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DAS MAGAZIN FÜR MITGLIEDER März 2016 P.b.b. Verlagspostamt 1030 Wien, Zulassungsnr. 03Z034897M Foto: dieindustrie.at/Mathias Kniepeiss DIE NÄCHSTE INDUSTRIELLE REVOLUTION Industrie 4.0 bringt Chancen für Men schen und Unternehmen. Gastkommentar von Hans Winkler: Ökonomischer „Analfapethismus“ Seite 10 120 Jahre: „Die Industrie“ im Wandel der Zeit Seite 2 Steiermark: Iran – ein Land im Aufbruch Seite 18

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DAS MAGAZIN FÜR MITGLIEDER März 2016 P.b.b. Verlagspostamt 1030 Wien, Zulassungsnr. 03Z034897M

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DIE NÄCHSTE INDUSTRIELLE REVOLUTIONIndustrie 4.0 bringt Chancen für Menschen und Unternehmen.

Gastkommentar von Hans Winkler: Ökonomischer „Analfapethismus“ Seite 10

120 Jahre: „Die Industrie“ im Wandel der Zeit Seite 2

Steiermark: Iran – ein Land im Aufbruch Seite 18

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„Die Industrie“ im Wandel der Zeit

Die Interessenvertretung der Industrie hat in Österreich eine lange Tradition, deren Beginn jedoch eher von Vielfalt statt Einheit ge-

kennzeichnet war. Im Jahre 1896 gegründet, war „Die Industrie“ aus heutiger Sicht daher nicht einfach nur eine Zeitschrift – sie mar-kierte vielmehr den ersten Meilenstein auf dem Weg zu einer organisierten industriel-len Vertretung in Österreich. Denn seit 1875 vertrat der „Industrielle Club“ die Großin-dustrie, während der 1892 gegründete „Zen-tralverband der Industriellen Österreichs“ als Dachverband industrieller Branchenver-bände fungierte. 1897 entstand der „Bund Österreichischer Industrieller“, der vorwie-gend Klein- und Mittelbetriebe vertrat.

Vom „Industriehaus-Verein“ zum Haus der IndustrieWährend die Zeitschrift „Die Industrie“ bis zum Ende der k.u.k. Monarchie allein vom Zentralverband herausgegeben wur-de, einigten sich die drei industriellen Ver-tretungsorganisationen auf die Errichtung eines gemeinsamen Repräsentations- und Verwaltungsgebäudes. Sie gründeten im Jahr 1903 einen „ständigen Ausschuss“ mit dem Auftrag, ein „Haus der Indus-trie“ zu bauen. Der Ausschuss wurde in den „Industriehaus-Verein“ umgewandelt, das Haus am Schwarzenbergplatz 4 in den Jahren 1906 bis 1909 gebaut und nach Fer-tigstellung der aufwändigen, prunkvollen Innenausstattung 1911 durch Kaiser Franz Josef I. eröffnet.

MAGAZIN Wie die heimische Industrie hat sich auch deren langjähriges mediales Sprachrohr im Laufe der Jahrzehnte immer wieder gewandelt. Die Schwelle zum 21. Jahrhun-dert brachte schließlich das Ende einer Epoche.

1914 1918 1934 1937

199519971999

F A C T B O X

15 Jahre „iv-positionen“ – 15 Jahre Information und Meinung für Mitglieder

Dass Printprodukte im Medien-Konzert wei-ter eine wichtige Rolle spielen, beweisen erfolgreiche Druckmedien in Österreich und weltweit. Mag der Tageszeitungs-markt unter zunehmendem Druck der Onlineangebote stehen, so genießen vor allem spezialisierte Publikumsmedien im Printbereich nach wie vor hohe Aufmerk-samkeit und reüssieren am Markt. Nach dem Verkauf der „industrie“ und damit dem Rückzug aus dem allgemeinen Publikums-markt entschloss sich daher die Industriel-lenvereinigung nach eingehender Analyse, ein neues Printprodukt für Mitglieder ins Leben zu rufen: Vor 15 Jahren – mit April 2001 – erschienen erstmals die „iv-posi-tionen“, die ihrem Titel entsprechend vor allem Meinungs- und Informationsmedium für IV-Mitglieder und eine qualifizierte Öffentlichkeit sind. Regionale Berichterstat-tung findet ebenso Platz wie Informationen zu den Aktivitäten der Jungen Industrie, neben volkswirtschaftlichen Analysen, Kommentaren externer Autorinnen und Autoren sowie Servicetipps. Europäische Themen, die für die Industrie entscheidende Bedeutung haben, haben naturgemäß ihren fixen Platz in den positionen. Dass viele Themen nachhaltig betrieben werden müs-sen, beweist übrigens das Cover der ersten Ausgabe der „iv-positionen“ aus dem Jahr 2001: (Noch) Mehr junge Frauen für die In-dustrie zu gewinnen – als Mitarbeiterinnen und Führungskräfte –, steht auch heute noch auf der Agenda der Industriellenverei-nigung. Christoph Neumayer

2001

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In den Wirren der Weltkriege„Die Industrie“ erschien von 1896 bis 1918 als ausschließliches Organ des Zentralver-bandes. Herausgeber und verantwortlicher Redakteur war der Sekretär des Zentralver-bandes und spätere Ordinarius für Volks-wirtschaftslehre an der Hochschule für Welt-handel in Wien, Dr. Dr. Univ. Prof. HR Josef Gruntzel. 1901 übernahm Jacob Julius Müller die Redaktion, die er bis zum März 1938 in-nehatte. Erst im Februar 1918 wurde, als Re-aktion auf den kriegsbedingten Rohstoff- und Arbeitskräftemangel und die damit verbun-dene Notwendigkeit, bei Verhandlungen ein-heitlich aufzutreten, der „Reichsverband der Österreichischen Industrie“ gegründet. „Die Industrie“ blieb über das Kriegsende und den Zerfall der Monarchie im November 1918 hi-naus das Organ der jeweiligen industriellen Vertretungsorganisation: „Hauptverband der Industrie Deutschösterreichs“ 1919 bis 1921, „Hauptverband der Industrie Österreichs“ 1921 bis 1934 und „Bund Österreichischer Industrieller“ 1934 bis 1938. Im März 1938 wurde „Die Industrie“ von den Nationalsozi-alisten „gleichgeschaltet“ und im März 1939 eingestellt.

Ein neuer Anfang und das Ende1846 wurde die bis heute bestehende „Vereini-gung der Österreichischen Industrie“ gegrün-det. Die Zeitschrift „Die Industrie“ wurde von Dr. Ernst und Walter Müller, den Söhnen

von Julius Müller, neu aufgelegt und war wie-der Sprachrohr und Mitgliederzeitung der in-dustriellen Unternehmerschaft. Von 1961 bis 1991 war Prof. Herbert Krejci (Generalsekre-tär der IV von 1979 bis 1992) Chefredakteur, ab den 1980er-Jahren unterstützt von Dkfm. Milan Frühbauer, der von 1991 bis 1997 die Chefredaktion alleine übernahm. In gleicher Funktion wirkten 1998 Dr. Werner Lanthaler und 1999 bis 2000 Mag. Tatjana Halek. In der Sondernummer zum 100-Jahr-Jubiläum 1996 beschrieb Milan Frühbauer das redak-tionelle Angebot des Wochenmagazins „Die Industrie“ als umfassende Analyse aktueller Fragen der Wirtschafts- und Gesellschafts-politik, als Meinungsspektrum auf der Basis eines klar definierten Weltbildes und als be-wusst umfangreich gehaltene Unternehmens-berichterstattung.

Im 104. Jahr ihres Erscheinens wurde „Die In-dustrie“ 2000 eingestellt. Sie hatte die letzten Jahre der k.u.k. Monarchie, den Ersten Welt-krieg, die Erste Republik, den „Ständestaat“, Nationalsozialismus, Alliierte Besatzung, die Zweite Republik, den Staatsvertrag, den Fall des Eisernen Vorhanges und Österreichs EU-Beitritt als Zeitschrift aus industrieller Sicht begleitet und kommentiert. Als Sprach-rohr der freien Organisationen der Industrie war sie über Jahrzehnte ein wichtiger Bestand-teil von Österreichs Medienlandschaft. � Paul Rachler

1946 1955 1958

1968

1973197819871989

F A C T B O X

1914 Der Ausbruch des 1. Weltkrieges leitete das Ende der Monarchie ein

1918 Späte Einigung der industriellen Vertretungsorganisationen

1934 „Rauchende Schlote“ waren lange Zeit das Symbol der Industrie

1937 Das selbstständige Österreich kämpfte um sein Überleben

1946 Nach dem 2. Weltkrieg erscheint die erste Ausgabe von „Die Industrie“

1955 Der Staatsvertrag brachte die endgültige Freiheit Österreichs

1958 Aufschwung, Wachstum und Vollbeschäftigung

1968 Das Cover wurde modern und passte sich den neuen Zeiten an

1973 Die Ölkrise wirft ihren Schatten auch auf Österreich

1978 Eine Volksabstimmung verhindert die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf

1987 Technologie, Fortschritt und Inno-vation bewegen Österreichs Industrie

1989 Der Mauerfall und die Ostöffnung beenden die Teilung Europas

1995 Der EU-Beitritt Österreichs

1997 Der Klimawandel wird global ein immer größeres Thema

1999 Laufend werden bis in die späten 1990-Jahre aktuelle Themen behandelt

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3März 2016 | iv-positionen

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I M P R E S S U M

Herausgeber, Medieninhaber und Redaktion: Vereinigung der Österreichischen Industrie (Industriellenvereinigung), Schwarzenbergplatz 4, 1031 Wien, Tel.: 01/711 35-2301, Fax: 01/711 35-2313, E-Mail: [email protected], Homepage: www.iv-net.at, ZVR: 806801248, LIVR-N.: 00160, EU-Transparenzregister Nr.: 89093924456-06, Vereinszweck gemäß § 2 Statuten: Die Industriellenvereinigung (IV) bezweckt, in Österreich tätige

industrielle und im Zusammenhang mit der Industrie stehende Unternehmen sowie deren Eigentümer und Führungskräfte in freier und demokratischer Form zusammenzufassen; ihre Interessen besonders in beruflicher, betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene zu vertreten und wahrzunehmen, industrielle Entwicklungen zu fördern, Rahmenbedingungen für Bestand und Entscheidungsfreiheit des Unternehmertums zu

sichern und Verständnis für Fragen der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu verbreiten.

Chefredaktion: Dr. Raphael Draschtak, Andrea Gabmeyer. Redaktionelle Mitarbeit: Mag. Martin Amor, Mag. Robert Albrecht, BA. Lektorat: Mag. Brigitte Mayr. Verantwortlich für den Inhalt: MMag. Mathias Burtscher, DI Dr. Joachim Haindl-Grutsch, Mag. Johannes Höhrhan-Hochmiller, Mag. Josef Lettenbichler, Dr. Claudia Mischensky, Mag. Gernot Pagger, Dr. Ingrid Puschautz-Meidl, Mag. Michaela Roither, Mag. Irene Schulte. Für den Inhalt der letzten drei

Seiten zeichnet die jeweilige Landesgruppe verantwortlich. Grafik: Matthias Penz, Doris Grussmann.

Druck: Ueberreuter Druckzentrum GmbH, 2100 Korneuburg. Erscheinungsort: Wien. Offenlegung nach § 25 des Mediengesetzes: iv-positionen erscheint 10x jährlich in einer Auflage von 8.300, Unternehmensgegenstand: Information zu industrie- und gesellschaftspolitischen Themen für Mitglieder der Industriellenvereinigung und Meinungsträger in Österreich. Siehe auch unter www.iv-net.at/b80

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf geschlechtsspezifische Endungen verzichtet. Die verwendeten Bezeichnungen beziehen sich auf beide Geschlechter gleichermaßen.

Mit einer konsequenten und nachhaltigen Industrie- & Standortpolitik steigern wir die Chancen, den digitalen Wandel für Österreich optimal nützen zu können.

In vielen Debatten über Digitalisierung und Industrie 4.0 prägt die Angst vor „dis-

ruptiver“ Zerstörung das Bild, die bestehende Geschäftsmodelle und Wertschöp-

fungsketten von heute auf morgen zunichte macht. Mit Blick auf den Arbeitsmarkt

wird von mancher Seite die Furcht genährt, dass Digitalisierung und Robotisierung

bloß das „massenweise Aus für Arbeitsplätze“ bedeuten. Manche politischen

Akteure leiten daraus die Notwendigkeit von Maschinensteuern ab – eine Idee aus

den 1970er-Jahren, an deren ideologisch-wirtschaftspolitischer Museumsreife sich

nichts geändert hat. Und Angst ist bekanntlich grundsätzlich ein schlechter Ratgeber.

Digitalisierung und Industrie 4.0 sind zweifellos große Herausforderungen für

den Standort Österreich, denen sich die Industriellenvereinigung auch intensiv

widmet (sh. auch Coverstory ab Seite 04). Entscheidend ist dabei ein realisti-

scher Blick frei von Alarmismus auf die Digitalisierung im industriellen Bereich.

Dabei zeigt sich:

• Digitalisierung braucht Industrialisierung: Die Prozesse der Industrialisierung und

Digitalisierung gehen Hand in Hand. Nur ein starker Industriestandort hat die Chan-

ce, durch digitale Anwendungen von mehr Wettbewerbsfähigkeit, Wertschöpfung

und neuen Märkten zu profitieren. Notwendig ist daher mehr denn je eine starke

Standortpolitik, die das Industrieland Österreich in den Mittelpunkt stellt.

• Digitalisierung braucht Qualifizierung: Mit der Erweiterung der Handlungsspiel-

räume von Unternehmen und neuen, kundenbezogenen Geschäftsmodellen

sind erhebliche und neue Job-Chancen verbunden. Die Anforderungen an die

Qualifikation von Mitarbeitern steigen – IKT- und MINT-Kompetenzen werden

noch wichtiger. Darauf muss die Bildungspolitik überzeugende Antworten

finden. Nicht nur Organisationsformen, auch Inhalte des Bildungssystems

müssen fit für die neuen Chancen gemacht werden.

• Digitalisierung braucht Zukunftsorientierung: Um die Chancen der Digita-

lisierung für Wirtschaft und Arbeit nützen zu können, müssen politische

Entscheidungsträger konsequent Maß an der Zukunft nehmen. Politische

Tauschgeschäfte aus der Vergangenheit verbieten sich: Es darf nicht mehr

darum gehen, bloß eine Wohltat für eine Klientel gegen eine andere Wohltat

für eine andere Klientel einzutauschen. Der Maßstab für Politik im digitalen

Zeitalter sind wettbewerbsfähige Lösungen im Interesse aller Beteiligten.

Digitalisierung und Industrie 4.0 bringen erhebliche Möglichkeiten für Österreich.

Unsere Voraussetzungen sind gut: eine starke Industrie, viele Hochtechnolo-

gie-Unternehmen, qualifizierte und motivierte Fachkräfte. Diese Assets dürfen

jetzt nicht durch Schrebergarten-Politik und Stimmungsmache gegen den

Wandel verspielt werden. Österreichs Unternehmen wissen es am besten: Der

digitale Strukturwandel findet statt, mit oder ohne uns. Wir müssen daher, vor

allem auch die Arbeitnehmerseite, alles daran setzen, ihn als Chance zu nutzen

und zu gestalten – aktiv dabei sein, statt nur passiv erleben.

Ihr

Christoph Neumayer, Generalsekretär

Digitaler Strukturwandel – gestalten, statt nur erleben

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4 iv-positionen | März 2016

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Coverstory

Industrie 4.0 – Chancen für

Wachstum und Arbeit nützen

Das Schlagwort „Industrie 4.0“ ist ein Top-Thema internati-onaler Kongresse und Foren. Zahlreiche Unternehmen

setzen sich bereits intensiv mit den Poten-zialen hochautomatisierter und vernetz-

ter industrieller Produktions- und L o g i s t i k k e t t e n auseinander, die Kundenwünsche in Echtzeit inte-grieren und neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Teile der Politik sind hingegen noch nicht in der Zu-

kunft angekommen. Sie plädieren weiter

für Retro-Ideen, wie etwa die Wertschöp-fungsabgabe. „Das wäre in Wirklichkeit nur eine Strafsteuer für Investitionen und Innovationen. Wir werden die Poten-ziale der Industrie 4.0 nur dann im Sinn des Standortes und seiner Beschäftigten nutzen können, wenn die Standortpoli-tik fit für ihre Herausforderungen ist“, so IV-Präsident Georg Kapsch.

Große standortpolitische ChancenDabei geht es um viel: Der gesamte ser-voindustrielle Sektor in Österreich – Sachgüterproduktion, Bau- und Energie-wirtschaft sowie industrienahe und pro-duktionsorientierte Dienstleistungen – generiert mit knapp 2,5 Mio. Beschäf-tigten eine Wertschöpfung von rund 160 Mrd. Euro. Das sind etwa 60 Prozent

REVOLUTION Die Digitalisierung sorgt für einen Um-bruch im produzierenden Sektor, der Chancen für

Wachstum und Beschäftigung bringt. Damit Ös-terreich von der „Industrie 4.0“ profitieren kann,

braucht es eine zukunftsfähige Standortpolitik.

„Entscheidend ist, dass der Standort Öster-reich und Europa die Veränderungen durch Industrie 4.0 als Basi-sinnovation verstehen und nutzen.“IV-Präsident Georg Kapsch

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ryCoverstory

der gesamten Wertschöpfung im Land. „Wohlstand und Beschäftigung am Stand-ort bauen wir dann aus, wenn wir die di-gitale Revolution und den damit verbun-denen Strukturwandel proaktiv gestalten – Furcht ist fehl am Platz“, erklärt IV-Ge-neralsekretär Christoph Neumayer.

„Mit der Digitalisierung der Industrie sind große standortpolitische Chancen ver-bunden. Sie eröffnet produzierenden Un-ternehmen ganz neue Möglichkeiten, Pro-dukte und Lösungen schnell und effizient zu entwickeln und zu fertigen. So können Produktivität gesteigert, Kosten gesenkt, Fehlerquoten minimiert und die ‚time to market‘ verringert werden“, betont Pe-ter Koren, IV-Vize-Generalsekretär und Bereichsleiter Ressourcen & Infrastruk-

tur / Innovation & Technologie. Laut einer Erhe-bung von Price-waterhouseCoo-pers schätzen die Unternehmen die durchschnittlich mögliche Effizi-enzsteigerung auf 3,7 Prozent und die Reduktion der Herstellungskos- ten auf 2,6 Pro-zent pro Jahr. In-dustrie 4.0 bietet damit die Chance, durch Effizienzsteige-rungen Produktion aus Niedriglohnlän-dern zurück nach Europa zu holen.

„Mit der Digitalisierung sind standortpolitische

Chancen verbunden. Unternehmen haben neue Möglichkeiten,

Produkte und Lösungen schnell und effizient zu

entwickeln.“Peter Koren, IV-Vize-Generalsekretär,

Bereichsleiter Ressourcen & Infrastruktur / Innovation & Technologie

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Heben wir die Potenziale? Wir haben es in der HandMit Produktinnovationen, innovativen Serviceleistungen und neuen Geschäftsmo-dellen lassen sich erhebliche Potenziale für Wachstum und Wertschöpfung heben. Die Unternehmensberatung Roland Berger erwartet etwa, dass Europa bis 2025 einen Zuwachs von 1,25 Bill. Euro an industriel-ler Bruttowertschöpfung erzielen könnte. Bei Versäumnissen droht jedoch ein Wert-schöpfungsverlust von 605 Mrd. Euro. Dies

hätte auch massive A u s w i r k u n g e n auf den Arbeits-markt. IV-Prä-sident Kapsch: „Die Sorgen vor sinkenden Mit-a r b e i t e r z a h l e n stehen nicht in Relation zu den A u s w i r k u n g e n , unter denen wir zu leiden hätten, wenn die Ent-

wicklung an Österreich vorbeizieht.“ Für Deutschland bilanziert eine Studie des renommierten Fraunhofer-Instituts: „Ein Verzicht auf Industrie 4.0 in Deutschland kann in viel größerem Umfang Arbeits-plätze gefährden. Wichtig sind vernünftige

Rahmenbedingungen, um mit Industrie 4.0 neue Arbeitsplätze zu schaffen.“

Standortpolitik 4.0Zukunftsorientierte Standortpolitik 4.0 muss daher aus Sicht der Industriellenver-einigung den Fokus auf folgende Schwer-punkte legen:

F&E und Innovation vorantreiben: Not-wendig sind dafür die Ausrichtung natio-naler F&E-Programme zur Stärkung von Technologiekompetenz in Österreich, die Steigerung der digitalen Reife österreichi-scher Unternehmen und die Förderung innovativer Dienstleistungen. Gestärkt werden müssen die Schnittstellen zwi-schen technologieintensiven Startups und etablierten Unternehmen. Dazu sollen auch Finanzierungsquellen auf europä-ischer Ebene (Horizon 2020, Juncker-Pa-ket) genutzt werden.

Qualifikationen stärken: Durch die Digi-talisierung verändern sich Tätigkeitsprofile und Beschäftigungsstruktur tiefgreifend. Arbeitsplätze mit höheren Qualifikationen werden erforderlich. IT-Kompetenz und interdisziplinäres Wissen sind künftig stär-ker gefragt, während einfache Tätigkeiten weiter zunehmend von Robotern über-nommen werden. Der MINT-Bereich wird

„Wohlstand und Be-schäftigung am Stand-ort bauen wir dann aus, wenn wir die digitale Revolution und den damit verbundenen Strukturwandel proak-tiv gestalten – Furcht ist fehl am Platz.“IV-Generalsekretär Christoph Neumayer

Coverstory

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7März 2016 | iv-positionen

Coverstory

zum zukunftsentscheidenden Qualifikati-onssegment: Heute leiden bereits acht von zehn Leitbetrieben unter dem Fachkräf-temangel im naturwissenschaftlich-tech-nischen Bereich. Vor diesem Hintergrund fordert die IV die frühzeitige MINT-För-derung in Kindergarten und Schule, die Stärkung der HTL, die Attraktivierung von MINT-Hochschulstudien sowie die verstärkte Kooperation von Unternehmen und Bildungseinrichtungen.

Schnittstellen sichern: Den Schnittstel-len zu europäischen und internationalen Initiativen kommt für den Erfolg von Industrie 4.0 in Österreich besondere Bedeutung zu. Standardisierung, recht-liche Rahmenbedingungen, Datenschutz und Cybersecurity erfordern ein eng ab-gestimmtes Vorgehen zwischen Politik und Industrie. Nur so können Interessen gesichert und industrielle Kompetenzen gestärkt werden.

IKT-Infrastruktur gewährleisten: Eine digitalisierte Industrie braucht eine leistungsfähige IKT-Infrastruktur als „backbone“. Dem Breitbandausbau und F&E im IKT-Bereich kommt deshalb eine Schlüsselrolle zu. Das Projekt des digitalen Binnenmarktes, der erhebliche Wachstums- und Beschäftigungspotenzi-

ale verspricht, muss forciert werden. Der Infrastrukturausbau muss auch auf euro-päischer Ebene Priorität erhalten.

Modernisierung des Arbeitszeitrechts: Moderne standortpolitische Rahmen-bedingungen für die Industrie 4.0 erfor-dern aber auch eine Modernisierung der Arbeitswelt. Die IV fordert in diesem Zusammenhang eine Reform des Ar-beitszeitrechts. IV-Generalsekretär Neu-mayer: „Die täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeitgrenzen des Arbeits-zeitgesetzes entsprechen schon jetzt nicht den praktischen Bedürfnissen der Unter-nehmen und ihrer Beschäftigten, um Ar-beitsspitzen abdecken zu können.“ Erfor-derlich sind Regelungen unmittelbar auf Betriebsebene durch Betriebs- oder Ein-zelvereinbarungen.

Bilanz von IV-Präsident Kapsch: „Ent-scheidend ist, dass der Standort Österreich und Europa die Veränderungen durch In-dustrie 4.0 als Basisinnovation verstehen und nutzen. Die Digitalisierung ist der Schlüssel zur notwendigen Re-Industriali-sierung.“ Die USA zeigen dies im Rahmen ihres Re-Industrialisierungskurses erfolg-reich vor. Erfolgten 2006 noch 25 Prozent der Bruttoanlageinvestitionen im IKT-Be-reich, sind es derzeit bereits 31 Prozent. �

I N D U S T R I E 4 . 0Chancen für Österreichs Industrie

Die PwC-Studie „Österreichs Industrie im Wandel“ prognostiziert, dass Österreichs Industrieunter-nehmen bis 2020 jährlich über vier Milliarden Euro in Industrie 4.0- Anwendungen investieren. Diese führen zu einer höheren Produktions- und Ressourceneffizienz. Erwartet werden 20 Prozent Effizienzsteigerung binnen fünf Jahren. Die Anzahl der hochdigitalisierten Unternehmen soll sich in den nächsten fünf Jahren mehr als verdreifachen.

Digitalisierte Produkte und Services können zusätz-lich knapp drei Milliarden Euro Umsatz pro Jahr für die österreichische Industrie erwirtschaften, so die Studie. Die Industriellenvereinigung befasst sich seit längerem intensiv mit den Potenzialen der Industrie 4.0 und unterstützt die „Industrie 4.0 Österreich – Plattform für intelligente Produktion“, die den Kompetenzaufbau forciert und Industrie 4.0-Aktivi-täten in Österreich vernetzt.

http://plattformindustrie40.at

Chancen für die Arbeitswelt

In der Produktion verschwimmen durch Industrie 4.0 die Grenzen klassischer Berufsbilder. Gab es früher Elektriker, Mechaniker und EDV-Techniker, sind es künftig Produktionstechnologen und Produk-tionsinformatiker.

Studien zeigen, dass es einen Verlust an Routi-ne-Tätigkeiten und einen Zuwachs an Nicht-Rou-tine-Tätigkeiten mit höherem Qualifikationsniveau geben wird. Sowohl einfache Tätigkeiten mit wiederholendem Charakter als auch routinemä-ßige, kognitive Tätigkeiten werden abnehmen. Die Berufsfelder mit dem größten Wachstum sind unter anderem IT- und naturwissenschaftlich-technische Berufe.

Vorteilhaft für Produktionsmitarbeiter sind geringere Leerlaufzeiten durch Personaleinsatz in Echtzeit. Mitarbeiter können durch ein Mehr an individueller Flexibilität Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren.

Die neuen Assistenzsysteme bieten vor allem für ältere Arbeitnehmer Vorteile, da sie es erlauben, die immer komplexer werdenden Aufgaben leichter zu bewältigen. Weitere Vorteile für Mitarbeiter können die individuellere Vergütung und die einfachere be-triebliche Mitbestimmung durch den Einsatz neuer Technologien sein.

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INDUSTRY MEETS

STARTUPS

Gerade im Innovations-bereich können Part-nerschaften zwischen etablierter Industrie und Startups beiden

Seiten Nutzen bringen – eine klassische Win-Win-Situation also. Außerdem sollten wir alles tun, um möglichst dafür zu sorgen, dass jede innovative Idee aus Österreich auch in Österreich realisiert werden kann“, so Therese Niss, Bundes-vorsitzende der Jungen Industrie, bei der Begrüßung im Haus der Industrie. Mindset ändern„Für dieses Vorhaben brauchen wir auch die Unterstützung der Politik, denn nur wenn wir als Gründungsland attraktiv sind, werden wir auch die innovativsten und besten Unternehmer anziehen“, betonte Heinrich Schmid-Schmids-felden, Vorsitzender der JI-Wien. Da-mit es soweit kommt, müsse auch die Gründungskultur stimmen. „Auch am Mindset von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik müssen wir noch arbeiten, da wir von der Versorgungsmentalität wegkommen müssen hin zu mehr Mut für Risiko und Lust an Innovation“, so Schmid-Schmidsfelden. Knappes RennenDie Jury, rekrutiert vor allem aus dem Kreise des IV-Bundesvorstandes,

nahm die einzelnen Startups jeweils während einer Runde im Paternoster unter die Lupe – am Ende war das Ergebnis denkbar knapp. Mit einem hauchdünnen Vorsprung gewann schließlich Panono (www.panono.com) den ersten Preis, gesponsert von der Infineon AG. Der zweite Preis, zur Verfügung gestellt vom Austria Wirt-schaftsservice (aws), ging an das Team von Kinexon (www.kinexon.com). Den dritten Rang, unterstützt durch das Aktienforum, belegte Optoforce (www.optoforce.com). Zudem konnte dieses Mal auch das Pu-blikum die Startups bewerben: Über den Crowd Award, unterstützt von DealMatrix, konnte sich das Team von Parkbob (www.parkbob.com) freu-en. Heinrich Schmid-Schmidsfelden bedankte sich nach der erfolgreichen Veranstaltung bei allen Sponsoren – und vor allem auch beim Partner WhatAVenture, der gemeinsam mit der JI-Bundesorganisation sowie der JI-Wien den „Pitch im Paternoster“ organisiert. Fotos zum „Pitch im Paternoster“ fin-den sich auf der Homepage der Jun-gen Industrie (www.jungeindustrie.at) sowie unter www.whataventure.com/pitch-im-paternoster-2016. �

Auch Staatssekretär Harald Mahrer drehte eine Runde mit den Startups.

Das Siegerteam von Panono mit Infineon- Innovationschef Günther Wellenzohn

WETTBEWERB Beim zweiten „Pitch im Paternoster“ mussten die handverlesenen Startups die Industrie von ihren Ideen und Produkten überzeugen – Panono sicherte sich den 1. Platz.

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9März 2016 | iv-positionen

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Junge Industrie

Thematisch würden sich derzeit für einen Kommen-tar vor allem die Pensionen anbieten – aus aktuellem Anlass diesmal aber lieber einmal etwas Erfreuliches.

Beistehend findet ihr einen kurzen Bericht zum

zweiten „Pitch im Paternoster“, der kürzlich im Haus

der Industrie stattgefunden hat. Erfreulich ist dieses

Thema vor allem, weil die bereits zweite Auflage

des Events auf noch mehr Interesse gestoßen

ist – sowohl bei den Mitgliedern von IV und JI als

auch bei den Startups. Die Beteiligung – bei der

begrenzten Teilnehmerzahl von 13 Startups keine

Selbstverständlichkeit – war auch erfreulicherweise

internationaler als 2015.

Erfreulich ist das auch, weil dies endlich einmal ein

Thema ist, wo wir als Wirtschaft nicht unbedingt

auf die Politik warten müssen. Natürlich gäbe es

auch im Bereich Förderung von Startups genug für

die Politik zu tun – bekanntlich ist es in Österreich

nach wie vor schwerer als in anderen Ländern, ein

eigenes Unternehmen zu gründen. Defacto hat sich

hier aber einiges getan, das Thema Startups – lange

Zeit recht stiefmütterlich behandelt – ist mittlerweile

„in“. Mit Harald Mahrer haben Jungunternehmer

zudem einen klaren und sehr aktiven Fürsprecher

in der Regierung.

Aber bereits die Grundidee des ersten Pitch im Pa-

ternoster ging von einer Annahme aus, die auf zahl-

reichen Gesprächen mit Startup-Vertretern beruht:

Vielen Startups würde ein regelmäßiger informeller

Austausch mit den etablierten Unternehmen bereits

viel helfen. Sei es, um vom Know-How der „alten

Hasen“ in verschiedenen Bereichen zu profitieren, sei

es, um später Partnerschaften bei der Realisierung

einer Idee oder eines Produktes zu finden.

Gerade im Bereich der Innovation sind Partnerschaf-

ten zwischen Startups und etablierter Industrie sehr

erfolgreich – auch in Österreich tut sich hier bereits

einiges, es kann aber gerne ein wenig mehr sein.

Dazu können und wollen wir als JI beitragen. Und

das ist ja auch einfacher und angenehmer als der

Austausch mit der Politik. Womit wir doch wieder

beim Pensionsgipfel sind. Nachdem dieser nach

Redaktionsschluss dieser Ausgabe stattfindet, ist

eine Bewertung nicht möglich. Erwarten sollte man

sich aber wohl eher nichts – wie immer. Aber dazu

leider wohl mehr in der nächsten Ausgabe.

Herzlichst Eure

Therese Niss,

Bundesvorsitzende der Jungen Industrie

Ein positiver Blick nach vorne

Zu Besuch beim WeltmeisterFirmenchef Cornelius Geislinger emp-

fing am 4. Februar 2016 eine Abord-nung der Jungen Industrie Salzburg im Hauptquartier in Hallwang-Mayrwies. Die Geislinger GmbH ist Weltmarktfüh-rer bei drehelastischen Kupplungssyste-men für große Dieselmotoren. Es war ein Besuch bei einem Exportweltmeister: Von hundert Euro setze Geislinger nur einige Cent in Österreich um, betonte CEO Cor-nelius Geislinger beim Besuch im Firmen-hauptqaurtier in Hallwang-Mayrwies.

Auch bei Forschung SpitzeGeislinger betreibt insgesamt sechs Werke in Salzburg, St. Leonhard im La-vanttal, in China, Korea, Japan und in den USA und setzt mit Kupplungen und Dämpfungssystemen für große Diesel-

motoren rund 112 Millionen Euro um. In Hallwang beschäftigt der Konzern 160 Mitarbeiter, im Lavanttal knapp 500. Geislinger ist nicht nur Export-, sondern auch Forschungsweltmeister. 25 Prozent des Umsatzes werden in Entwicklung, Investitionen und Marketing gesteckt.

„Noch vor 15 Jahren haben wir in Asien nur ein Drittel unseres Umsatzes ge-macht“, sagte Cornelius Geislinger. „Wir erfinden uns alle vier Jahre neu“, sagte der Firmenchef. So fertigt der innovative Betrieb den größten Stahlfederdämpfer für das größte Containerschiff der Welt und die größte Kohlefasermembrankupp-lung für die größte Windkraftturbine der Welt. 60 Prozent des Umsatzes werden in Asien generiert, der Rest teilt sich auf die

EU, die USA und den Rest der Welt auf. Dieser Umstand spiegelt auch das dyna-mische Wachstum im Fernen Osten. �

Andi Wimmer von der JI (3. v. l. ) bedankt sich beim Leiter der Innovationsabteilung Christoph Sigle, CEO Cornelius Geislinger und bei Geislinger-Personalchefin Maria Aigner.

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„14-Jährige haben Defizite im Wirtschaftswis-sen. Bei fast allen Fragen geben zumindest 30 Prozent keine einzige richtige Antwort. Defizite sind vor allem im Bereich des wirtschaftlichen Grundverständnisses und der Rolle des Staates zu erkennen.“

Dieses eher ernüchternde Resümee ziehen die

Verfasser einer Studie des Instituts für Wirt-

schaftspädagogik der WU, bei der sie Schüler

an Gymnasien und Neuen Mittelschulen befragt

haben. Nur „bei Fragen zum alltäglichen wirt-

schaftlichen Handeln als Verbraucher“ seien die

Antworten besser ausgefallen, heißt es in der Stu-

die. Immerhin – möchte man sagen –, wenigstens

beim eigenen Geld kennen sich die Jugendlichen

aus. Aber leider ist es mit dem Wissen schon wie-

der vorbei, „wenn das eigene Handeln begründet

oder hinterfragt werden soll“.

Für die Wirtschaftspädagogen ist die Folgerung

aus diesem Befund klar: „Der Königsweg wäre ein

eigenes Fach Wirtschaft“, sagt Bettina Fuhrmann,

unter deren Leitung die Schülerstudie erarbeitet

wurde. Das sei aber nicht realistisch, weil es das

Fach GW, Geographie und Wirtschaftskunde, gibt,

in dem die Wirtschaft meistens „unter die Räder

kommt“. Das bestreiten allerdings ihre Kollegen

von den Pädagogischen Hochschulen vehement.

Es ist erfreulich, dass sich die Wissenschaftler so

hingebungsvoll damit beschäftigen, wie man der

Jugend mehr Wissen und ein besseres Verständnis

von der Wirtschaft beibringen könnte. Aber die

Schule, die Lehrer und die Wirtschaftspädagogen

der Uni stehen auf verlorenem Posten. Die jungen

Österreicher wachsen in einer Umwelt auf, gegen

die die Pädagogen wie gegen Windmühlen kämp-

fen, in der „Wirtschaft“ fast ein Schimpfwort ist und

ein Unternehmer als Ausbeuter und potenzieller

Steuerhinterzieher gilt.

Man braucht nur die Leserbriefseiten der Zeitungen

zu überfliegen, um diesen Vorstellungen täglich zu

begegnen. Begeisterte Zustimmung finden Ökono-

men, die den „Kapitalismus“ verdammen oder das

Wort „neoliberal“ als Inbegriff von böse verwenden.

Dass der Kapitalismus in Europa in der Gestalt

der sozialen Marktwirtschaft vorkommt, wird nicht

verstanden. „Das Geld ist ohnehin vorhanden, man

muss es nur richtig (um!-)verteilen“, findet etwa die

Leserin einer großen Bundesländerzeitung. Die

herrschende Staatsgläubigkeit schlägt sich auch

in den Antworten der Schüler nieder: Eine Mehrheit

unter ihnen glaubt, es sei der Staat, der bestimme,

was importiert und exportiert wird. Vier von zehn

Schülern meinen sogar, dass der Staat auch die

Preise von Produkten festlege. Zusammengefasst

findet man das in der Aussage eines Schülers: „Der

Staat ist das komplette Zentrum der Wirtschaft,

würde ich sagen. Er nimmt Steuern ein, er regelt

die Steuern, er bestimmt, ob viel Geld für eine

Straße ausgegeben wird.“

Man muss den Schülern aber Gerechtigkeit an-

gedeihen lassen: Sie können bei allem Mangel an

Wissen auch sehr realistisch sein: „Ehrlich gesagt

wäre ich lieber angestellt, weil ein eigenes Unter-

nehmen derzeit nach viel zu viel Verantwortung für

mich klingt“, schreibt Einer oder vielleicht Eine. Ein

anderer sieht sich und die Welt ziemlich nüchtern:

„Ich hätte lieber mein eigenes Unternehmen, weil

ich mir mit einem Chef in die Haare geraten wür-

de. Am Anfang wäre es sicher schwer, das Geld

herzukriegen für ein eigenes Restaurant.“

Ganz verloren ist die Lage trotz allem nicht: Dass

eine Fahrt mit den Öffis auf Schülerfreifahrt, der

Besuch beim Arzt und der Kauf von Süßigkeiten

vom Taschengeld etwas mit Wirtschaft zu tun

hat, kapiert jeweils eine Mehrheit. Auf Fragen

zum Wirtschaftswachstum fanden bei einer mul-

tiple-choice-Befragung die richtigen Antworten

immerhin viel größere Zustimmung als die falschen.

Damit sind die Schüler jedenfalls gescheiter als

jene bekannte österreichische Sozialinstitution, die

erklärt, die Arbeitslosigkeit komme daher, „dass

alle nur aufs Wachstum schauen“.

Ökonomischer

Analfape- thismus

Kommentar von außen

„Die jungen Österreicher wachsen in einer Umwelt auf, in der ‚Wirtschaft‘ fast ein Schimpfwort ist und ein Unternehmer als Ausbeuter und potenzieller Steuer-hinterzieher gilt.“Hans Winkler, Journalist

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11März 2016 | iv-positionen

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Porträt

Dr. Hanno M. Bästlein Mitglied des Aufsichtsrates der

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1Warum engagieren Sie sich neben Ihrer Tätig-keit im Unternehmen als Bundesvorstands-mitglied in der Industriellenvereinigung?

Die B&C-Gruppe hat sich der Förderung des österreichischen Unternehmertums verschrieben und unterstützt in vielfacher Hinsicht – angefangen mit zukunftsgerich-teter Forschung sowie als Kernaktionär – Betriebe, die sich zunehmend zu globalen Unternehmen mit starken österreichischen Wurzeln entwickeln. So ist es nur folgerich-tig, diese Erfahrungen in die vielfältigen Diskussionen bei der Industriellenvereini-gung einzubringen, um zu Verbesserungen der Rahmenbedingungen für den Standort und vor allem für die Menschen beizutra-gen. Zudem erlaubt es uns gleichzeitig, an den Erfahrungen der Kolleginnen und Kollegen teilzuhaben.

2Was sind die drei wichtigsten standort-politischen Herausforderungen für das Industrieland Österreich?

Europas und Österreichs langjährige Pro-duktivitäts-, Qualitäts- und Technologievor-sprünge sind – zum Beispiel im Vergleich mit Asien – in vielen Bereichen deutlich geschrumpft. Im gleichen Zeitraum wurden bei uns zuletzt – ganz abgesehen von den oh-nehin viel diskutierten hohen Personal- und Lohnnebenkosten – die Transport- und En-ergiekosten durch neue Steuern und Abga-ben in die Höhe getrieben. Höhere Kosten in diesen Bereichen schaden der internatio-nalen Wettbewerbsfähigkeit unserer Indus-trie besonders und exportieren letztendlich Arbeitsplätze. Das wird politisch zu wenig wahrgenommen. Hier ist rasch gegenzusteu-ern. Zusätzlich belasten eine überbordende Bürokratie und geringe Flexibilität am Ar-

beitsmarkt die Wirtschaft. Dadurch kann in vielen Bereichen auf Veränderungen nicht schnell genug reagiert werden, wodurch auch weniger investiert wird.

3Was macht Ihr Unternehmen erfolgreich?Eine klare Strategie, langfristige Orientierung und konsequente Um-

setzung. Ziel der B&C Industrieholding ist es, Know how und Unternehmenszen-tralen dauerhaft in Österreich zu halten und die internationale Wettbewerbsfähig-keit unserer Kernbeteiligungen langfristig sicherzustellen. Wir ermöglichen eine dauerhafte Planung, weil wir bei unseren Kernbeteiligungen keine kurzfristigen Ziele und Gewinnmaximierungen verfol-gen. Das unterscheidet uns maßgeblich von vielen anderen Investoren. Der Er-folg eines Unternehmens wird stets von der Qualifikation und dem Engagement seiner Mitarbeiter bestimmt. Wir bieten unseren Beteiligungen einen Mehrwert, den wir über professionelle Aufsichtsräte einbringen und stehen dem Management unserer Kernbeteiligungen als verläss-licher Ratgeber und Diskussionspartner zur Verfügung.

4Wie sehen Sie die Zukunft der österreichi-schen Industrie und der mit ihr verbun-denen Sektoren?

Wie zuerst erwähnt: Wir haben eine gute Basis und alle Chancen. Aber ohne Trend-wende und mehr politischem Bewusstsein für die Bedeutung der Wirtschaft befinden wir uns in einer Sackgasse. Der Mangel an Reformfreudigkeit verkrustet unsere Rahmenbedingungen und schränkt damit die Bewegungsfreiheit der Unternehmen

ein. Deshalb müssen alle gemeinsam mit der Politik in einen undogmatischen und zukunftsweisenden Dialog treten. Die Basis, um sich als relativ kleine Wirt-schaft global behaupten zu können, liegt in einem breiten und hervorragenden Bil-dungswesen. Unternehmens- und bran-chenübergreifende Zusammenarbeit, etwa in der Forschung und Entwicklung, bei technischen Standards oder im Außen- auftritt auf Exportmärkten, ist ein Schritt zur Stärkung unserer Wettbewerbsfähig-keit. Vor allem im stark zunehmenden Bereich der Digitalisierung der Wirt-schaft ist eine flächendeckende Zusam-menarbeit zwischen KMU und Industrie gefordert, um gemeinsame Standards zu etablieren. Dann kann die gesamte Wirt-schaft unseres Landes von den massiven Investitionen in neue Technologien auch tatsächlich profitieren. �

F A C T B O XSeit der Gründung im Jahr 2000 verfolgt die B&C Privatstiftung das Ziel der langfristigen Förderung des österreichischen Unternehmertums. Mittels der B&C Industrieholding übernimmt die B&C-Gruppe die Aufgaben eines langfristigen, stabilen Kernakti-onärs in österreichischen Industrieunternehmen. Sie hält derzeit Mehrheitsbeteiligungen an der Lenzing AG, der Semperit AG sowie der AMAG Austria Metall AG. Zudem setzt sich die B&C-Gruppe für verbesserte finanzielle Grundlagen für Innovation und Forschung in Österreich ein. Seit 2005 verleiht die B&C-Privatstiftung den Houskapreis. Mit einer Dotierung von 400.000 Euro ist es Österreichs größ-ter privater Preis für wirtschaftsnahe Forschungs-projekte. 2016 wird dieses Engagement mit dem neuen „Bildungspreis der B&C Privatstiftung“ weiter ausgebaut, um zukunftsgerichtete Forschungsver-mittlung in Bildungseinrichtungen zu fördern.

www.bcholding.at

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12 iv-positionen | März 2016

Die Flüchtlingspolitik in Europa stößt an ihre Grenzen

Derzeit sind etwa 60 Mil-lionen Menschen welt-weit auf der Flucht, die höchste Zahl, die der UN-Flüchtlingsrat jemals

verzeichnet hat. Allein im dritten Quar-tal 2015 beantragten 413.800 Menschen Asyl in der EU. 2015 sind mehr als eine Million Flüchtlinge in Europa angekom-men. Der Weg nach Europa führt für die meisten Flüchtlinge über die Türkei, die Balkanroute oder über das Mittelmeer. In der Türkei sind derzeit über 2,5 Millionen registrierte syrische Flüchtlinge. Noch im-mer ist nicht geklärt, wie die EU die zuge-sagten drei Milliarden Euro an die Türkei für die Flüchtlingshilfe aufbringen will. Der Türkei geht es in den Verhandlungen mit der EU neben der zugesagten Milli-ardenhilfe besonders um die Visumlibera-lisierung bei Reisen türkischer Staatsbür-ger, jährliche finanzielle Unterstützung und eine ernste Beitrittsperspektive. Die Fortschritte des Aktionsplans sollen im Frühjahr ausgewertet werden. „Aktuell spielt die Türkei eine Schlüsselrolle und kann dazu beitragen, die EU-Außen-grenzen zu sichern. Die Beitrittsprozesse sind vorgegeben und dürfen durch aktu-elle Maßnahmen keine präjudizierende Wirkung haben“, verdeutlicht IV-Gene-ralsekretär Christoph Neumayer.

Schengen-Raum nicht aufgebenBesorgniserregend sei auch die aktuelle Wiedereinführung von flächendeckenden Grenzkontrollen. „Diese kann nicht nur den 26 Ländern des Schengen-Abkom-mens jährlich mehrere Milliarden Euro kosten, sondern würde auch eine der größten Errungenschaften der EU aufs Spiel setzen“, so Neumayer.

Die Beschlüsse des Europäischen Rats vom 18/19. Februar 2016 fordern,• nach wie vor die gemeinsame humani-

täre Hilfe für die Nachbarländer Syri-ens zu gewährleisten,

• weitere Anstrengungen bei der Umset-zung des EU-Türke-Aktionsplans zu unternehmen,

• die Wiederherstellung eines normal funktionierenden Raums des freien Personenverkehrs zu garantieren,

• eine Verbesserung der Einrichtung und des Betriebs von Hotspots (Registrie-rungszentren) vor allem in Italien und Griechenland zu erzielen,

• vorübergehende Aufnahmeeinrich-tungen für ankommende Flüchtlinge zu schaffen,

• und finanzielle Kapazitäten zu etablie-ren, um Länder zu unterstützen, die mit einer großen Anzahl von Flüchtlingen und Migranten konfrontiert sind.

MIGRATION Im Rahmen des EU-Gipfels vom 18. und 19. Februar 2016 in Brüs-sel haben die Staats- und Regierungschefs über weitere gemeinsame Schritte zur Flüchtlingskrise diskutiert. Es herrscht weiter Uneinigkeit.

Neumayer erklärt dazu: „Die Beschlüsse des EU-Gipfels zeigen einmal mehr die große Dringlichkeit gemeinsamer und akkordierter Maßnahmen der EU-Mit-gliedstaaten auf. Die EU hat bisher große Versäumnisse hinsichtlich einer einheit-lichen Migrations- und Integrationspolitik zugelassen. Die EU muss möglichst rasch funktionierende Mechanismen für die Aufnahme, Verteilung und Rückführung der Flüchtlinge aufstellen und durchfüh-ren. Alle müssen an einem Strang ziehen und eine solidarische Haltung zeigen.“

Europa muss geschlossen handelnSpätestens Ende 2016 müssten die europä-ischen Mechanismen greifen und die Krise in geordnete Bahnen gelenkt sein. Nach der IV vorliegenden Zahlen werden bis Ende 2017 in Österreich mehr als 100.000 Menschen Asyl beantragt haben und 70.000 zusätzliche Personen am Arbeitsmarkt sein. Um diese Lage bewältigen zu können, bräuchte es möglichst rasch eine Reihe von Aufnahme- und Integrations-Maßnahmen. „Asylsuchende Menschen können auch eine Chance für das Land bedeuten, sie müssen dazu aber gezielt in Arbeitsmarkt und Gesellschaft integriert werden“, so Neumayer. Ein Leitbild für Migration in Europa und eine aktive EU-Integrations-politik sind nun gefragt. �

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13März 2016 | iv-positionen

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UK-Referendum am 23. Juni: Ergebnis offen

Ob Einschränkung der Sozial-leistungen für EU-Auslän-der, die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens, die Rolle

der nationalen Parlamente oder Fragen zur Euro-Zone und den Wettbewerb in der EU: Die Schlussfolgerungen zum EU-Gipfel am 18. und 19. Februar in Brüs-sel enthalten einige Zugeständnisse an die britische Regierung. PM Cameron spricht von einem zukünftigen „Sonderstatus“ Großbritanniens innerhalb der EU. Noch am 23. Juni dieses Jahres wollen die Briten über den Verbleib in der EU abstimmen.

Einschränkung der Sozialleistungen für EU-Ausländer: Trotz der in den Artikeln 21 AEUV und 45 AEUV geregelten Freizügig-keit der EU-Bürger und -Arbeitnehmer soll die von der britischen Regierung geforderte „Notbremse“, durch die EU-Ausländer von Sozialleistungen ausgeschlossen werden können, maximal sieben Jahre gelten. Der Betroffene selbst kann in Zukunft vier Jah-re von Leistungen ausgeschlossen werden. Kindergeld für nicht in Großbritannien le-bende Kinder soll für neue Antragsteller an die Lebenshaltungskosten im Ausland ge-koppelt werden. Ab 2020 sollen dann auch die bereits in anderen EU-Staaten lebenden Unions-Bürger davon betroffen sein. Eine Einschränkung der EU-Richtlinie zur Ar-beitnehmerfreizügigkeit soll diesbezüglich vorgeschlagen werden.

Mitgliedschaft in der EU: Dem Königreichwurde zudem zugestanden, in Zukunft

nicht gemäß Art. 1 EU durch eine „im-mer engere Bindung“ an die EU ver-pflichtet zu sein. Diese Ausnahmere-gelung für Großbritannien soll in einer EU-Vertragsänderung verankert wer-den. UK ist kein Teil des Schengen-Ab-kommens.

Nationale Souveränität: Den nationalen Parlamenten soll es in Zukunft anhand eines Vetorechts ermöglicht werden, EU-Gesetzesentwürfe zu stoppen, sofern 55 Prozent der Parlamente zustimmen.

Euro-Zone: PM Cameron erhielt von den anderen Euro-Staaten die Zusicherungen, dass Maßnahmen des Währungsraumes keine negativen Auswirkungen auf den Finanzplatz London haben sollen. Um-gekehrt soll es keine Beschränkungen für die Finanzmärkte der Euro-Zone geben. Großbritannien wird auch in Zukunft über kein Vetorecht bei Entscheidungen der Eurostaaten verfügen.

Wettbewerb: Die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft soll gefördert werden, etwa durch Bürokratieabbau für Unter-nehmen, was bereits durch das aktuelle Better-Regulation-Paket der EU ge-deckt wird.

PM Cameron zeigte sich mit dem Er-gebnis des ER vom 18. und 19. Februar zufrieden und sprach sich für den Ver-bleib Großbritanniens in einer „refor-mierten EU“ aus.

BREXIT Erstmals steht mit Großbritannien der Austritt eines Mitgliedstaates aus der Europä-ischen Union im Raum. Die Frage, wie man damit umgeht, beschäftigt nicht nur Brüssel, sondern auch die Industrie.

Brexit: Erstmals steht mit Großbritan-nien der Austritt eines Mitgliedstaates aus der Europäischen Union im Raum. Die Frage, wie man damit umgeht, be-schäftigt nicht nur Brüssel, sondern auch die Industrie.

Industrie will Großbritannien weiter als Teil der EU sehen Die IV hat einen offenen Brief des britischen Arbeitgeberverbandes CBI gemeinsam mit anderen Industrieverbänden für den Verbleib Großbritanniens in der EU un-terzeichnet. IV-Generalsekretär Christoph Neumayer: „Großbritannien ist ein wich-tiges, wirtschaftspolitisch liberal ausgerich-tetes Mitglied. Eine der wichtigsten Säulen der Verhandlungen über seine weitere Mit-gliedschaft ist, die EU wettbewerbsfähiger zu gestalten. Eine Forderung, die der gesamten EU Vorteile bringen würde. Europa muss Wachstum und Arbeitsplätze schaffen. Des-halb sind Reformen und ein globaler An-satz für Wirtschaft, Bildung und Forschung essenziell.“ Etwa 45 Prozent der Exporte Großbritanniens gehen in die EU, 53 Prozent seiner Importe kommen aus der EU. Auch Auslands-Investoren würde ein „Brexit“ ab-schrecken, da diese an einem einheitlichen Markt Interesse haben. Die wirtschaftlichen Folgen eines „Brexit“ könnten daher noch ungeahnte Auswirkungen haben. �

Florence Meyer-Landrut [email protected]

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Stummvoll: „Haben keine Zeit zu verlieren“WACHSTUM Der Sprecher der Plattform für Leistung und Eigentum, Günter Stummvoll, fordert umfassende Strukturreformen zur Standortverbesserung und eine Wachstumsstrategie.

Die Plattform für Leistung und Eigentum fordert umgehende strukturelle Maßnahmen für den Wirtschaftsstandort Österreich. Worum soll es konkret gehen?Wir werden ohne oder mit zu geringem Wachstum unsere Probleme im Staats-haushalt, am Arbeitsmarkt und bei der Finanzierung unseres teuren Sozialsystems nicht lösen können. Um nur ein Beispiel zu nennen: Expertenmeinung ist, dass eine spürbare Senkung der ständig steigenden Arbeitslosigkeit erst ab einem Wirtschafts-wachstum von rund 2,5 Prozent möglich ist. 2015 hatten wir aber nur 0,8 Prozent, für heuer sind 1,7 Prozent prognostiziert. Das heißt, derzeit laufen wir dem Wachs-tum hinterher und sind auch in den inter-nationalen Rankings stark zurückgefallen. Wir müssen wieder von der Kriechspur auf die Überholspur kommen.

Wachstum heißt „immer mehr“. Muss es denn immer mehr sein?Mehr Wirtschaftswachstum heißt nicht immer mehr vom Selben, sondern heißt

Fortschritt, Entwicklung, Innovation und Wandel, damit wieder mehr Arbeitsplät-ze entstehen können. Nur müssen wir dafür in die Strukturen gehen! Ein biss-chen Kosmetik hier und da und eine Beschwichtigungsmentalität mancher politischer Akteure wird sicherlich nicht reichen.

Was wären nun Ihrer Meinung nach die wich-tigsten Maßnahmen in einem Wachstumspaket?Abgesehen von vielen Einzelvorschlä-gen, wie zum Beispiel die Umsetzung des Wohnbaupaketes und die Breitbandini-tiative oder die Schaffung einer Mittel-standsfinanzierungsgesellschaft, muss es vor allem um fünf Schwerpunkte gehen: 1. Die Einstellung zum Unternehmer-

tum muss sich grundlegend ändern. Solange Unternehmen den Eindruck haben, sie werden als Kreuzung zwi-schen Melkkuh und Prügelknabe betrachtet, wird sich nichts zum Po-sitiven ändern. Wirtschaft ist aber gleich Rechenstift plus Stimmung. Im Grunde brauchen wir eine Art – um dieses in der letzten Zeit so viel stra-pazierte Wort zu verwenden – Will-kommenskultur für Unternehmer.

2. Abbau einer überbordenden Über-regulierung der Wirtschaft, die heu-te die größte Wachstumsbremse darstellt. Wir müssen vom „Triple B“ – Belastung, Bürokratie und Bestrafung – wegkommen. Wir brauchen dazu aber keine neuen Arbeitsgruppen einzusetzen, es gibt eine Fülle an Vorschlägen, die nun endlich umgesetzt werden muss.

3. Belastungsstopp als Vorstufe einer Entlastungsstrategie. Es geht dabei um eine Senkung der Steuer- und

Abgabenquote, die derzeit in Öster-reich die sechsthöchste in der Euro-päischen Union ist. Sie ist aber nicht deshalb so hoch, weil wir so viel in die Zukunft – in Wissenschaft, Tech-nologie und Innovationen – investie-ren, sondern weil die Bereiche der öffentlichen Verwaltung ineffizient organisiert sind. Eine jüngst publi-zierte Studie der „EcoAustria“ ergibt ein Effizienzpotenzial alleine im Be-reich der Länderverwaltungen von rund fünf Milliarden Euro jährlich.

4. Die seit Jahren geforderten Struk-turreformen gehören endlich um-gesetzt. Empfehlungen von Rech-nungshof, OECD, Internationalem Währungsfonds oder internationa-len Beratungsorganisationen, wie McKinsey, gibt es seit Jahren und in großer Zahl. In diesem Zusammen-hang eine wichtige Klarstellung: Spa-ren, zum Beispiel auch in den heik-len Bereichen Bildung, Gesundheit und Sicherheit, heißt nicht sparen zu Lasten dieser drei Bereiche, son-dern die Mittel effizient einsetzen.

5. Mehr Flexibilität bei Arbeitsmarkt und Arbeitszeit. Die Zeit, in der wir leben, hat ein Hauptkennzeichen: Es ist dies das Tempo der Verände-rungen. Veränderungen hat es in der Menschheitsgeschichte immer gege-ben, das Tempo war aber noch nie so atemberaubend wie derzeit. Dies er-fordert mehr Flexibilität am Arbeits-markt und bei der Arbeitszeitgestal-tung. Auch hierfür gibt es konkrete Vorschläge. Und diese müssen jetzt rasch umgesetzt werden. Wir haben keine Zeit zu verlieren. www.der-mittelstand.at �Günter Stummvoll, Sprecher der Initiative

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15März 2016 | iv-positionen

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Mehr Energie für Bildungsreform

Die Umsetzung der im No-vember beschlossenen Bildungsreform stand im Mittelpunkt eines Ar-beitstreffens der mehr

als zwanzig Partner – darunter Hilfswerk, EduCare, Wirtschaftskammer, Arbeiter-kammer, Bundesjugendvertretung – der IV-Initiative NEUSTART SCHULE. „Es wird ein richtungsweisender Frühling für die Bildungspolitik. Die kommenden Mo-nate werden zeigen, ob erkennbare Re-formschritte gelingen. Wir möchten jeden-falls unsere Erfahrungen und Vorschläge einbringen, weil der Reformstau hoch ist“, so NEUSTART SCHULE-Initiator Chris-tian Friesl. Die wichtigsten Befunde des Arbeitstreffens auf einen Blick: n Die Aufwertung der Elementarbil-

dung kann zum wichtigen Erfolg der Bildungsreform werden. Dazu braucht es die Finanzierung des zweiten Kin-dergartenjahres und die Entwicklung bundesweit einheitlicher und ver-bindlicher Standards für Qualität und Rahmenbedingungen. Der geplante

„Bildungskompass“ soll weder Mo-mentaufnahme noch Selektionskri-terium sein, sondern auf Stärken und Ressourcen ausgerichtet sein.

n Um kontraproduktive Brüche zu ver-meiden und einen fließenden Über-gang zu ermöglichen, sollten die verpflichtenden Kindergartenjahre sys- tematisch mit den ersten Schuljahren verknüpft werden. In verschlankten Volksschullehrplänen soll der Fokus auf Grundkompetenzen und Kultur-techniken gelegt werden.

n Autonomie an den Schulen erfordert entsprechendes Know-how für Schul-leiterinnen und Schulleiter. Das Be-stellungsverfahren hat objektiv, ohne politische Einflussnahme und unter Mitwirkung der Schulpartner zu er-folgen.

n Kritisch sehen die Partner von NEU-START SCHULE, dass mit den neuen Bildungsdirektionen der kompletten Verländerung der Schulverwaltung der

MEETING Einen bildungspolitisch richtungsweisenden Frühling erwartet sich die IV-Initiative NEUSTART SCHULE. Bei einem Arbeitstreffen zogen ihre Partner Zwischenbilanz und konkretisierten Ziele der Bildungsreform.

F A C T B O XNEUSTART SCHULE ist eine Initiative der Industri-ellenvereinigung und ihrer Partner, die Bewegung in die österreichische Bildungspolitik bringt. Ziel ist es, mit der Unterstützung von Partnern, Experten und der Bevölkerung auf die Notwendigkeit einer Bildungsreform aufmerksam zu machen und die Politik dafür zu gewinnen. Weitere Informationen unter www.neustart-schule.at und auf Facebook unter www.facebook.com/neustartschule.

Weg geebnet werden soll. Friesl: „Wenn Bund und Länder nicht in der Lage sind zusammenzuarbeiten, soll die Bildungs-direktion eine Bundesbehörde werden.“

n Bei den Modellregionen plädiert NEUSTART SCHULE jenseits der Diskussion um Prozentanteile für al-ternative, schülerzentrierte Kriterien, damit jede Modellregion auch wirk-lich eine organische Einheit mit einem sinnvollen Einzugsgebiet wird.

Einig waren sich die NEUSTART SCHU-LE-Partner auch darin, dass die Bildungs-reform mit der Umsetzung der Vorschlä-ge aus dem November nicht zu Ende ist, sondern erst richtig beginnt. Friesl: „Dann muss es endlich um Ziele und Inhalte von Bildung gehen.“ Für die notwendige „Bil-dungsrevolution“ benötigt es jedenfalls ein gemeinsames Vorgehen mit den Be-troffenen, der Politik, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft, fordert NEUSTART SCHULE. �

Besprechung der Ergebnisse mit BMBF-Sektionschef Kurt Nekula

Partnerkonferenz NEUSTART SCHULE

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16 iv-positionen | März 2016

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APAG: Unabhängige Prüfung und Transparenz statt Überregulierung INTERVIEW Herbert Houf, Vizepräsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder (KWT), und Aslan Milla, Berufsgruppenobmann der Wirtschaftsprüfer der KWT, lehnen noch mehr Bürokratie für Unternehmen bei der Neuregelung der Ab-schlussprüferaufsicht strikt ab.

Wie stehen Sie grundsätzlich zur neuen Ab-schlussprüferaufsicht?Milla: Wir Wirtschaftsprüfer unterstützen alle Maßnahmen zur Erhöhung der Trans-parenz und Unabhängigkeit im prüfenden Berufsstand und zur Weiterentwicklung der Qualität und Aussagefähigkeit der Abschlussprüfung. Mit der Umsetzung des Abschlussprüferaufsichtsgesetzes (APAG) wird allerdings teilweise über das Ziel hinausgeschossen, was eine un-verhältnismäßige Erhöhung des bürokra-tischen Aufwands für Unternehmen und Prüfungsbetriebe bringt. Und das lehnen wir strikt ab.

Wirtschaftsprüfer werden in Zukunft ja auch über eine neue Behörde überprüft…Houf: Wir begrüßen die Einrichtung ei-ner weisungsfreien und unabhängigen Aufsichtsbehörde. Die Kosten dürfen aber nicht explodieren. Deshalb müssen die Aufgaben und Kompetenzen der Be-hörde auf das EU-rechtliche Mindestmaß beschränkt bleiben. Die schon bisher er-folgreich tätigen Qualitätsprüfer sollen weiterhin für die Qualitätssicherungsprü-fungen herangezogen werden, der Inspek-tor soll nur dort zum Einsatz kommen, wo das auf Grund der EU-Vorgaben zwin-gend notwendig ist.

Was halten Sie von der Ausweitung der neuen Prüfungsberichte auch für nicht-börsenotierte Unternehmen?Milla: Wir sprechen uns gegen die Ein-führung von weiteren Zusatzberichten für nicht-börsenotierte Unternehmen aus, weil damit nur ein bürokratischer Auf-wand vor allem für die mittelständische Wirtschaft entsteht. In Österreich gibt es bei allen Aufsichtsrat- und Prüfungsaus-schusssitzungen zu Fragen der Abschluss-prüfung ein Rederecht und eine Rede-pflicht. Die direkte Kommunikation der

Ergebnisse einer Abschlussprüfung ist damit ausreichend sichergestellt.

Neben einer neuen Prüferaufsicht sollen auch neue Regeln zur Unabhängigkeit des Abschluss-prüfers kommen….Houf: Was in der aktuellen Diskussion gerne vergessen wird: Die derzeitigen gesetzlichen Regelungen in Österreich gehen weit über die bisherigen EU-Vor-gaben hinaus. Wir haben bereits jetzt strenge Regeln, welche Beratungsleis- tungen ein Abschlussprüfer nicht erbrin-gen darf, um seine Unabhängigkeit nicht zu gefährden. Wir sehen da keinen weite-ren Handlungsbedarf.

Ein zentrales Diskussionsthema ist auch die geplante zwingende Rotation der Prüfungsge-sellschaft. Warum sprechen Sie sich gegen eine externe Rotation aus?Houf: Wir haben in Österreich seit vielen Jahren die personenbezogene (interne) Rotation nach fünf Jahren mit zwei Jah-ren cooling-off und sind damit strenger, als es die EU nun mit einer Rotation erst nach sieben Jahren und drei Jahren coo-ling-off vorsieht. Wir sind überzeugt, dass damit einer eventuellen Befangenheit des Prüfers ausreichend entgegengewirkt wird. Eine zusätzliche externe Rotation bringt mehr Nachteile als Vorteile.

Milla: Jeder Wechsel einer Abschlussprü-fungsgesellschaft ist immer eine kritische Phase für die Sicherstellung der zuverläs-sigen Finanzberichterstattung eines Un-ternehmens, die sehr gut vorbereitet wer-den muss und auch erhebliche Ressourcen bindet. Ein verpflichtender Wechsel birgt das Risiko eines quasi institutionalisier-ten Wissens- und Qualitätsverlustes und damit auch deutliche Nachteile für die Unternehmen. www.kwt.or.at �

Aslan Milla, Berufsgruppenobmann der Wirtschaftsprü-fer der KWT

Herbert Houf, Vizepräsident der Kammer der Wirt-schaftstreuhänder (KWT)

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17März 2016 | iv-positionen

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Austrian Leadership Programs startet

Eine globalisierte Wirt-schaft bietet einer klei-nen, exportorientierten Volkswirtschaft wie Ös-terreich viele Chancen.

Sie birgt aber auch große Herausforde-rungen, für deren Bewältigung gute in-ternationale Kontakte immer wichtiger werden. Das betrifft Außenpolitik und Diplomatie – und vermehrt auch Unter-nehmen. Die Einbettung in ein größeres Netzwerk wird zum Erfolgsgaranten. Eine Entwicklung, der sich Industriel-lenvereinigung (IV), Wirtschaftskam-mer (WKÖ und Außenministerium (BMEIA) mit der im Jänner gemeinsam prä-sentierten Initi-ative „Austrian Leadership Pro-grams“ (ALPS) annehmen. Vier-mal jährlich sol-len internationale Führungskräfte aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft zusammenkommen. Gespräche mit ent-sprechend hochrangigen österreichi-schen Vertretern stehen dabei ebenso wie die Präsentation des heimischen Wirtschafts-, Innovations- und Techno-logiestandortes im Fokus. Für Öster-reich politisch und wirtschaftlich inte-ressante Länder werden dabei gezielt berücksichtigt.

Mit Wachstumsmärkten vernetzen„Mit dem neuen Programm starten wir ein globales Besucherprogramm für Ös-terreich, um ein starkes Netzwerk an in-ternationalen Entscheidungsträgern zu schaffen“, so Außenminister Sebastian Kurz. Denn für die österreichische Wirt-schaft biete sich die einmalige Chance, mit Entscheidungsträgern und Führungs-kräften aus der ganzen Welt zusammen-zukommen. „Um erfolgreich zu bleiben, müssen wir in neue Wachstumsmärkte gehen – und die liegen außerhalb Eu-ropas“, so IV-Präsident Georg Kapsch. Durch diese Initiative werde es erleich-

tert, Investitionen nach Österreich zu holen. Letzteres bedinge jedoch auch die Verbesserung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen am Standort durch strukturelle Reformen. „Am Ende geht es um die Schaffung und Erhaltung von Ar-beitsplätzen. Darum stehen wir voll und ganz hinter dieser Initiative – auch um zu zeigen, was Österreichs Unternehmen können“, betonte der IV-Präsident. �

NETZWERK Welt-weite Kontakte und gute internationale

Beziehungen sind am globalen Markt entscheidend. Eine

Initiative von IV, BMEIA und WKÖ

soll bestehende Verbindungen

stärken und neue schaffen. „Um erfolgreich zu

bleiben, müssen wir in neue Wachstumsmärkte

gehen – und die liegen außerhalb Europas.“

IV-Präsident Georg Kapsch

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Steiermark

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18 iv-positionen Steiermark | März 2016

Iran – ein Land im Aufbruch

Tabriz, Provinzhauptstadt im iranischen Nordosten, 1,8 Mio. Einwohner, zeigt eine interessante Mischung aus al-ter Handelsstadt und moder-

nem Industriegürtel. Modern allerdings mit Abstrichen, wie der Blick in die Produkti-on eines Daimler-Lizenzmotors (es finden sich nach wie vor viele deutsche Schilder) zeigt. Alles sauber, offensichtliche Bemü-hungen, moderne Produktionsstandards zu halten, und erstaunliche Improvisati-onskunst, aber hoffnungslose technolo-gische Überalterung: Die modernste Ma-schine stammt aus dem Jahr 1986. Die Assets sind ein 80 Millionen-Markt, gut ausgebildete und motivierte Arbeitskräfte, gute Infrastruktur, aber über die notwendi-gen Investitionen braucht man sich keine Illusionen zu machen.

Frauen in der TechnikSzenenwechsel in die benachbarte Busfa-brik, deutsche und chinesische Lizenz-produkte. Das Referat übernimmt eine Mitarbeiterin, die hervorragend Englisch spricht. Wenn nicht das Kopftuch wäre, viel Unterschied zu einer selbstbewussten

europäischen Frau erkennt man nicht. Über 60 Prozent der Studenten im Iran sind Frauen und das gilt auch – welch ein Unterschied zu Österreich – für naturwis-senschaftliche und technische Fächer. Die Regierung hat inzwischen eine positive Diskriminierung für Männer eingeführt, aus Angst, dass das Ungleichgewicht zu stark wird. Der Unterschied zum ara-bischen Raum ist augenfällig. Kopftuch ja, aber nirgendwo wäre ein Gesichts-schleier zu entdecken. Die Frauen sind in die Arbeitswelt integriert (der Auto-zulieferer Crouse beschäftigt überhaupt 75 Prozent Frauen, weil die besser und genauer arbeiten) und haben sich sogar männliche Unarten angewöhnt – einen geradezu mörderischen Fahrstil.

Iran Silicon Valley Technologiepark Pardis im Nordosten Teherans: modern, offensiv, aber deut-lich durch die Sanktionen behindert. Man traut seinen Augen nicht, über dem Eingang prangt mit großen Buschstaben aus Edelstahl Bekenntnis und Programm gleichermaßen: „Iran Silicon Valley“. Der große Satan USA existiert nur noch in der politischen Propaganda. Im wah-ren Leben ist jeder stolz, in den USA stu-diert zu haben, Kontakte zu US-Firmen zu haben. Man hat das Gefühl, dass die Amerikaner ihre Rolle als Watchdog der Sanktionen zunehmend als willkommene Diskriminierung unliebsamer Konkur-renz sehen. Und wer glaubt, dass Kon-takte zu israelischen Technologiefirmen ein No-Go sind, der irrt. Im Iran hat sich offensichtlich eine Art Parallelwelt eta-bliert, aber es bleibt die Frage, ob dieses Arrangement von Dauer ist, wenngleich es die Iraner selbst derzeit überaus opti-mistisch sehen.

KooperationspotenzialInvestition im Iran eine Option? Größere, international ausgerichtete Unternehmen

REISE Im Rahmen einer steirischen Delegationsreise konnten Eindrücke vom Iran gesammelt werden, die ein Land im Aufbruch zeigen. Vieles weicht positiv vom Klischee ab, das man nach Jahren der Isolation vom Land hat. Die Kernfrage wird aber die Nachhaltigkeit der derzeitigen Öffnung sein.

V.l.n.r.: Wirtschaftskammer-Direktor Karl-Heinz Dernoscheg, IV-Präsident Jochen Pildner Steinburg und IV-Geschäftsführer Thomas Krautzer im „Iran Silicon Valley“.

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19März 2016 | iv-positionen Steiermark

Wir müssen in den Export! Der Wahlspruch des legendären IV-Präsidenten Mayer-Gunthof aus den 1970er-Jahren zeigt nicht nur, dass sich Latein als Sprache der Gebildeten sogar in der Industrie lange halten konnte, sondern ist gleichermaßen ein auf den Punkt gebrachtes wirtschaftspolitisches Programm für eine kleine, offene Volkswirtschaft.

Wer als Zwergenmarkt Wohlstand und Lebensqua-

lität generieren möchte, der muss dem rauen Wind

und der Konkurrenz in fernen Ländern trotzen. Die

Steiermark ist ein gutes Beispiel dafür. Mehr als die

Hälfte der gesamten Wertschöpfung des Landes

wird durch Exporte generiert, über 90 Prozent

dieser Exporte tätigt die Industrie, die wiederum

rund 75 Prozent ihrer Gesamtproduktion im Ausland

absetzt. Um es etwas drastisch zu formulieren:

Wenn wir so dumm wären, unsere Grenzen dicht

zu machen, müssten wir ab April unsere Mitarbeiter

nach Hause schicken und für den Rest des Jahres

am Hungertuch knabbern. Den Wohlfahrts- und

Sozialstaat Österreich gäbe es dann nicht mehr.

Exportare necesse est – allein, es hat sich noch

nicht herumgesprochen, dass dies nicht von selbst

geschieht. Heute zählt international nur das beste

Produkt, die beste Technologie zum besten Preis.

Die Zeiten der Glasperlen für naive Eingeborene

oder des lustigen Heurigenabends als Grundlage für

lukrative Geschäfte sind schon lange vorbei. Neu ist

die große Zahl an Konkurrenten, die mit großartigen

Produkten, tollen Technologien und fast unschlag-

baren Preisen täglich neu auftauchen. Sie kommen

aus China, Indien, Korea, Indonesien, Malaysia

und vielen anderen Ländern, die wir in ziemlicher

Verblendung noch heute als Entwicklungsländer

oder Schwellenländer bezeichnen. Die haben sich

tatsächlich so gut entwickelt, dass sie uns bereits in

den Allerwertesten treten. Welche Reaktion auf diese

strategische Bedrohung für den österreichischen

Wohlstand gibt es? Politisch keine, weil offensicht-

lich das Bewusstsein für diese Dimension gänzlich

fehlt. „Beatus qui mundus ignorat“ (wir können es

auch noch!) ist hierzulande eher die Devise oder,

wie uns schon Walzerkönig Strauß schunkeln ließ,

„glücklich ist, wer vergisst, das, was nicht zu ändern

ist“, die geheime Hymne unserer Bundesregierung.

Der ist es scheinbar verborgen geblieben, dass die

Weltwirtschaft kontinuierlich wächst, aber Öster-

reich sich nur noch einen immer kleineren Anteil

vom Kuchen abschneiden kann. Die anderen sind

früher am Buffet. Die Regierung verdrängt, dass

das mit verschlechterten Fundamentaldaten des

Wirtschaftsstandorts zu tun hat. Die Produktivität

ist in den letzten Jahren gesunken, die Lohnstück-

kosten sind überproportional gestiegen, notwendige

flexible Arbeitszeit-Modelle werden gewerkschaftlich

bekämpft und die Stimmung der Unternehmerschaft

in der Alpenrepublik ist im Keller. Die Folge: kaum

Wachstum, steigende Arbeitslosigkeit und ein be-

reits bedenklicher Investitionsrückstau. Der Beginn

dieser Entwicklung lässt sich inzwischen anhand

von Fakten zurückverfolgen: 2008. Das war nicht

nur der Beginn der Krise, das war auch der Antritt

eines Regierungsoberhauptes, das das Verkennen

der Zeichen der Zeit zum Programm erhoben hat,

assistiert durch einen kraftlosen Regierungspartner

und gestützt durch eine gleichermaßen in der Ver-

gangenheit lebende Sozialpartnerschaft. Eine Art

kakanischer Neo-Ignorantismus. Wir haben noch

alle Chancen, das Ruder herumzureißen, aber nicht

mehr lang.

Ihr

Jochen Pildner-Steinburg,

Präsident der IV-Steiermark

Exportare necesse est

Rückfragen bei Thomas Krautzer, [email protected]

I N F O R M A T I O N

sollten den Markt Iran jedenfalls ana-lysieren und derzeit stehen viele Türen offen. Eben erst wurden österreichische Exportfinanzierungsgarantien, die seit 2012 eingefroren waren, wieder aufge-nommen. Aber der Iran ist nur partiell an reinen Importen interessiert. Die Re-gierung strebt vorwiegend Investitionen, Kooperationen und Joint Ventures an. Im Gegenzug will man atemberaubend kurze Genehmigungsverfahren (15 Tage) und großzügige „Tax Holidays“ garantie-ren. Man deklariert aber auch klare rote Linien und Erwartungen: notwendiger Zuwachs an qualifizierten Arbeitsplätzen,

hoher Anteil von Wertschöpfung im Iran und Möglichkeit, iranische Produkte in den Export zu bringen, Entwicklung eines iranischen Entrepreneurship aus Koope-rationen heraus, Hilfe für den Iran zum aktiveren Engagement in Nachbarstaaten und Zugang zu Technologien und insbe-sondere zu Clean Technologies als Schlüs-selthemen der Road Map.

Iraner sind höfliche, zurückhaltende Menschen mit einem hohen Bewusstsein für Bildung und Kultur. Ein gutes und nachhaltiges Geschäft wird nur eines auf Augenhöhe sein. �

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20 iv-positionen Steiermark | März 2016

STEIERMARK

High-Level-Gespräche zu Bildungs- und Familienpolitik

Überaus spannende Diskussionen mit Vertreterinnen der Landes- und der

Bundesregierung fanden im Jänner in zwei der Arbeitsgruppen der IV-Steiermark statt.

In der „Arbeitsgruppe Jugend und Bil-dung“ war die steirische Landesrätin für Jugend, Bildung und Familie, Ursula Lackner, zu Gast. Schule, Berufsorientie-

rung und die Zukunft der dualen Berufs-ausbildung standen ebenso im Fokus des Gesprächs wie auch die vielfach als re-formhemmend wahrgenommene Zustän-digkeitsverflechtung zwischen Bund und Ländern.

Auch die Diskussion mit Sophie Karma-sin zum Thema Familienfreundlichkeit

als Wirtschaftsfaktor zeigte die Schwie-rigkeiten, effiziente Lösungen in einem stark föderalistischen System umzusetzen, auf. Die Bundesministerin für Familie und Jugend sprach im Rahmen des „In-dustrieforums Human Resources“ mit den HR-Verantwortlichen der steirischen Industrie über Rahmenbedingungen für betriebliche Maßnahmen zur Steigerung der Familienfreundlichkeit. Die Ministe-rin stellte dabei die Initiative „Unterneh-men für Familien“ vor, die einen Schulter-schluss von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik auf allen Ebenen fördern soll. �

Die besten Köpfe

Die Kommunikationsplatt-form der Sparte Industrie in der steirischen Wirt-schaftskammer und der IV-Steiermark setzt auf

gezielte Bewusstseinsbildung bei Pädago-ginnen und Pädagogen einerseits sowie auf Information der breiten Öffentlichkeit andererseits. Herzstück der Initiative ist die alljährliche Lehrlingskampagne in Ko-operation mit der Kleinen Zeitung, die in diesem Jahr bereits zum sechsten Mal auf Lehrstellen in der Industrie hinwies. Über 900 Stellenangebote in mehr als 140 Be-trieben konnten kompakt über Print- und Onlinemedien beworben werden. Redak-tionell wurde die Serie eine Woche lang mit Praxisberichten in der Kleinen Zei-tung ergänzt. Eine Neuerung war 2016 die Ausweitung der Kampagne auf das für die Zielgruppe besonders relevante Medium Radio. Um nicht nur auf Lehrstellen als

Karriereweg hinzuweisen, wurde in der Ma-turanten- und Studentenzeitung „Futter“ ganz generell auf die Chancen einer tech-nischen Ausbildung aufmerksam gemacht. Ein Ansatz, der auch Anfang März bei der „JobTech“, einem Erlebnis-Aktionstag für Berufseinsteigerinnen und Berufseinstei-ger, am Red Bull Ring verfolgt wird. �

BERUFSWAHL Jugendliche für Technik und in weiterer Folge für einen Karriereweg in der Industrie zu begeistern, ist Arbeitsschwerpunkt von „Die Industrie“.

Die aktuellen offenen Lehrstellen sind noch bis Ende März unter www.futurejobs.at oder www.kleinezeitung.at/s/lehrstellen abrufbar.

I N F O R M A T I O N

Orientieren.Eine Steiermark-Karte zeigt, wo sich die Betriebe mit Job-Perspektive befinden. Finde eine Lehrstelle in deiner Region!

Informieren.Vom Anlagen- bis zum Zerspanungstechniker

und noch vieles mehr: Mehrere hundert Stellen sind zu besetzen.

Durchstarten.Vier Lehrlinge erzählen von ihren Erfahrungen in der Ausbildung – und warum sie sich dafür entschieden haben.

GRAZ, SONNTAG, 24. JÄNNER 2016 www.kleinezeitung.at

EINE BEILAGE VON „DIE INDUSTRIE“ (KOOPERATION DER INDUSTRIELLENVEREINIGUNG STEIERMARK UND DER SPARTE INDUSTRIE DER WIRTSCHAFTSKAMMER STEIERMARK)

Die besten Lehrstellen in der SteiermarkEs ist die Chance fürs Leben: Mehr als 130 steirische Industriebetriebe bilden in über 100 Lehrberufen die Fachkräfte von morgen aus. Hier warten die Jobs für junge Menschen.

PR

Mit dieser Technik

seid ihr fein raus

PR

ie Vorurteile sind immer noch

da: „Trocken. Formellastig. Zeit-

aufwendig. Männerdomäne. Und

außerdem: Dafür muss man so ein

Einstein-Typ sein.“ So oder ähnlich

lautet der Tenor vieler, die sich nach der Matura

die Frage stellen, ob nicht eine technische Ausbil-

dung etwas für sie wäre. Schade eigentlich. Denn

die Wahrheit sieht anders aus.

Wollt ihr die Welt sehen?

„Natürlich sollte man zuerst schauen, welche indi-

viduellen Begabungen und Interessen sich mit

welcher Ausbildung decken“, sagt Gernot Pagger,

Geschäftsführer der Industriellenvereinigung (IV)

Steiermark. Und dann sollte man weiterdenken.

Sprich: Lässt sich zwischen diesen Eigeninteres-

sen und dem Bedarf am Arbeitsmarkt ein Spagat

herstellen? Leicht haben es hier all jene, die eine

technische Lehre oder eben ein Technik-Studium

absolviert haben. In den meisten technischen

Branchen ist der Bedarf an gut ausgebildeten

Fachkräften groß. „Die Steiermark ist ein Indust-

rieland mit einer Vielzahl von Unternehmen von

Weltruf. Wir haben eine Exportquote von 75 Pro-

zent“, sagt Pagger. Als Mitarbeiter einer dieser

international tätigen Firmen sei man regional ver-

ankert, könne aber auch die Welt entdecken und

D

Sicher. Ägyptologie mag einen gewissen Charme versprühen. Die Frage ist nur,

ob man damit später auch sein Leben finanzieren kann. Mit einer technischen

Ausbildung ist das auf jeden Fall so. Karrierechancen und Bezahlung sind in

der Steiermark bestens. Vor allem bei Jobs in der Industrie. Und? Interesse?

sie gewissermaßen auch gestalten. Ergänzung:

„Es gibt heute viele globale Herausforderungen,

etwa das Klima. Und die Technik schafft die Mög-

lichkeit, diese Herausforderung zu lösen.“ Ganz

abgesehen vom Gehalt: „Man kann davon ausge-

hen, dass man mit einer technischen Ausbildung

auch gut verdient“, sagt Pagger.

Ihr könnt euch das ruhig zutrauen!

Vor allem AHS-Absolventen haben viele Vorbe-

halte gegenüber technischen Studienrichtungen.

Häufig überwiegt die Skepsis, häufig völlig un-

begründet. Der IV-Geschäftsführer klärt auf: Vor

einiger Zeit haben hat die Industriellenvereini-

gung mit Experten rund 200.000 Prüfungen, den

Durchschnitts-Stundenaufwand für ein Semester

und die Drop-Out-Quote von Studierenden in

technischen Studien analysiert, die einerseits von

einer HTL, andererseits von einer AHS gekommen

sind. Ergebnis: „Es gibt keine signifikanten Unter-

schiede.“ Auch Gymnasiasten können sich also ein

technisches Studium zutrauen – und es auch be-

wältigen. Aber es muss gar kein Studium sein. Bei

Industriebetrieben wie etwa der AVL häufen sich

die Bewerbungen von AHS-Maturanten für Lehr-

stellen. „Diesen Trend gibt es“, so Pagger. Und er

findet ihn gut – schließlich zählt auch die Lehre

als vollwertiger Bildungsschritt zur Fachkraft.

Welche Richtung ist gefragt?

Unter dem Titel „Industrie 4.0“ geht es um eine

neue Ära in der Produktion. Sie wird hochtech-

nisch. Hochautomatisiert, hochinteressant, aber

auch hochkomplex. Dafür braucht es fundiertes

IV-Steiermark

Geschäftsführer

Gernot Pagger

Know-how. Besonders begehrt ist, wer etwa

Softwareentwicklung oder Informatik studiert

hat. Auch keine schlechten Karten hat man laut

Pagger zum Beispiel mit den Studienrichtungen

Maschinenbau, Elektrotechnik oder Wirtschafts-

ingenieurwesen. Die Liste ließe sich noch lange

fortsetzen. Fakt ist aber auch: Ein abgeschlossenes

Technik-Studium heißt nicht, dass man direkt bei

der Sponsion angeworben wird. „Einen Freibrief

gibt es nicht“, warnt Pagger. Er rät, schon wäh-

rend des Studiums Kontakte zu Unternehmen zu

knüpfen, Praktika zu absolvieren oder für eine

Firma eine Diplomarbeit zu schreiben. So klappt

dann der Einstieg leichter. Natürlich hilft hier

die Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirt-

schaft, die in der Steiermark so gut funktioniert,

wie kaum anderswo.Infos und Jobangebote gibt es

auf www.futurejobs.at

Lust auf einen tolle Ausbildung mit spannenden Jobchancen? Die Technik wartet!

109.500Menschen sind in der

Steiermark in der

Industrie beschäftigt

22,5%beträgt der

Frauenanteil der

TU-Graz-Studierenden

€ 3.000,-beträgt im Schnitt das

Einstiegsgehalt für Technik-

Studium-Absolventen54%aller technischen Wissen-

schaftler Österreichs sind in

der Steiermark tätig500Maturanten haben sich

2015 für eine Lehre

entschieden

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Gefragte Entwicklervon morgen

KLEINE ZEITUNGMONTAG, 25. JÄNNER 2016

KLEINE ZEITUNGMONTAG, 25. JÄNNER 201618 | SERIE SERIE | 19

INTERVIEW

JochenPildner-Steinburg,Präsident derIndustriellen-vereinigung

Monat für Monat gibt’s neue Hor-rormeldungen zur Arbeitslosig-keit. Welche Chancen haben Ju-gendliche mit einer Industrielehreauf dem Arbeitsmarkt?JOCHEN PILDNER-STEINBURG: Sehrgute Chancen. Die Industrie bil-det sehr gezielt aus, nimmt fürdie Ausbildung eines Lehrlingsbis zu 100.000 Euro in die Hand.Das machen die Betriebe, weilsie diese Fachkräfte dringendbenötigen und behalten wollen.Acht von zehn steirischen In-dustrielehrlingen arbeiten fünfJahre nach ihrer Lehrabschluss-prüfung auch noch im Ausbil-dungsbetrieb. Ihnen stehen alleKarrieremöglichkeiten offen.

Wie krisensicher sind die Jobsin der Industrie?PILDNER-STEINBURG: Schon dieWirtschaftskrise hat gezeigt,dass die Betriebe ihre Fachkräf-te auch bei wirtschaftlichenDurchhängern behalten. DieseSpezialisten brauchen wir ganzeinfach. Eine Industrielehre istintensiv und herausfordernd,aber die notwendigen Anstren-gungen machen sich bezahlt.Sowohl bei der überdurch-schnittlich hohen Entlohnungals auch in puncto Jobsicherheit.

Welche Rolle spielt die Lehr-lingsausbildung für die Qualitätdes Wirtschaftsstandortes?PILDNER-STEINBURG: Eine ganz ent-scheidende. Steirische Indus-trieunternehmen haben enormhohe Entwicklungskompetenz,die Produkte werden in die ganzeWelt verkauft. Basis ist die hoheQualität unserer Mitarbeiter.Junge Menschen, die in der In-dustrie ausgebildet werden,übernehmen große Verantwor-tung, arbeiten an Hightech-Ma-schinen, die Millionen wert sind.Das ist ein Managementberuf.

„Hohe Entlohnung,große Jobsicherheit“

des Metalltechnikers mit Schwer-punkt Maschinenbau. Damit un-terstreiche das Unternehmen denhohen Stellenwert der Ausbil-dung, so Salicites. „Nach abgeleg-ter Lehrabschlussprüfung sind siebegehrte Fachkräfte mit sehr gu-ten beruflichen Perspektiven.“

Ihm gegenüber sitzen ArminFuchs, Mechatronik-Lehrling imdritten Lehrjahr, sowie die Ma-schinenbau-Lehrlinge Sarah Ko-ber und Pascal Giesen. Die dreieint eine gemeinsame Leiden-schaft: das Entwickeln und das Er-arbeiten neuer Lösungen. SarahKober verknüpft ihre Lehre nochmit dem Spezialmodul „Konstruk-tionstechnik“. Bei Knapp wurdeder Karriereweg von der Lehr-werkstatt in die Entwicklungsab-teilungen bereits häufiger be-

Das hat schon Symbolkraft“,betont Jörg Salicites, umtrie-biger Leiter der Lehrlings-

ausbildung bei der Knapp AG. VorKurzem wurde der insgesamt3000. Mitarbeiter beim Hightech-Logistikspezialisten begrüßt: Erist 16 Jahre alt und lernt den Beruf

struktion“ und das „Entwickeln“die Königsdisziplinen. „Es gehtum die Frage, wie man die Wün-sche eines Kunden umsetzenkann, diese Entwicklungsarbeitfasziniert mich.“ Sein Vorteil: ImRahmen seiner Ausbildung lernter alle Stationen im industriellenFertigungsablauf des Unterneh-mens bestens kennen. „Wir habenes bei uns im Unternehmen mit ei-ner sehr großen Bandbreite anVerpackungslösungen zu tun. Ichlerne, wie die jeweiligen Maschi-nen funktionieren, und damitauch, was technisch machbar undnotwendig ist, um die Entwicklun-gen umsetzen zu können.“

A&R Carton – die Firma be-schäftigt 400 Mitarbeiter amStandort Graz – wurden für inno-vative Verpackungslösungen be-reits zahlreiche Designpreise ver-liehen, am Standort ist der einzigeTiefdrucker in Österreich im Ein-satz, der auch seine Druckzylinderim Werk selbst herstellt, auch dieStanzformen werden gefertigt.„Lehrlinge sind unsere Fachkräfteder Zukunft, daher bieten wir ih-nen zusätzliche Qualifikation imRahmen unserer internen Lehr-lingsakademie sowie die Rotationdurch mehrere Unternehmensbe-reiche. Natürlich können sie auchdie Lehre mit Matura absolvie-ren“, betont der Personalverant-wortliche Siegfried Wiltschko.Dem Nachwuchs stehen sechsLehrberufe zur Auswahl.

ment, das dann weltweit erfolgrei-che Innovationen im automati-sierten Lagerlogistik-Bereich erstmöglich macht – von der Entwick-lung und Planung bis hin zur In-stallation und Nachbetreuung –,wird auch viel Wert auf sozialeKompetenzen, Kommunikations-und Teamfähigkeit gelegt. DerMechatroniker Armin Fuchs warwährend seiner Ausbildung be-reits mehrmals auf Montageein-satz in England und schwärmt von„faszinierenden Erfahrungen“.

„Horizonterweiterung ist unsererklärter Anspruch“, betont Sali-cites.

Die KönigsdisziplinVon der Konstruktion bis hin zumfertigen Produkt – an den großenKlebe- und Stanzmaschinen, aberauch im „Kreativzentrum“ desUnternehmens ist Michael Lien-bacher „zu Hause“. Er absolviert –im dritten Lehrjahr – eine Ausbil-dung als Verpackungstechnikerbei A&R Carton am Stadtrand vonGraz. Die Produkte des renom-mierten Industriebetriebs begeg-nen Konsumenten fast täglich. Indie innovativen Faltschachtelnseines Arbeitgebers sind interna-tional bekannte Marken wie u. a.M&M’s, Amicelli, Orbit Mars oderSloggi gehüllt. Mit der aufwendi-gen Fertigung, dem Stanzen undKleben im Hightech-Maschinen-park ist es hier aber noch nicht ge-tan. Für Lienbacher sind die „Kon-

schritten. „Viele frühere Lehrlingevon uns leiten heute ganze Abtei-lungen, etwa in der Planung oderaber auch im Prototypenbau.“

Ob Baukästen von Lego Technikim Kinderzimmer, Schrauben amMoped oder Basteln in der Werk-statt des Bruders – die technischePrägung der drei jungen Knapp-Lehrlinge begann früh. Das Stre-ben nach neuen technischen Lö-sungen wird im Unternehmen ak-tiv gefördert. Giesen verweistetwa stolz auf Projekte wie dasballistische Pendel oder die Licht-bogenlampe, die von Lehrlingenberufsübergreifend und im Teamumgesetzt werden. Im Unterneh-men finden sich zudem Maschi-nen, die gänzlich von Lehrlingenkonstruiert und gebaut wurden.

Neben dem technischen Funda-

Die Begeisterung fürTechnik, Tüfteln, Pla-nen und Konstruierenhat sie schon in ihrerKindheit gepackt. AlsLehrlinge in Hightech-Industriebetriebensind sie die Entwicklervon morgen.

Armin Fuchs, Sarah Kober, Pascal Giesen – berufsübergreifendes Teamwork

Verpackungs-technikerMichaelLienbacher inder hauseigenenEntwicklungs-abteilung, dem„Kreativzen-trum“ von A&RCarton FUCHS

Ab sofort bewerben! Die Kleine Zeitungvermittelt mehr als 900 Lehrstellen inder steirischen Industrie und zeigt dieChancen auf, die Jugendliche dorthaben. Teil 2

Alle Lehrstellen auf einen BlickDie Lehrberufe sowie Stimmungsbilder aussteirischen Industriebetrieben sind auchonline zu finden. Jetzt bewerbenunter: www.kleinezeitung.at/s/lehrstellen

Forschungshochburg

Industrielehrlinge der Steier-

mark arbeiten in sehr innova-

tiven Branchen. Denn die

steirischen Industriebetriebe

geben im Schnitt jährlich

1,5 Milliarden Euro für

Forschung und Entwicklung

aus.Knapp AG und A&R Carton behaupten sich mit ihren Innovationen auf dem Weltmarkt HOFFMANN (3), FUCHS

„„Nach abgelegter Lehrab-schlussprüfung sind unsereLehrlinge begehrte Fachkräf-te mit sehr guten beruflichen

“Perspektiven.“Jörg Salicites, Leiter Knapp-Lehrlingsausbildung

„„Die Lehrlinge sind unsereFachkräfte der Zukunft, wirbieten auch zusätzlicheQualifikationen in unserer

“internen Akademie.“Siegfried Wiltschko, HR-Director A&R Carton