hausarbeit konfliktfeld wasser
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Universität Koblenz-Landau (Campus Koblenz)
Institut für Integrierte Naturwissenschaften
Abteilung Geographie | Dipl. Geogr. Philipp Koch
Studiengang: Master of Education
Modul 10: Spezielle Anthropogeographie
Konfliktfeld Wasser
Melanie Lange (Matr.Nr.: 2010200694)
Roman Siweljow (Matr.Nr: 209210977)
im SoSe 2014
Inhaltsverzeichnis
1. Wie viel Wasser (ver-)braucht der Mensch? ........................................ 2
1.1 ‚Wasser‘ - Begriffe im Zusammenhang ...................................... 2
1.2 Verbrauch und Verteilung ........................................................... 5
2. Konfliktanalyse – Wasser als Konfliktfeld ............................................ 10
2.1 Grundlagen der Konfliktanalyse ................................................. 10
2.2 Einordnung der Wasserkonflikte ................................................ 11
2.3 Konfliktfeld Wasser ...................................................................... 12
3. Fallanalysen ............................................................................................ 14
3.1 Staudammprojekte ....................................................................... 14
3.2 Türkei – Atatürk Staudamm ......................................................... 15
3.3 Naher Osten .................................................................................. 17
3.4 „Kampf“ um den Nil ..................................................................... 20
Literaturverzeichnis.................................................................................... 26
Anhang
2
1. Wie viel Wasser (ver-)braucht der Mensch?
1.1 ‚Wasser‘ – Begriffe im Zusammenhang
„Wasser - Quelle des Lebens“ lautet das Motto der durch die UN-Generalversammlung zur
verstärkten Thematisierung wasserbezogener Fragen ausgerufenen Internationalen Aktions-
dekade, die die Jahre 2005 bis 2014 einschließt. Metaphorisch veranschaulicht es die Be-
deutsamkeit der Ressource als eine existentielle für (nahezu) jeden Organismus. Welche
Konfliktpotentiale sich aus dieser Bedeutsamkeit aufgrund der Varianz geographischer und
ökonomischer Verteilung des knappen Rohstoffs in internationalem Maßstab ergeben, soll im
Folgenden nach begriffstheoretischer Fundierung an einigen Raumbeispielen aufgezeigt
werden.
Innerhalb der Maslow`schen Bedürfnispyramide zählt die Versorgung des Menschen zu den
physiologischen Bedürfnissen, also der untersten Stufe, der Basis des Modells, woraufhin
laut dieses Ansatzes ein gesicherter Zugang zu (sauberem) Trinkwasser als essenziell für
die Deckung der menschlichen Grundbedürfnisse aufzufassen ist.1
Das Recht auf Zugang zu sauberem Wasser wurde am 28.07.2010 in der Resolution 64/292
von der Vollversammlung der Vereinten Nationen bei Zustimmung von 122 Staaten, Enthal-
tung von 41 Staaten und Abwesenheit von 29 Staaten als ein Menschenrecht anerkannt. Da
jedoch weder die Allgemeinen Menschenrechte noch Resolutionen der Vollversammlung (im
Gegensatz zu denen des Sicherheitsrats) rechtlich bindend sind, ist das in der Abstimmung
erwirkte ‚Recht‘ „völkerrechtlich nicht verbindlich [und] selbst in den Unterzeichnerstaaten
nicht [einklagbar]“2. Dabei stellt die Durchsetzung ohnehin keine Abweichung zu geltenden
Menschenrechtskonventionen dar; vielmehr wird die anhaltende Aktualität des Problems
flächendeckender Versorgung symbolisch betont und Staaten sowie internationale Institutio-
nen dazu aufgerufen, finanzielle Mittel einzubringen und Technologien zu verbreiten, um
sicheres, sauberes, zugängliches und erschwingliches Trink- und Sanitätswasser für alle zu
Verfügung zu stellen.3
Als Grundlage für die exemplarischen Analysen einiger Fall- bzw. Raumbespiele, anhand
derer verschiedene Problematiken flächendeckender und langfristiger Trinkwasser-
versorgung in internationalen Kontexten dargelegt werden sollen, werden zunächst Begriffe
1 Vgl. Maslow, Abraham H. (1981): Motivation und Persönlichkeit. 12. Aufl. Reinbek: rororo. Passim.
2 Wasser wird zum Menschenrecht. In: Spiegel Online vom 28.07.2010
(http://www.spiegel.de/politik/ausland/uno-resolution-wasser-wird-zum-menschenrecht-a-708967.html) Stand: 07.09.2014. 3 Vgl. Bericht zu: General Assembly GA/10967, Department of Public Information, News and Media
Devision, New York. (http://www.un.org/News/Press/docs//2010/ga10967.doc.htm) Stand: 07.09.2014.
3
aus dem Themenkomplex ‚Wasser und Wasserversorgung‘ geklärt, wobei die richtungswei-
sende Leitfrage „Wie viel Wasser braucht der Mensch?“ lauten soll.
Von chemischen Betrachtungen abgesehen kann Wasser je nach Vorkommen und Verwen-
dung unter verschiedensten Aspekten thematisiert und entsprechend differenziert benannt
werden. So gibt es im Wasserkreislauf bei schwankender räumlicher Verteilung Salzwasser
und Süßwasser, die je nach Lösungsgehalt unterschieden und spezifischer klassifiziert wer-
den sowie Grundwasser, das „durch versickernde Niederschläge, Uferfiltrat, Seihwasser
[und] Versinkung gebildet“4 wird.
Aus dem hydrologischen Kreislauf entnommenes Wasser wird je nach Verwendungszweck
mehr oder weniger selbstredend benannt. In der Industrie finden demzufolge Betriebswasser
und Kühlwasser und in der Landwirtschaft Bewässerungswasser als Brauchwasser (auch
„Ge- und Verbrauchswasser“) Verwendung. Zur Versorgung privater Haushalte oder öffentli-
cher Einrichtungen sind Sanitärwasser (ebenfalls Brauchwasser) und Trinkwasser von be-
sonderer Bedeutung. Letzteres dient dem menschlichen Genuss und es gelten „bezüglich
dessen Beschaffenheit sensorische Kriterien (farb- und geruchlos, ‚appetitlich‘) sowie physi-
kalische (Temperatur) und chemische Grenzwerte […] und mikrobiologische Anforderungen
(frei von Fäkalien usw.)“5.
Der an diese Verwendungen unterschiedlichster Art anschließende Prozess der Wiederauf-
bereitung und -zuführung des Wassers zum Wasserkreislauf steht in engem Zusammenhang
mit der Klasse des Abwassers, das per Definition als „aus häuslicher oder gewerblicher Nut-
zung anfallendes, u.U. verunreinigtes Wasser und alles weitere in die Kanalisation gelan-
gende Wasser, sei es als […] Schmutzwasser, […] Regenwasser, […] Fremdwasser oder
Mischwasser“6 zu verstehen ist und als solches in zahlreichen Regionen der Erde ein erheb-
liches infrastrukturelles Problem darstellt.
In all diesen Funktionen, die der Ressource in den aufgeführten Verwendungsweisen zu-
kommen, ist der Rohstoff Wasser kaum bis gar nicht substituierbar und unter quantitativen,
primär aber unter qualitativen Aspekten weltweit in nahezu jedem Raum als knappes Gut
anzusehen, was besonders aufgrund der Verteilungsproblematik vielerorts zu Krisen führt.
Eine Besonderheit der Ressource Wasser ist, dass die im Wasserkreislauf befindlichen
Mengen an atmosphärischem Niederschlagswasser (Regen und Schnee), Oberflächenwas-
ser (Meere, fließende Gewässer, stehende Gewässer, Gletscher und Eis) und unterirdi-
schem Wasser (Boden- und Grundwasser) ‚sich erneuerndes‘ Wasser darstellen und der
4 Müller, Tibor (1999): Wörterbuch und Lexikon der Hydrogeologie. Berlin/Heidelberg/New York:
Springer. S. 138 5 Ebd. S. 318 f.
6 Ebd. S.9
4
hydrologische Kreislauf demnach eine regenerierbare Wasserressource bildet.7 Meerwas-
serentsalzung und Abwasseraufbereitung sind anthropogene Maßnahmen, bei denen unter
Einsatz entsprechender Technik und finanzieller Mittel Wasserressourcen erneuert werden.
Dabei ist speziell die Meerwasseraufbereitung jedoch mit hohem finanziellen Aufwand ver-
bunden. Der Nutzbarmachung von fossilem Grundwasser kommt bei der Wasserbereitstel-
lung ebenfalls Bedeutung zu, diese Quelle ist jedoch endlich und demnach eine erschöpfba-
re Ressource.8
Bei der Betrachtung von Verfügbarkeit und Verbrauch kommen einige mengenbezogene
Bezugsgrößen zum Tragen. Als Wasserdargebot wird das „in einem Bezugszeitraum aus
Grund- und Oberflächenwasser theoretisch zur Nutzung als Trink- und Brauchwasser
gewinnbare Wasservolumen“9 bezeichnet, wobei ‚theoretisch‘ Bedeutung aus der Differenz
zum ‚nutzbaren Wasserdargebot‘ erhält, welches „[die] tatsächlich mit wirtschaftlich vertret-
baren Maßnahmen der Verwendung zuführbare“10 Wassermenge pro Zeit darstellt. Der
Wasserbedarf wird beruhend auf den oben genannten verschiedenen Nutzungsarten und
den daraus resultierenden Unterschieden im Anspruch an die Wasserqualität für die Versor-
gungsanlagen jeweils für Trink-, Betriebs-, Kühl- und Bewässerungswasser usw. getrennt
ermittelt.11 Hier wird abermals ersichtlich, dass das reine quantitative Verfügbarsein von
Wasser die menschlichen Bedürfnisse nicht alle selbstverständlichen decken kann, sodass
es oft zu qualitativen Knappheiten kommt, aus denen Verteilungsprobleme entstehen. Gere-
gelt werden müssen zudem auch Wasserbereitstellung als das dem einzelnen Verbraucher
als Brauch- und Trinkwasser zur Verfügung gestellte Wasservolumen und die Wasserver-
sorgung. Letztere ist die „Deckung des Wasserbedarfs der privaten und öffentlichen Haus-
halte, des Gewerbes und der Industrie zu allen Zwecken des Wasserverbrauchs […]“12, die
je nach physisch-geographischen Gegebenheiten und infrastruktureller Anbindung „entweder
als öffentliche, der Gemeinde dienende, oder als Eigenwasserversorgung zur ausschließli-
chen Nutzung durch den einzelnen Wassergewinner“13 erfolgen kann.
Bei allen in diesen Begriffsfeldern vorkommenden mengenbezogenen Größen darf jedoch im
Hinblick auf den ‚Wasserverbrauch‘ Folgendes mit Mauser (2007) nicht außer Acht gelassen
werden:
7 Vgl. Haas, Hans-Dieter/Schlesinger, Dieter Matthew (2007): Umweltökonomie und Ressourcenma-
nagement. Darmstadt: WGB. S. 108. 8 Ebd.
9 Müller, Tibor (1999): Wörterbuch und Lexikon der Hydrogeologie. Berlin/Heidelberg/New York:
Springer. S. 342 10
Ebd. 11
Vgl. Ebd. S. 341 f. 12
Müller, Tibor (1999): Wörterbuch und Lexikon der Hydrogeologie. Berlin/Heidelberg/New York: Springer. S. 345 13
Ebd.
5
„Nur zu einem verschwindend kleinen Teil wird das Wasser dabei verbraucht in dem Sinne,
dass es in eine andere Substanz umgewandelt wird. Vielmehr wird in der Regel sein Weg
durchs Erdsystem, seine Reinheit und Beschaffenheit, sein Aggregatzustand oder seine Tem-
peratur verändert. Wassernutzung heißt also Wasserveränderung“14
Diese Besonderheit der Ressource wurde bereits unter dem Aspekt der Regenerierbarkeit
aufgegriffen.
1.2 Verbrauch und Verteilung
Global betrachtet entfallen auf die Versorgung der Bevölkerung mit Trink- und Sanitärwasser
lediglich 10% des gesamten Wasserverbrauchs. 20% des weltweit genutzten Wassers wer-
den im Schnitt durch die Industrie etwa zu Reinigung, Kühlung und Transport benötigt und
der mit Abstand größte Anteil des globalen Wasserverbrauchs entfällt mit etwa 70% der
Wassermenge auf die Nutzung in der Landwirtschaft. Dabei ist besonders gravierend die
Tatsache, dass wiederum 45% dieses landwirtschaftlich genutzten Wassers nicht wirklich
verbraucht werden, sondern als Verlust bezeichnet werden müssen, der durch undichte Lei-
tungen, Versickerung und Verdunstung bei der Bewässerung entsteht.15 Modernen und re-
gelmäßig gewarteten Bewässerungsanlagen und der Verbreitung entsprechender Technolo-
gien kommen demnach große Bedeutung für einen effizienten Umgang mit der Ressource
Wasser zu.
Die aufgeführten relativen Daten sind jedoch als äußerst vage anzusehen, da sie in ihrem
Betrachtungsmaßstab die enormen räumlichen Unterschiede in den Verbrauchsanteilen
nicht berücksichtigen können. So wird beispielsweise in Deutschland kaum künstlich bewäs-
sert, da der Niederschlag für die genutzten Anbautechniken zumeist ausreichend ist. In Indi-
en und Pakistan beläuft sich der landwirtschaftliche Wasserverbrauch hingegen auf 97% des
Gesamtverbrauchs.16
Ändert man Perspektive und Maßstab der Betrachtung und wendet sich dem Wasserver-
brauch eines einzelnen Menschen zu, lassen sich diese räumlichen Nutzungsunterschiede
bestätigen. Theoretisch beläuft sich der Pro-Kopf-Bedarf an Trinkwasser auf 3-5 l pro Tag für
das reine Trinken und zusätzliche 10l für die Essenzubereitung. Besonders hier kommt die
qualitative Knappheit des Gutes zum Tragen, da das Wasservorkommen durch andersartige
Nutzung verschmutzt wird und dann vor der Aufbereitung nicht mehr als Trinkwasser nutzbar
ist. Um das Gesundheitsrisiko durch Schadstoffe und Krankheitserreger im Wasser einzu-
14
Mauser, Wolfram (2007): Wie lange reicht die Ressource Wasser? Vom Umgang mit dem blauen Gold. Bonn: bpb. S. 55 f. 15
Vgl. Haas, Hans-Dieter/Schlesinger, Dieter Matthew (2007): Umweltökonomie und Ressourcenma-nagement. Darmstadt: WGB. S. 109. 16
Ebd.
6
dämmen, fallen demnach hohe Aufbereitungskosten an. Führt man sich den unterschiedli-
chen Aufwand vor Augen, den Menschen in unterschiedlichen Regionen der Erde betreiben
müssen, um allein an diese 15l sauberes Wasser zu gelangen, werden infrastrukturelle Un-
terschiede in der Wasserversorgung offensichtlich, die stets in ökonomische und politische
Kontexten eingebunden sind. Dass (Aus-)Bau von Wasserinfrastruktur oftmals machtpoliti-
sche Funktionen17 erfüllt, wird auch im Kapitel Fallbeispiele noch ersichtlich werden.
Für Hygiene, Wäschewaschen, Toilettenspülung und Kochen etc. verbraucht ein Europäer in
seinem Haushalt durchschnittlich pro Tag etwa 150l Wasser (vgl. Verbrauch in Deutschland,
Abb. 1), ein Inder kommt für die gleichen Tätigkeiten mit ungefähr 25l des sprichwörtlich
kostbaren Nass aus.18
20 bis 40 Liter Sanitärwasser pro Kopf und Tag gelten als Grundbedarf für die Inganghaltung
des Wasserversorgungsnetzes, der Kanalisation sowie der Kläranlagen, die einen wesentli-
chen Anteil an hygienischen Lebensumständen einnehmen und somit Grundlage zu einem
gesundem, lebenswürdigem Dasein bilden, das so nicht allerorts garantiert ist.19 Dazu ein-
drücklich Mauser (2007):
17
Mehr zu machtpolitischer Motivation im Umgang mit Wasser sowie zur Risiko-Sicherheit-Dialektik bei: Graefe, Olivier (2010): Wasser und Macht. Zur Bedeutung von Machtverhältnissen bei der sozia-len Konstruktion von Risiko und Sicherheit, In:Egner, Heike/Pott, Andreas (Hg.) (2010): Geographi-sche Risikoforschung. Zur Konstruktion verräumlichter Risiken und Sicherheiten.Stuttgart: Franz Stei-ner Verlag, S.185-195 sowei Ders. (2008): Trinkwasser, Konflikte und die neue Rolle des Staates. Das Beispiel der Gebirgsregion des Hohen Atlas in Marokko, In: Geographische Rundschau 60, Heft 7/8, S. 58-64. 18
Vgl. Haas, Hans-Dieter/Schlesinger, Dieter Matthew (2007): Umweltökonomie und Ressourcenma-nagement. Darmstadt: WGB. S. 109. 19
Vgl. Falkenmark Malin/ Rockström, Johan (2004): Balancing Water for Humans and Nature, Lon-don: Earthscan.
Abb.1 Durchschnittlicher Wasserverbrauch pro Person und Tag. Quelle: www.wasser.de
7
„Zum Minimum an sanitären Einrichtungen gehört der Anschluss an ein Abwassersystem, der
Anschluss an ein keimfreies Trinkwassersystem sowie eine Spültoilette oder zumindest eine Si-
ckergrube. Dies ist aus Sicht eines Mitteleuropäers eigentlich nicht zu viel verlangt. 75% der 2
Mrd. Menschen, die das nicht haben, leben in Asien, 18% in Afrika, 5% in Lateinamerika und
der Karibik.“20
So stehen Verfügbarkeit und Zugang stets in engem Zusammenhang mit Verbrauch (und
Wertschätzung) des Guts.
Am Phänomen des Flaschenwassers kann eindrucksvoll gezeigt werden, wie die westliche
Industrie aus Trinkwasser eine als Markenprodukt inszenierte Ware kreiert, bei der es einzig
um Wertschöpfung (und nicht um Wertschätzung) geht. So wird mit in Flaschen abgefülltem
und vermarktetem Trinkwasser global jährlich ein Umsatz von 22 Mrd US$ erwirtschaftet.
Unterschieden werden kann zwischen quellenspezifischen Mineralwassern wie Evian von
Danone und sogenannten local purified waters, bei denen Grundwasser verschiedener Quel-
len künstlich mit Mineralien angereichert und gebündelt unter einem Markennamen angebo-
ten werden, der lediglich etwas über das wirtschaftende Unternehmen, nicht jedoch über die
Quelle(n) aussagt. Ein Beispiel für diese Art der Ökonomisierung von Wasser wäre Bonaqua
von der The Coca-Cola Company. Marktführer ist das schweizerische Unternehmen Nestlé
mit 68 Marken (z.B.: Vittel, San Pellegrino) und einem Marktanteil von 20%. In heftige Kritik
war der Konzern in jüngerer Vergangenheit geraten, da er veraltete Nutzungsrechte einiger
Staaten, die dem Landbesitzer nahezu freie Hand bei der Menge des entnommenen Grund-
wassers auf dem jeweiligen Grundstück lässt, ausnutzte. Dabei werden lokale Quellen aus-
gebeutet und das entnommene Wasser zu Preisen verkauft, die es für die ansässige Bevöl-
kerung unerschwinglich macht, während der Grundwasserspiegel durch die unkontrollierte
Entnahme sinkt.21
„Wie wir unseren Bedarf decken, macht einen entscheidenden Unterschied: Wasser ist nicht
gleich Waser; und Wasser, das wir aus Quellen schöpfen, setzt uns in anderes Verhältnis zu
unseresgleichen, zu Gesellschaft und Natur, als das Wasser, das konstant aus einer Leitung
fließt und nach Gebrauch in einer anderen Leitung vergurgelt.“22
Mit Flaschenwasser lassen sich im Vergleich zu Leitungswasser je nach Ausgangslage im
jeweiligen Raum horrende Wertschöpfungssteigerungen erzielen. So liegt der Flaschenwas-
serpreis in Indien beim 500-Fachen des durchschnittlichen Leitungswasserpreises. In Kali-
fornien liegt die Wertschöpfung sogar beim 2000-Fachen. In dieser Betrachtung von Wasser
als Ware und dem offensichtlichen Missstand, dass global agierende Konzerne lokale Bevöl-
kerung unter existenzbedrohenden Druck setzen können (resp. dürfen) offenbart sich erheb-
20
Mauser, Wolfram (2007): Wie lange reicht die Ressource Wasser? Vom Umgang mit dem blauen Gold. Bonn: bpb. S. 164 21
Publikumswirksam thematisiert wurde dieser Umstand u.a. in Urs Schnells Dokumentation „Bottled Life- Nestlès Geschäft mit dem Wasser“ (2002). 22
Kluge, Thomas (2000): Wasser und Gesellschaft – Von der hydraulischen Maschinerie zur nachhal-tigen Entwicklung. Ein Fallbeispiel. Opladen: Leske+Budrich S. 13.
8
liches Konfliktpotential. So wird klarer, warum 1992 Wasser bei der Internationalen Konfe-
renz über Wasser und Umwelt in Dublin zum mit folgenden Worten zum Wirtschaftsgut er-
klär wurde: „Water has an economic value in all ist competing uses and should be
recognized as an economic good.“23 Es kann demnach nicht mehr einfach als Allmende gel-
ten.
Obwohl theoretisch genug Wasser zur Verfügung stünde, liegen in zahlreichen Staaten der
Erde Wasserknappheit und Wassermangel vor. In Zahlen und Grenzwerten gestaltet sich die
Situation quantitativ wie folgt:
Insgesamt sind auf der Erde 1,4 Mrd. m³ Wasser vorhanden. Dabei liegen allerdings 94,2%
der Gesamtmenge als Salzwasser und 3,8% als Grundwasser vor; knappe 2% sind in Eis
und Gletschern gebunden. Rein rechnerisch ergibt sich jedoch allein aus dem nur 0,02%
großen Anteil des Süßwassers aus Flüssen und Seen eine theoretisch verfügbare Wasser-
menge von 2000 m³ pro Person und Jahr.24 Wie bisher an mehreres Stellen expliziert wurde,
ist Wasser jedoch nicht allerorts gleich verfügbar und zugänglich.
Wassermangel Wasserknappheit
Land * Land *
1. Kuwait 10 15. Kenia 1004
2. V.A.E. 61 16. Marokko 1058
3. Libyen 107 17. Großbritannien 1207
4. Saudi Arabien 111 18. Belgien 1230
5. Jordanien 132 19. Südafrika 1238
6. Singapur 168 20. Somalia 1337
7. Jemen 226 21. Haiti 1338
8. Israel 346 22. Polen 1450
9. Oman 388 23. Libanon 1463
10. Tunesien 430 24. Burkina Faso 1466
11. Algerien 454 25. Südkorea 1488
12. Burundi 538 26. Peru 1559
13. Ruanda 815
14. Ägypten 851
23
Kreutzmann, Hermann (2006): Wasser und Entwicklung. Rohstoffverknappung, Marktinteressen und Privatisierung der Versorgung, In: Geographische Rundschau 58, Heft 2, S.5. 24
Vgl. Gerold (2007) zit. nach: Haas, Hans-Dieter/Schlesinger, Dieter Matthew (2007): Umweltökono-mie und Ressourcenmanagement. Darmstadt: WGB. S. 109.
* Verfügbarkeit von Süßwasser
pro Kopf im Jahr 2000 (m³)
Abb.2: Stand: 2000, Quelle: nach Engelmann/Dye/LeRoy(2000)
9
Liegt das Wasserdargebot in einem Staat pro Person und Jahr unter 1700 m³, so liegt Was-
serknappheit, auch Wasserstress genannt, vor. Wird der Grenzwert von 1000 m³ pro Person
und Jahr unterschritten, ist von Wassermangel die Rede. Im Jahr 2000 litten 14 Statten unter
Wassermangel, weitere 12 unter Wasserknappheit (s. Abb 2)
Auffallend dabei ist, dass eine Vielzahl, jedoch bei Weitem nicht alle der betroffenen Staaten
in Äquatornähe gelegen sind; zudem sind auch westliche Industriestaaten betroffen. Der
Grad des Wassermangels variiert außerdem bei gleicher Benennung noch einmal gravierend
(Vgl. Wasserverfügbarkeit in Kuwait).
Bereits eingangs wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass physischer Wassermangel so-
wohl quantitativ als auch qualitativ oder in einer Kombination beider Faktoren begründet sein
kann. In der Praxis sind jedoch auch politische, wirtschaftliche und soziale Dimensionen des
Mangels von elementarer Bedeutsamkeit für das Thema Wasserverfügbarkeit und die aus
Knappheit und Verteilung resultierende Konflikte.
Maßgebliche Faktoren innerhalb dieser anthropogenen Dimensionen sind die Vergabe von
Zugangsrechten, die Privatisierung des Gutes/der Allmende, Profitorientierung der Konzerne,
steigender Bedarf bei steigenden Bevölkerungszahlen und der Grad der Nachhaltigkeit des
Ressourcenmanagements sowie soziale Verantwortung.25
25
Vgl. Kreutzmann, Hermann (2006): Wasser und Entwicklung. Rohstoffverknappung, Marktinteres-sen und Privatisierung der Versorgung, In: Geographische Rundschau 58, Heft 2, S. 7 f.
Abb.3: Quelle: Forum Ökoterrorismus via http://www.allmystery.de/themen/pr68521-1 Stand: 01.10.2014
10
Kreutzmann bringt 2006 auf den Punkt, dass „es in der Regel keinesfalls die absolute Ver-
fügbarkeit von Wasser [ist], die zu Exklusion und Marginalisierung führt“.26
2. Konfliktanalyse – Wasser als Konfliktfeld
2.1 Grundlagen der Konfliktanalyse
Um die Wasserkonflikte richtig einzuordnen und zu klassifizieren, ist es wichtig die allgemei-
ne Theorie der Konfliktanalyse zu verstehen. In den Sozialwissenschaften hat man verschie-
dene Theorieansätze entwickelt, die sich mit Konflikten, auch internationalen Ausmaßes,
auseinandersetzen und diese untersuchen. Es gibt unterschiedliche Ansätze, um die Konflik-
te zu klassifizieren: Man kann sie nach den Inhalten oder nach der Wahrscheinlichkeit, dass
die Kontrahenten eine gemeinsame Lösung finden, sodass ein internationaler Eingriff in die
Konfliktsituation nicht notwendig ist, aufteilen. Es wird auch dabei betrachtet, ob ‚internatio-
nale Regime‘ eine Lösung finden können oder nicht. „Regime sind kooperative Institutionen,
die durch informelle und formelle, rechtliche und nichtverrechtlichte Strukturen - Prinzipien,
Normen, Regeln und Prozeduren - gekennzeichnet werden und Konflikte zwischen konkur-
rierenden Nationalstaaten bearbeiten“27. Das heißt, dass es internationale Regime gibt, die
zwischen zwei oder mehreren Parteien oder Staaten bei den Verhandlungen helfen und eine
gerechte Lösung finden sollen. Unter Regeln und Prinzipien versteht man verschiedene Ge-
bote oder auch Verbote für staatliches Handeln, die von allen Parteien und Staaten eingehal-
ten werden müssen. Ein internationales Verbot ist zum Beispiel die Bedrohung oder gar der
Angriff von Botschaften. Diplomaten oder diplomatische Gebäude sind unverletzlich und der
Empfangsstaat muss dafür Sorge tragen, dass die Gebäude und die Diplomaten geschützt
sind. Die Welthandelsorganisation (WTO) ist ein Beispiel für eine Organisation, die bei inter-
nationalen Konflikten und Verhandlungen die Parteien unterstützt.
Die WBGU kategorisiert dabei internationalen Auseinandersetzungen in drei Konfliktarten:
Interessenkonflikt, Mittelkonflikt und Wertkonflikt und definiert sie wie folgt: „Ein Interessen-
konflikt zwischen zwei Akteuren folgt aus einer Mangelsituation: Zwei Akteure wollen diesel-
be Sache, aber es ist nicht genug für jeden vorhanden.“28 Zwei oder mehrere Ethnien oder
Gruppen erheben beispielsweise den Anspruch auf dieselbe Landfläche oder auf ein Grenz-
gewässer. Wenn beide Parteien dasselbe Ziel haben, es aber auf unterschiedlichen Wegen
erreichen wollen, entsteht eine Meinungsverschiedenheit über die Art und Weise der Zielum-
setzung und somit ein Mittelkonflikt. Es geht dabei um die Mittel oder die Ansätze, über die
26
Kreutzmann, Hermann (2006): Wasser und Entwicklung. Rohstoffverknappung, Marktinteressen und Privatisierung der Versorgung, In: Geographische Rundschau 58, Heft 2, S.5. 27
Müller, Harald (1993) 28
WGBU 1997. S. 218
11
man sich nicht einigen kann. „Ein Wertkonflikt beruht auf einem Dissens über den Status
eines Objekts, worunter in der Regel Wertkategorien wie Sicherheit, Macht, Herrschaft oder
Territorialstaatlichkeit zu verstehen sind.“ So gehört beispielsweise der Felsendom in Jerusa-
lem zu den umstrittensten heiligen Orten der Welt. Für die Juden ist es eine heilige Stätte,
weil hier ihre ersten beiden Tempel standen und für Muslime gehört der Felsendom zu den
Hauptheiligtümern. Deswegen beten die Juden in der Regel an der Klagemauer, die ein
Überbleibsel des zweiten Tempels ist und Muslime im Felsendom. Es besteht ein Wertekon-
flikt und ein Interessenkonflikt um dieselbe Landfläche, die in beiden Religionen heilig ist.
Hierbei sind aber beide Religionen nicht zu vereinen, sodass nur eine einseitige Lösung
möglich ist.
Um eine konkrete Einordnung der Wasserkonflikte zu machen, ist es noch wichtig, eine Un-
terscheidung zwischen absolut bestimmten Gütern und relativ bestimmten Gütern vorzu-
nehmen. „Absolut bestimmte Güter sind Güter, die ihren Wert unabhängig davon erhalten
wie viel die andere Partei davon besitzt.“ Wasser ist demnach ein absolut bestimmtes Gut.
Es ist als absolut zu betrachten. „Relativ bestimmte Güter erhalten ihren Wert erst dadurch,
dass ein oder mehrere Akteure davon mehr besitzen als andere Parteien.“29 Der Kalte Krieg
und die Rüstung im Kalten Krieg haben gezeigt, dass Waffen relativ bestimmte Güter sind.
Der Westen und der Osten standen in einem Interessenkonflikt und wollten dem Kontrahen-
ten durch mehr und bessere Waffen Angst einjagen. Das Ziel war es, mehr zu haben als der
andere und der Wert des Gutes hing von der Menge ab, die der Gegner besaß.
2.2 Einordnung der Wasserkonflikte
Wie werden Wasserkonflikte innerhalb dieser Kategorisierung eingeordnet und als wie ge-
fährlich werden sie eingeschätzt? „Die Zahl der Menschen steigt rapide an. Gleichzeitig brei-
ten sich wegen des Klimawandels Wüsten weiter aus, Gletscher schmelzen. Darum erwarten
Experten Kriege um ein bald knappes Gut: Süßwasser“.30 So beschreibt Konrad Putzier in
einem Artikel bei welt.de die Problematik der Zukunft. Die Begriffe, die auf den vorherigen
Seiten definiert wurden, sind notwendig um die Abbildung 1 zu verstehen und die Wasser-
konflikte richtig einzuordnen. Wasserkonflikte gehören zu den Interessenkonflikten um abso-
lut bestimmte Güter, die nach der vorgestellten Konfliktanalyse sehr gut regimetauglich sind.
Trotzdem gibt es, wie in den späteren Fallbeispielen gezeigt wird, Konflikte um die Ressour-
ce Wasser, die seit Jahrhunderten nicht gelöst werden können. Das Problem an diesen Kon-
flikten ist jedoch, dass sie in der Regel mit politischen Zielen oder Machtausübungen ver-
29
Ebd. 30
http://www.welt.de/politik/ausland/article108412963/Der-Krieg-der-Zukunft-geht-ums-Wasser.html (05.08.14)
12
bunden sind, sodass diese Auseinandersetzungen nicht monokausal sind und einer Diffe-
renzierung bedürfen. Meistens sind es auch keine reinen Interessenkonflikte, sondern eine
Mischung aus Interessen- und Wertekonflikten, wie das Beispiel im Folgenden zeigen Nahen
Osten wird.
Abb. 4: Konfliktdifferenzierung: Wert-, Mittel- und Interessenkonflikte. Quelle: Efinger et al., 1998 (WBGU 1997), verändert von Lange/Siweljow 2014
2.3 Konfliktfeld Wasser
Wie die Abbildung 2 zeigt, gehen die meisten extremen Wetterereignisse mit Wasser einher.
Alle Arten von extremen Wetterereignisse beschränken sich hauptsächlich auf den Äquator
und die Subtropen, außer einigen gelegentlichen Hitzewellen, die auch in den Mittleren Brei-
ten auftreten können. An dieser Stelle ist es auch wichtig, die Bedeutung der globalen klima-
tischen Veränderung zu erwähnen. Durch die zunehmende Veränderung des globalen Kli-
mas kommt es auch immer häufiger zu Schwankungen. In diesem Fall sind Schwankungen
extreme Wetterereignis, von denen die meisten etwas mit Wasser zu tun haben. Deswegen
wird es in Zukunft sicherlich häufiger zu Auseinandersetzungen im Bereich des Konfliktfelds
Wasser kommen. Während die einen Länder ein Wasserdefizit haben werden, müssen die
anderen Länder gegen die Wassermassen ankämpfen. Ein Wasserdefizit führt unweigerlich
auch zu einer Nahrungsknappheit. Deswegen wird die Bedeutsamkeit von Wasser auch zu-
künftig unangefochten und der freie Zugang zu Wasser zunehmend umkämpft werden. Dies
erkennt man auch deutlich an der Abbildung 3, die eine Weltkarte mit Konflikten von 1980-
2005 zeigt. Die häufigsten Konfliktursachen handeln von den Ressourcen Boden und Was-
ser. Ein langanhaltender Wasserkonflikt führt auch zu einem Bodenkonflikt aufgrund des
Wassermangels für den Boden und der Bodendegradation, die daraus resultiert. Außerdem
haben die Konflikte um Wasser und Boden in der Regel eine größere Konfliktintensität, so-
dass Gewalteinsatz häufig vorkommt. Staudammkonflikte werden zu der Konfliktursache
„Boden“ gezählt, da sie in erster Linie Landnutzungskonflikte darstellen, weil viele Menschen
ihre Heimat verlassen müssen. Auf Dauer ziehen sie aber Wassernutzungskonflikte nach
13
sich, weil die Unterliegerstaaten benachteiligt werden und es häufig zu ungerechter
Aufteilung der Wasserressourcen kommt.
Abb. 5: Formen und Häufigkeit extremer Wetterereignisse (2005), WBGU 2007
Abb. 6: Weltkarte von Umweltkonflikten und der Intensität (1980-2005), WBGU 2007
14
Die Auseinandersetzungen, die von der WBGU als Konflikte eingestuft werden, sind alle in
der Tabelle 1 im Anhang aufgeführt. Auch hier sieht man deutlich, dass es überwiegend um
Boden und Wasser geht. Einige, wie z.B. die Nr. 42 (Äthiopien) zeigen Konflikte die schon
seit über 1000 Jahren bestehen und bis heute nicht abschließend gelöst werden konnten.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass die größten Wasserkonflikte in Staaten, die in
Äquatornähe liegen, ausgetragen werden und dass Boden- und Wasserkonflikte häufig in
engem Zusammenhang stehen. Durch die globale Klimaveränderung werden sich die Kon-
flikte in den nächsten Jahren zuspitzen und es werden möglicherweise neue Konfliktpotentia-
le entstehen.
3. Fallanalysen
3.1 Staudammprojekte
Bevor die eigentlichen Fallbeispiele beschrieben werden, sollte man einiges Grundlegendes
zu Staudammprojekten und den aus ihnen resultierenden Problemen und Vorteilen schrei-
ben. Großstaudämme sind Dämme mit einer Staumauer von mind. 15m Höhe bzw. oberhalb
einer Höhe von 5m mit einem Stauvolumen von mind. 3 Mio. m3. Während in Europa und
Nordamerika der Höhepunkt der Dammbauten in den 1960er lag, erfuhren Asien und Latein-
amerika den Höhepunkt in den 70er und Afrika wiederum eine Dekade später. China ist der
Staat, der heute die meisten Großstaudämme besitzt und auch wesentliche finanzielle Im-
pulse zum Bau von weiteren Großstaudämmen in anderen Ländern setzt.
Arundathi Roy, eine indische Umweltaktivisten formulierte die Probleme der Großstaudämme
wie folgt:
„Big Dams started well, but have ended badly. There was a time when everybody loved them –
the Communists, Capitalists, Christians, Muslims, Hindus, Buddhists. There was a time when
Big Dams moved men to poetry. Not any longer. … Big Dams are obsolete. They‘re uncool.
They‘re undemocratic. … They‘re brazen means of taking water, land and irrigation away from
the poor and gifting it to the rich. Their reservoirs displace huge populations of people, leaving
them homeless and destitute.” 31
Das Problem, das sie hier betont, ist die Zwangsenteignung- und Umsiedlung von vielen Ver-
triebenen, die keine adäquate Erstattung für ihre Verluste bekommen. Für sie gibt es weder
persönliche noch ökonomische Vorteile durch den Bau. Der Profit fließt weiter in die Tasche
der Wohlhabenden. Zudem weichen die geplanten Zahlen der Umzusiedelnden von den tat-
sächlichen drastisch ab, sodass auch die vorgesehenen Gelder dafür nicht ausreichen. Häu-
fig wird argumentiert, dass durch die Baumaßnahmen mehr Arbeitsplätze entstehen, aber in
31
Kreutzmann (2004), In: Geographische Rundschau
15
der Realität sind es nur wenige Einheimische, die beschäftigt werden können. Meistens wer-
den Fachkräfte aus dem Ausland eingesetzt. Außerdem ist es eine große finanzielle Belas-
tung für den Haushalt und dem Staat fehlt dann häufig das Geld für andere Vorhaben. Ein
weiteres schwerwiegendes Problem ist, dass die Menschen flussabwärts weniger Wasser
bekommen und ihre Existenzgrundlage dadurch zerstört wird. Jedoch wird nicht nur die Exis-
tenzgrundlage der Menschen zerstört, sondern auch die vieler Tiere. Bei stehendem Wasser
besteht ein höheres Risiko an Infektionen und es gibt keinen bzw. nur einen schlechten
Nährstofftransport. Dadurch verlieren viele Tiere, in der Regel Süßwassertiere, ihren Lebens-
raum und es kommt zur Süßwasserdegradation.
Trotzdem gibt es auch viele positive Aspekte der Großstaudämme, die man auch erwähnen
sollte. Es besteht allgemein ein hoher Bedarf an Wasser und Energie und dieser Bedarf wird
in den nächsten Jahren weiterhin steigen. Außerdem muss die Verteilung des Wassers über
das ganze Jahr erfolgen und dies kann durch Staudämme gewährleistet werden. Durch die
ungleiche Verteilung des Wassers über das ganze Jahr, können auch die Peaks, die häufig
zu Überschwemmungen führen, abgefangen und sinnvoll genutzt werden. Ein weiterer posi-
tiver Aspekt ist der Ausbau der Infrastruktur, weil solche Großprojekte eine stabile Infrastruk-
tur benötigen. Davon können auch natürlich die Einheimischen profitieren. Es entstehen
auch langfristige Gewinnchancen für das Land, weil z.B. die Energie ins Ausland verkauft
werden kann oder selbst genutzt wird. Durch den Bevölkerungsanstieg ist auch der Energie-
bedarf höher und dadurch kann regenerative Energie genutzt werden.
3.2 Atatürk-Staudamm
Der Atatürk-Staudamm befindet sich im Südosten der Türkei und wurde bereits 1992 fertig-
gestellt und in Betrieb genommen. Er umfasst etwa das 1,5-fache des Bodensees. Nach
dem Schüttvolumen ist es das neuntgrößte Bauwerk der Welt. Das Wasser wird hauptsäch-
lich zur landwirtschaftlichen Bewässerung genutzt und die erzeugte elektrische Energie
deckt etwa 5% des Bedarfs an Strom in der Türkei ab. Der Damm liegt am Euphrat und war
Bestandteil des Projektes GAP (Südostanatolien-Projekt). Dieses Projekt umfasst 22 Stau-
dämme und 19 Wasserkraftwerke entlang der Flüsse Euphrat und Tigris. Das GAP wurde
1980 angefangen und sollte 2010 abgeschlossen werden, wurde dann aber verlängert. 1987
wurde vertraglich festgehalten, dass der Euphrat 500 m3 /s nach Syrien transportieren soll.
Zum Vergleich: Der Rhein bei Koblenz transportiert etwa 2000 m3/s. Syrien büßte somit etwa
40% des Euphratwassers ein. Obwohl der Tigris in der Türkei nur 445km fließt (Syrien:
675km, Irak: 1200km), benutzen die Türkei den größten Teil des Wassers.
16
Diese ungerechte Verteilung sorgte natürlich für Unzufriedenheit bei den Anrainerstaaten.
Der türkische Ministerpräsident Suleyman Demirel argumentierte 1992 naiv: „Die in der Tür-
kei entspringenden Flüsse gehören bis zur Grenze uns und dann erst unseren Nachbarn.
Die machen mit ihrem Öl auch, was sie wollen.“ 32 Der Irak drohte mit einem Krieg und es
kam schlussendlich zum Zweiten Golfkrieg und die Türkei „bestrafte“ den Irak mit einer Was-
sersperre. Syrien hingegen spürte deutlich die wirtschaftliche Folgen und die Abhängigkeit
und musste für die 500m3/s einige Gegenleistung erbringen. So mussten sie u.a. die Aktivitä-
ten der kurdischen Partei PKK unterbinden.
Wie in den meisten anderen Fällen hatte auch dieser anthropogene Eingriff gravierende Fol-
gen und Spuren in der Natur hinterlassen. Da nun mehr Wasser zur Verfügung steht und
dieses Wasser übers ganze Jahr verteilt genutzt werden kann, wurden die traditionellen
Landnutzungsformen, wie der Regenfeldbau, aufgegeben und es wurde maschineller Acker-
bau betrieben. Dies hatte Bodenversalzung, Bodenverdichtung und Überdüngung zur Folge.
Der Boden wurde dadurch jenseits seiner Tragfähigkeit belastet. Zudem wurden gesund-
heitsschädliche Stoffe eingesetzt und die Gesundheit der Menschen und Tiere beeinträchtigt.
Da der Boden nicht ausreichend verdichtet wurden und aufgrund des fehlenden Wurzelwerks
kam es zu starker Seitenerosion und zur Verschlammung des Sees. Deswegen musste eine
Aufforstung des Seeufers erfolgen, die 1998 durch Studenten auf einer Fläche so groß wie
das Saarland durchgeführt wurde. Viele ökologische Lebensgemeinschaften konnten in
Standgewässern nicht überleben, sodass viele Arten in dieser Region ausgestorben sind.
Außerdem wurde auch nicht bedacht, dass es durch plattentektonische Verschiebungen der
Arabischen und der Anatolischen Platte zu starker seismischer Aktivität kommen kann. Die
versprochenen Arbeitsplätze konnten auch nicht an die Einheimischen vergeben werden,
sondern wurden an ausländische Großunternehmer übergeben, während diese die Einhei-
mischen nur als Tagelöhner beschäftigten. Der Nutzen durch die Bewirtschaftung wurde nur
auf einige wenige reiche Landwirte aufgeteilt, sodass ein großer Teil der Bevölkerung nicht
viel davon hatte. Es mussten knapp 220 000 Menschen ihre Heimat verlassen und die histo-
rische Metropole Samosata musste für den Bau komplett geflutet werden. Die Vertriebenen
mussten sich eine Bleibe suchen und es entstanden in den naheliegenden Großstädten wie
Urfa und Diyabakir Slums.
Dennoch steht diesen negativen Aspekten viel Positives gegenüber und beides muss des-
halb abgewogen werden. So ist eine verbesserte Landwirtschaft möglich, da mehr Wasser
zur Verfügung steht und besser genutzt werden kann. Für Südanatolien ist es ganz beson-
ders wichtig, weil hier 1990 etwa 2/3 der Bevölkerung im primären Sektor tätig waren. Es gab
jedoch nicht nur heftige Wasserprobleme in der Landwirtschaft, sondern auch in der Trink-
32
Wolfgang Oberlin (1994), In: Focus.de vom 14.02.94 (11.08.14)
17
Abb. 7: Konfliktausmaß Naher Osten (WBGU 1997)
wasserversorgung. Auch dieses Problem konnte gelöst werden, weil nun permanent Wasser
zur Verfügung steht. Zudem bietet der Großstaudamm einen Hochwasserschutz. Auch wenn
es eher selten zu heftigen Überschwemmungen am Euphrat oder Tigris kam, so bestand
dennoch ein Risiko und dieses wird nun gewinnbringend abgewendet. Die Türkei plant au-
ßerdem den Bau der sogenannten „Friedenspipeline“: Eine Pipeline, die täglich etwa 7 Mio.
m3 Wasser bis in den Osten Saudi-Arabiens pumpen soll. Dieses Projekt steht jedoch bis
heute noch aus und wird von den arabischen Ländern nicht befürwortet. Dabei sehen sie vor
allem das Risiko, dass sie dann von der Türkei abhängig und leicht erpressbar sind. Zu-
sammenfassend kann man festhalten, dass sich das GAP wirtschaftlich rentiert hat und die
Unkosten bereits mehrfach gedeckt wurden. Jedoch wurden soziale Kosten, wie z.B. die
Umsiedlung der Menschen hierbei nicht berücksichtigt.33
3.3 Naher Osten
Wie die Abbildung 4 zeigt, sind die Wasserkonflikte im Nahen Osten international ausge-
dehnt und es kommt zu systematischer Gewalt. Es geht hierbei nicht nur um einen reinen
33
altes-gymnasium.schule.bremen.de (19.06.14)
18
Interessenkonflikt um Wasser, sondern es handelt sich um einen Wertekonflikte zweier Welt-
religionen. Das Judentum und der Islam prallen hier aufeinander und können sich u.a. wegen
religiöser Ansichten nicht einigen. Die Probleme haben historischen Ursprung und deshalb
muss an dieser Stelle einiges zum historischen Verlauf und zu der Entstehung des Staates
Israel geschrieben werden.
Nach dem ersten Weltkrieg hatten die Briten das osmanische Reich zerstört und den Nahen
Osten besetzt. In der Balfour-Erklärung von 1917 versprachen sie den Zionisten einen israe-
lischen Staat in Palästina. Viele Juden reisten daraufhin schon nach Palästina, aber erst im
Jahre 1948 wurde der Staat Israel gegründet. Die Ausrufung des Staates Israel ging in einen
direkten Krieg mit Ägypten, Syrien, Transjordanien, Libanon und dem Irak über. Doch der
junge Staat konnte diesen Krieg trotz einiger Gebietsverluste überstehen. Das Problem be-
stand und besteht heute noch darin, dass einige arabische Länder den Staat Israel weder
anerkennen noch ratifizieren. Nachdem ein Waffenstillstand von der UNO ausgehandelt
wurde, kam es immer wieder zu Übergriffen, insbesondere von arabischer Seite und 1967
folgte der bekannte Sechs-Tage-Krieg bei dem Israel die verlorenen Gebiete zurückerobern
und weiteres arabisches Territorium besetzen konnte. Unter anderem wurden hier die was-
serpolitisch relevanten Golanhöhen annektiert.34 Um seinen hohen Wasserverbrauch zu de-
cken, muss Israel die Golanhöhen verwalten, weil sich hier die drei großen Quellflüsse
Hasbani (Libanon), Dan (Israel) und Banias (Syrien) zum Jordan vereinen. Israel ist nicht
mehr von weiteren Verhandlungen mit den Palästinensern abhängig und kann das Wasser
selbst kontrollieren.
Der Jordan und der Yarmuk sind die bedeutendsten Flüsse in Israel und vereinen sich süd-
lich des See Genezareth. Durch die beiden Flüsse und den See Genezareth kann Israel sei-
nen National Water Carrier aufrecht erhalten. Das ist ein unterirdisches Kanalsystem, wel-
ches das Wasser aus dem Norden bis in den Süden, z.B. in den Gazastreifen pumpt. Da-
durch kann die hohe Wasserverdunstung in Israel eingedämmt werden und der Süden Isra-
els landwirtschaftlich genutzt werden.
Ein weiterer zentraler Aspekt der Wasserversorgung sind die Grundwasserleiter. Ein Grund-
wasserleiter ist eine wasserdurchlässige Gesteinsschicht zwischen wasserundurchlässigen
Gesteinsschichten. Die Menschen im Nahen Osten können nur aufgrund dieser Grundwas-
serleiter überleben, weil die Hälfte des gesamten Verbrauchs hier entnommen wird. Diese
Grundwasserbecken, also die Berg-Aquifere aus dem Westjordanland und die Küsten-
Aquifere an der Mittelmeerküste sind in der Wasserversorgung sehr wichtig, stellen aber wei-
teres Konfliktpotential dar, weil sie grenzüberschreitend sind.
34
Meister, R. & Eckstein, K. (2003): Die 100 wichtigsten Daten Judentum
19
Wie die Tabelle 1 im Anhang zeigt, bestehen die Konflikte mit Israel entweder seit Gründung
des Staates oder seit dem Sechs-Tage-Krieg. Das Problem, das auch immer wieder in den
Medien auftaucht, ist die ungleichmäßige Verteilung von Wasser zwischen Israelis und Pa-
lästinensern. Es geht dabei um ein Verhältnis von ca. 1:3, also 70l:210l. Das WHO-
Mindestmaß liegt jedoch bei 100l/Tag. Israelische Quelle bejahen zwar das Verhältnis, be-
haupten jedoch, dass den Palästinensern mehr Wasser zur Verfügung steht. Sie gehen von
etwa 120l/Tag aus. Das eigentliche Problem besteht jedoch darin, dass alle Länder im Na-
hen Osten zu viel Wasser verbrauchen, d.h. mehr als die erneuerbaren Wasservorkommen
hergeben. Manche Berg-Aquifere können diese Pumpleistung nicht erbringen und werden
auf Dauer austrocknen bzw. deutlich weniger Wasser geben.
Schon zu biblischen Zeiten wurde Palästina als das „Land in dem Milch und Honig“ fließen
bezeichnet. Bis heute ist die Landwirtschaft ein bedeutender Faktor mit dem ein hoher Was-
serverbrauch einhergeht. Es wäre deutlich günstiger, die Lebensmittel aus den Nachbarlän-
dern zu importieren, aber es wird dennoch selbst angebaut und bewirtschaftet. Durch die
hohe Übernutzung und den hohen Pestizideintrag wird das Wasser stark belastet, dies wirkt
sich negativ auf die Gesundheit der Menschen aus. In der Landwirtschaft Israels geht es
eigentlich um die Unabhängigkeit des Landes. Durch die feindliche Gesinnung der Nachbar-
länder ist es für Israel natürlich sehr gefährlich auf die Lebensmittelimporte aus dem Ausland
zu setzen.
Da Israel die Golanhöhen besetzt hat und die Wasservorkommen verwaltet, ist es den Paläs-
tinenser nicht erlaubt eigene Brunnengrabungen durchzuführen. Dazu brauchen sie die Er-
laubnis von der israelischen Behörde. Israel ist der Ansicht, dass die palästinensische Bevöl-
kerung genug Wasser bekommt und verlangt, dass die Behörde die Pipelines erneuert, weil
hier etwa 30% des Wassers verloren gehen. Bei einem ariden Klima ist jeder Tropfen Was-
ser wichtig. Natürlich möchte Israel das Wasser nicht so einfach verdunsten lassen, während
es auf der anderen Seite hart darum kämpft. So wurde z.B. im Jahr 2013 ein Abkommen
zwischen Israel und Jordanien unterzeichnet, welches den Bau einer Pipeline vom Roten
Meer zum Toten Meer vorsieht und dadurch das Tote Meer vor der Austrocknung retten
soll.35
Ein weiteres Problem stellt das längst überholte Oslo-Abkommen (1994) zwischen Israel und
den arabischen Staaten dar. Es ist ein Friedensabkommen in dem Israel u.a. den Palästi-
nensern eine gewisse Wassermenge garantiert und diese heute deutlich überschreitet. Die
35
http://www.israelmagazin.de/totes-meer-vor-der-rettung (12.08.2014)
20
Wassermenge die damals anvisiert wurde, entspricht nicht den Bedürfnissen der Menschen.
Eine Überarbeitung des Abkommens ist auch längst an der Zeit. 36
3.4 „Kampf“ um den Nil
Mit einer Länge von 6852 km ist der Nil der längste Fluss der Erde. Auf seinem Einzugsge-
biet (s. Abb.8) von insgesamt 3.250.000 km², (welches demnach 10% der Landfläche Afrikas
einnimmt) wird er von zwei Quellflüssen gespeist. Dabei dominiert der Blaue Nil in der Re-
genzeit über den Weißen Nil, in der Trockenzeit kehrt sich das Verhältnis um. Im Einzugsge-
biet leben 250 Mio. Menschen, der jährliche Bevölkerungszuwachs beträgt 2-3%.37
Die Oberlieger, zu denen Eritrea, Uganda, Burundi, Kongo, Kenia, Tansania und Ruanda
zählen, verzeichnen einen relativen Wasserüberschuss, wohingegen die Unterlieger Sudan
und Ägypten sowie Teile Äthiopiens von Wasser“mangel“ (nur Ägypten laut Definition, vgl.
S. 8) geplagt sind. Durch den allgemeinen Meeresspiegelanstieg als Folge des zunehmen-
den, anthropogen verursachten Klimawandels und der damit einhergehenden globalen Er-
wärmung droht zunehmend das Nil-Delta zu versalzen. Für die im Norden gelegenen Staa-
ten bedeutet dies zusätzliche Gefährdung des zur Verfügung stehenden Süßwasserdarge-
bots, da Meerwasser nur unter großem finanziellem Aufwand zur Trinkwasserversorgung
aufbereitbar ist. Für Ägypten, um das es im Folgenden schwerpunktmäßig gehen soll, ergibt
sich daraus die geographische Lage in einer Art Zange oder Schere, da das nutzbare Was-
ser aus zwei Richtungen zu verknappen droht.
Da die erheblichen Schwankungen in der Wasserführung zwischen Regenzeit und Trocken-
zeit seit jeher ein Problem darstellten, wurde bereits 1902 die Aswan-Staumauer errichtet. In
den Jahren 1912 und 1933 kam es jeweils zu baulicher Erhöhungen. Von Juni bis Anfang
August wurde dann das Wasser am Damm vorbeigeleitet, um den fruchtbaren Nilschlamm
als Dünger nutzbar zu machen. Ab Ende August dient Wasser aus dem Damm als zusätzli-
ches Bewässerungswasser. Trotz dieser Baumaßnahme und der auf die Agrarwirtschaft ab-
gestimmten Nutzungsweise konnte keine ausreichende Nahrungsmittelproduktion für die
wachsende Bevölkerung erreicht werden. Ägypten als ein Land, das großen Wert auf Autar-
kie legt, konnte auf die beschriebene Weise (bis heute) keine Selbstversorgung mit Getreide
36
http://altes-gymnasium.schule.bremen.de/wasserprojekt/nk/lang_nahost.htm (12.08.14) 37
Mauser, Wolfram (2007): Wie lange reicht die Ressource Wasser? Vom Umgang mit dem blauen Gold. Bonn: bpb. S. 77.
21
umsetzen.38 Auch nach mehreren Erhöhungen erwies sich der Damm, der einer der fort-
schrittlichsten seiner Art war, als schlichtweg zu klein.
38
Ebd. S. 86
22
Abb. 8: Einzugsgebiet des Nil, Quelle: http://www.globalresearch.ca/the-geopolitics-of-water-in-
the-nile-river-basin/25746 Stand: 22.06.2014
23
Wohl vor allem als Resultat dieses Umstands fiel 1970 der Beschluss zum Bau des Aswan
Hochdamms. Bestreben war die endgültige Unabhängigkeit von der schwankenden Wasser-
führung des Nils. Auch der Fortschritt der USA und der europäischen Staaten beflügelten
das Großprojekt, mit dem der nordafrikanische Staat schrittzuhalten versuchte. Die Füllung
des etwa 500 km langen und bis in den Sudan reichenden Stausees Nasser-See war erst
1976 beendet; der Damm weist eine Höhe von 111 m auf.
Eine Voraussetzung für das Projekt war erschwinglicher Dünger, der dringend benötigt wur-
de, um den ausbleibenden Nilschlamm zu substituieren. Die etwa 1 Mio. t Kunstdünger, die
Ägypten dazu nutzt, können die ungefähr 40 Mio. t fruchtbaren Schlamm qualitativ jedoch
nicht in vollem Umfang ersetzen und so kam es zu langfristigem Rückgang der Fruchtbarkeit
der Böden am Nil.39 Auch die Umsiedlung von 90.000 Fellachen und Nubiern, die durch das
Projekt nötig wurden, muss als negativer Effekt genannt werden. Positiven Effekt hatte die
Umsetzung hingegen auf Fischerei, Schifffahrt und Energiegewinnung – auch für den Sudan.
Große Konkurrenz besteht im „Kampf“ um das Nilwasser seit Jahrhunderten zwischen den
Staaten Ägypten und Äthiopien. Grundlegenden Überblick über die Ausgangslage in puncto
Sozialdaten und Wasserressourcen bietet die Abb. 9:
39
Ebd. S.91.
Abb. 9: Soziale Verhältnisse in den Nilanrainerstaaten, Stand 2000, Quelle: Nicol (2000), zit. nach
Mauser (2007), S.91
24
Daraus geht hervor, dass Ägypten bei nahezu identischer Einwohnerzahl und einem Bevöl-
kerungswachstum von 2% im Gegensatz zu Äthiopien mit 2,3% Bevölkerungs-wachstum
über das 15-fache Brutto-Einkommen pro Kopf und Jahr verfügt. Betrachtet man die internen
erneuerbaren Wasserressourcen der beiden Staaten, so verfügt der Oberlieger über das
etwa 70-fache Wasserdargebot im Gegensatz zum unter Wassermangel leidenden Ägypten.
Diese Verhältnisse bilden die Ausgangslage für die prekäre Situation, die im Folgenden kurz
dargestellt werden soll.
Ägypten nutzt seine Wasserressourcen zu 98% und schöpft sie demnach nahezu gänzlich
aus, es gibt keinen nennenswerten Niederschlag.40 95% des genutzten Wassers stammt aus
dem Nil, 95% davon wiederum aus Äthiopien. Die äthiopische Landwirtschaft ist fast voll-
ständig auf die zyklischen Niederschläge angewiesen, was bei wachsender Bevölkerung
eine enorme Bedrohung darstellt, Druck erzeugt und Effizient fordert. Bei der Nutzung des
Nilwassers beharren Ägypten und auch der Sudan auf „angestammte“ Rechte. Als Dilemma
anmutende Konflikte entstehen, da die Oberlieger befürchten, bei der Wasserversorgung
benachteiligt zu werden während die Unterlieger sich in ihrer Entwicklung behindert fühlen,
wenn sie die Bedürfnisse der Oberlieger achten müssen.
Einige Male wurden Versuche unternommen, die Nutzung zu regulieren und offiziell zu re-
geln. Schon 1929 schlossen Ägypten und die Kolonialmacht Großbritannien einen Vertrag
über die Abflussmenge des Nil, in einem Folgeabkommen von 1959 wurde unter Einräu-
mung eines Veto-Rechts für Ägypten die Nutzung von 55,5 Mrd. m³ für Ägypten und 18,5
Mrd. m³ für den Sudan festgelegt. 1999 gründete sich die Nilbecken-Initiative bestehend aus
neun Anrainerstaaten und Eritrea mit Beobachterstellung. Die Oberlieger zeigen sich jedoch
immer wieder unzufrieden mit alten Abkommen und fordern Neuregelungen, die Unabhän-
gigkeit des Süd-Sudan missfällt, da man ihn als zusätzlichen konkurrent ansieht, die Lage ist
generell gespannt.
2009 erfolgte schließlich die Zustimmung zum Tekeze-Damm in Äthiopien. Geplant war die
Errichtung von Hochspannungsleitungen in den Sudan, später auch nach Ägypten, für 45,3
Mrd. US$, es kam jedoch zu erheblichen Problemen, da der Bau auf „unsicherem“ Grund
geplant war.
Auch in jüngster Vergangenheit ist der Konflikt in den Medien präsent. Erst 2013 äußerte der
gestürzte ägyptische Präsident Hosni Mubarak, jede Begrenzung des Nilflusses durch Äthio-
pien werde sein Land „zur Konfrontation drängen, um unsere Rechte und unser Land zu ver-
40
Dehmer, D.: Ein Fluss, zehn Länder, viele Probleme. Artikel in Zeit Online vom 29.07.2009.
25
teidigen“.41 Vermeintlich vorsichtiger lies Nachfolger Mursi verlauten: „Wir wollen keinen
Krieg! Aber wir lassen uns alle Optionen offen.“42
Ausschlaggebende Entwicklung war das in Äthiopien geplante Großbauprojekt der „Grand-
Ethiopian-Renaissance“-Talsperre am Oberlauf des Blauen Nil, nahe der sudanesischen
Grenze. Das 4,8 Mrd. US$ teure Projekt, bei dem ein Stauseespeicherraum von 63 Mio m³
erzeugt werden soll, wurde mit 1 Mrd. US$ von China subventioniert. Man strebt an, mit
15.000 GWh/Jahr größter Energieversorger Afrikas zu werden. Gerade die asiatische Betei-
ligung an diesem Vorhaben legt erneut offen, wie komplex die internationalen Verflechtungen
in den Konflikten um Wasservorkommen und Nutzungsrechte sind. Machtpolitische Dimensi-
onen werden ersichtlich, können im vorliegenden Rahmen jedoch leider nicht tiefergehend
ergründet werden. Die geplante Inbetriebnahme im September 2014 konnte nicht eingehal-
ten werden.
Die Befürchtungen der ägyptischen Seite, durch erhöhte Verdunstung käme weniger Wasser
im ägyptischen Staatsgebiet an, wurde von Experten (auch von ägyptischen!) als unbegrün-
det eingestuft.
Austragungsort des Konflikts ist vielmals die internationale Presse – besonders zu Wahl-
kampfzeiten. So reagierten Ägyptens Politiker live im TV mit der Drohung, Rebellengruppen
in den Kampf gegen die Regierung in Addis Abeba zu entsenden oder den Damm durch den
Geheimdienst zu zerstören. Im Gegenzug dazu verabschiedete das Äthiopische Parlament
am 13.06.13 das Entebbe-Abkommen aus 2010, das die umstrittenen Verträge aus der Ko-
lonialzeit ersetzt. Ratifiziert wurde der Vertrag durch die Staaten Ruanda, Tansania, Uganda,
Kenia, Burundi, Kongo und den Süd-Sudan. Von Androhungen von Militärgewalt zeigte sich
Äthiopien bisweilen weitgehend unbeeindruckt.43 Gerade im zuletzt aufgezeigten Zusam-
menhang stellt die berechtigte Sorge um nachhaltige Wasserversorgung immer wieder auch
eine Plattform für politische Machtspiele und Bluffs dar. Eine ersthafte Sorge, es würde zu-
künftig Kriege um Wasser geben, gilt bis dato als unbegründet. Vielmehr sind die betroffenen
Staaten zu Kooperation angehalten und auf technischen Fortschritt angewiesen. Für den
vorliegenden Fall kann demzufolge abschließend Schadomsky hinzugezogen werden:
„Eine ganz praktische Lösung wird schon seit Jahrzehnten propagiert: Ägypten könnte die Was-
sernutzung für seine Landwirtschaft effizienter machen. Bislang vergeudet es das kostbare
Nass durch antiquierte Bewässerungstechniken. Mögliche geringfügige Verluste durch Äthiopi-
41
Schadomsky, L.: Wasserkrieg zwischen Ägypten und Äthiopien? Artikel via: Deutsche Welle vom
19.06.2013.
42 Ebd.
43 Ebd.
26
ens Staudamm könnte es so durch eigene Anstrengung auffangen. Das Problem: Beim ägypti-
schen Wahlvolk dürfte diese Botschaft nicht gut ankommen.“44
Und so bleibt der Eindruck, einige Konflikte um die Ressource Wasser könnten leichter ver-
mieden und die entsprechende Krise für die Bevölkerung vermindert werden, wären nur poli-
tische und ökonomische Bestreben Machthabender in Politik und Wirtschaft bei diesen exis-
tenziellen Themen weniger bedeutungsvoll und würden naheliegende Maßnahmen zeitnaher
ergriffen.
44
Ebd.
27
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http://www.wissenschaft-und-frieden.de/seite.php?artikelID=0937
http://www.unesco.de/7729.html
28
Anhang
Tabelle 1 (WBGU 2007)
29
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