die neuen werkzeuge zur gewinnerzielung im krankenhaus; the new tools to gain profit in hospitals;
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Originalarbeit
Zusammenfassung Die einführung der kostenkalkulierten und landesweit einheitlich bepreisten Drgs hat die Möglichkeiten gewinnorientierter Krankenhausträger, ehemals kommunale, defizitäre Krankenhäuser in die gewinnzone zu führen, erschwert. Diese reagieren darauf mit dem einsatz bisher nicht gekannter Werkzeuge wie beispielsweise der Steuerung von Patientenströmen, anreizsystemen, gründung von Privatkliniken sowie erlösorientierten therapien und abrechnungen. Mittlerweile bedienen sich auch andere trägergruppen dieser instrumente, so dass sich die Frage stellt, ob angesichts der Wettbe-werbssituation nicht gewinnorientierte träger eines besonderen wirtschaftlichen Schutzes bedürfen, damit die bisher im Krankenhaus gültigen ethischen Prinzipien auch weiterhin anwendung finden können.
Schlüsselwörter Privatisierung · arzt-Patienten-beziehung · Wirtschaftlichkeit · Drgs · arztethos · Ökonomisierung
The new tools to gain profit in hospitals
Abstract Definition of the problem the implementation of diagnosis-related groups forces for-profit hospitals to increase monetary efficiency. Physicians and the public perceive the resulting change as problematic. Arguments the article provides numerous examples of organizational tools that are typically used in private hospitals to augment profit and, sub-sequently, infiltrate the not-for-profit sector. Conclusion the change has morally relevant consequences which deserve consideration and action.
Keywords Privatization · Physician-patient relationship · economization ·Diagnosis-related groups · Professional ethics · efficiency
ethik Med (2012) 24:93–104DOi 10.1007/s00481-012-0190-z
Die neuen Werkzeuge zur Gewinnerzielung im Krankenhaus
Horst Imdahl
Dipl.-Ökonom H. imdahl ()Städtische Kliniken Mönchengladbach gmbH, Hubertusstraße 100, 41239 Mönchengladbach, Deutschlande-Mail: [email protected]
Online publiziert: 17. März 2012© Springer-Verlag 2012
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im März 2011 wandten sich fast 700 Ärzte des Helios-Konzerns in einem brief an den Vorstandsvorsitzenden, Francesco de Meo, und kritisierten, dass an die Stelle medizinisch motivierter entscheidungen zunehmend ein Kampf um die einhaltung betriebswirtschaft-licher Vorgaben und benchmark-erfüllung tritt [2].
Die rhön-Klinikum ag stellte an den anfang ihres berichts über das 1. Quartal 2011 den Hinweis auf den anstieg der behandlungen um 13,7 % und unterstrich damit die bedeu-tung des Wachstums für die wirtschaftliche lage des Konzerns ([39], S. 1). nahezu zeit-gleich wandten sich Chefärzte des zum rhön-Konzern gehörenden Universitätsklinikums gießen/Marburg an das Deutsche Ärzteblatt und beklagten sich darüber, dass die geschäfts-führung in den aktuellen Statusgesprächen die Zielvorgaben für die abteilungen, was die leistungszahlen betrifft, noch einmal deutlich angehoben habe. Stimme die Performance nicht, würden ihnen arztstellen gestrichen [13].
Vom Helios Hospital Überlingen wird berichtet, dass es eine behandlung offensichtlich aus finanziellen gründen nicht übernehmen wollte. Ursächlich war der erhöhte Pflegeauf-wand, durch den die Verweildauer, die der Fallpauschale zugrunde gelegt wird, deutlich überschritten worden wäre. Das Hospital hatte vorgeschlagen, die nachsorge auf Kosten des Patienten in einem Pflegeheim stattfinden zu lassen [3].
einer 24-jährigen Patientin aus den USa wurde in der Helios-Klinik Hünfeld trotz erheb-licher gesundheitlicher beschwerden die behandlung verweigert, weil das Haus eventuell drohende exorbitante Strafschadensersatzzahlungen, eine besonderheit des US-amerikani-schen rechts, befürchtete. im Städtischen Klinikum Fulda hatte man mit der amerikanerin keine Probleme: Sie wurde dort wie jeder andere Kranke untersucht und behandelt [15].
in den letzten Jahren kommen zunehmend neue instrumente, Werkzeuge und Handlungs-weisen zum einsatz, die bisher selbstverständliche und legitime erwartungen in Frage stel-len. Die beispiele zeigen, dass diese privaten träger auch negative Publizität in Kauf neh-men, wenn sie diese Mittel im interesse ihrer wirtschaftlichen Ziele nutzen. Weil das neue bundesweit gültige Vergütungs- und anreizsystem der Drgs alle Krankenhäuser zu Kon-kurrenten macht, finden sich die von den erwerbswirtschaftlich orientierten Krankenhausträ-gern genutzten Werkzeuge nach einer gewissen Zeit auch bei gemeinnützigen trägergrup-pen wieder. Vor diesem Hintergrund ist ein blick auf die auswirkung dieser Maßnahmen auf das Verhältnis zwischen den im Krankenhaus tätigen und den Patienten zu werfen.1
im ergebnis wird festzuhalten sein, dass die instrumente aus dem Werkzeugkasten priva-ter Krankenhausträger, aus dem sich nach und nach auch andere träger bedienen, geeignet sind, grundlegende Prinzipien der Patientenbehandlung zu verletzen, wobei auch die Frage nach der aufrechterhaltung des ärztlichen und pflegerischen ethos gestellt werden muss.
Typische Maßnahmen privater Träger zur Erreichung ihrer wirtschaftlichen Ziele
aufbau konzerninterner Zuweisungs- und Verlegungsstrukturen: Patientenströme erlösoptimierend steuern
„Mit der Verzahnung der ambulanten und stationären Patientenversorgung heben wir Syn-ergieeffekte und erschließen uns zusätzliches Wachstumspotenzial“ ([36], S. 570). Denn
1 es gibt nur wenige Veröffentlichungen, die sich auf wissenschaftlicher ebene mit den Folgen einer Priva-tisierung bei einzelnen Krankenhäusern befassen. aus diesem grund muss überwiegend auf Medienberichte bezug genommen werden, wenn es um die Darstellung/beschreibung typischer Maßnahmen der neuen trä-ger geht.
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für die meisten privaten und insbesondere aber für die börsennotierten Krankenhauskon-zerne ist Wachstum oberstes Ziel. So weist Wolfgang Pföhler, Vorstandsvorsitzender der rhön-Klinikum ag, der bedeutung diese Zieles rechnung tragend, in seiner rede zur Hauptversammlung am 8. Juni 2011 darauf hin, dass die Wachstums- und ergebnisziele im geschäftsjahr 2010 zuverlässig erreicht worden sind ([40], S. 2). Später erläutert er, dass bei den Patientenbehandlungen im Vergleich zum Vorjahr ein Zuwachs von 13,4 % erreicht werden konnte; 7,1 % entfielen davon auf internes Wachstum der Kliniken und der Medizi-nischen Versorgungszentren (MVZ) im bestand ([40], S. 2). Mit diesem leistungszuwachs liege rhön deutlich über dem bundesdurchschnitt. „Damit unterstreichen wir das Potential unseres Verbundes, weitere Wachstums-und ergebnispotentiale zu erschließen“ ([40], S. 6). Zum ende seiner rede beantwortet er die Frage nach dem Wachstum und der medizini-schen entwicklung: „neben dem externen Wachstum werden wir unseren Fokus auf ein qualifiziertes internes Wachstum legen. Denn mit 53 Kliniken und 35 MVZ in zehn bun-desländern verfügen wir über eine Verbundstruktur mit erheblichem gestaltungspotential“ ([40], S. 15). Das gestaltungspotential besteht u. a. darin, durch die Schaltstelle „MVZ“ die Möglichkeit zu besitzen, die Patientenströme in die eigenen Kliniken zu steuern. nie-dergelassene Ärzte fürchten deshalb, dass private betreiber von MVZ die Patientenströme kontrollieren und nach bedarf in die Klinik ziehen könnten [10]. auch die Kassenärztliche bundesvereinigung und die bundesärztekammer sehen vor allem die beteiligung von aus-schließlich ökonomisch motivierten Kapitalgebern kritisch. Das Deutsche Ärzteblatt zitiert aus einem gemeinsamen gesetzgebungsvorschlag zur Organisation der MVZ, in dem die Verbände feststellen, in einem MVZ, das überwiegend oder ausschließlich mit Fremdkapital finanziert wird, besteht die gefahr, dass sich die behandlung der Patienten nicht primär an den medizinischen anforderungen orientieren kann, sondern wirtschaftliche interessen die medizinischen belange überlagern und dominieren ([27], S. 2064).
Vermutlich um das derzeit nahezu vollständig fehlende externe Wachstum kompensie-ren zu können, hatte der Vorstand der rhön-Klinikum ag bereits anfang 2010 das Ziel vorgegeben, an jedem Krankenhaus ein MVZ einzurichten. „es ist eine Partnerschaft auf augenhöhe. Wir halten die Mehrheit, und die Ärzte sind am erfolg beteiligt“, sagt dazu der Vorstandsvorsitzende Pföhler in einem interview mit der Zeitschrift f&w ([34], S. 276). Damit spricht Pföhler das aus, was ethisch bedenklich ist, dass nämlich das einkommen der am MVZ tätigen Ärzte vom erfolg der einrichtung abhängt. Und erfolg definiert die rhön-Klinikum ag ausschließlich über Wachstum und ergebnis (s. o.).
Konzernintern verlegen
Die Krankenhausbetriebsgesellschaft bad Oeynhausen mbH als rechtsträgerin des Herz- und Diabeteszentrum nordrhein-Westfalen, Universitätsklinik der ruhr-Universität bochum, die mit 500 Planbetten als Sonderkrankenhaus im Krankenhausplan des landes nordrhein-Westfalen ausgewiesen wird und an der die Sana Kliniken ag über die „gemein-nützige gesellschaft Klinik für Diabeteskranke bad Oeynhausen mbH“ zu 50 % beteiligt ist, erklärt im lagebericht gemäß § 289 Handelsgesetzbuch (Hgb) des Jahresabschlusses zum 31.12.2008 unter anderem: „Für 2009 ist vorgesehen, mit den Krankenhäusern der Sana-gruppe in nordrhein-Westfalen und niedersachsen zu Vereinbarungen zu kommen, die eine kontinuierliche Zufuhr der herzchirurgischen Patienten vorsehen“ [21].
Wie bei der gründung von konzerneigenen MVZ wird auch hier die Konzernstruktur genutzt, um durch konzerninterne Steuerung von Patientenströmen Fallzahlen und damit erlöse, also Wachstum zu generieren. Würde dieser Umstand im lagebericht der zuwei-senden Klinik erwähnt, könnte man dem Vorgehen noch einen positiven Versorgungsaspekt
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abgewinnen. im lagebericht der gesellschaft, in dem es um die Chancen zukünftiger ent-wicklungen geht, stehen in erster linie die wirtschaftlichen Perspektiven im Vordergrund. Die Verwendung der Formulierung „kontinuierliche Zufuhr“ degradiert den Patienten auch sprachlich zur Ware, zum Mittel für den Zweck gewinn. Seine persönlichen auch krank-heitsabhängigen interessen bleiben unberücksichtigt. „Mit der Übernahme durch privat-wirtschaftliche investoren ist das renditestreben unvermeidlich; ärztliche Kompetenz und Standesethik werden ökonomischen Zwängen untergeordnet“ ([46], S. 74).
Zielvereinbarungen mit Chefärzten – Fallzahlsteigerungen prämieren
Das Drg-System ermöglicht allen Krankenhäusern, ihre ergebnissituation über steigende Fallzahlen zu verbessern. Dies mag auf den ersten blick widersinnig erscheinen, sollten die Drg-erlöse doch die durchschnittlichen behandlungskosten eines entsprechend eingrup-pierten Krankheitsfalles widerspiegeln. allerdings beinhaltet jede Drg auch einen anteil zur Deckung der Fixkosten sowohl der abteilung als auch des Krankenhauses (kalkulato-risch z. b. in den Kosten der medizinischen und nichtmedizinischen infrastruktur enthalten), so dass mit steigenden Fallzahlen erst Fixkostendeckung eintritt und dann gewinne entste-hen (Kostendegression je Fall). Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, wenn Kranken-hausträger in Vereinbarungen mit Chefärzten festlegen, dass deren einkommen auch von der Steigerung der Patientenzahlen und dem betriebsergebnis des Krankenhauses abhängig sind. So sieht auch der Mustervertrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKg) für Chefärzte entsprechende Formulierungen vor [11]. Damit wird ein teil des betriebswirt-schaftlichen risikos in die Kasse der Chefärzte verlagert. Unschuld berichtet von (christ-lichen und weltlichen) Krankenhäusern, die von ihren leitenden Ärzten vertraglich festge-schrieben eine 5 bis 10 %ige Steigerung der stationären Patienten im Vergleich zum Vorjahr verlangen ([46], S. 81 f.). angesichts einer letztlich begrenzten Zahl sinnvoll stationär zu behandelnder Patienten sei die Versuchung groß, Menschen allein aus wirtschaftlichen, nicht aber aus therapeutischen gründen einen Krankenhausaufenthalt aufzuerlegen. ange-sichts der Wachstumsraten insbesondere privater Krankenhausträger selbst in gegenden mit einem deutlichen bevölkerungsrückgang darf man annehmen, dass diese beschreibung zutreffend ist.
So behandelte die Helios-Klinik Schwerin in 2010 rund 51.000 Patienten und damit 8,3 % mehr als im Vorjahr. landesweit stieg die Zahl der stationären behandlungen nur um 1,2 %. nach informationen des nDr setzt die leitung der Klinik ihre Chef- und Oberärzte zusätzlich unter Druck. in rundbriefen werde ihnen jeden Morgen mitgeteilt, wie die aktu-elle Patientenentwicklung ausfalle [31].
Die notwendigkeit einer Fallzahlsteigerung hat noch einen weiteren grund. Oft lassen sich nur so die zugesagten investitionen refinanzieren, deshalb wird eine solche entwick-lung auch meist bereits kurz nach der Übernahme prognostiziert. Diese Ursache der Stei-gerung der Patientenzahlen wird im internen klinischen Sprachgebrauch treffenderweise amortisationsindikation genannt.
als der Helios-Konzern 2007 die Städtischen Kliniken Krefeld übernahm, wurden im Vorjahr 35.812 Patienten stationär behandelt. 2009 waren es schon 43.360 – eine Steigerung von 21 % [41]. bereits kurz nach der Übernahme hatte Helios angekündigt, die Patienten-zahl auf 45.000 pro Jahr steigern zu wollen.
auch bei der Privatisierung der Städtischen Krankenhäuser gerresheim und benrath in Düsseldorf im Jahre 2008 stand die Fallzahlsteigerung im Vordergrund des betriebswirt-schaftlichen Kalküls: rund 4.000 Patienten mehr und damit insgesamt 25.000 sollten es in den Häusern werden [20].
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gründung von Privatkliniken – leistungen außerhalb der für Plankrankenhäuser geltenden regelungen anbieten
Jahrzehntelang waren die unter die bundespflegesatzverordnung fallenden Krankenhäu-ser in der Preisgestaltung für ihre Wahlleistung Unterkunft frei, bis der bundesgerichtshof (bgH) feststellte, dass die entgelte für Wahlleistungen in keinem unangemessenen Ver-hältnis zu den leistungen stehen dürfen [8]. in der Folge dieses Urteils vereinbarten der Verband der Privaten Krankenversicherung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft eine „gemeinsame empfehlung gemäß § 22 absatz 1 bPflV/§ 17 KHentgg zur bemessung der entgelte für eine Wahlleistung Unterkunft“ [47], die sich an der Systematik der recht-sprechung des bgH orientierte und bei den Krankenhäusern zu spürbaren ertragsausfällen führte.
einige Kliniken reagierten auf dieses Urteil, indem sie aus ihren Plankrankenhäusern bereiche ausgliederten, rechtlich verselbständigten und dort einen erhöhten Komfort und verbesserten Personaleinsatz zur ausschließlichen behandlung von Privatpatienten anboten, da die Vorschriften des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHg), des Krankenhausent-geltgesetzes (KHentgg) und der bundespflegesatzverordnung (bPflV) auf die ausgeglie-derten bereiche keine anwendung fanden. Vorreiter dieser entwicklung waren die privaten Klinikkonzerne Helios und asklepios, die durch einen beschluss des bgH [9] unterstützt wurden, wonach eine Privatklinik grundsätzlich jeden Preis mit ihren Patienten zu lasten der privaten Krankenversicherungen vereinbaren und durchsetzen kann, sofern sie keine investitionsförderung und Steuervorteile bekommt. Den der abrechnung zugrundeliegen-den basisfallwert schätzt der Verband der Privaten Krankenversicherung auf bundesdurch-schnittlich knapp 4.000 € gegenüber den üblichen rund 2.800 € bei den Plankrankenhäusern und die erzielten erlöse auf das 2 bis 3-Fache im Vergleich zur behandlung im Mutterhaus. Der Verband veranschlagt den gewinn, den alleine Helios mit seinen rund 40 Privatkliniken erzielt, auf jährlich etwa 40 Mio. € [6].
Diese entwicklung ist aber auch ein Zeichen einer weiter zunehmenden Kommerzia-lisierung2 des Krankenhausbereichs. Während Krankenhäuser in 2010 von ihren gegenüber den mit den Kostenträgern vereinbarten budgets erzielten Mehrerlösen 70 % an die Kran-kenkassen zurückführen müssen, vereinnahmen die sich außerhalb der gesetzlichen rege-lungen bewegenden Privatkliniken diese erlöse zu 100 %; die jeweilige Mutterklinik kann den ausfall der jetzt in der Privatklinik behandelten Patienten durch zusätzliche Patienten kompensieren und diese erlöse bis zur budgetgrenze ebenfalls zu 100 % vereinnahmen.
Mittlerweile hat der gesetzgeber reagiert und im gesetz zur Verbesserung der Versor-gungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (gKV-VStg) vom 22.12.2011 geregelt, dass eine einrichtung, die in räumlicher nähe zu einem Krankenhaus liegt und mit diesem organisatorisch verbunden ist, keine höheren entgelte verlangen darf als sie nach dem Krankenhausentgeltgesetz und der bundespflegesatzverordnung zu leisten wären.
Fallzahl steigern, Stellen streichen – die ressource Zeit wird minimiert
Um den wirtschaftlichen erfolg einer einrichtung zu sichern, bauen die meisten Kliniken Personal ab. Dabei beschönigt die Formulierung vom abbau in den „patientenfernen berei-
2 es scheint sinnvoll zu sein, zwischen Kommerzialisierung und Ökonomisierung zu unterscheiden. Kettner/Koslowski bringen diese Differenzierung auf folgende Formel: „Ökonomisierung meint die wirtschaftsför-mig effizienzorientierte, Kommerzialisierung die Profit priorisierende Veränderung gesellschaftlicher berei-che, wobei nicht nur der geldwert, sondern jede homogenisierbare und rational maximierbare Wertgröße die funktionale rolle von Profit besetzen kann“ ([18], S. XV f.).
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chen“ den Sachverhalt, dass diese beschäftigten ja nicht beschäftigungslos waren und ihre leistungen für die unmittelbar am Patienten – patientennah – tätigen erbracht haben. Diese tätigkeit muss dann von genau denen übernommen werden, die patientennah arbeiten und damit weniger Zeit für die anvertrauten Patienten haben. So muss die Pflege beispielsweise die Durchführung hausinterner transporte übernehmen, betten, die früher in der zentralen bettenaufbereitung gerichtet wurden, auf der Station aufrüsten und in der nacht telefon-gespräche annehmen, weil die telefonzentrale nicht mehr besetzt ist. eine Fallzahlstei-gerung hat natürlich nur dann den erstrebten gewinneffekt, wenn die Fixkosten konstant bleiben, also kein zusätzliches Personal eingestellt wird. Die damit einhergehende arbeits-verdichtung reduziert die pro Patient zur Verfügung stehende arbeitszeit weiter. Die grenze zwischen der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und der beginnenden rationierung der Zeit ist hier fließend. glaubt man den veröffentlichten Kommentaren zuerst aus privatwirt-schaftlichen und später auch aus gemeinnützigen Kliniken, so beeinträchtigt der Stellenabbau mittlerweile die Qualität der leistungserbringung und führt damit zu einer unzureichenden Patientenversorgung. „Weniger und schlechter ausgebildetes Klinikpersonal (quantitativer und qualitativer Stellenabbau) führt zu höheren Komplikationsraten während der behand-lung sowie insgesamt zu einer höheren Mortalitätsquote unter den Patienten“ ([1], S. 20).
Stellen streichen, leistungen reduzieren und ausgliedern
Mit der fallorientierten und damit ressourcenunabhängigen bezahlung steigt unter ökono-mischen gesichtspunkten auch die notwendigkeit, Patienten früh zu entlassen und damit die Verweildauer zu senken. Damit werden auch leistungen, die vor einführung der Drgs noch stationär erbracht wurden, in den ambulanten Sektor verlagert. Von dieser entwick-lung ist beispielsweise die Physiotherapie in besonderer Weise betroffen.
leistungen auszugliedern war schon früh eine der Maßnahmen privater Krankenhaus-träger zur Kosteneinsparung. So wurden erst die reinigungsdienste und später auch (Spül-)Küchenleistungen in tochterfirmen ausgelagert, die bei entsprechender gestaltung dem umsatzsteuerbefreiten Konstrukt der Organschaft entsprachen. Heute stehen mehr die tarif-rechtlichen Vorteile einer leistungsausgliederung im Zentrum der Überlegungen. So will beispielsweise die Sana-Klinik lübeck 6 von 29 Servicebereichen ausgliedern. 102 arbeits-plätze wären damit gefährdet. Ziel ist die einsparung von ca. 1 Mio. €, indem der Stunden-lohn der jetzt schon nicht reichlich bezahlten Kräfte von ca. 12,50 € auf 8,50 € sinken soll [37]. auch Helios in Krefeld will so Personal abbauen und die löhne kürzen. nachdem zu beginn des Jahres die lohn- und gehaltsabrechnung an einen externen Dienstleister ver-geben und der Schreibdienst ausgegliedert wurde, erfuhren die Mitarbeiter im März von der auslagerung weiterer patientenferner Dienste mit gehaltseinbußen von bis zu 25 % [7].
Das Sana-Klinikum in remscheid will die abteilung Finanz- und rechnungswesen in eine eigene gesellschaft auslagern [35].
Der asklepios-Konzern musste sich in Hamburg den Vorwurf einer drastischen auswei-tung der leiharbeit gefallen lassen. in der Psychiatrie in Hamburg-Wandsbek sollten 27 Pflegekräfte über eine unternehmenseigene leiharbeitsfirma eingestellt werden. Das berich-tete der nDr. laut ver.di wäre das ein missbräuchlicher einsatz von leiharbeit, da somit dauerhaft feste Stellen zu niedrigeren löhnen geschaffen würden [30].
therapie unter bedingungen der erlösmaximierung – Der erlös bestimmt die therapie
Mit blick auf unzählige und unnötige blinddarmoperationen und die bis in die frühen 1990er Jahre durchgeführten Operationen bei bänderriss am Sprunggelenk vermutet Unschuld den
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wirtschaftlichen Vorteil gegenüber der konservativen behandlung als ausschlaggebenden Faktor für die bevorzugung des eingriffs ([46], S. 80). Die Drgs bieten noch mehr anreize für monetär motivierte therapien. So bieten zwei in getrennten stationären aufenthalten durchgeführte Operationen beim gleichen Patienten den Vorteil, für die zweite OP eine wei-tere Fallpauschale abrechnen zu können. Da auch die Sectio gegenüber der normalen ent-bindung im Drg-System besser vergütet wird, ist zu vermuten, dass hier ein grund für die im internationalen Vergleich hohe Kaiserschnittrate zu suchen ist, wobei nordrhein-West-falen (nrW) noch über dem bundesdurchschnitt liegt. lag der anteil der Kaiserschnitt-ge-burten vor 20 Jahren noch bei 16,9 %, hat er sich auf inzwischen 33,6 % etwa verdoppelt. „Die im Vergleich zu anderen bundesländern auffällig hohen Kaiserschnittraten legen die Vermutung nahe, dass immer wieder zumindest ein teil der Kaiserschnitt-geburten ohne eindeutige medizinische indikation durchgeführt wird“, meint dazu die nrW-gesund-heitsministerin barbara Steffens [48]. Vergleichen wir die Zahlen von drei in unmittelba-rer nachbarschaft und damit im Wettbewerb liegenden geburtskliniken in nrW, die auch den Status eines Perinatalzentrums level 1 und damit den höchsten Versorgungsauftrag für Frühgeborene gemeinsam haben, so stellt man deutliche Unterschiede fest. Während zwei gemeinnützig geführte Kliniken unterdurchschnittliche 20,97 % bzw. 25,27 % aufweisen, erreicht die erwerbswirtschaftlich geführte Klinik eine Kaiserschnittrate von 41,76 %. Wür-den die gemeinnützigen Kliniken die gleiche rate wie das private Konzernunternehmen aufweisen, könnten beide Mehreinnahmen von je 420.000 € erzielen.
Mit der Sectio ist oft auch die geburt eines Frühgeborenen verbunden. Der Spiegel berichtet, dass beim expertenforum der Deutschen gesellschaft für Kinder- und Jugendme-dizin in Mainz Mediziner die Sorge äußerten, dass durch falsche leistungsanreize manche Kliniken animiert werden könnten, Frühchen zur Welt zu bringen, obwohl es möglich gewe-sen wäre, die geburt mit Medikamenten noch hinauszuzögern. in diesem Zusammenhang ist auch eine aussage des Sprechers des Spitzenverbandes der Krankenkassen interessant. er sagt, es gebe eine statistisch nicht begründbare Häufung von babys, die nur knapp über 740 g wiegen ([12], S. 33).
auffällige abrechnungen, die Fragen aufwerfen
Seit der einführung der Drgs klagen die Krankenkassen über vermeintliche Falschab-rechnungen. nach informationen des nDr haben mehrere Krankenkassen, darunter die techniker Krankenkasse und die aOK, zu Jahresbeginn anzeige gegen die Schweriner Helios-Kliniken wegen abrechnungsbetrug gestellt [25]. in einem Fall, den die techniker Krankenkasse bestätigte, sei eine brustkrebs-Operation abgerechnet worden, obwohl die Patientin gar nicht an brustkrebs erkrankt sei. in einem weiteren Fall gehe es um behand-lungskosten in Höhe von 30.000 € für eine akute Verbrennung. bei nachprüfungen stellte sich heraus, dass die Verbrennung 40 Jahre alt war und der Patient lediglich seine narben behandeln ließ. Der Medizinische Dienst bestätigte regelmäßige Probleme mit den abrech-nungen der Krankenhäuser; bei der Helios-Klinik gäbe es aber „auffälligkeiten“. experten erklärten dem nDr, die Helios-Kliniken würden mit der Privatisierung den renditedruck erhöhen. Mehrere führende Ärzte haben das Schweriner Krankenhaus inzwischen verlas-sen. ihnen geht das gewinnstreben zu weit, berichtet der nDr [31].
auch Monitor berichtete über Falschabrechnungen im Krankenhaus [42]. am 23. august 2006 durchsuchten beamte des landeskriminalamtes die Helios-Klinik berlin-buch, beschlagnahmten akten und fanden, dass die Klinik offenbar massenhaft Patienten über Spezialkliniken abgerechnet hatte, in denen sie nie lagen. in einer internen e-Mail, so Moni-tor, sorgte sich ein Mitarbeiter, dass den Krankenkassen etwas auffallen könnte. Zitat: „Hät-
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ten Sie noch ideen, wie man den Krankenkassen die Dinge plausibel rüberbringen könnte, ohne dass die sofort merken, was wir gemacht haben?“
Monitor zitierte ferner aus einem internen Protokoll, das deutlich werden lässt, dass die abrechnungspraxis von der leitung des Klinikums berlin-buch in einer Chefarztbespre-chung angeordnet wurde.
am 21.6.2011 durchsuchte die Polizei wiederum das Klinikum berlin-buch wegen des Verdachts auf abrechnungsbetrug. nach der razzia waren die ermittler verblüfft, wie offen die betrügereien durchgeführt und geplant waren [38]. in einem Kommentar beschreibt Hermann Müller, ex-Pressesprecher der Helios-Klinik berlin-buch, Helios als „ein knall-hart agierendes Wirtschaftsunternehmen mit einem Ziel: einer Umsatzrendite von 15 %“ [28].
„Manipulation“ des g-Drg-Systems
Das deutsche Drg-System wird anhand von Kalkulationsdaten deutscher Krankenhäuser weiterentwickelt und an die medizinischen entwicklungen und die Kostenentwicklungen angepasst. an der Kalkulation 2011 haben sich 332 Krankenhäuser beteiligt. Die teilnahme ist freiwillig. Der weit überwiegende teil sind Häuser mit tarifbindung; private Kliniken sind nur wenige vertreten. Den namen Helios sucht man in der liste vergeblich. Das Kli-nikum Krefeld hat bis 2007 an der Kalkulation teilgenommen, nach der Übernahme durch Helios verschwindet es aus der liste der teilnehmenden Häuser [17]. Der private träger will seine Kalkulation nicht offenlegen. er profitiert durch die teilnahme der tarifgebundenen freigemeinnützigen und öffentlichen träger, denen das Outsourcen bis auf wenige aus-nahmen verwehrt bleibt und deren wirtschaftliche auswirkungen deshalb auch nicht in den Kalkulationsdaten enthalten sind, von deren hohem tarifgefüge und verwendet teile der in den Drgs kalkulierten tarifgehälter für seine Kapitalgeber: geld, das für die bezahlung der beschäftigten kalkuliert und über die Drgs gezahlt wird, wird diesen vorenthalten und zweckentfremdet verwandt.
Die Nachahmer: Beispiele für die Vorbildfunktion der Kliniken in privater Trägerschaft
im Wettbewerb mit den privaten trägern müssen sich auch die nicht gewinnorientierten Krankenhäuser aus deren Werkzeugkasten bedienen, um konkurrenzfähig zu bleiben. anderenfalls laufen sie gefahr, die eigene Privatisierung zu riskieren.
Der öffentliche träger konnte oder durfte bestimmte insbesondere arbeitnehmerbezo-gene Maßnahmen in der Vergangenheit nicht ohne weiteres ergreifen. Oft bedurfte es erst einer drohenden insolvenz, bis die Politik der geschäftsführung bei der entscheidung über die gebotenen Sanierungsmaßnahmen freie Hand ließ; in der Folge kopierte man dann Handlungsweisen privater träger. Damit wurde ein anpassungsprozess in gang gesetzt, der, sollte er nicht aufgehalten werden können, die Unterschiede zwischen erwerbswirt-schaftlichen und gemeinnützigen Krankenhäusern zum Verschwinden bringen wird: Die privaten träger würden dann durch ihr gewinnorientiertes Handeln die Üblichkeiten in der Krankenhausbetriebsführung bestimmen. Diese entwicklung wird durch die Übertragung des Managements öffentlicher Krankenhäuser auf private Managementgesellschaften einer-seits und andererseits durch den Führungskräftewechsel aus dem erwerbswirtschaftlichen in den gemeinnützigen bereich noch gefördert.
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So bedienen sich auch Krankenhäuser in öffentlich-rechtlicher trägerschaft mittlerweile des Konstrukts der ausgegliederten Privatklinik und machen damit lukrative geschäfte. neueste Schätzungen gehen von über 100 ausgründungen aus ([43], S. 908).
„es darf auch nicht verpönt sein, dass sich städtische Kliniken wie die private Konkur-renz durch luxusangebote für die reichen und Schönen der Welt zusätzliche erlösquellen erschließen“ heißt es zu dieser Vorgehensweise in einem Kommentar in der Frankfurter allgemeinen Zeitung vom 2. Mai 2011 unter der Überschrift „gesundheit als Markt“ zum thema „rote Zahlen: Kommunale Krankenhäuser in not“ [19].
Die „Martini-Klinik am UKe gmbH“, eine Privatklinik, deren alleiniger gesellschafter das Universitätsklinikum Hamburg-eppendorf ist, hat seit ihrer gründung im Jahre 2005 die Zahl der betten von 6 auf 28 erhöht und damit im Jahre 2009 bei einem Umsatz i. H. v. 14 Mio. € einen gewinn von fast 3 Mio. € erzielt. in ihrem lagebericht zum Jahresabschluss 2009 berichten sie über eine weitere inbetriebnahme von 28 betten in 2010 [26].
„ein Drittel weniger lohn“ titelt die Westdeutsche allgemeine Zeitung vom 3.6.2010 einen bericht über die klinikeigene Personal Service gmbH des Universitätsklinikum essen, in der leiharbeitnehmer zu deutlich niedrigeren löhnen beschäftigt werden. in der Personal Service gesellschaft, die 2005 gegründet wurde, werden alle berufsgruppen dauer-haft eingestellt, die auch am Universitätsklinikum arbeiten: Schreiner, laborassistentinnen, Schreibkräfte, Sterilisationsassistenten, Fahrer, transportarbeiter, Verwaltungsangestellte usw. Die Klinikleitung und der Klinik-aufsichtsrat hatten die Maßnahme aus „wirtschaft-lichen Kostengründen“ gerechtfertigt. Der arbeitsminister des landes, guntram Schneider, sagte dazu im landtag: „es ist legal, was dort passiert. aber es ist nicht legitim“ [44].
auch die Diakonie gerät wegen lohndumping in die Schlagzeilen. Der Stern berichtete, dass Pflegeeinrichtungen der Diakonie über die unternehmenseigene leiharbeitsfirma Dia logistik neue Mitarbeiter zu den niedrigen Zeitarbeitstarifen einstellen. Der bundesverband des Diakonischen Werkes kommentierte die Vorwürfe mit den Worten: „alle diakonischen ein-richtungen müssen den Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und nächstenliebe aushalten“ [33].
Die „agaplesion ag“ gilt als der größte evangelische Krankenhausverbund. kma Das gesundheitsmagazin berichtet im Mai 2011 über „den knallharten Samariter“, der einen konsolidierten Jahresumsatz von rund 389 Mio. € und eine Umsatzrendite von gut zehn Pro-zent vor Steuern und Zinsen vorweist. „Wer keinen gewinn anstrebt, handelt unethisch, da er die ressourcennutzung vernachlässigt“ ([14], S. 40), sagt agaplesion-Chef bernd Weber und macht sich damit Worte aus dem erwerbswirtschaftlichen bereich zu eigen.
Der ausgliederung in gesellschaften mit niedrigeren tariflöhnen entspricht wirtschaftlich die Vereinbarung über die anwendung eines notlagentarifvertrages. ein notlagentarifver-trag ist ein tarifvertrag mit begrenzter laufzeit (bis zu 3 Jahren), der einen Flächentarifver-trag nach unten öffnet. er wird meist zur beseitigung existenzbedrohender wirtschaftlicher Schieflagen, im extremfall zur Vermeidung einer insolvenz abgeschlossen. Die beschäftig-ten verzichten dabei auf beiträge des arbeitgebers zur altersversorgung, lohnerhöhungen oder Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld und/oder Urlaubsgeld). Das absenken von Monats-vergütungen ist eher die ausnahme. Das „Krankenhaus-barometer 2008“ berichtete, dass damals bereits für gut 9 % der Krankenhäuser ein entsprechender notlagentarifvertrag oder ein tarifvertrag zur Zukunftssicherung der Krankenhäuser galt ([5], S. 33).
Schlussfolgerungen und Ausblick
es ist wohl unbestritten, dass die Unwirtschaftlichkeiten öffentlicher Krankenhäuser das Wachstum privater Krankenhausverbünde ermöglicht und gefördert haben. Mit der zuneh-
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menden Professionalisierung der geschäftsführung öffentlicher Krankenhäuser, der Ver-besserung der Organisations- und entscheidungsstrukturen und der damit verbundenen effizienzsteigerung sowie der Vereinheitlichung der Vergütung für gleiche leistung durch die einführung der Drgs reichte das herkömmliche inventar von Werkzeugen und Ver-fahren privater träger nach einer Privatisierung nicht mehr aus. So stehen heute vermehrt aktivitäten zur erlössteigerung im Vordergrund der nach einer Privatisierung ergriffenen Maßnahmen. auf der Kostenseite sind es in erster linie die beschäftigten, die im Focus der privaten träger stehen. Während früher die normale Fluktuation genutzt wurde, um etwaige Überbesetzungen aus kommunaler trägerschaft abzubauen, finden heute nicht nur betriebsbedingte Kündigungen und abfindungsangebote, sogenannte Prämien oder Sprint-prämienaktionen, zur Personalkostenreduzierung statt, sondern vermehrt ausgründungen in eigene tochterunternehmen, die das ehemalige Klinikpersonal zu deutlich schlechteren bedingungen bezahlen.
Monetäre anreize, die schon seit Jahren im Vertragsarztbereich Wirkung zeigen und u. a. zu der leistungsausweitung beigetragen haben, haben bereits in der Vergangenheit das arztverhalten in die gewünschte richtung verändert: „Die vom Staat sanktionierten und von den Verbänden im deutschen gesundheitswesen vertraglich vereinbarten finanziellen Steuerungsinstrumente bauen implizit darauf, dass die Ärzte sich bei ihren entscheidungen, empfehlungen, Verschreibungen, Über- und einweisungen primär von den damit verbunde-nen gewinnchancen und -risiken leiten lassen“ ([22], S. 25).
eugen Münch, aufsichtsratsvorsitzender der rhön-Klinikum ag, hat 2008 die auf Ver-trauen basierte beziehung zwischen Patient und arzt für abgelöst erklärt, sie sei basis der „alten Medizin“. Die „neue Medizin“ als Massenphänomen kenne keine Vertrauens- und beziehungsebene, „sondern es handelt sich um leistungsaustausch, nicht beziehungsre-gulation“ [29]. in der Ärzteschaft wird dies als bedrohung gesehen. Hoppe forderte in die-sem Zusammenhang eine arztautonomie, verstanden als eine autonomie gegenüber den allfälligen betreibern von gesundheitseinrichtungen, mit der der einmischung Dritter in die individuelle Patient-arzt-beziehung ein ende bereitet werden muss [16], weitere ärzt-liche autoren substantiieren die Forderung [22–24, 32, 45]. Die Medizinethiker Wiesing und Marckmann weisen zu recht darauf hin, dass die Verpflichtung gegenüber dem einzel-nen Patienten mit dem – durchaus verständlichen – finanziellen eigeninteresse des arztes kollidiert, eine dem traditionellen ärztlichen ethos zuwiderlaufende Konfliktsituation ([49], S. 53). Der arzt kann nicht mehr treuhänder sein ([4], S. 54).
Die Qualität von Handlungen und einstellungen hat sich durch die Privaten in der Orga-nisation Krankenhaus deutlich verändert. Die Sitten und gebräuche, die Üblichkeiten sind andere geworden. es bedarf deshalb auch einer ethischen analyse, inwieweit gemeinnüt-zige träger wirtschaftlich geschützt werden müssen, damit auch weiterhin eine humane, empathische und patientenorientierte Medizin, soweit sie reinen Kostenüberlegungen ent-gegensteht, möglich ist.
Interessenkonflikt Der autor gibt an, dass keine interessenkonflikte bestehen.
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