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Kombikraftwerke – Bauplanung und Bauausführung im europäischen Umfeld 1 Einleitung Kombikraftwerke stellen eine neue, umwelt- freundliche Technologie zur Stromerzeugung dar. Bei einem Kombikraftwerk wird die Wärme der heißen Gasturbinenabgase in einem Abhitzekessel zur Dampferzeugung genutzt. Der erzeugte Dampf wird anschlie- ßend in einer nachgeschalteten Dampftur- bine „verstromt“. Deshalb werden diese Kraftwerke, in denen ein Gas- und ein Dampfturbinenprozess miteinander kombi- niert sind, Kombikraftwerke genannt (GuD © - Kraftwerke; englisch „combined cycle“). Der Dampfturbine kann zusätzlich je nach Auslegung Prozessdampf für industrielle Zwecke oder Fernwärme entnommen wer- den (Kraft-Wärme-Kopplung; englisch „co- generation“). Ein Vorteil der Kombikraft- werke liegt in dem hohen Brennstoffaus- nutzungsgrad zufolge dieser Kraft-Wärme- Kopplung. Moderne Kombikraftwerke er- reichen Wirkungsgrade von bis zu 60 Pro- zent und lassen sich zudem auch rasch und kostengünstig bauen. Die Investitions- kosten sind deutlich geringer als bei Kern- kraftwerken, ein Umstand, der sie für die Elektrizitätswirtschaft in einem liberalisierten Strommarkt besonders attraktiv macht. Die Leistung von Kombikraftwerken bewegt sich zwischen 100 – 1.600 MW. Die Bauplanung und Bauausführung von Kombikraftwerken stellt in mehrfacher Hin- sicht eine besondere Herausforderung dar: Die besonderen Anforderungen an die Bau- werke und die kurzen Planungs- und Bau- zeiten erfordern ein solides Verständnis aller Fachgebiete und eine hohe Flexibilität. In dem vorliegenden Artikel werden einige wesentliche Aspekte der Bauplanung und Bauausführung von Kombikraftwerken anhand von verschiedenen Projekten in Ungarn, in der Türkei, in Nordirland und in Griechenland beschrieben, an denen der Autor beteiligt war. 2 Aufgabe und Umfeld Kombikraftwerke werden in der Regel von als Generalunternehmer fungierenden An- lagenbaufirmen errichtet. Der Anteil der Baukosten an den Gesamtkosten ist relativ gering (8 – 15 %), aber der Bau spielt eine wesentliche Rolle hinsichtlich der Einhaltung der Gesamterrichtungszeit. Die kurzen Er- richtungszeiten von zwei Jahren setzen die Bauplanung unter hohen Druck. Die Anga- ben für die Bauplanung werden meistens zeitlich am spätesten festgelegt, die Bau- pläne allerdings zeitlich am ehesten verlangt. Ein hoher Grad an Vorkenntnis und auch an Improvisation des Bauplaners ist erforder- lich, um diesem Umstand gerecht werden zu können. Die Bauplanung von Kombikraftwerken um- fasst ein breites Spektrum, wobei der Bau- stoff Stahlbeton eine sehr wichtige Rolle spielt: Die Maschinenhallen mit sehr schwer belasteten Hallendecken, die dynamisch beanspruchten Gas- und Dampfturbinen- fundamente, das Schaltwartengebäude mit unterschiedlich genutzten Geschossen, die als „Weiße Wanne“ auszuführenden Kühl- türme erfordern einen für Industriebauvor- haben dieser Größe typischen, hohen De- taillierungsgrad der Schal- und Bewehrungs- pläne. Eine aufwändige Dokumentation insbesondere der statischen und dynami- schen Berechnungen ergibt sich aus dem Umstand, dass die gesamte Bauplanung in der Regel eine Prüfinstanz des Eigen- tümers sowie die Prüfinstanzen der lokalen Behörden durchläuft. DI Dr. techn. Timur Uzunoglu Ingenieurkonsulent für Bauingenieurwesen convex ZT GmbH, Graz 2 Abb. 1: Querschnitt durch die Maschinenhalle und Schaltwartengebäude, KW Csepel II in Budapest/Ungarn [2] Grafik: © Uzunoglu & Konstruktionsbüro der AST BaugesmbH Z EMENT BETO

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Kombikraftwerke – Bauplanung undBauausführung im europäischen Umfeld

1 Einleitung

Kombikraftwerke stellen eine neue, umwelt-freundliche Technologie zur Stromerzeugungdar. Bei einem Kombikraftwerk wird dieWärme der heißen Gasturbinenabgase ineinem Abhitzekessel zur Dampferzeugunggenutzt. Der erzeugte Dampf wird anschlie-ßend in einer nachgeschalteten Dampftur-bine „verstromt“. Deshalb werden dieseKraftwerke, in denen ein Gas- und einDampfturbinenprozess miteinander kombi-niert sind, Kombikraftwerke genannt (GuD©-Kraftwerke; englisch „combined cycle“).Der Dampfturbine kann zusätzlich je nachAuslegung Prozessdampf für industrielleZwecke oder Fernwärme entnommen wer-den (Kraft-Wärme-Kopplung; englisch „co-generation“). Ein Vorteil der Kombikraft-werke liegt in dem hohen Brennstoffaus-

nutzungsgrad zufolge dieser Kraft-Wärme-Kopplung. Moderne Kombikraftwerke er-reichen Wirkungsgrade von bis zu 60 Pro-zent und lassen sich zudem auch raschund kostengünstig bauen. Die Investitions-kosten sind deutlich geringer als bei Kern-kraftwerken, ein Umstand, der sie für dieElektrizitätswirtschaft in einem liberalisiertenStrommarkt besonders attraktiv macht. DieLeistung von Kombikraftwerken bewegtsich zwischen 100 – 1.600 MW.

Die Bauplanung und Bauausführung vonKombikraftwerken stellt in mehrfacher Hin-sicht eine besondere Herausforderung dar:Die besonderen Anforderungen an die Bau-werke und die kurzen Planungs- und Bau-zeiten erfordern ein solides Verständnisaller Fachgebiete und eine hohe Flexibilität.

In dem vorliegenden Artikel werden einigewesentliche Aspekte der Bauplanung undBauausführung von Kombikraftwerkenanhand von verschiedenen Projekten inUngarn, in der Türkei, in Nordirland und inGriechenland beschrieben, an denen derAutor beteiligt war.

2 Aufgabe und Umfeld

Kombikraftwerke werden in der Regel vonals Generalunternehmer fungierenden An-lagenbaufirmen errichtet. Der Anteil derBaukosten an den Gesamtkosten ist relativgering (8 – 15 %), aber der Bau spielt einewesentliche Rolle hinsichtlich der Einhaltungder Gesamterrichtungszeit. Die kurzen Er-richtungszeiten von zwei Jahren setzen dieBauplanung unter hohen Druck. Die Anga-ben für die Bauplanung werden meistenszeitlich am spätesten festgelegt, die Bau-pläne allerdings zeitlich am ehesten verlangt.Ein hoher Grad an Vorkenntnis und auch anImprovisation des Bauplaners ist erforder-lich, um diesem Umstand gerecht werdenzu können.

Die Bauplanung von Kombikraftwerken um-fasst ein breites Spektrum, wobei der Bau-stoff Stahlbeton eine sehr wichtige Rollespielt: Die Maschinenhallen mit sehr schwerbelasteten Hallendecken, die dynamischbeanspruchten Gas- und Dampfturbinen-fundamente, das Schaltwartengebäude mitunterschiedlich genutzten Geschossen, dieals „Weiße Wanne“ auszuführenden Kühl-türme erfordern einen für Industriebauvor-haben dieser Größe typischen, hohen De-taillierungsgrad der Schal- und Bewehrungs-pläne. Eine aufwändige Dokumentationinsbesondere der statischen und dynami-schen Berechnungen ergibt sich aus demUmstand, dass die gesamte Bauplanungin der Regel eine Prüfinstanz des Eigen-tümers sowie die Prüfinstanzen der lokalenBehörden durchläuft.

DI Dr. techn. Timur UzunogluIngenieurkonsulent für Bauingenieurwesenconvex ZT GmbH, Graz

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Abb. 1: Querschnitt durch die Maschinenhalle und Schaltwartengebäude, KW Csepel II in Budapest/Ungarn [2] Grafik: © Uzunoglu & Konstruktionsbüro der AST BaugesmbH

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3 Die Schnittstelle zwischen Bau- und Anlagenplanung

Eine funktionierende Schnittstelle zwischenAnlagen- und Bauplanung ist Voraussetzungfür eine termingerechte und richtige Bau-planung. Alle in diesem Beitrag dargestelltenProjekte wurden innerhalb von 27 Monatenerrichtet (Zeitraum zwischen Vergabe undInbetriebnahme), es handelt sich um sogenannte „fast-track“-Projekte. Um die sehrengen terminlichen Vorgaben zu halten, isteine intensive und kontinuierliche Koordi-nation und Überprüfung der Bauplanungerforderlich. Alle Baudokumente müssen voneiner zentralen, koordinierenden Stelle ausmit den Lieferanten, den Systemingenieurenund dem Kunden abgestimmt werden. Da-bei müssen die oftmals vertraglich festge-legten, spezifischen Anforderungen derSystemlieferanten sowie der Kraftwerksbe-treiber berücksichtigt werden.

Für den Anlagenbauer stellt der Bau (nur)eine weitere Funktionalität dar, eine Betrach-tungsweise, die der Bauplaner nicht ge-wohnt ist. Aus diesem Grund werden Stan-

dardisierungen vorgenommen, die sowohlInformationsgehalte (Anforderungen, Last-angaben) als auch Vorgangsweisen (Bau-weisen, Konstruktionsdetails) betreffen. DieBauplanung muss dem Baufortschritt vor-auseilen, wird aber von den oftmals nurbegrenzt vorhandenen Informationen be-herrscht. Dieser Umstand enthält Elementedes „simultaneous engineering” und kannnur mit einer methodischen Vorgangsweisebewältigt werden. Zu diesem Zweck wurdefür diese Projekte ein standardisiertes Frei-gabe-Verfahren entwickelt, welches die ein-zelnen Schritte der Bauplanung definiert.Um diese Vorgehensweise zu verfolgen,wird ein Planungsterminplan erstellt, dereine Vorausschau aller erwarteten Doku-mente der Bauplanung und die Termine dereinzelnen Schritte des Freigabeverfahrensin Abhängigkeit von dem Bauterminplan fest-legt. Dieser Terminplan ist ein lebendigesDokument, wird wöchentlich revidiert undgibt somit den aktuellen Status der Bau-planung wieder. Der Planungsstatus undder aktuelle Revisionsindex von jedem Doku-ment werden dabei mit angeführt.

4 Wesentliche Bauteile eines Kombikraftwerkes

4.1 Maschinenhalle

In der Maschinenhalle befinden sich dieGas- und Dampfturbinen sowie die Gene-ratoren. Der Bereich der Dampfturbine istin der Regel unterkellert, um ausreichendPlatz für den unter der Dampfturbine gele-genen Kondensator zu schaffen. Die Halleist mit schweren Hallenkränen mit einerTragfähigkeit von bis zu 100 t ausgerüstet,um die Wartungsarbeiten bei den Maschinendurchführen zu können.

Im Inneren der Halle befinden sich Schwer-lastbühnen um die Turbinen auf verschie-denen Ebenen. Die Stahlbetondecke aufKote ±0,00 m wird als Transport- und War-tungsbereich in definierten Schwerlaststra-ßen für eine Befahrbarkeit beispielsweise miteinem SLW 60 gemäß DIN 1072, Abschnitt3.3 ausgelegt (entspricht einer äquivalentenFlächenlast von 33,3 kN/m2). Falls nichtanders angegeben, werden die Nutzlastenfür Decken und Bühnen gemäß der VGB-Richtlinie „Angabe und Verarbeitung vonLasten beim Bau konventioneller Kraftwerke“[1] gewählt. Weiters müssen die vertikalenund horizontalen Lasten der Hoch- und Nie-derdruckdampfverrohrung, der Kabeltassen,der Luftfilter für die Gasturbine sowie ver-schiedener mechanischer und elektrischerGeräte bei der Berechnung des Hallentrag-werks berücksichtigt werden (Abb. 1).

4.2 Turbinenfundamente

Sehr anspruchsvolle Teile der Bauplanungbetreffen die Gas- und Dampfturbinenfun-damente aus Stahlbeton. Sie tragen diestatischen und dynamischen Lasten derTurbinen-Generator-Einheiten. Aufgrund dermassiven Bauweise liegen die Nachweiseder Gebrauchstauglichkeit oftmals mehr imVordergrund als die der Standsicherheits-

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Abb. 2: Federelemente zur Lagerung des Gasturbinenfundaments, KW Coolkeeragh in Londonderry /Nordirland Foto: © Uzunoglu

Page 3: ZEMENT O T E B Kombikraftwerke – Bauplanung und ......Kombikraftwerke – Bauplanung und Bauausführung im europäischen Umfeld 1 Einleitung Kombikraftwerke stellen eine neue, umwelt-freundliche

nachweise. Es gilt sowohl die Regelwerkewie DIN 4024, VDI 2056, ISO 10816 alsauch die projektspezifischen Anforderungender Turbinen- und Generatorhersteller zuerfüllen [3]. Das dynamische Verhalten derFundamente wird anhand der Lage seinerEigenfrequenzen zu den Betriebsfrequenzen(Umdrehungen der Turbine pro Zeiteinheit)beurteilt. Dabei ist ein Abstand der Eigen-frequenzen des Systems von ±10 % zurBetriebsfrequenz einzuhalten. Weiters werden die Schwingungsamplituden bzw.Schwinggeschwindigkeiten an den Lager-stellen der rotierenden Massen berechnetund mit den zulässigen Grenzwerten gemäß

Angabe der Maschinenhersteller verglichen.Um einen frühzeitigen Verschleiß der Tur-binenwelle zu verhindern, werden zusätzlichdie absoluten und relativen statischen Ver-formungen an diesen Lagerstellen unter-sucht und die Erfüllung der so genannten„Misalignment Tolerance Matrix“ nachge-wiesen.

Die Lagerung der Turbinenfundamente wirdauf die Baugrundverhältnisse und auf dieeventuell vorhandene Seismizität abge-stimmt. Bei gutem Baugrund und tief lie-gendem Grundwasserspiegel können dieFundamente direkt auf den Baugrund ge-

setzt werden. Sie werden durch eine Trenn-fuge von den restlichen Hallenfundamentengetrennt, um eine Übertragung von Schwin-gungen zu vermeiden. Auf diese Fuge kannverzichtet werden, wenn durch entspre-chende Maßnahmen die dynamischenLasten der Turbinen-Generator-Einheitenisoliert werden. So können bei schlechtemBaugrund und zu erwartenden Differenz-setzungen die Fundamente auf Federele-mente gesetzt werden, welche eine nach-trägliche Nivellierung erlauben (Abb. 2).Ebenfalls ist bei Vorhandensein von Grund-wasser eine dynamische Isolierung uner-lässlich. Bei hohen Erdbebenlasten müssenzusätzlich viskose Dämpfer angeordnetwerden, um die horizontalen Verformungenim Erdbebenfall zu reduzieren.

Um einen möglichst reibungslosen undsicheren Bauablauf bei der Bauausführungvon Turbinenfundamenten zu gewährleisten,werden so genannte „Method Statementof Construction“ erarbeitet, bei denen dieVerantwortlichen, die Vorgangsweisen unddie erforderlichen Sicherheitsmaßnahmenfestgehalten werden. Das Betonieren derGas- und Dampfturbinenfundamente erfor-dert eine sehr genaue Arbeitsvorbereitung.Um mögliche Schwachstellen bei Arbeits-fugen zu vermeiden, müssen die Funda-mente in einem Arbeitsgang gegossen wer-den, das entspricht bei einem Blockfunda-

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Abb. 3: Gasturbinenfundament mit Gasturbine (rechts) und Generator (links), KW Coolkeeragh in Londonderry /Nordirland Fotos: © Uzunoglu

Abb. 4: Dampfturbinenfundament, KW Thessaloniki /Griechenland

Abb. 5: Verankerungsbolzen im Dampfturbinenfundament, KW Thessaloniki /Griechenland

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ment für eine Gasturbine einer Betonmengevon bis zu 1.100 m3. Deshalb wird eineRisikoanalyse durchgeführt und das Vor-halten eines Ersatzes für alle verwendetenGeräte sowie einer Stand-by-Betonliefer-anlage vorgeschrieben. Eine mit den lokalvorhandenen Zementen und Zuschlägen er-arbeitete Betonrezeptur stellt sicher, dass derin der dynamischen Berechnung angenom-mene Beton-E-Modul mit einer Genauigkeitvon ±10 % erreicht wird. Eine sehr genaueArbeitsvorbereitung ist erforderlich, um u.a.die sehr geringen Einbautoleranzen der Ein-bauteile (± 5 mm) einzuhalten, ein Verschie-ben des Bewehrungskorbes zu verhindernsowie ein rasches Ansteigen der Hydrata-tionstemperatur und die daraus resultierendeRissbildung zu vermeiden. In der Regel wirdmit mehreren Betonpumpen in wagrechtenLagen von 45 – 50 cm und mit einer Beto-niergeschwindigkeit von 16 – 32 cm/h beto-niert. Durch kontinuierliche Messungen derBetontemperatur wird die Temperaturdiffe-renz zwischen Kern und Rand berechnetund die entsprechenden Nachbehandlungs-maßnahmen werden festgelegt.

4.2.1 Blockfundamente

Die Abmessungen der Blockfundamentefür Gasturbine und Generator ergeben sicheinerseits aus dem Platzbedarf der Maschi-nen und andererseits aus den zulässigenSchwinggeschwindigkeiten an den Lager-stellen. Die statische und dynamischeBerechnung erfolgt in der Regel nach derDIN 4024, Teil 1. Zur Ermittlung der Eigen-frequenzen wird das Fundament mit einem3-D-Finite-Elemente-Modell abgebildet. Bei der Modellierung mit Schalenelemen-ten muss darauf geachtet werden, dassdie Dicken der Elemente gegenüber denAbmessungen klein sind, da ansonsten dieSchalentheorie nicht zutrifft und die Eigen-frequenzen unterschätzt werden. Der dyna-mische E-Modul des Betons wird üblicher-weise um 10 % höher als der statische E-Modul, die Dämpfung im Bereich von 2 – 5 % angenommen.

So kann beispielsweise bei gegebenen Un-wuchtkräften von 65 kN und bei einer Be-triebsfrequenz von 50 Hz (3.000 min-1) dievom Turbinenlieferanten geforderte Schwing-

geschwindigkeit von 1,52 mm/s (entsprichteiner Schwingamplitude von 6,8 mm) beieiner Höhe des Blockfundamentes von 2,9 m eingehalten werden (Abb. 3).

4.2.2 Tischfundamente

Das Erfordernis für Tischfundamente ergibtsich bei Dampfturbinen aus der vertikalenAnordnung des Kondensators unter derDampfturbine. Auch spielt die Anschlussartdes Kondensators an die Dampfturbine eineentscheidende Rolle bei der Auslegung desFundamentes: Ein starrer Anschluss verur-sacht große Verformungen im Lastfall Vaku-umzug, sodass flexible Anschlüsse mit Kom-pensatoren in der Regel bevorzugt werden.In diesem Fall wird der Kondensator aufFederelemente gestellt, um eben diese Be-wegung zu erlauben. Die obere Platte kanndurch Federelemente dynamisch vom rest-lichen Fundament getrennt (Abb. 4) oder bie-gesteif mit den Stützen verbunden werden.

Um die Anforderungen an die Betriebsbe-reitschaft der Anlage nach einem Erdbebenzu erfüllen, müssen die Verformungen derMaschinenfundamente im Erdbebenfall be-grenzt werden. Insbesondere bei Tischfun-damenten sollte dabei die statische unddynamische Berechnung am Gesamtsystemobere Platte, Stützen und Bodenplatte er-folgen, um eine korrekte Prognose der Ver-formungen zu erhalten. Sowohl die Turbineund Generator als auch der Kondensatormüssen mit ihren Massen und ihrer höhen-

mäßigen Lage in der Berechnung berück-sichtigt werden.

Aufgrund der großen Maschinenmassenkann eine vereinfachte Erdbebenberechnung(Quasi-statische Methode oder auch dieAntwortspektren-Methode) zu unwirtschaft-lichen Ergebnissen führen. In diesem Fallführt die Zeitverlaufsmethode zu realisti-scheren Ergebnissen.

Die Höhe und Stärke der oberen Platte(zwischen 2 – 2,5 m) stellen auch die Bau-ausführung vor erhebliche Schwierigkeiten.Aufgrund der großen Öffnung in der Platteunter der Dampfturbine ergeben sich starkbewehrte Balken mit einer großen Anzahlvon Einbauteilen, auf die bei den Beweh-rungszeichnungen besonders zu achten ist(Abb. 5).

4.3 Schaltwartengebäude

Das Schaltwartengebäude ist in der Regeleine drei- bis viergeschossige unterkellerteStahlbetonkonstruktion, die entweder direktoder durch einen Kabelkanal mit der Maschi-nenhalle verbunden ist. Während im ober-sten Geschoss die Steuerungsräume unter-gebracht sind, befinden sich in den unterenGeschossen Batterien, Schaltschränke undTrafos mit schweren Geschosslasten. Fallseine gemeinsame Achse zwischen der Ma-schinenhalle und dem Schaltwartengebäudevorhanden ist, kann an dieser eine Stützen-reihe eingespart werden (Abb. 6).

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Abb. 6: Schaltwartengebäude im Bauzustand, KW Coolkeeragh in Londonderry/Nordirland

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In so einem Fall ist allerdings eine genaueErmittlung der Beanspruchungen erforder-lich, weil das Schaltwartengebäude auf-grund der Steifigkeitsverhältnisse auch alsaussteifender Kern für die Maschinenhalledient. So wurde bei dem Schaltwartenge-bäude des KW Coolkeeragh ein 3-D-Finite-Elemente-Modell erstellt, um die Lastver-teilung auf die zwei Stiegenhäuser und diebauwerkshohe Querwand aus Stahlbetonzu ermitteln (Abb. 7).

4.4 Abhitzekessel- und Kaminfundamente

Im Abhitzekessel wird mit den heißen Ab-gasen der Gasturbine Dampf für den Betriebder Dampfturbine erzeugt. Üblicherweisewird der Abhitzekessel von einem Haupt-gerüst aus 6 oder 8 Stahlstützen getragen.Je nach Projekt wird der Abhitzekessel miteiner Einhausung versehen oder auch frei-stehend gelassen. Als Fundierung sind eine

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Abb. 8: Fundierung des Abhitzekessels, KW Ankara/Türkei

Abb. 7: Statisches Modell des Schaltwartengebäudes, KW Coolkeeragh inLondonderry /NordirlandGrafiken: © Uzunoglu & Babtie Group Ltd

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steife Bodenplatte und/oder eine Pfahlgrün-dung erforderlich, um die strengen Grenz-werte der Differenzsetzungen einzuhalten.In Erdbebengebieten wird oftmals das Stahl-betonfundament einige Meter unter Niveaugelegt, um mit der Auflast des Erdreicheswirtschaftlich den hohen Kippmomentenentgegenzuwirken (Abb. 8).

4.5 Kühlwasserbauwerke

Zur Kühlung und Kondensierung desDampfs in dem der Dampfturbine ange-schlossenen Kondensator ist Kühlwassererforderlich. Aus diesem Grund werdenKombikraftwerke in der Nähe von Flüssenmit ausreichenden Wasseraufkommen oderin der Nähe des Meeres errichtet. Das Kühl-wasser wird mit vertikalen Tauchmotorpum-pen mit Axialpropellern angesogen undweitergepumpt. Deshalb ist eine Pumpen-kammer mit einer Tiefe von 7–8 m unterNiveau erforderlich (Abb. 9). Diese Pumpen-kammer wird als wasserdichtes Bauwerkaus Stahlbeton ausgeführt, wobei die Re-geln der ÖVBB-Richtlinie „Weiße Wanne“eingehalten werden. Bei Anlagen am Meerist darauf zu achten, dass die Bauwerke

auch meereswasserbeständig sind. In Erd-bebengebieten kann die Gefahr der Boden-verflüssigung eine Pfahlfundierung erforder-lich machen. Über der Pumpenkammerwird eine Halle mit Kran zur Wartung derPumpen vorgesehen. Die temporären Maß-nahmen zur Sicherung der Baugrube sindoftmals schwierig, bedingt durch die Nähezum Wasser (Abb. 10). Verschiedene Mög-lichkeiten wie rückverankerte Schlitzwändeoder Bohrpfahlwände, die nachträglich indie endgültigen Bauwerkswände integriertwerden, oder ausgespreizte Spundwändesowie Wasserhaltungsmaßnahmen müssenuntersucht werden. Die Nähe zum Wasserbirgt immer ein gewisses Risiko, so müssenauch Risikoanalysen für die Bauzuständedurchgeführt werden, um eine Überflutungder Baugrube zu vermeiden.

Weiters werden Kühltürme zur Abkühlungdes Wassers vorgesehen, bevor es wiederin den Kühlwasserkreislauf eingespeist wird.Auch diese Bauwerke müssen wasserdichtund meereswasserbeständig ausgeführtwerden.

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Abb. 10: Standort des Kühlwassereinlaufbauwerks, KW Thessaloniki /Griechenland

Abb. 9: Kühlwassereinlaufbauwerk, KW Thessaloniki /Griechenland Fotos: © Uzunoglu

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4.6 Wasseraufbereitung

Ein wichtiges Element eines Kombikraft-werkes ist das Wasseraufbereitungsge-bäude mit den zugehörigen Wassertanks.Insbesondere in Erdbebengebieten mussauf die Fundierung der bis zu 20 m hohenTanks mit einem Durchmesser von 25–30 mbesonders geachtet werden. Die Tankswerden in der Regel auf ein Ringfundamentaus Stahlbeton gesetzt und mit massivenBolzen verankert (Abb. 11).

4.7 Besondere Anforderungen in Erdbebengebieten

In Erdbebengebieten kommt dem erdbeben-gerechten Entwurf der Bauwerke einebesondere Bedeutung zu. Die Grundsätzein der Grundriss- und Aufrissgestaltungsind in der Entwurfsphase der Tragwerke

zu berücksichtigen, insbesondere sindHöhensprünge in der Fundierungsebenezu vermeiden und die Kontinuität der verti-kalen Tragwerksglieder ist zu gewährleisten.In der Detailplanung sind die konstruktivenRegelungen der lokalen Erdbebennormenbesonders zu beachten, da diese von dergängigen Praxis im deutschsprachigenRaum abweichen [5, 6].

In Erdbebengebieten stellt sich dem Bau-planer zusätzlich zu den Nachweisen derStandsicherheit die Problematik des Zu-lassens von Schäden an der Baustrukturinfolge Annahme duktilen Verhaltens. Dieeinschlägigen Normen lassen eine Span-nungsumlagerung zu, indem die elastischenErdbebenlasten durch die Anwendung vonDuktilitätsfaktoren reduziert werden. Aller-dings sind die Normen in erster Linie auf denSchutz von Menschenleben ausgerichtet

und dementsprechend nicht immer anwend-bar, wenn besondere Anforderungen andie Gebrauchstauglichkeit gestellt werden.Kraftwerke gehören zu den als „life-lines“bezeichneten Bauwerken, welche ebengerade nach einem Erdbebenfall eine be-sondere Bedeutung erlangen, um die Strom-versorgung sicherzustellen. Oftmals sindVorgaben der Kraftwerksbetreiber über dieNutzung der Anlage nach einem ErdbebenVertragsbestandteil. So wird beispielsweiseverlangt, dass es zu keinem Ausfall derMaschinen nach einem Erdbebenereignisdefinierter Stärke kommt und der Betriebinnerhalb von einigen Stunden nach demErdbeben wieder aufgenommen werdenkann. Um diese Forderung zu erfüllen, sinddie mechanischen, elektrischen und bau-lichen Spezifikationen zu koordinieren. DieTurbinen und Generatoren werden mit Be-

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Abb. 11: Wasseraufbereitungsgebäude, Tankfundamente und Becken der Kühltürme, KW Ankara/Türkei Foto: © Uzunoglu

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schleunigungsmessern versehen, welchedie Maschinen bei Erreichen von unzulässi-gen Beschleunigungen abschalten (um z. B.einen Schaden durch das Anschlagen derSchaufeln an das Gehäuse zu verhindern).Rohrleitungen und deren Verbindungenwerden darauf ausgelegt, gewisse Verfor-mungen aufnehmen zu können. Schluss-endlich werden dem Bauplaner Grenzwerteder Verformungen im Erdbebenfall vorge-geben, die nachweislich einzuhalten sind.

5 Zusammenfassung

Die Bauplanung von Kombikraftwerken stelltden Bauplaner vor eine Herausforderung.Die Vielfalt der zu lösenden Aufgaben erfor-dert Kenntnisse in fast allen Sparten desBauingenieurwesens. Die kurze Bauzeit

setzt alle Beteiligte unter großen Druck –eine pragmatische, problemlösungsorien-tierte Zusammenarbeit aller Parteien istnotwendig. Unterschiedliche Vorschriftenund lokale Gegebenheiten wie z. B. dasErdbeben erfordern ein Einarbeiten in diePlanungsgepflogenheiten des betreffendenLandes, um später Schwierigkeiten bei denBehörden und Prüfingenieuren zu vermeiden.In dieser Hinsicht stellt die Einführung derEUROCODEs eine Verbesserung und Ver-einfachung dar.

Wenn auch nur im europäischen Raum,stellen die unterschiedlichen Sprachen undMentalitäten noch immer eine wesentlicheBarriere dar. Aber genau dieser Umstandist der besondere Reiz der Bauplanung imAusland – und macht jedes Projekt zu einemeinmaligen „Erlebnis“.

6 Literatur

[1] VGB R-602 U: Angabe und Verarbeitung vonLasten beim Bau konventioneller Kraftwerke. VGBTechnische Vereinigung der GroßkraftwerksbetreiberE.V., Essen. 1994.

[2] Nesitka, W.; Uzunoglu, T.: Cespel II CombinedCycle Power Plant. Structural Engineering Interna-tional, 3/2002.

[3] Uzunoglu, T.; Nawrotzki, P. und Hüffmann, G.: Statische und dynamische Berechnung vonTurbinenfundamenten aus Stahlbeton. Beton- undStahlbetonbau 100, Heft 10, Ernst & Sohn, Berlin.2005.

[4] Uzunoglu, T.; Özdemir, H.: Ankara Combined CyclePower Plant, Turkey. Structural Engineering Interna-tional, 4/2004.

[5] Specification for Structures to be Built in DisasterAreas, Ministry of Public Works and Settlement,Government of Republic of Turkey. 1998.

[6] EAK 2000 Greek Code for Seismic Resistant Structures. 2004.

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