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Informationssuche in anderen Umständen
Eine empirische Untersuchung der gesundheitlichen Internetnutzung von werdenden und jungen Eltern
Nicole Zillien Dörte Aulitzky Annette Billen Gerrit Fröhlich
unter Mitarbeit von:
Jamal Akbar, Nadine Bereswill, Taina Bofferding, Sebastian Eisele, Nora Gräber, Martin Jäckel, Anna Lüb-ken, Dennis Lambio, Daniela Müller, Carola Schmitz, Roman Schmitz, Martha Smolarz, Florian Stichler, Fabian Strauß, Heiko Vink, Jan Martin Vogel, Niels Wehr, Theresa Willeke, Sebastian Zenner
Fachbereich IV - Soziologie, Universität Trier November 2008
Hebammen-Landesverband
Rheinland-Pfalz e.V.
Inhalt
1 Einleitung.................................................................................................................... 1
2 Forschungsstand und Fragestellung............................................................................ 2
3 Methodische Vorgehensweise .................................................................................... 5
3.1 Geburtsvorbereitungskurse – Standardisierte schriftliche Befragung......... 5
3.2 Elternforum – Standardisierte Online-Befragung ....................................... 6
3.3 Schwangerschaftsforum – Inhaltsanalyse ................................................... 6
3.4 Gynäkologen – Qualitative Leitfadeninterviews ........................................ 7
3.5 Hebammen – Standardisierte Befragung .................................................... 7
4 Empirische Ergebnisse zur Internetnutzung von werdenden und jungen Eltern ........ 9
4.1 Art, Ausmaß und Stellenwert ...................................................................... 9
4.2 Auswirkungen für die werdenden und jungen Eltern ................................. 13
4.3 Auswirkungen auf die Arbeit von Ärzten und Hebammen......................... 15
5 Fazit ............................................................................................................................ 21
6 Literatur ...................................................................................................................... 22
Informationssuche in anderen Umständen
1
1 Einleitung
Die Internetnutzung zu Gesundheitsthemen ist in den letzten Jahren konstant gestiegen.
Aufgrund bestimmter ärztlicher Diagnosen, akuter Symptome oder auch bei Erkrankungen
von Freunden und Angehörigen machen sich viele Nutzer des Internets aktiv auf die Suche
nach Informationen zu Krankheitsbildern, Heilungschancen oder Behandlungsmethoden
(vgl. Hüfken et al. 2004; Horch/ Wirz 2005; Neverla et al. 2007; Zillien/ Lenz 2007). Be-
sonders anschaulich lässt sich dies am Beispiel der Informationsrecherche zu Schwanger-
schafts- und Geburtsthemen verdeutlichen. Die Phase rund um die Geburt eines Kindes
stellt üblicherweise eine Zeit der intensiven Informationssuche dar, wobei gesundheitliches
Wissen zu Schwangerschaft, Geburt und Säuglingspflege ganz oben auf der Agenda wer-
dender Eltern steht.
Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit den Auswirkungen der gesundheitli-
chen Internetnutzung von werdenden und jungen Eltern. Die empirischen Ergebnisse
stammen aus einem soziologischen Forschungsseminar an der Universität Trier. Das in der
Zeit von April 2007 bis Februar 2008 durchgeführte Projekt nähert sich dem Gegenstand
dabei von verschiedenen Seiten und unter Zuhilfenahme unterschiedlicher methodischer
Ansätze. Im Zuge der Untersuchung fanden folgende Teilprojekte statt:
� eine schriftliche Befragung von 70 Teilnehmern von Geburtsvorbereitungskursen,
� eine Online-Befragung von 327 Nutzern des Elternforums urbia.de,
� eine postalische Befragung von 199 Mitgliedern des Hebammen-Landesverbandes
Rheinland-Pfalz e.V.,
� qualitative Interviews mit 14 Teilnehmern des Gynäkologentages in RLP,
� sowie eine Inhaltsanalyse von Beiträgen auf der Online-Plattform babyforum24.de.
Der vorliegende Projektbericht gibt einen Überblick zu den Ergebnissen der einzelnen
Teilprojekte. Nach einer knappen Darlegung des Forschungsstandes (Kapitel 2) wird die
methodische Vorgehensweise der einzelnen Teilprojekte erläutert (Kapitel 3), bevor die
empirischen Ergebnisse dargestellt werden (Kapitel 4). Im Fazit werden die Ergebnisse der
empirischen Erhebungen abschließend zusammengeführt (Kapitel 5).
Informationssuche in anderen Umständen
2
2 Forschungsstand und Fragestellung
Als Aaronson et al. (1988) vor zwanzig Jahren den Artikel „Seeking Information: Where
Do Pregnant Women Go?“ verfassten, stand das Internet noch nicht als mögliche Informa-
tionsquelle zur Verfügung. Die 529 telefonisch befragten Schwangeren nannten als wich-
tigste Ratgeber zu der Frage, was sie „should and should not do during their pregnancy“,
medizinisches Personal (Ärzte, Hebammen, Krankenschwestern) und Sachbücher – danach
folgten Freunde, Printmedien, Familienmitglieder, sowie die eigene Einschätzung und an
letzter Stelle audiovisuelle Medien. Höhergebildete Frauen verließen sich dabei signifikant
häufiger auf Bücher und Experten, während formal weniger Gebildete sich eher auf die
Meinungen von Familienmitgliedern und die eigene Einschätzung bezogen.
Heute ist mit dem Internet ein zentrales Informationsmedium für werdende und junge El-
tern hinzugekommen. Für viele gehört das Netz zu den wichtigsten Informationsquellen
rund um Schwangerschaft und Geburt. Die Befragung von 35 irischen Hebammen unter-
mauert diese Feststellung (vgl. Lagan et al. 2007): Weit über die Hälfte der befragten He-
bammen berichtet, dass sie im vergangenen Jahr mit Klienten über im Internet recherchier-
te Informationen diskutiert haben. Internetinformationen werden dabei von den werdenden
Eltern als Entscheidungshilfe herangezogen, aber in manchen Fällen auch – so die Ein-
schätzung der Hebammen – als bedrückend oder beängstigend empfunden. Auch Stewart
(2006) zeigt auf Basis einer Befragung von 54 neuseeländischen Hebammen, dass Internet-
informationen im Gespräch mit werdenden Eltern an Bedeutung gewinnen: 70 Prozent der
befragten Hebammen geben an, dass sie entsprechende Erfahrungen gemacht haben, wobei
das Internet zur Kontaktherstellung und Beratung noch eine geringe Rolle spielt. In einer
von Eriksson-Backa (2003) durchgeführten Untersuchung stellte sich heraus, dass Schwan-
gere – im Vergleich zu an Diabetes erkrankten Patienten – allgemein eher zu den Nutzern
des Internets gehören, in besonderem Maße an der Teilnahme an gesundheitsbezogenen
Diskussionsforen interessiert sind und Internetinformationen ein größeres Vertrauen entge-
genbringen. Der Anlass für einen Zugriff auf das Internet besteht dabei oftmals in einer
Arztdiagnose, zu der weitere Informationen gewünscht sind. So berichtet eine kanadische
Studie, dass ein Viertel der befragten werdenden Eltern Informationen im Netz aufgrund
unbeantworteter Fragen nach einem Arztbesuch recherchierten (vgl. Godolphin et al.
2005). Die Mehrheit (79 Prozent) der 114 im Rahmen der Studie befragten Teilnehmer von
Geburtsvorbereitungskursen ging dabei davon aus, dass die Online-Informationen zumin-
Informationssuche in anderen Umständen
3
dest teilweise korrekt sind, während immerhin 18 Prozent sogar von deren absoluter Rich-
tigkeit überzeugt waren.
Eine britische Untersuchung, die die Internetseiten zu Fehlgeburten im ersten Schwanger-
schaftsdrittel unter die Lupe nahm, stellt jedoch fest, dass die per Suchmaschine ermittelten
Internetangebote nur zu einem geringen Teil die relevanten Informationen in sachgemäßer
Form enthielten (vgl. Hardwick/ MacKenzie 2003). Ein ebenfalls recht negatives Bild von
online erhältlichen Informationen zeichnet eine britische Studie (vgl. Ernst/ Schmidt 2002).
Diese bezeichnet die über Email-Anfragen bei 42 auf Kräuterkunde spezialisierten Heil-
praktikern erhaltenen Ratschläge und Anweisungen als „misleading at best, dangerous at
worst“ (Ernst/ Schmidt 2002: 190). Fehlende Qualitätskontrollen im World Wide Web
führten, so die Autoren, zu einem deutlichen Risiko für ratsuchende Schwangere. Bern-
hardt und Felter (2004) untersuchten, wie Mütter junger Kinder die Vertrauenswürdigkeit
der recherchierten Informationen feststellen. Von den in vier Fokusgruppen befragten Teil-
nehmerinnen nutzten nahezu alle das Netz, um vor der Geburt Informationen zum Thema
Schwangerschaft zu recherchieren und danach, um sich über Fragen zu Kindesentwicklung
zu informieren. Die Möglichkeit, schnell und mit vergleichsweise geringem Aufwand an
erste Informationen zu kommen, wird von den Müttern in der Regel begrüßt. Was die Eva-
luation der Informationen betrifft, so achten die Nutzerinnen vor allem auf die Motive der
Betreiber der Internetseite oder die Widerspruchsfreiheit der Angaben. Besonders die Müt-
ter, die ihr erstes Kind erwarteten, nutzten das Netz weiterhin zum Austausch mit anderen
werdenden Eltern und zur emotionalen Unterstützung. Die Autoren fassen als Hauptmoti-
vation der medizinischen Onlinenutzung zusammen, dass die jungen Mütter einerseits et-
was über gesundheitliche Diagnosen wissen wollen, sich andererseits aber auch Rat und
Unterstützung in Erziehungs- und Entwicklungsfragen erhoffen. Dunham et al. (1998) zei-
gen diesbezüglich in einer Befragung von 42 alleinerziehenden Müttern zwischen 15 und
20 Jahren, dass der Austausch im Internet kurz nach der Geburt eines Kindes eine zentrale
emotionale Stütze sein kann. Die jungen Mütter bildeten über einen Zeitraum von sechs
Monaten hinweg eine Online-Gruppe zu Themen rund um Mutterschaft und Säuglings-
pflege und griffen in dieser Zeit insgesamt 16.670 Mal auf das Netzwerk zu, wobei teils
enge persönliche Bindungen entstanden. Die individuelle Nutzungsintensität hing dabei in
erster Linie vom Grad der sozialen Isolation und dem Alter des Säuglings ab: War die jun-
ge Mutter sozial isoliert oder das Baby erst wenige Wochen alt, so war die Nutzungsfre-
Informationssuche in anderen Umständen
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quenz signifikant höher. Jene Mütter, die regelmäßig auf das Netzwerk zugriffen, gaben
zudem in höherem Ausmaß einen Abbau von Stress an.
Aufbauend auf diesen Forschungsergebnissen beschäftigt sich die vorliegende Untersu-
chung mit Art, Ausmaß und Auswirkungen der Internetnutzung von werdenden und jungen
Eltern sowie den Auswirkungen derselben auf die Arbeit von Hebammen und Ärzten. Im
folgenden Kapitel wird das methodische Vorgehen der vorliegenden Untersuchung detail-
liert erläutert.
Informationssuche in anderen Umständen
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3 Methodische Vorgehensweise
Im Rahmen des Projektes wurden in der zweiten Hälfte des Jahres 2007 vier verschiedene
Gruppierungen zu den Vor- und Nachteilen der gesundheitlichen Internetnutzung rund um
die Geburt eines Kindes befragt: An dem Projekt teilgenommen haben 70 Teilnehmer von
Geburtsvorbereitungskursen in Trier, über 300 Nutzer eines Online-Forums zu Schwanger-
schaftsthemen, 14 Gynäkologen im Rahmen des 14. Rheinland-Pfälzischen Gynäkologen-
tags sowie 199 Mitglieder des Hebammen-Landesverbandes Rheinland-Pfalz e.V. Weiter-
hin wurde eine Inhaltsanalyse eines Onlineforums zu Schwangerschaftsthemen durchge-
führt. Im Folgenden wird jeweils die methodische Vorgehensweise der fünf Einzelprojekte
skizziert.
3.1 Geburtsvorbereitungskurse – Standardisierte schriftliche Befragung
Die Grundgesamtheit der Erhebung stellt die spezielle Population aller werdenden Eltern
der Trierer Wohnbevölkerung dar. Die Feldphase der Untersuchung fand von August bis
November 2007 in insgesamt sechs Geburtsvorbereitungskursen in zwei Trierer Kranken-
häusern statt. Die Befragung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Geburtsvorberei-
tungskurse wurde innerhalb der Gruppe meist in Anwesenheit eines Interviewers durchge-
führt. Die Rücklaufquote bei den direkt betreuten Befragungen lag jeweils bei hundert Pro-
zent. Insgesamt ergab sich eine Befragtenzahl von 70 Personen (Elisabeth-Krankenhaus
Trier: n=43; Marienkrankenhaus Trier-Ehrang: n=27). In den Kursen findet sich ein relativ
hoher Anteil an Onlinern: Von den 70 Befragten nutzen 66 bereits das Internet, die verblei-
benden vier planen es zumindest. Über den technischen Zugang hinaus handelt es sich bei
der Stichprobe um sehr erfahrene Nutzer: Mehr als 86 Prozent nutzen das Internet bereits
seit mehr als drei Jahren. 87 Prozent nutzen das Internet mindestens mehrmals die Woche,
37 Prozent sogar mehrmals täglich. 76 Prozent der Befragten sind weiblich, der Alters-
durchschnitt liegt bei 31 Jahren. Es war zu erwarten, dass die Anzahl von weiblichen Be-
fragten relativ hoch ausfällt, da Frauen in den Geburtsvorbereitungskursen zwingend teil-
nehmen, während die Begleitung durch Männer optional ist. Schon aufgrund dieser Stich-
probenverzerrung, aber auch, weil keine Zufallsstichprobe gezogen wurde, ermöglicht das
Forschungsdesign keinen Repräsentationsschluss auf die Grundgesamtheit aller werdenden
Eltern der Trierer Wohnbevölkerung.
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3.2 Elternforum – Standardisierte Online-Befragung
Die Grundgesamtheit der Befragung besteht aus den (weiblichen) Nutzern des urbia-
Forums zum Thema „Schwangerschaft, Geburt und Erziehung“. Die Befragung des Eltern-
forums urbia.de erfolgte mit Hilfe eines standardisierten Online-Fragebogens. Eine Onli-
ne-Erhebung ist hinsichtlich der definierten Grundgesamtheit naheliegend, da sich die ent-
sprechende Befragung mit geringem finanziellem Aufwand innerhalb kurzer Zeit mit ho-
hen Fallzahlen realisieren lässt. Dabei sind auch nicht – wie es bei einer onlinebasierten
Bevölkerungsumfrage für die Nichtnutzer des Internets der Fall wäre – bestimmte Person-
gruppen von vornherein aus der Befragung ausgeschlossen. Da die Betreiber des Forums
keine E-Mail-Listen zur Verfügung stellten, tritt jedoch das Problem der Selbstselektivität
auf. Die Befragung wurde an zwei verschiedenen Terminen auf den Seiten von urbia.de
(Forum zum Thema „Schwangerschaft, Geburt und Erziehung“) verlinkt. Die Feldphase
begann am 08.09.2007 und endete am 25.09.2007. Insgesamt haben in diesem Zeitraum
522 Personen den Link zum Fragebogen angeklickt. Ursprünglich war die Befragung für
beide Geschlechtergruppen konzipiert. Da jedoch lediglich zwei Männer den Fragebogen
ausfüllten, wurde die Auswahl auf weibliche Nutzer beschränkt. Zur Auswertung kamen
alle innerhalb des Erhebungszeitraums von Frauen vollständig ausgefüllten Fragebögen.
Von den insgesamt 522 angeklickten Fragebögen blieben so 327 auswertbare Datensätze
übrig.
3.3 Schwangerschaftsforum – Inhaltsanalyse
Im Vordergrund der Inhaltsanalyse steht die Frage, mit welcher Motivation Internetforen
zum Themenbereich Schwangerschaft und Geburt genutzt werden. Beim untersuchten ba-
byforum24.de handelt es sich um ein Internetforum, in dem Schwangere sich beispielswei-
se zu den Themen „Schmerzen im oberen Bauchbereich“, „Eisenpräparate“, „Nackenfal-
tenmessung“ und „Wie weit kann die Pille dem Ungeborenen schaden?“ austauschen. Das
Forum umfasst zum Untersuchungszeitpunkt 1257 Mitglieder, im Durchschnitt werden 85
Beiträge pro Tag verfasst. Die Untersuchung konzentriert sich auf die Subkategorie „Ge-
sundheit/ Medizin/ Ernährung“ des Schwangerenforums, die aus 179 Diskussionssträngen
(Threads) besteht. Per Zufallsauswahl wurden 30 Threads gezogen, wobei aufgrund einer
nicht abgeschlossenen Gesprächsstruktur fünf ausgeschlossen wurden, so dass 25 Threads
zur Analyse herangezogen wurden.
Informationssuche in anderen Umständen
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Das Material wurde mit dem Konferenzkodiersystem (KONFKOD) von Fisch (1994) ana-
lysiert, das der Erfassung von Gruppenprozessen und sozialer Interaktion dient, wobei die
Kategorien „die inhaltliche und prozedurale Lenkung der Diskussion, inhaltliche Beiträge
und sozial-emotionale Aspekte der Diskussion“ (Fisch 1994: 149) erfassen.
3.4 Gynäkologen – Qualitative Leitfadeninterviews
Im Rahmen des Rheinland-pfälzischen Gynäkologentags in Mainz wurden problemzent-
rierte Interviews mit vierzehn praktizierenden Ärzten durchgeführt, die sich auf einen Leit-
faden stützten. Der Leitfaden setzt sich aus drei verschiedenen inhaltlichen Blöcken zu-
sammen: (1) Beschreibung von Art und Ausmaß der Internetnutzung werdender Eltern aus
Sicht von Gynäkologen, (2) Beschreibung der Auswirkungen der Internetnutzung werden-
der Eltern insbesondere auf das Arzt-Patienten-Verhältnis und (3) Bewertung der Internet-
nutzung von (werdenden) Eltern. Zur strukturierten Auswertung der jeweils auf Tonband
dokumentierten und transkribierten Interviews wurde eine Textanalysesoftware benutzt,
die das Herausarbeiten der Kernaussagen erleichterte. Ergänzt wurden die problemzentrier-
ten Interviews durch quantitative Kurzfragebögen zur Erhebung der soziodemographischen
Befragtendaten. Die Befragtengruppe besteht aus fünf Gynäkologen und neun Gynäkolo-
ginnen. Fünf der befragten Frauenärzte weisen ein Alter zwischen 30 und 40 Jahren auf,
sechs der Befragten sind zwischen 41 und 55 Jahre alt und drei Befragte sind älter als 55
Jahre. Von den insgesamt 14 Frauenärzten besitzen 12 einen Internetanschluss in der Pra-
xis und fünf der befragten Ärzte haben eine eigene Homepage. Im Hinblick auf die Inter-
netkompetenz stuft sich die Mehrheit der Befragten als Anfänger mit Grundkenntnissen
ein.
3.5 Hebammen – Standardisierte Befragung
Durch die Kooperation mit dem Hebammen-Landesverband Rheinland-Pfalz und die Un-
terstützung durch das rheinland-pfälzische Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit,
Familie und Frauen bestand die Möglichkeit einer repräsentativen Vollerhebung der 728
durch den Landesverband vertretenen, aktiven Hebammen (vgl. Zillien/ Aulitzky/ Billen
2009). Passive Mitglieder, wie bereits pensionierte Hebammen und Hebammenschülerin-
nen, waren von der Untersuchung ausgeschlossen. Die postalische Befragung der Mitglie-
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der des Hebammen-Landesverbandes fand im November/ Dezember 2007 statt. Alle 728
aktiven Mitglieder des Landesverbandes erhielten Ende November 2007 den Fragebogen
per Post und wurden um die Teilnahme an der Befragung gebeten. Bis zum 22. Dezember
2007 wurden 201 Fragebögen in dem beigelegten frankierten Rückumschlag zurückge-
sandt. Von diesen Fragebögen waren zwei nicht ausgefüllt und wurden deshalb aussortiert.
Somit ergibt sich mit den 199 auswertbaren Fragebögen insgesamt eine Rücklaufquote von
27,3 Prozent. Dieser Rücklauf ist für eine postalische Erhebung ohne Nachfassaktion
durchaus akzeptabel. Alle 199 Befragen sind weiblich und im Durchschnitt 38 Jahre alt, sie
betreuen durchschnittlich elf Frauen im Monat und haben 14 Jahre Berufserfahrung.
Im Folgenden werden die empirischen Ergebnisse der Teilprojekte aufgezeigt. Dabei wer-
den jeweils die Ergebnisse der einzelnen Teilprojekte nach Themenschwerpunkten zu-
sammengeführt. Im ersten Abschnitt wird dargelegt, wie verbreitet die Internetnutzung
rund um Schwangerschaft und Geburt ist und welchen Stellenwert das Internet für werden-
de und junge Eltern aus deren eigener Perspektive, aber auch aus Sicht von Hebammen
und Ärzten einnimmt.
Informationssuche in anderen Umständen
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4 Empirische Ergebnisse zur Internetnutzung von werdenden und jungen Eltern
4.1 Art, Ausmaß und Stellenwert
4.1.1 Wer geht online und welche Themen sind dabei von Interesse?
Die im Rahmen der Studie befragten Hebammen geben zu 78 Prozent an, dass werdende
und junge Eltern immer stärker am neuesten wissenschaftlichen Stand zu den Themen
Schwangerschaft und Geburt interessiert sind. Sie sagen zudem, dass (werdende) Eltern
weniger auf ihre Intuition vertrauen (96,5 Prozent Zustimmung) und Traditionswissen eine
immer geringere Rolle spielt (70,8 Prozent Zustimmung). Alle Teilnehmer der Geburts-
vorbereitungskurse geben an, dass es sich bei der Phase vor der Geburt um eine Zeit der
intensiven Informationssuche handelt. Dieses Informationsbedürfnis wird immer stärker im
Internet befriedigt. Neben den Kategorien „Freizeit und Kultur“ und Produktinformationen
gehören Gesundheitsinformationen zu den am stärksten frequentierten Internetangeboten.
Abbildung 1: Worüber informieren sich werdende Eltern im Internet? (Elternbefragung, n=68)
77,90%75%
63,30%
33,80%29,40% 27,90%
20,60%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Freizeit und Kultur
Produktinformationen
Gesundheit
Technik
Wirtschaft
Sport
Politik
80 Prozent der Befragten geben dabei an, dass das Internet genutzt wird, um sich gezielt
über das Thema Schwangerschaft zu informieren. Eine differenziertere Auskunft über die
Beschaffenheit der gesundheitsspezifischen Nutzung des Internets ergab die Befragung der
User der Online-Plattform urbia.de: Über 90 Prozent nutzen häufig die Forenkategorie
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„Schwangerschaft“. Die befragten Hebammen gaben diesbezüglich zu 95 Prozent an, in
ihrem Berufsalltag schon auf werdende Eltern getroffen zu sein, die sich online über
Schwangerschaft und Geburt informierten. Dieser hohe Anteil findet sich in den Aussagen
der befragten Gynäkologen bestätigt: Bis auf eine Ausnahme stimmten alle Ärzte der Aus-
sage zu, dass ein immer größerer Anteil der Patienten sich im Internet über Gesundheits-
themen informiert.
Einige Ärzte gaben an, dass die gesundheitliche Nutzung des Internets in Abhängigkeit
von dem sozialen Status ihrer Patientinnen stattfinde (vgl. auch Zillien 2008). Dementspre-
chend beschrieben die Gynäkologen jene werdenden Mütter, die typischerweise das Inter-
net nutzen, entlang sozioökonomischer Merkmale.
Abbildung 2: Schwangere, die typischerweise das Internet nutzen (Ärzte-Interviews)
„Der sozial niedrigere Status ist meistens uninteressiert. Sie haben zwar Internetanschluss, aber interessieren sich nicht für Information. Sozial Höhere interessieren sich mehr.“ „Ja klar, also die finanziell Bessergestellten, die über einen funktionierenden Computer und Internetanschluss verfügen. Weil das erfordert ja alles organisatorische Leistungen: Der Computer muss installiert werden, sie müssen über die Telekom einen Internetanschluss kriegen. Da müssen sie noch einfach eine gewisse finan-zielle Basis haben.“ „Joa, ein gutes Informationsmedium für die intelligenten Leute. Die dummen Leute, die keinen Internetan-schluss haben, die nutzen das nicht. Es gibt auch noch viele Leute, die überhaupt kein Internet, Computer haben – gibt es.“
Die befragten Ärzte nehmen demnach deutlich ein entlang des sozialen Status und der Bil-
dung verlaufendes Gefälle wahr.
4.1.2 Wie wird das Internet als Informationsquelle eingeordnet und bewertet?
78 Prozent der befragten Teilnehmer der Geburtsvorbereitungskurse bewerten das Internet
als „eher wichtige“ oder „sehr wichtige“ Informationsquelle rund um das Thema Schwan-
gerschaft und Geburt. Damit liegt die Onlinerecherche auf dem fünften Rang – nach Ge-
sprächen mit Bekannten (94 Prozent), dem Frauenarzt (93 Prozent), Büchern (90 Prozent)
und Gesprächen mit anderen jungen oder werdenden Eltern (87 Prozent). Weniger relevant
als das Internet sind nach Angabe der (werdenden) Eltern Zeitschriften/ Zeitungen und das
Fernsehen.
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Abbildung 3: Wichtigkeit unterschiedlicher Medien (Elternbefragung)
40%
58%
78%
87%
90%
93%
94%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Fernsehen
Zeitschriften/Zeitungen
Internet
Gespräche mit jungen Eltern
Bücher
Frauenarzt
Gespräche mit Bekannten
Auch im Rahmen der Online-Befragung nehmen klassische Informationsressourcen wie
Arzt, andere Eltern oder Fachliteratur einen hohen Stellenwert zur Information ein. Das
Internetforum stellt zwar, wie nicht anders zu erwarten, die am häufigsten genutzte Infor-
mationsquelle der Forennutzer dar, andere Internetquellen werden aber bei Fragen rund um
Schwangerschaft und Geburt vergleichsweise selten konsultiert.
Abbildung 4: Welche Quellen werden von den Eltern „häufig“ genutzt? (Online-Befragung)
7%
9%
10%
13%
17%
22%
28%
33%
37%
42%
44%
45%
73%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%
Internet: Chat
Fernsehen
Internet: Email
Schwangerschaftskurse
Internet: Newsletter
Internet: Homepages
Zeitschriften/Magazine
Krankenschwester/Hebamme
Freunde/Verwandte
Bücher
Andere (werdende) Eltern
Arzt
Internet: Forum
4.1.3 Wie werden Informationen gefunden und bewertet?
Hinsichtlich der Suche nach Informationen im Netz zeigt sich, dass über 80 Prozent der
Patienten auf Suchmaschinen wie Google, Yahoo oder Altavista zurückgreifen. Über die
Hälfte hält sich an Online-Angebote, die sich speziell um das Thema Schwangerschaft
drehen, beispielsweise die Internetauftritte von Zeitschriften wie eltern.de. Weiter richten
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sich die Patienten bei der Suche nach Informationen im Internet nach persönlich erhaltenen
Empfehlungen von Freunden, Verwandten, anderen Eltern und medizinischem Personal.
Abbildung 5: Suchpräferenzen werdender Eltern (Elternbefragung)
1,60%
34,90%
39,70%
47,60%
52,40%
82,60%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Portalangebot
Tipps vom Frauenarzt
Tipps von anderen Eltern
Tipps von Freunden / Verwandten
Spezielle Seite zum ThemaSchwangerschaft
Suchmaschine
Bezüglich der Kriterien, anhand derer die Patienten die Qualität der gefundenen Webseiten
und der dargelegten Informationen bewerten, gaben fast alle Befragten an, es sei ihnen
wichtig bis sehr wichtig, dass die Informationen von Experten stammen. Weiterhin legen
knapp 90 Prozent Wert auf ein übersichtliches Layout. Die persönliche Empfehlung, so-
wohl von Freunden und Bekannten als auch von medizinischem Fachpersonal, ist für die
Mehrheit der Patienten ein wichtiges bis sehr wichtiges Bewertungskriterium. Das Merk-
mal eines ansprechenden Designs ist für die werdenden Eltern am ehesten zu vernachlässi-
gen, ähnlich wie die Kostenpflichtigkeit des Angebots und die Offenlegung möglicher
Sponsoren wie beispielsweise Krankenkassen oder Hersteller von Kinderbedarf.
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4.2 Auswirkungen für die werdenden und jungen Eltern
Die Gründe für eine Internetrecherche rund um Schwangerschaft und Geburt wurden in der
Onlinebefragung des Forums unter anderem in einer offenen Frage erhoben. Interesse,
Neugier und ein allgemeines Informationsbedürfnis werden in der offenen Frage als ein
zentrales Motiv der Internetnutzung zu Schwangerschaft und Geburt genannt. Davon un-
abhängig ist die Informationsvielfalt – die sich im Internet auch zu sehr speziellen Fragen
finden lässt – ein wichtiger Grund für die Internetnutzung in der Schwangerschaft. Ebenso
wichtig wie die Informationsfunktion scheint die im Internet gegebene Austauschmöglich-
keit zu sein: „Im Netz trifft man dann doch wesentlich mehr Schwangere als im realen Le-
ben auf der Straße...und einfach ansprechen, weil man gerade hintereinander an der Kasse
steht, macht ja auch keiner“. Hier sind auch emotionale Aspekte von hoher Relevanz: „Im
Forum sind Mädels, die mich verstehen, weil sie in der gleichen Situation sind“. Ein weite-
rer Grund für die Internetnutzung sind Probleme in der Schwangerschaft, die das Informa-
tions- und Austauschbedürfnis noch intensivieren. So schreibt beispielsweise eine
Schwangere, die eine Fehlgeburt hatte: „Das Wissen, dass ich nicht alleine bin, die Unter-
stützung, half bei der Verarbeitung des Erlebten“. Wenn es „hier und da mal ziept“,
schreibt eine andere, werde man – anders als im Forum – von der Umwelt nur belächelt.
Vereinzelt wird auch Langeweile oder verordnete Bettruhe als Motiv der schwanger-
schaftsbezogenen Internetnutzung angeführt.
Darüber hinaus sprechen generelle Vorteile, die die Internettechnologie mit sich bringt, für
die Nutzung des Mediums. So wird das Internet vielfach explizit als einfache, bequeme
und unkomplizierte Informationsquelle bezeichnet – „es ist einfacher mal eben von Hause
etwas zu suchen und zu lesen“. Zahlreiche Befragte weisen auf den schnellen Informati-
onszugang hin, weitere stellen die permanente Verfügbarkeit, die Kostengünstigkeit, Aktu-
alität und Anonymität des Internets als Nutzungsmotive heraus. So sei das Informieren im
Internet vor allem im direkten Vergleich zu Büchern kostengünstiger, aber auch einfacher,
schneller und unterhaltsamer.
Allgemein äußern sich die werdenden und jungen Eltern, die das Internet zur Information
rund um Schwangerschaft und Geburt benutzen, hinsichtlich der Auswirkungen mehrheit-
lich sehr positiv. Dabei findet in Onlineforen nicht nur ein reiner Austausch von Sachin-
formationen statt. Bei der inhaltlichen Analyse der Online-Community babyforum24.de
wird ersichtlich, dass deren Anteil lediglich bei knapp 20 Prozent liegt. Hauptsächlich
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werden subjektive Einschätzungen und sozial-emotionale Äußerungen von den Teilneh-
mern gepostet.
Abbildung 6: Art und Ausmaß der geposteten Forumsbeiträge
36,22%
32,29%
11,76%19,73%
Sachbeiträge
subjektive Äußerung
emotionale Äußerung
sonstige
Außerdem wurde bei einer Unterscheidung der Forenteilnehmer in ein aktives Zentrum
und eine weniger aktive Peripherie ersichtlich, dass die verschiedenen Nutzergruppen un-
terschiedliche Interessen und Ziele innerhalb des Forums verfolgen. Zentrumsangehörige
posten sachfern und regen zum Plaudern an. Sie wollen im Forum einen regen Austausch
von Befindlichkeiten fördern und zeigen damit ein anderes Nutzerverhalten als Peripherie-
zugehörige, die eher an Sachfragen interessiert sind.
Aus der Onlinebefragung des Elternforums urbia.de geht hervor, dass die Befragten größ-
tenteils sehr selbstbewusst, sicher und keinesfalls überfordert mit dem neuen Medium In-
ternet umgehen. Fast 90 Prozent sind informierter und sicherer durch die Unterstützung der
Community. Dabei fühlt sich die Mehrzahl der User weder überfordert noch verunsichert
durch die Vielzahl an Informationen, die ihnen online zur Verfügung stehen. Die Befra-
gung des Onlineforums urbia.de zeigt zudem, dass die Anonymität des Internets im Forum
für 83 Prozent der Befragten eine bedeutende Rolle spielt – es besteht hingegen wenig In-
teresse an längerfristigen Kontakten im Forum.
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Abbildung 7: Zustimmung – Auswirkungen der Forennutzung (Onlinebefragung)
n voll und ganz
eher eher nicht überhaupt nicht
Man weiß besser Bescheid und fühlt sich sicherer.
323 29,4% 57% 9,9% 3,7%
Ich habe das Gefühl, dass ich meinem Frau-enarzt gegenüber selbstbewusster bin.
323 18,6% 46,7% 25,4% 9,3%
Ich fühle mich durch die Informationen aus dem Internet oft verunsichert.
321 4,4% 15,3% 56,7% 23,7%
Ich fühle mich überfordert durch die Viel-zahl an Informationen.
322 2,8% 11,2% 52,5% 33,5%
Das Vertrauen in die im Netz gewonnenen Informationen scheint dabei groß zu sein. So
fühlen sich 92 Prozent der befragten Forum-Nutzer durch die anderen Teilnehmer gut bera-
ten und 95 Prozent konnten im Forum erteilte Hinweise schon einmal weiterhelfen. 65
Prozent der Nutzer geben darüber hinaus an, dass sie infolge der Internetrecherchen selbst-
bewusster gegenüber ihrem Frauenarzt auftreten.
Auch die befragten Teilnehmer der Geburtsvorbereitungskurse sehen sich zu über 90 Pro-
zent durch die Vielzahl an Informationen nicht überfordert. Allerdings liegt die Zahl derer,
die sich durch die Vielzahl an Informationen verunsichert fühlen, bei den Kursteilnehmern
immerhin bei 28,6 Prozent.
4.3 Auswirkungen auf die Arbeit von Ärzten und Hebammen
4.3.1 Bewertung der Internetnutzung durch das medizinische Fachpersonal
Die befragten Ärzte und Hebammen äußern sich sehr viel skeptischer zu den Auswirkun-
gen der Internetnutzung als die (werdenden) Eltern selbst. So geben 61 Prozent der He-
bammen an, dass die Internetinformationen von den Patienten häufig falsch verstanden
werden. Eine Überforderung durch das Überangebot an Informationen im Netz sehen sogar
86 Prozent der Hebammen. 77 Prozent stimmen der Aussage zu, dass die Vielzahl an In-
formationen bei (werdenden) Eltern häufig zu einer starken Verunsicherung führt. Ande-
rerseits geben auch knapp 70 Prozent der Hebammen an, dass (werdende) Eltern, die im
Internet recherchieren, üblicherweise gut vorinformiert auftreten. Dass die Internetnutzung
zu einem besseren Informationsstand bei den werdenden und jungen Eltern führt, befinden
immerhin knapp 58 Prozent.
Informationssuche in anderen Umständen
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Abbildung 8: Zustimmung zu Aussagen über die Wirkung von gesundheitlicher Internetinformation
von werdenden Eltern (Hebammenbefragung)
n
voll und ganz eher eher nicht
überhaupt nicht
Werdende Eltern, die im Internet recherchieren, haben einen hohen Gesprächsbedarf
189 38,1% 49,2% 12,7% 0%
Werdende Eltern sind immer stärker am neusten wis-senschaftliche Stand zu Geburtsthemen Interessiert
198 24,2% 54,0% 17,9% 2,0%
Werdende Eltern, die im Internet recherchieren, sind üblicher Weise gut vorinformiert
188 6,4% 63,3% 26,1% 4,3%
Die Information im Internet führt zu einem besseren Informationsstand der werdenden Eltern
188 7,4% 50,5% 39,9% 2,1%
Die befragten Gynäkologen machen die Erfahrung, dass falsche Informationen und im In-
ternet beschriebene Extremfälle Patienten, die im Internet recherchieren, teils stark verun-
sichern. Auch konstatieren sie, dass längst nicht alle Patienten mit dem Überangebot an
Online-Information umzugehen wissen. Weiterhin bemerken sowohl Hebammen als auch
Ärzte, dass die Informationsrecherche im Internet zu konkreteren Fragen führt. Während
erstere dies eher positiv bewerten, beklagen mehrere Ärzte die daraus resultierenden länge-
ren Sprechstunden.
Die Ärzteschaft sieht in den leicht zugänglichen Internetinformationen dann eine Chance,
wenn die Seiten entweder von ihnen selbst empfohlen oder zumindest als empfehlenswert
betrachtet werden. Denn im Allgemeinen begrüßen sie Patienten, die vorinformiert sind
und ein Maß an Grundwissen mit in die Sprechstunde bringen, wie folgende Aussage eines
befragten Arztes auf den Punkt bringt: „Wenn es gute Seiten sind, habe ich nur positive
Effekte, weil sie schon vorinformiert sind und man weniger Diskussionsbedarf hat. Wenn
sie sich informieren, auf Seiten, die wir nicht empfehlen, weil sie sehr schlechte oder fal-
sche Informationen geben, sorgt das für Verwirrung und einen erhöhten Aufklärungsbe-
darf“.
Alles in allem lässt sich festhalten, dass Hebammen und Ärzte zu den Auswirkungen der
Internetnutzung von (werdenden) Eltern eine ambivalente Haltung einnehmen (vgl. auch
Zillien/ Aulitzky/ Billen 2008). Dies zeigt sich auch im abschließenden Statement der He-
bammenbefragung: Gut ein Drittel der Hebammen neigt zu der Meinung, dass insgesamt
die negativen Auswirkungen überwiegen. Ein weiteres Drittel bewertet die Folgen der In-
ternetnutzung hingegen positiv und hofft, dass dieser Trend noch weiter zunimmt.
Informationssuche in anderen Umständen
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Abbildung 9: Bewertung der Internetnutzung von (werdenden) Eltern (Hebammen-Befragung)
Die restlichen 31 Prozent nehmen eine neutrale Einstellung ein: Sie gehen davon aus, dass
es überhaupt keinen Unterschied macht, ob sich (werdende) Eltern nun im Internet infor-
mieren oder nicht. Die Hebammen wägen demnach kritisch die Vor- und Nachteile ab, die
sich ergeben, wenn werdende und junge Eltern ihr Informationsbedürfnis im Internet stil-
len.
4.3.2 Kommunikation zwischen (werdenden) Eltern und Ärzten/ Hebammen
Sowohl die Befragung der Geburtsvorbereitungskurse als auch des Onlineforums urbia.de
hatte zum Ergebnis, dass viele werdende und junge Eltern das Internet als Informations-
quelle nutzen. Die Internetnutzung geschieht allerdings ergänzend zu anderen Informati-
onsquellen – das medizinische Fachpersonal bildet nach wie vor die erste Anlaufstelle für
werdende Eltern. Dabei wirkt sich die Internetnutzung von werdenden und jungen Eltern
auf die Kommunikation mit Ärzten und Hebammen aus, wie im Folgenden gezeigt wird.
Die befragten Hebammen berichten, dass viele (werdende) Eltern einen hohen Gesprächs-
bedarf aufgrund der im Internet gefundenen Informationen zeigen. Zudem entwickeln El-
tern, die sich im Internet Informationen beschaffen, ein verstärktes Interesse am neuesten
wissenschaftlichen Stand zu den Themen Schwangerschaft und Geburt.
Auch die Gynäkologen, die an der Untersuchung teilgenommen haben, begrüßen eine
selbstständige Informationsrecherche im Internet, wenn diese zu einem Informationsvor-
sprung ihrer Patientin führt und sie so „nicht bei Adam und Eva anfangen“ müssen. Wenn
Informationssuche in anderen Umständen
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Internetinformationen aber zu weiteren Fragen oder sogar zu einer Verunsicherung der
Patientin führt, so dass die Mediziner mehr Zeit in das Beratungsgespräch investieren müs-
sen, lehnen alle befragten Gynäkologen eine solche Strategie zur Informationsbeschaffung
ab.
Hebammen und Gynäkologen verzeichnen jedenfalls einen Anstieg des Gesprächsbedarfs
derjenigen Eltern, die online nach Informationen suchen. Oftmals wird dieser gesteigerte
Bedarf an Rückfragen und Erläuterungen als ein belastendes Moment im Beratungsge-
spräch gesehen, vor allem dann, wenn die Patientin durch falsche oder unangebrachte In-
formationen verunsichert wurde. Allerdings erinnern sich vor allem die befragten Gynäko-
logen an Patientinnen positiv, die durch gezielte Vor- und Nachbereitung im Internet das
Beratungsgespräch effizient nutzen konnten.
92 Prozent aller Hebammen berichten, dass werdende Eltern gezielt im Internet nach In-
formationen zu Arztdiagnosen suchen, wenn noch offene Fragen bestehen oder sie sich
noch mehr Informationen wünschen. 81 Prozent berichten zusätzlich von sehr konkreten
(Rück-)Fragen zum Thema Schwangerschaft und Geburt, was zeigt, dass die aus dem In-
ternet gewonnenen Informationen auch in die (folgenden) Beratungsgespräche mit einflie-
ßen.
Auch die Nutzer des Onlineforums urbia.de geben an, im Internet zu recherchieren, um
ausführlichere Informationen nach einem Arztbesuch zu erhalten oder gar um die Aussa-
gen das Arztes zu überprüfen.
Abbildung 10: Motivation der Forumsnutzer online nach Informationen zum Thema Schwangerschaft und Geburt zu suchen (Onlinebefragung)
Die User von urbia.de recherchieren im Internet nach Informationen um… n häufig manchmal selten nie
…die Aussagen des Arztes zu prüfen 326 22,7 % 40,5 % 20,8 % 16 %
…ausführlichere Informationen nach einem Arztbesuch zu erlangen
326 37,4 % 44,5 % 9,8 % 8,3 %
… einen Arztbesuch vorzubereiten 326 24,6 % 47,2 % 17,8 % 10,4 %
Zur Vorbereitung eines ärztlichen Termins sind es über 71 Prozent der Befragten, die sich
vorab über das Internet informieren.
Wenn Schwangere ihren Arztbesuch im Internet vor- und nachbereiten, muss der Frauen-
arzt während des Termins weniger Zeit einplanen und spart so effektiv Beratungszeit. Dies
gilt aber nicht für alle Patientinnen, die im Internet Informationen zu ihrer Schwanger-
schaft recherchieren: Manche sind von der Informationsfülle, die das Internet bietet, über-
Informationssuche in anderen Umständen
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fordert oder durch falsche beziehungsweise nicht auf sie zutreffende Beiträge verunsichert
– letztlich wird dann viel mehr Zeit benötigt, um mit Hilfe des Arztes diese Missverständ-
nisse aus der Welt zu räumen. Ähnliche Erfahrungen haben auch die befragten Hebammen
gesammelt. Zwar verzeichnen sie einen Anstieg des wissenschaftlichen Interesses von wer-
denden Eltern, aber auf der anderen Seite nimmt auch der Anteil derjenigen Eltern zu, die
der Informationsflut aus dem Internet nicht gewachsen sind und auf die Hebamme überfor-
dert wirken. Die geschilderten Auswirkungen der Internetnutzung von werdenden und jun-
gen Eltern führen auch zu neuen Anforderungen auf Seiten der Hebammen und Ärzte.
4.3.3 Neue Anforderungen für Hebammen und Ärzte
Ein Gynäkologe stellte während des Interviews bezüglich der steigenden Wichtigkeit des
Mediums Internet fest: „Man muss sich ständig weiterbilden, damit man auch weiß, was
sie einen fragen“. Denn die Patienten sind online einer großen Anzahl an gesundheitlichen
Tipps und Ratschlägen ausgesetzt. Dass sich darunter auch viele fragwürdige Informatio-
nen befinden, wird von meisten Gynäkologen nicht nur befürchtet, sondern auch ange-
nommen. Damit sie ihre Patientinnen in die Lage versetzen können, die fachlich richtigen
von den falschen Informationen zu unterscheiden, muss die Bereitschaft der medizinischen
Experten, sich selber mit dem Medium Internet auseinanderzusetzen, steigen.
Nicht nur die technischen Herausforderungen des Internets tragen zu dem sich wandelnden
Verhältnis zwischen Arzt/Hebamme und Patienten bei, sondern auch der schrumpfende
Informationsvorsprung des medizinischen Fachpersonals.
Abbildung 11: Statements zum Idealbild des Informierten Patienten (Ärzte-Interviews)
„Wenn die Patientin mehr weiß, als der Arzt, dann wird es schon schwierig. Mann muss einfach ein breiteres Spektrum betrachten.“ „Es kommt im Durchschnitt schon mehr zu so Gesprächen, die man sonst gar nicht führen würde […] Patien-ten, die vielleicht im Internet schon sich informiert haben, die haben eben andere Ideen – und dann muss man eben mehr Überzeugungsarbeit leisten und versuchen, seine eigene Position stärker herauszubringen.“ „Die haben halt mehr Fragen, klar […] Wenn ich als Arzt die Medikation stelle und es als notwendig erachte, kann man sich als Patient eine andere Meinung einholen. Aber dann möchte ich entscheiden, was da gemacht wird.“
Aus den qualitativen Interviews mit den Frauenärzten ergab sich, dass Ärzte sich in ihrer
Sprechstunde scheinbar weder die rundum informierte noch die uninformierte Patientin
wünschen. Für das medizinische Fachpersonal besteht die Herausforderung darin, dass sie
sich ebenfalls mit dem Medium Internet zunehmend auseinandersetzen müssen und auch
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gezielt die Seiten, die für ihre Patientinnen wichtig sind, besuchen, um daraus resultierende
Fragen von Seiten ihrer Patientinnen beantworten zu können. Da die einzelnen Webseiten
im Internet dauerhaft aktualisiert werden, muss ebenso das medizinische Fachpersonal
fortlaufend auf dem aktuellen Stand sein.
Die befragten Hebammen integrieren das Internet bereits stark in ihren Berufsalltag. 96
Prozent aller Befragten nutzen das Internet, unabhängig vom Alter. 99,5 Prozent der He-
bammen, die das Internet nutzen, verfügen über einen privaten Internetanschluss zu Hause
und 83,3 Prozent empfehlen ihren Klienten einen Besuch im Netz. Das Internet ist aus
Sicht der Hebammen zudem die fünftwichtigste Informationsquelle – nach Gynäkologen,
Hebammen, Fachliteratur und anderen (werdenden) Eltern. Tatsächlich wird die Möglich-
keit der Online-Weiterbildung bereits von 95,3 Prozent aller befragten Hebammen, die
einen Internetzugang haben, genutzt. Über drei Viertel bilden sich sogar häufig oder zu-
mindest manchmal online weiter. Allerdings sehen 61,3 Prozent weiterhin einen hohen
Bedarf an Weiterbildung bezüglich des Umgangs mit den neuen Medien in ihrem Beruf.
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5 Fazit
Die Vorteile der Internetnutzung rund um Schwangerschaft und Geburt liegen darin, dass
die entsprechenden Informationen jederzeit zu vergleichsweise geringen Kosten verfügbar
sind und dabei verschiedene Grade an Interaktivität ermöglichen. Das breite und gleichzei-
tig spezifische Informationsangebot macht das Internet für viele werdende und junge El-
tern zur ersten Informationsquelle. Die Strukturen des Internets und seine Anonymität be-
günstigen zudem einen offenen Austausch mit anderen werdenden und jungen Eltern in
einer ähnlichen Situation.
Negative Konsequenzen, die sich aus der Internetrecherche der (werdenden) Eltern erge-
ben können, sind die Fehlinformation durch falsche, mangelhaft strukturierte, überholte,
widersprüchliche oder schlicht zu zahlreiche Informationen. Zudem kann aufgrund fehlen-
der medizinischer Fachkenntnisse Verunsicherung auftreten (vgl. Zillien/ Fröhlich). Die
Informationsvielfalt kann weiterhin zu Überforderung oder auch zu sehr hohen Erwartun-
gen an die ärztliche Methodik und zu einem „Kult des Neuen“ führen, da sich Informatio-
nen zu medizinischen (Schein-)Innovationen sehr schnell und ohne professionelle Einord-
nung verbreiten.
Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass die werdenden und jungen Eltern, die das Inter-
net als Informationsquelle nutzen, in erster Linie die Vorteile ihres Handelns sehen, wäh-
rend Hebammen und Ärzte auch deutlich auf die Nachteile der gesundheitlichen Internet-
nutzung hinweisen. Ein Grund für diese unterschiedliche Einschätzung dürfte darin liegen,
dass die medizinischen Experten vor allem die Online-Vermittlung von Sachinformationen
problematisieren, während die Internetnutzung der werdenden und jungen Eltern – wie die
Inhaltsanalyse des Elternforums zeigt – auch durch die Möglichkeit des emotionalen Aus-
tauschs unter Gleichgesinnten motiviert wird. Dieser offene Austausch unter Laien ist eine
zentrale Funktion der gesundheitlichen Internetnutzung, deren Bedeutung von medizini-
schen Experten bislang noch unterschätzt wird.
Informationssuche in anderen Umständen
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