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Energie kennt keine Interview mit dem Peruaner Jorge Vizcarra Mitfühlen Mitdenken Mithandeln Nachhaltiger Konsum Empathische Kommunikation Transparenz Bürgerbeteiligung zum Mitnehmen Das Magazin für bewusste Teilhabe Heft Nr. 1 Dezember 2014 urklang-magazin.de U rklang Ganzheitliche Wirklichkeitsmodelle Artgerechtes Lernen Gesellschaftliches Engagement Klang & Musik Dogmenfreie Wissenschaft

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Energie kennt keine

Interview mit dem Peruaner Jorge Vizcarra

Mitfühlen Mitdenken

Mithandeln

Nachhaltiger Konsum Empathische Kommunikation

Transparenz Bürgerbeteiligung

zum Mitnehmen

Das Magazin für bewusste Teilhabe

Hef

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2014

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UrklangGanzheitliche Wirklichkeitsmodelle Artgerechtes Lernen

Gesellschaftliches Engagement

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Herzlich Willkommen

Es ist soweit. Nach mehrmaligem Verschieben der Deadline liegt nun die er-ste Ausgabe des Urklangmagazins auf dem Tisch. Juchuh. Ich möchte allen, die mitgeholfen haben, dieses Projekt zu realisieren, von Herzen danken - allen voran Katrin Weiland, die sich liebevoll um das Layout des Magazins kümmert und Marcus Grellert, der mit viel Geduld und Klarsicht die Webseite entwickelt und betreut. Das Magazin soll und wird sich dynamisch entwickeln, mit uns und mit den Lesern. Ich lade Sie, ich lade Euch herzlich ein, mit uns gemeinsam einzutauchen in eine sich langsam, aber immer deutlicher offenbarende neue Welt(-sicht).Eine Welt, in der Kooperation, Vertrauen, Mitgefühl und gleichberechtigte Teil-habe aller an den gesellschaftlichen Prozessen selbstverständlich sind, um nur einige Merkmale zu nennen. Wie bitte? Angesichts der vielfältigen Krisen, die uns gerade nur so um die Ohren fliegen, und der Einfalt unserer lobbytreuen Politiker scheint das wohl eher ein frommer Wunsch zu sein als eine werdende Realität. Aber schaut man oder frau genauer und abseits der zahllosen Meldungen über Kriege, Umweltzerstörung, Finanzkrise etc., dann zeigt sich, dass es bereits sehr viele Projekte, Initiativen, Visionäre und Wissenschaftler aller Fachrichtun-gen gibt, die diese neue Weltsicht in ihrer Arbeit zum Ausdruck bringen. Die Tiefenökologin und Systemwissenschaftlerin Joanna Macy z.B. sagt, wir sei-en gleichzeitig Sterbebegleiter einer untergehenden und Geburtshelfer einer neuen Kultur (Artikel S. 4-7).Wir wollen mit dem Urklangmagazin eine Plattform für diese neue Kultur bzw. Weltsicht schaffen. In verschiedenen Rubriken werden wir Wegbereiter und Wegbereiterinnen zu Wort kommen lassen, empathiefördernde Kommunika-tionsmethoden vorstellen, uns mit nachhaltigem, fairen Konsum beschäftigen und Projekten der neuen Kultur die Gelegenheit geben, sich vorzustellen. Es wird auch um neue, spielerische Formen des Lernens gehen und um Musik - um gemeinschaftliches Singen, Musizieren und Tanzen, also Bereiche, in denen jenseits von Worten leicht ein von allen getragenes Wir-Gefühl entstehen kann, mal ganz abgesehen von der Freude, die dabei entsteht.In einem Veranstaltungskalender findet Ihr/ finden Sie Hinweise zu aus-gewählten Veranstaltungen, und unsere Webseite soll als Plattform für Aus-tausch und Vernetzung zu den genannten Themen dienen.Meine Motivation, dieses Magazin aus der Taufe zu heben, ist, dass ich er-kannt habe, dass ich die Wahl habe, welcher Weltsicht ich mich zuwende und welche Qualitäten ich in mir und um mich herum erleben möchte. „Ich sach ma so“, um eine typische Redewendung aus meiner norddeutschen Heimat zu verwenden: Ich habe mich für Vertrauen, Respekt und Mitgefühl und für die Liebe zum Leben entschieden. Und es ist mir eine Herzensangelegenheit, am liebsten zusammen mit anderen, dabei mitzuhelfen, dass diese Qualitäten sich ausbreiten. Mich selbst sehe ich dabei als Fehler machenden Aktions-forscher. Wer sich davon angesprochen fühlt, ist herzlich eingeladen, sich zu beteiligen, in welcher Form auch immer. In diesem Sinne wünsche ich viel Freude beim Lesen!

Hardo Bicker

Urklang

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Inhaltsverzeichnis

Veranstaltungsempfehlung

■ Der Wandel vom Ego-Bewusstsein zu einem ganzheitlich integrierenden BewusstseinSeite 4 - 7

■ Zuhören erweitert den Horizont Empathische KommunikationSeite 8 - 9

■ Das Kommen und Gehen von Kulturen vom Ich zum WirSeite 10 - 11

■ Energie kennt keine Wertung im Gespräch mit Jorge VizcarraSeite 12 - 13

■ Von Äpfeln und Konsorten Wiederbelebung der StreuobstwiesenkulturSeite 14 - 15

■ C3S - Die GEMA - Alternative Interview mit Danny BruderSeite 16 - 17

■ FAIR CAMP in Berlin Vernetzen am 16./17. Januar 2015

FAIR CAMPFr 16.01.15, Come TogetherSa 17.01.15, Wir haben es satt-Demo,Workshops, Lesungen, Film im EDENHHHHH in Berlin

Workshops MarktplatzNetworking Film // Exkursionen //

Stadt im Wandel in und um BerlinHamburgFrankfurt a.M.München ErnährungGesundheitBildung der ZukunftUrbanes GärtnernGemeinschaftSpiritual CareSozialunternehmerGemeinwohlökonomieEco FashionTransition Initiativen

// //

www.faircamp.deSeite 18

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Der Wandel vom Ego-Bewustsein

Seitdem es Menschen auf der Erde gibt, stellen sich diese wahrscheinlich die Frage nach dem Aufbau des sie umge-benden Universums bzw. nach ihrer Beziehung zu ihm. Im Laufe der Jahrtausende haben sie auf Grund ihrer Beobachtungen und Entdeckungen unterschiedliche Modelle bzw. Kosmologien entwickelt, die zur jeweiligen Zeit mit ihren jeweiligen Mit-teln wahrscheinlich die bestmöglichen waren. Durch die Betrachtung der Geschichte der Menschheit und ihrer Welterklärungs- modelle erkennt man, dass jedes Modell irgendwann von einem anderen abgelöst wurde, natürlich auch abhängig vom jeweiligen Kulturkreis.In der gegenwärtigen Zeit und in unse- rem weitreichenden Kulturkreis herrscht „noch“ das sogenannte mechanis-tisch materialistische Weltbild vor. In-nerhalb dieses dualistischen Modells gelten Geist und Materie als getrennt voneinander, und alles wird als aus aus-tauschbaren Einzelteilen bestehend be-trachtet.* (siehe rechte Spalte)Ein weiteres Merkmal ist der Satz vom ausgeschlossenen Dritten:

„Entweder das eine ist richtig oder das andere, ein Drittes gibt es nicht.“Ein historisches Beispiel dieser Denk-weise hat George Bush jun. im Jahr 2001 nach den Anschlägen auf das World Trade Center gegeben, und zwar in seiner bejubelten Rede vor dem Kon-gress mit dem Ausspruch: „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“. Man kann sich ärgern und die Hände über dem Kopf

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Ganzheitliche Wirklichkeitsmodelle

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zum ganzheitlich

integrierenden Bewusstsein

*In der Genetik werden unerwünschte Segmente des Genoms durch erwünschte ersetzt, in der Geopolitik unliebsame Regierungen durch scheinbar demokratischere. Der Erde werden Unmengen an Rohstoffen entnommen, wofür in riesigen Gebieten die komplette Flora und Fauna zerstört wird. Dieses Vorgehen hat offensichtlich weitreichende zerstörerische Konsequenzen. Es berücksichtigt nicht, dass die einzelnen Teile der jeweiligen Systeme vielfältig miteinander verwoben sind und diese sich über Jahrhunderte, Jahrtausende oder über noch längere Zeiträume entwickelt haben. Kein Mensch kann vorhersagen, wie die Langzeitfolgen dieser Eingriffe sind. Oft sind schon die kurzfristigen Auswirkungen verheerend, wie z.B. im Irak nach dem Sturz Saddam Husseins oder bei der Nutzung von gentechnisch verändertem sogenanntem „Terminator-Saatgut“, bei dem die Pflanzen gewollt sterile Samen produzieren, die die Bauern nicht für eine Neuaussaat verwenden können. Die weltweite Vernichtung von riesigen Flächen Regenwald für kurzfristige Profite ist nur aus diesem mechanistischen Denken heraus nachvollziehbar. Die Zerstörung der Lebensgrundlage der dort lebenden Indigenen, ihrer Kultur und der weltweit artenreichsten Pflanzen- und Tierwelt ist unverantwortlich und die Folgen auf das Ökosystem Erde nicht abzuschätzen.

zusammenschlagen ob dieser Einstel-lung, aber es ist die zur Zeit in unserer Kultur vorherrschende. Und um das zu erkennen, braucht man oder frau sich nur einmal unsere dominante Streitkultur anzuschauen, im engeren privaten und auch im öffentlich politischen Bereich. Entweder ich habe recht oder Du, beide können wir nicht recht haben.

Dass dieses mechanistische Weltbild wie alle vorherigen „nur“ eine temporäre Erscheinung ist und erwiesenermaßen einen Anfang in der Geschichte hatte, wird oft übersehen.1 Und dass es gerade dabei ist sich aufzulösen, um einem umfassenderen Modell Platz zu machen, zeichnet sich in allen wissen-schaftlichen Disziplinen ab und wird von vielen anerkannten Forschern und Denkern mehr oder weniger abseits der Mainstream-Medien beschrieben. Die Erkenntnisse der Quantenphysik und der fachübergreifenden Systemwissenschaft sind nur hervorstechende Beispiele. Aber auch in der zeitgenössischen Kunst und Dichtung, in der „Neuen Musik“ und in modernen Kommunikations- und Managementmethoden werden über lange Zeit geltende Normen und Formen gesprengt. Schemenhaft und zaghaft, manchmal auch schon recht klar, bahnt sich das Neue seinen Weg durch den Scherbenhaufen.

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Symptome dieser Tragödie die Medien. Ein Ster-beprozess beschleunigt sich, der Verfall des al-ten sozialen Körpers ist eigentlich überall zu besichtigen. Auf der anderen Seite werden wir Zeuge eines weitreichenden Öffnungsprozesses, der rund um den Globus stattfindet. Immer mehr Menschen nehmen ihr Umfeld bewusster wahr und verbinden sich existenzieller mit dem tieferen Sinn ihres Weges. Neue soziale Netzwerke und Felder der gemeinsamen Gegenwärtigkeit ent-stehen.“ 3

Als größte Herausforderung sieht er, diesen im Inneren vollzogenen Bewusstseinswandel und den Wunsch von immer mehr Menschen nach heilsameren Strukturen „in eine Infrastruktur umzusetzen, die systemisch steuerungsrelevant ist“ und die politischen Entscheidungsprozesse grundlegend verändern kann.

Um das herauszufinden, werden wir uns in dieser Rubrik den inspirierenden, berührenden und im wahrsten Sinne des Wortes Weltbild sprengen-den Arbeiten von Visionären wie Jean Gebser, Joanna Macy, Ken Wilber, Nicanor Perlas, C. Otto Scharmer und anderen zuwenden.Sie stimmen alle darin überein, dass das Neue nicht im Außen gefunden werden kann, sondern im Inneren vollzogen werden muss. Dieser Be-wusstseinswandel ermögliche die Überwindung der Ich-Perspektive, so dass der „Blick“ aufs Ganze frei wird. Was alle, mit unterschiedlichen Worten zwar, aber einhellig ausdrücken, ist, mit den Worten der Tiefenökologin und Systemwis-senschaftlerin Joanna Macy gesprochen, dass wir uns in einer Zeit befinden, in der wir gleich-zeitig Sterbebegleiter einer untergehenden Kultur und Geburtshelfer einer neuen Kultur sind.

Doch was ist das Neue?

„Es handelt sich um den epochalen Wandel von der industriellen Wachs-tumsgesellschaft hin zu einer langfristig lebenserhaltenden Gesellschaft.“

Sie schreibt in ihrem Buch „Geliebte Erde, ge-reiftes Selbst“: „Zwar berichten die systemkonfor-men Medien nicht über diesen Gezeitenwechsel, aber wenn wir erst einmal begonnen haben ihn wahrzunehmen, dann erscheint uns die heutige Phase der Menschheitsgeschichte nicht mehr als ein düsteres, hoffnungsloses Schicksal, in dem wir gefangen sind. Es wird vielmehr zu einem großen, belebenden Abenteuer, das jeden Au-genblick unseres Lebens adelt. Es handelt sich um den epochalen Wandel von der industriellen Wachstumsgesellschaft zu einer langfristig leb-enserhaltenden Gesellschaft. Und das ist eine Frage des Überlebens.“ 2Der Wirtschaftswissenschaftler und Professor am Massachusetts Institute of Technology C. Otto Scharmer drückt es so aus: „Dieses Jahrhun-dert beginnt mit einer zunehmenden Spannung zwischen zwei Bewegungen bzw. Kräften. Auf der einen Seite beschleunigt sich dramatisch die Kraft des Fundamentalismus, der Manipula-tion und der Zerstörung. Täglich dominieren die

Die Kernelemente ihrer Einsichten sind dem „indi-genen Weltverständnis“, der Essenz des Buddhis-mus, des Sufismus u.a. ganzheitlicher Weltsichten sehr ähnlich und doch neu. Hier ein paar Beispiele: Auf einer grundlegenden Ebene sind wir mit der uns umgebenden Welt verbunden, alles wirkt auf- einander, und das wird immer offensichtlicher und transparenter. Zunehmend mehr Menschen wird das bewusst und mit diesem Bewusstsein der ei-genen Wirkkraft wächst auch das Bewusstsein über die Verantwortung des eigenen Tuns. Raum und Zeit sind relativ und vom Bewusstsein überwindbar. Die lineare Zeit verliert ihre alleinige Gültigkeit. Es gibt Bewusstseinszustände, in denen diese einer Gleichzeitigkeit weicht. Oben zitierter C. Otto Scharmer z.B. hat eine von ihm „Presencing“ genannte Wahrnehmungsmethode entwickelt, mittels derer man „sich mit der Quelle seiner höchsten Zukunftsmöglichkeit verbindet und diese ins „Jetzt“ bringt.“ 4 Diese Methode wendet er bereits erfolgreich in Managementtrainings an. Was mir bei diesem Beispiel besonders gefällt,

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ist, dass es praktisch nachvollziehbar ist und ohne esoterisches Brimborium auskommt. Das einzige, was benötigt wird, ist ein Moment der Stille und der Wille, alle Konzepte für diesen Moment loszulassen.

„Wer aus Ichfreiheit heraus zu handeln vermag, dem wird die Welt und selbst der Alltag durchsichtig.“

Das ist für den Kulturanthropologen Jean Gebser auch ein wesentliches Merkmal der „Integralen Bewusstseinsstruktur“, wie er das im Entstehen begriffene neue Bewusstsein nennt. Esoterische Techniken, um in andere Sphären zu transzen- dieren, sind nicht mehr notwendig, können sogar hinderlich sein und labile Personen in psychische Schwierigkeiten bringen. Für ihn sind Transparenz und Durchsichtigkeit die wesentlichen neuen Qualitäten, und in seinem atemraubenden Mam-mutwerk „Ursprung und Gegenwart“ aus dem Jahr 1953 schreibt er: „Wem es im Alltag gelingt, das Ganze über sein Ich zu stellen (ein Ich, das er deshalb noch lange nicht verlieren muss), wer aus Ichfreiheit heraus zu handeln vermag, dem wird die Welt und selbst der Alltag durchsichtig.“ Und weiter: „Da diese Realisationsweise beispiels-weise ein bloßes Zweckdenken ausschließt ..., wird sich auch die Umwelt, und zwar in allen ihren Aspekten, die wir ja selber jeweils unserer Bewusstseinsstruktur entsprechend gestalten, wandeln.“ 5Das klingt vielversprechend und ermutigend, aber eben auch nicht naiv optimistisch. Jede und jeder einzelne muss diesen Wandel in ihrem bzw. seinem Bewusstsein vollziehen, er geschieht nicht automatisch. Die Arbeit wird uns weder von „Gott“ oder „Göttin“ noch von Entscheidungsträ-gern abgenommen. Jede und jeder einzelne ist mitverantwortlich für einen Wandel hin zu einer kooperativen, lebensbejahenden Gesellschaft.

1 Jean Gebser in „Ursprung und Gegenwart“ Thomas S. Kuhn in „Die Entstehung des Neuen“

Ken Wilber in „Eros, Logos, Kosmos“2 Joanna Macy „Geliebte Erde, gereiftes Selbst“, S. 136

3 C. Otto Scharmer „Theorie U“, S. 4494 Scharmer, a. a. O., S. 172

5 Jean Gebser, „Ursprung und Gegenwart“, S. 677

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Zuhören erweitert den Horizont

Wer kennt solche Situationen nicht. In Diskussionen mit Freunden oder Kolleginnen, bei Beziehungsstrei- tigkeiten oder auch wenn man oder frau mit sich selbst um eine Entscheidung ringt, oft entsteht schlechte Stimmung oder Streit, weil beide Seiten recht haben und nicht nachgeben wollen.

Nahezu allen Entscheidungen und Problemlösungen geht ein Kommunika-tionsprozess voraus, egal ob es sich um zwei, um mehrere oder den gedankli-chen Prozess nur einer Person handelt.Meistens konkurrieren verschiedene Positionen oder Möglichkeiten mitein-ander und nur eine kann “gewinnen”, bestenfalls wird ein Kompromiss ge- schlossen, bei dem nur Teilaspekte jeder Position berücksichtigt werden. Das führt notgedrungen zu Kämpfen, Frust, Verhärtungen und zum Zurück-halten von Informationen aus taktischen Gründen. Und nicht selten treffen sich die “Kontrahenten” im Gerichtssaal wie-der oder es wird in den Krieg gezogen, in den kalten oder in den heißen.

In dieser Rubrik werden wir einige der in den letzten Jahrzehnten entwickel- ten (r)evolutionären Kommunikations-methoden bzw. -haltungen vorstellen, die alle einen wesentlichen Aspekt gemeinsam haben. Sie erleichtern den Gesprächspartnern über die Ich-Per- spektive hinauszuwachsen und dadurch einander wirklich zuzuhören und zu verstehen. Dadurch kann sich das du-alistische Denken (“entweder du hast recht oder ich, eine 3. Möglichkeit gibt es nicht”) zu Gunsten eines “sowohl als auch” wandeln. Die Frage ist nicht, wer Recht hat, sondern wie die Bedürfnisse aller Parteien Berücksichtigung finden und wie gerade durch die Betrach-tung aller Meinungen die bestmögliche Entscheidung getroffen werden kann.

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Empathische Kommunikation

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Zuhören erweitert den Horizont

Die Frage ist nicht, wer Recht hat, sondern wie die Bedürfnisse aller Parteien Berücksichtigung finden

Unter anderem werden wir uns hier der “Gewalt-freien Kommunikation” nach Marshall Rosenberg, dem Gemeinschaftsbildungsprozess nach M. Scott Peck (“Wir-Prozess”), dem “Dialog” im Geiste David Bohms, den „Denkhüten“ von Edward de Bono und der “Theorie U” von C. Otto Scharmer widmen. Um den Schritt in die Praxis zu erleichtern, werden wir Termine von Seminaren und Kursen zu diesem Thema im Veranstaltungskalender des Magazins veröffentlichen. Beim oben genannten Hinauswachsen über die Ich-Perspektive geht es nicht um eine Ablehnung dieser oder um ein ängstliches Zurückweichen vor der eigenen Position, sondern im Gegenteil zu-nächst einmal um ein souveränes Anerkennen der eigenen Perspektive. Denn erst das ermöglicht anzuerkennen, dass jeder andere und jede andere ebenso eine eigene Perspektive hat und dass jede Perspektive notgedrungen nur die Sicht auf einen Teil des betreffenden Sachverhalts ermöglicht.Wenn das erkannt wird, ist es möglich, ein wenig Abstand von der eigenen Position zu nehmen, um dadurch die Möglichkeit zu haben, anderen mit Empathie zuzuhören und deren Sichtweisen als gleichberechtigt und mehr noch, als bereichernd anzuerkennen. Dadurch können Lösungen und Ideen entstehen, die nur durch die Gesamtwahrnehmung und Berücksichtigung aller vorhandenen Perspektiven möglich sind.Alle diese Methoden verlangsamen und entspannen den Kommunikationsprozess, führen zu gegenseiti-ger Wertschätzung und zu einer Horizonterweiter-ung aller Beteiligten. Und die Erfahrung zeigt, dass Entscheidungsfindungsprozesse und Einigungen meistens, scheinbar paradoxerweise, deutlich schneller gelingen, wenn solche verlangsamenden Methoden genutzt werden. hb

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Empathische Kommunikation

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Sterbende Kultur

Neid Angst Vereinzelung Unzufriedenheit Gier nach mehr Ersatzbefriedigungen Konsumhaltung Opferhaltung Depression Burnout

Ego-Bewusstsein

Denken, Fühlen, Handeln aus der Ich-Perspektive

Gegeneinander

Bildung

standartisierter Frontalunterricht

Förderung von Konkurrenzund Ehrgeiz

Ausrichtung auf den ArbeitsmarktElitenbildung

Wissenschaft

Trennung von Subjekt und Objekt

kausales, lineares Denken nur Quantitäten zählen

SpezialistentumAusrichtung auf die

Wirtschaft

Wirtschaft

WachstumszwangMasse statt Klasse

Konkurrenz und Abgrenzung

Ressourcen, Menschen und Umwelt ausbeutend

profitorientiert

Medizinmechanistisch,

symptomorientiertTrennung von Körper,

Psyche und GeistChemie als Heilmittel

profitorientiert

Kommunikationaus der Ich-Perspektive

wertend, richtendmanipulativ, respektlos

gewinnen wollen

Spiritualitätexklusiver

WahrheitsanspruchFundamentalismus

Erlösung in der Zukunftheiliger Geist - unheiliger Körper, heiliger Himmel -

unheilige Erde

RechtUngleichheit

Intransparenzkompliziert und unübersichtlich

Politikvorrangig Interessen der

Wirtschaft im Blick(Lobbyismus)

weitgehender Ausschluss der Bürger

Intransparenzkeine Verantwortung für zukünftige Generationen

Die beiden Schaubilder sind das vorläufige Ergebnis einer Zusammenschau der Erkenntnisse und Ideen einiger Wegbereiter* des Wandels. Die

Inhalte, vor allem die des rechten Schaubildes, können als roter Faden betrachtet werden, an dem das Urklangmagazin sich orientieren

wird. Die zentrale Frage, die wir uns dabei immer wieder stellen werden, ist: Wie gelangen wir von den „Qualitäten“, die links

zu sehen sind, zu den Qualitäten auf der rechten Seite?

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Aufg

ehen

de K

ultur

Integrales Bewusstsein

Hinauswachsen über die Ich-Perspektive

Miteinander

KreativitätZuversicht

DankbarkeitGebehaltungZufriedenheit

GemeinschaftLiebe zum Leben

Teilen von RessourcenGlückliche Genügsamkeit

Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen

Bildungindividuelle Förderung

Kooperation und FairnessPotentialentfaltung

und KreativitätIntegration Inklusion

WissenschaftIntegration von Subjekt

und Objektkausales und akausales

DenkenQualitäten & Quantitäten

ganzheitlicher Blickdem Leben

dienend

WirtschaftBedarfsgerechte

und qualitative ProduktionKooperation, Fairness

und RespektRessourcen und Mitwelt

schonendgemeinwohlorientiert

Medizinganzheitlich

ursachenorientiertIntegration von Körper,

Psyche und GeistFörderung der

Selbstheilungskräftemenschen- und

heilungsorientiert

Kommunikation

Abstand von der eigenen Perspektiveoffen und neugierig

empathisch, respektvollverstehen wollen

SpiritualitätNeugier, Respekt und

MitgefühlGegenwärtigkeit

Transparenzalles ist heilig

Mensch als Schöpfung und Mitschöpfer

RechtGleichheit

TransparenzEinfachheit

PolitikBedürfnisse aller im Blick

BürgerbeteiligungTransparenz

Verantwortung für zukünftige

Generationen

* Jean Gebser (Kulturanthropologe), Joanna Macy (Systemwissenschaftlerin und Tiefenökologin),Ken Wilber (Kulturphilosoph), Nicanor Perlas (Soziologe und Umweltaktivist), Anundhati Roy (Schriftstellerin und Globalisierungskritikerin), Dr. Simonetta Carbonaro (Prof. für Humanistic Marketing), Prof. C. Otto Scharmer (Ökonom), Gil Ducommun (Prof. für Entwicklungspolitik und Agrarökonomie), Prof. Gerald Hüther (Neurobiologe) u.a

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Energie kennt keine Wertung Jorge Vizcarra (Coco) ist Peruaner mit Quechua-Wurzeln und lebt mit seiner Frau Barbara und ihren beiden Kindern in Deutschland. Schon lange beschäftigt er sich intensiv mit der Geschichte und den Hintergründen der Quechua-Kultur seiner Vorfahren. Er begleitet Reisegruppen aus Deutschland nach Peru, um ihnen seine Faszination und Liebe für sein Land, dessen Geschichte und Menschen zu vermitteln. Mit seiner Familie setzt er sich seit Jahren für die Unterstützung seiner bis heute diskriminierten Landsleute sowie die Erhaltung und Förderung der indigenen Kultur ein. Der Verein „Inti Punku“, den sie für diesen Zweck gegründet haben, unterstützt u.a. eine Schule in Cuzco, die sowohl die traditionelle Kultur als auch moderne Lehrmethoden in ihren Unterricht integriert.

Coco, Du pendelst nun schon seit langem zwischen Deutschland und Peru. Mit Peru bist Du sehr verbunden und Deine Liebe und Neugier für die Kultur Deiner Heimat, insbe-sondere ihrer indigenen Wurzeln, ist quasi zu Deinem Beruf bzw. Deiner Berufung ge-worden. Fühlst Du Dich denn inzwischen auch hier in Deutschland heimisch?

Ich habe eine ganze Weile mit einem Bein in Peru und mit einem in Deutschland gelebt und war nirgends ganz zu Hause. Wenn ich in Peru war, habe ich meine Frau und meine Kinder vermisst und in Deutschland habe ich meine Familie in Peru vermisst. Bis ich irgendwann gespürt habe, dass ich da zu Hause bin, wo ich gerade bin. Jetzt bin ich, wenn ich hier bin, ganz hier.

Das führt uns gleich zum Kern unseres Gesprächs. Du hast vor einiger Zeit in Ber-lin einen Vortrag gehalten unter dem Thema „Energie kennt keine Wertung“. Was meinst Du damit?

Alles ist Energie, absolut alles. Und diese Ener-gie kann man nicht einmal erkennen, weil sie in Bewegung ist. Wir Menschen teilen diese Ener-gie mit unserem Verstand in positiv und negativ ein und werten. Aber weil sie in Bewegung ist, ist sie einfach. Positiv und negativ verschmel-zen in einem ewigen, harmonischen Tanz.

Damit es lebendig bleibt, sind beide schein-baren Gegensätze erforderlich. Sie sind nicht im Kampf, sondern sie sind in einem harmo- nischen Tanz miteinander.

Kannst Du an einem konkreten Beispiel erklären, was das in Bezug auf das alltägliche Leben bedeutet?

Nicht alles, was positiv ist, ist immer gut, nicht alles, was negativ ist, ist immer schlecht, sagt man in meiner Tradition. Weil man es nicht trennen kann. Im Positiven gibt es immer auch etwas Negatives und umgekehrt. Die meis-ten Menschen in der modernen Welt wollen möglichst nur die positive Seite sehen. Sie wol-len z.B., dass eine Krankheit sofort weggeht, oder in einer Beziehung wollen sie die unan-genehmen Eigenschaften des Partners nicht und trennen sich deswegen. Wenn man aber nicht wegguckt und da bleibt, erkennt man oft, dass im scheinbar Negativen ein Juwel verbor-gen ist. Wenn ich damals meinem Schmerz nachgegeben hätte und nach Peru zurückge-gangen wäre, dann hätte ich jetzt nicht zwei Juwelen, meine Freunde in Deutschland und meine Freunde in Peru.Der negative Teil, den wir nicht haben wollen, ist unser Meister. Wenn wir in seine Schule gehen, dann kann ein Teil von uns heilen, dann können wir uns selbst umarmen, so un-vollkommen wie wir sind, ohne die Erwartung, Vollkommenheit zu erlangen. Dann können

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wir auch unsere Partnerin, unseren Partner, unsere Freunde, dann können wir alle so nehmen, wie sie sind, bedingungslos.

Wenn Du sagst, in allem Negativen ist etwas Positives verborgen, wie sollte man sich dann Deiner Meinung nach zu den global operie- renden Konzernen verhalten, die z.B. mit gentechnisch verändertem Saatgut, giftigen Herbiziden, Atomkraft und im Bankensektor mit Spekulation auf Grundnahrungsmittel die Gesundheit und das Leben unzähliger Men-schen und Tiere bedrohen?

Das ist eine schwierige Frage. Ich glaube, dass die Menschen, die in diesen Firmen die Entscheidungen treffen, abgeschnitten sind von ihrer Lebendigkeit. Man könnte sagen, dass sie krank sind, wie Krebszellen, die sich isolieren und nicht mehr mit den sie umge-benden Zellen kommunizieren. Ihnen fehlt die Verbindung zum lebendigen Körper. Aber das betrifft nicht nur diese Menschen, sondern ei-gentlich alle, die das Leid um sich herum ver-drängen. Ich glaube, das Beste, was wir tun können, ist, dass wir uns als Immunsystem der Erde oder der Weltgemeinschaft verste-hen.

Und wie sollte das Immunsystem dann Deiner Meinung nach reagieren?

Gut ist es, sich zu vernetzen und die Verbindlich-keit untereinander zu stärken. Ich bin überzeu-gt, dass wir nur alle gemeinsam einen Wandel hervorbringen können. Aber wir müssen uns auch wehren und protestieren und viele Men-schen anstecken, aber nicht so sehr aus Angst, sondern aus Liebe zum Leben. Da hat man viel mehr Kraft. Das Positive, das ich sehe, ist, dass immer mehr Menschen erkennen, dass ihre Existenz bedroht ist. Wenn das Negative größer wird, dann wächst die Sehnsucht. Und das ist die Tendenz der Energie, in Balance zu sein, im Lot zu sein.

Gibt es etwas in Deiner Kultur, dass uns bei dem Wandel zu einer heilsameren Welt unter-stützen könnte?

Der Grund unseres Leidens ist oft die Einsamkeit, der Mangel an Liebe. Wir sehnen uns nach Ge-meinschaft, nach Geborgenheit. Aber wir haben eine Kultur geschaffen, die es uns schwer macht, zusammenzukommen.Es gibt Dörfer in meiner Heimat in Peru, in denen die Menschen sehr arm sind und hart ar-beiten müssen, um zu überleben. Aber die Men-schen dort sind glücklich, man sieht es ganz offensichtlich, wenn man dort ist. Sie sagen es auch selbst.Sie haben die Verbindung zum Leben nicht ab-geschnitten, sie sind verbindlich untereinander geblieben. Es gibt dort keine Scheu und keine Hemmung, sein Herz zu zeigen, keine Angst, sich zu zeigen, wie man ist.Man fühlt sich, wenn man dort hinkommt, sofort wie zu Hause, es gibt keinen Abstand, so als wenn man immer schon dort gewesen ist, und das ohne irgendwelche Erwartungen.

… Fortsetzung folgt (Ausgabe März 2015)

Neugierig?www.inkareisen.de

Unterstützenwww.inti-punku.de www.kusikawsay

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Von Äpfeln und Konsorten

Möglichst viele Menschen für die Schönheit und Bedeutung von Streuobstwiesen zu begeistern und sie für jedermann erlebbar zu machen, das ist die Vision von Bernd Schock.

Parallel dazu gründet Bernd mit Landwirtschafts- experten den gemeinnützigen Verein „Äpfel und Konsorten“, der sich für den Erhalt und die Neupflanzung von Streuobstwiesen im Osten Deutschlands einsetzt. Was ist so besonders an Streuobstwiesen, dass wir hier davon berichten?Streuobstwiesen gehören zu den artenreich-sten Biotopen in Deutschland. Sie beherber-gen bis zu 6.000 Tier- und Pflanzenarten. Die Streuobstwiese ist ebenfalls eine traditionelle Form des Obstanbaus. Sie besteht typischer-weise aus hochstämmigen Bäumen meist un-terschiedlichen Alters und unterschiedlicher Arten und Sorten. Bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten Streuobstwiesen eine große kulturelle, soziale und ökologische Be-deutung. 80 Prozent der Flächen mussten seitdem modernen Neubau- und Gewerbe-gebieten, konventionellen Plantagen und Bio-Monokulturen weichen. Durch die Rodung dieser wichtigen Biotope verloren viele Tier- und Pflanzenarten – darunter viele seltene, re-gionale Obstsorten und Nutzpflanzen – ihren Lebensraum. Die Streuobstwiesen Manufaktur leistet als För-dermitglied des Vereins einen wichtigen Beitrag für die Inwertsetzung und Wiederaufforstung von Streuobstwiesen im Osten Deutschlands. Mit der Kampagne „Reclaim Streuobstwiesen“ organisiert OSTMOST Aktionen zur Förderung der bedrohten Biotope. Jeder kann mitmachen. Bereits durch den Verzehr der Getränke finan-ziert jeder Einzelne den Erhalt von Streuobst-wiesen mit. Unternehmen und gastronomische Betriebe, die OSTMOST in ihr Sortiment auf-nehmen, haben zusätzlich die Möglichkeit, Patenschaften für Bäume oder ganze Wiesen zu übernehmen.

„Nur das, was man kennt und nutzt, wird in der Regel auch geschützt“ – so Bernds Gedanke. Und warum nicht die Botschaft per Flaschen-post zu den Menschen bringen? Die Idee zu einer Getränkelinie aus den Früchten der Streuobstwiesen ist geboren. Zusammen mit Dennis Meier, einem langjährigen Freund und Gründercoach und dem erfahrenen Kelterer Harald Elm gründet er im Frühjahr 2014 die Berliner Streuobstwiesen Manufaktur GmbH. In der Kelterei von Harald Elm, der seit An-fang der 1980er Jahre naturbelassene Äpfel zu Biodirektsaft verarbeitet, sind die Äpfel in bester Obhut. Die Marke OSTMOST für die Getränkelinie dient dabei als Werbemittel und Finanzierungsinstrument der östlichen Streu-obstwiesen.

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Nachhaltiger Kosum

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Im aktuellen Sortiment stehen ein naturtrüber Apfelsaft, zwei Schorlen - Apfel und Apfel-Minze - und zwei verschieden starke Cider-Sorten in kleinen clubtauglichen Flaschen bereit, den Durst zu löschen. Das leisten sie mit Bravour. Aber nicht nur das, sie schmecken auch vorzüglich. Wenn ich selbst Streuobstwiesen-Kenner wäre, würde ich wahrscheinlich sagen: „Mmhh lecker - schön saftig, nicht zu süß, herrlich erfrischend, da steckt einfach die volle Ladung Streuobst-wiese drin!“Nein, da bekomme ich kein Geld für. Ich finde nur das Konzept, den gemeinnützigen Verein mit einer gewinnorientierten Getränkemanu-faktur zu verbinden, sehr gut. Und der Enthu-siasmus und die Hingabe an dieses Projekt strahlt im Gespräch mit Bernd und Dennis im-mer wieder durch und ist einfach ansteckend. Die Mission ist klar: Mit OSTMOST die Streu-obstwiesen wieder auf die Landkarte des Os-tens zu holen! Langfristig entsteht ein grüner Gürtel im Osten, der die Streuobstwiesen wieder zum Blühen bringt. Um es mit Bernds Worten zu sagen: „Wir ernten die Früchte der Bäume unserer Mütter und Väter und pflanzen die Bäume für unsere Kinder später.“Wer hierbei unterstützen möchte, findet demnächst auf den Webseiten der beiden Projekte nähere Informationen. Und auch auf unserer Webseite halten wir Euch auf dem Laufenden. hb

second hand mo - sa 12-19stargarderstr. 9

10437 berlin030.49081169

facebook.com/dear.berlin

www.ostmost.berlinwww.aepfelundkonsorten.org

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Was wir haben

Das traurige, rote Gesicht im Youtube-Logo ken-nen viele. Ich kann ein Video, welches zwar

auf Youtube geladen ist, nicht sehen. Mist! Doch worum geht es dabei eigentlich genau? Darüber und warum es im Sinne der Vielfalt von Musik und der Freiheit der Musikschaffenden höchste Zeit für eine GEMA-Alternative ist, sprechen wir mit Dan-ny Bruder, einem der Gründer der c3s, der cultu- ral commons collecting society, die seit 2013 als Genossenschaft angemeldet ist und gerade dabei ist, die wichtige Hürde zu nehmen, eine Zulassung beim Deutschen Patent- und Markenamt zu er- halten.

Danny, es ist ja eine heroische Aufgabe, die ihr Euch da vorgenommen habt: das jahrzehntelange Monopol der GEMA aufzulockern. Was waren Eure Gründe dafür, eine alternative Verwertungs-gesellschaft ins Leben zu rufen?

Wir wollen mit der c3s dafür sorgen, dass Musikschaffende einerseits größtmögliche Freiheit haben, über ihre Werke zu verfügen und ander-erseits eine Verwertungsgesellschaft nutzen kön-nen, die sich fair und transparent um die Wahrung ihrer Rechte an diesen Werken kümmert. Bei der GEMA ist es so: Wird man Mitglied, überträgt man immer jeweils für 3 Jahre! die Wahrung der Rechte an seinen Werken an diese, und zwar für alle Werke.Will man z.B. seinen Fans ein Musikstück frei zur Verfügung stellen, darf man das nicht.Ein weiterer wichtiger Grund ist der, dass von den ca. 65.000 Mitgliedern der GEMA nur ca. 3500 stimmberechtigt sind, abhängig von der Höhe ihrer Tantiemen. Und diese wenigen stimmen z.B. über die Verteilungsschlüssel der eingenommenen Gelder, die alle betreffen, ab.

Wie sieht die Freiheit der Urheber, die sich in Zukunft von der c3s vertreten lassen wollen, denn konkret aus?

Bei der c3s als Genossenschaft hat jedes Mitglied auf der Generalversammlung eine Stimme und kann so gleichberechtigt mit allen anderen Einfluss nehmen.Ausserdem gilt die Mitgliedschaft jeweils nur für ein Jahr und ein Mitgliedsbeitrag wird erst fällig, wenn die Einnahmen aus den eigenen Werken einen bestimmten Sockelbeitrag übersteigen. Bei der GEMA zahlt jedes Mitglied den gleichen

Mitgliedsbeitrag.In den Zeiten digitaler Medien und des Internet haben sich die Verbreitungsmöglichkeiten von Musik erheb- lich verbessert und sind flexibler geworden. Die c3s wird die Musikschaffenden bei der Nutzung dieser Möglichkeiten bestmöglich unterstützen. Jedes Mit-glied wird die Möglichkeit haben, flexibel über jedes einzelne seiner Werke zu entscheiden. Will er oder sie z.B, dass die c3s sich um die Wahrung der Rechte eines bestimmten Musikstückes kümmert, kann er das verfügen. Will er ein anderes Stück zur freien Verfügung ins Netz stellen, kann er das auch. Auch die flexiblen neuen Creative Commons-Lizenzen sind so nutzbar, wie es vom Mitglied gewünscht wird.

Die c3s erleichtert sozusagen über eine flexible Infrastruktur ihren Mitgliedern und den „Usern“ zusammenzufinden?

Genau. Es geht um die Musik, um die Musikschaf-fenden und um die Nutzer. Die Rolle der c3s ist es, auf möglichst transparente Weise und mit so geringen Kosten wie möglich diesen beiden Grup-pen zu dienen. Künstler wollen geben und die Nut-zer wollen etwas zurück geben. Wir sind davon überzeugt, dass niemand über Verbote oder Ab-gaben dazu gezwungen werden muss, wenn sie oder er das Gefühl hat, fair und mit Respekt be-handelt zu werden, und wenn offensichtlich wird, dass das Gegebene auch wirklich da ankommt, wo es hin soll.

Das zeigen ja auch die vielen erfolgreichen Crowd-funding-Kampagnen von Musikern, die darüber z.B. ihre CDs mit Unterstützung ihrer Fans finan-zieren können.

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Ja. Da aber die meisten Musiker nicht die nötige Zeit haben oder investieren wollen, um so eine aufwendige Kampagne zu starten, sind wir gerade dabei, eine Softwarelösung zu entwickeln, die es Nutzern ganz einfach machen soll, am besten per Knopfdruck, ihren Lieblingsbands oder -musikern etwas zu spenden.

Warum ist es so wichtig für Euch, dass möglichst bald viele Musikschaffende Mitglied der c3s werden und was muss man oder frau dafür tun?

Um Mitglied zu werden, müssen Musikschaffende mindestens drei Werke mit eigener Beteiligung zur

Wahrnehmung bei der c3s registrieren und min-destens einen Genossenschaftsanteil in Höhe von 50€ erwerben. Das ist auch als GEMA-Mitglied möglich. Und zur Frage der Wichtigkeit: Um beim deutschen Patent- und Markenamt eine Zulassung als Verwertungsgesellschaft zu bekommen, müs-sen wir nachweisen, dass wir ein wirtschaftlich re- levantes Repertoire vertreten. Ausserdem müssen wir eine für die Zwecke ausreichende technische Infrastruktur nachweisen.

Na dann,viel Erfolg bei Euren nächsten Schritten. Ich danke Dir für das nette Gespräch. www.c3s.cc

Was wir wollen

C3S - eine echte GEMA-Alternative Interview mit Danny Bruder

Illustration ● Kunst ● Grafik ● Layout ● Lektorat ● Corporate Design ● Express Service

Grafikdesign mit Herz und ohne 0815www.chawila.de [email protected] 0049(0)30 5510 5454

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Unter „Termine“ findet Ihr ab der nächsten Ausgabe, März 2015, Ankündigungen zu Veranstaltungen zu folgenden Themen:Empathische Kommunikation, Gemeinschaftsbildung, Singen und Musizieren in Gemeinschaft (Chöre, Singgruppen, Trommelgruppen etc.), Tanzen (Kontaktimprovisation, 5 Rhythmen, Biodanza etc.) sowie Tagungen, Kongresse, Kundgebungen etc. zu den Kernthemen des Heftes

Einträge für nichtkommerzielle Veranstaltungen sind grundsätzlich frei.Einträge für kommerzielle Veranstaltungen sind für die März- und Maiausgabe ebenfalls frei. Wir behalten uns aber das Recht vor, bestimmte Terminankündigungen zu kürzen oder nicht abzudrucken.

Terminankündigungen bitte an [email protected]

Termine

FAIR CAMPFr 16.01.15, Come TogetherSa 17.01.15, Wir haben es satt-Demo,Workshops, Lesungen, Film im EDENHHHHH in Berlin

Workshops MarktplatzNetworking Film // Exkursionen //

Stadt im Wandel in und um BerlinHamburgFrankfurt a.M.München ErnährungGesundheitBildung der ZukunftUrbanes GärtnernGemeinschaftSpiritual CareSozialunternehmerGemeinwohlökonomieEco FashionTransition Initiativen

// //

www.faircamp.de

5. FAIR CAMP 16.-17. Januar 2015“Stadt im Wandel“ ist das Motto des diesjährigen FAIR CAMP. Der Initiatorin Katharina Wyss ist es in den vergangenen vier Jahre gelungen einen tem-porären Kreativraum zu schaf-fen, der in einem offenen und sehr herzlichen Rahmen Weg-bereiter des Wandels, Experi- mentierende und Neugierige zusammenführt. Das “Come Together” am 16. Januar lädt ein zum Feiern von fünf Jahren FAIR CAMP.

Themen des lokal-fairen Mit-machtages am 17. Januar sind Ernährung, Gesundheit, Bildung, Urbanes Gärtnern, Gemeinschaften, Sozialun-ternehmer, Eco-Fashion, Shareconomy und Gemein-wohl-Ökonomie. „Wir teilen Erfahrungen, Wis-sen, Methoden, zeigen prak-tische Beispiele und vernetzen uns, um den inneren und damit auch den äußeren Wandel zu gestalten – für eine bessere

Welt und eine enkeltaugliche Zukunft.“ Die Großdemonstration “Wir haben es satt – gegen die Agrarindustrie” wird erstmalig als Exkursion am Samstag mit eingebunden, und der inspirie-rende Dokumentarfilm “Who cares? – Du machst den Unterschied“ über Sozialun-ternehmer auf der ganzen Welt wird zum Abschluss des FAIR CAMP gezeigt. Ticket: 14 Euro

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Vorschau - nächste Ausgabe

■ Gewaltfreie Kommunikation ■ Das Integrale Bewusstseinsmodel des Jean Gebser■ Fortsetzung des Interviews mit Jorge Vizcarra

... und vieles mehr auf 36 Seiten

Wir haben mit viel Hingabe, und in ungezählten Arbeitsstunden diese erste Ausgabe fertiggestellt. Nun sind wir auf finanzielle Unterstützung angewiesen, um die Minimalkosten für Druck, Grafik, Webseite und Ver-sand der nächsten beiden Ausgaben zu decken. Unterstützen könnt Ihr:

• durch eine direkte Spende auf das Konto des Urklang Verlags:

Urklang Verlag Hardo BickerEthikBank eGIBAN DE27 8309 4495 0003 1787 90BIC GENODEF1ETK

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Das Magazin für bewusste TeilhabeAusgabe 1 - Dezember 2014, Nächste Ausgaben: 3. März, 3. Mai, 3. Juli, 3. Oktober, 3. Dezember

Urklang Verlag Hardo BickerPrenzlauer Allee 2610405 BerlinTelefon 030-55128217www.urklang-magazin.de

Herausgeber Hardo Bicker (V. i. S. d. P.)

RedaktionHardo [email protected]

AnzeigenKatrin [email protected]

Layout und SatzKatrin [email protected]

LektoratBirgit Bicker

FotosJoachim Loch Klaus Paul Müller123rf.de

HerstellungUmweltdruckereiPapier - Circle matt weiß Recyclingpapier - Blauer Engel zertifiziert

WebseiteMarcus Grellert

Redaktions- und Anzeigenschluss ist der 12. des Vormonats

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„Jedes Ding hat drei Seiten:

eine positive, eine negative

und eine komische.“ (Karl Valentin)

Nächste Ausgabe erhältlich ab 3. März 2015