mit Worten zu streiten, nicht mit Fäusten. Gemeinsames Lachen, eine Umarmung, ein Schulterklopfen sind Teil der Kommunikation. Nähe schafft Ver-

trauen. Oft sind die Dialogmoderatoren in einer Lebenswelt aufgewachsen, die de-nen der Jugendlichen ähnelt, in Einwan-dererfamilien, entwurzelt, ein neues Le-ben in Deutschland wagend.

Einen Neustart versuchten auch Siamak Ahmadi und Hassan Asfour, die Gründer von „Dialog macht Schule“. Die beiden Berliner arbeiteten erst zwei Jahre lang als Dialogmoderatoren für „Jugend, Demo-kratie, Religion“, überführten das Projekt im März 2013 in feste Strukturen und machten es damit zum eigenständigen Trä-ger politischer Bildung. Heute sind sie Ge-schäftsführer der gemeinnützigen GmbH, ein Titel, an den sie sich noch gewöhnen müssen. Ihr Büro liegt in einem Altbau in

Korkis im Gespräch mit einem 14-jährigen Schüler. Der Junge in der blauen Jacke war erst rebellisch, schätzt die Dialogmoderatoren aber

Dialogmoderatorin Mary Korkis mit Schülerinnen einer 8. Klasse

„Manchmal ist es ein Ritt auf der Rasierklinge. Oder als würden wir versuchen, einen wilden Bullen zu zähmen“

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