dies academicus und diözesantag 2010 · deswegen kritisiert er die neuro-tisierende angst vor dem...

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zur persönlichen Entfaltung FAKULTÄTSZEITUNG DER KATHOLISCH - THEOLOGISCHEN FAKULTÄT DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK Dies academicus und Diözesantag 2010 Ehrendoktorat für José Casanova 20 Jahre Pastoraljahr Neue Forschungsplattform „Politik – Religion – Kunst“ BAUSTELLE THEOLOGIE 13.JG 1/10

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Page 1: Dies academicus und Diözesantag 2010 · Deswegen kritisiert er die neuro-tisierende Angst vor dem Islam und leistet auch einen Beitrag zur Thematik der Integra- tion muslimischer

zur per sön li chen Ent fal tung

FA KUL TÄTS ZEI TUNG DER KA THO LISCH-THEO LO GI SCHEN FA KUL TÄT DER UNI VER SI TÄT INNS BRUCK Dies academicus und

Diözesantag 2010

Ehrendoktorat für José Casanova

20 Jahre Pastoraljahr

Neue Forschungsplattform „Politik – Religion– Kunst“

BAUSTELLE

THEOLOGIE13 . JG

1/10

Page 2: Dies academicus und Diözesantag 2010 · Deswegen kritisiert er die neuro-tisierende Angst vor dem Islam und leistet auch einen Beitrag zur Thematik der Integra- tion muslimischer

In halt

Die Fakultät trauert 2

Dies academicus und Diözesantag 2010 3

20 Jahre Pastoraljahr 4

Theologische Sommertage 5

Neue Forschungsplattform 6

Neu er schei nun gen 7

Kunst im Gang 8

Im pres sum:Me di en in ha ber: Theo lo gi sche Fa kul tät der Uni ver si tät Inns bruck,Karl-Rah ner-Platz 1, 6020 Inns bruck im WEB: www.u ibk.ac.at/theol/Kon tonr.: 210 111 30470, BLZ 57000 P2010-000-011He raus ge ber: De kan Jó zef Nie wia dom ski Re dak ti on: R. Siebenrock, B. Braun, A. Beer, G. Win kler, T. Kris merLay out und Satz: Tho mas Kris merDruck: AL PI NA Druck GmbH, Inns bruck

BAU STEL LE THEO LO GIE 2

PersonaliaAm 21. Jänner beging Univ.-Prof. DDr. Gerhard Leibold seinen 65. Geburtstag. Neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit am Insti-tut für Christliche Philosophie – hier speziell im Bereich der Philosophie und Theologie des Mittelalters – hat Prof. Leibold sich jahre-lange Verdienste als Vorsitzender der Professorenkurie, Vorsitzender der Curriculum-Kommission und ehem. Vorsitzender des Fakultäts-kollegiums UOG 93 bzw. des Fakultätsrates erworben. Neben diesen gesamtfakultären Aufgaben bekleidete er auch die Funktion desInstitutsleiters. Besonders erwähnenswert ist das Engagement von Prof. Leibold bei der Einwerbung von Drittmitteln und der Förderungdes wissenschaftlichen Nachwuchses. So ist es ihm gelungen, zwei hoch dotierte FWF-Projekte ans Institut zu holen, wodurch mehre-re wissenschaftliche MitarbeiterInnen angestellt werden konnten. Die Fakultät gratulierte ihm im kleinen Rahmen, das Institut stieß beieiner gemeinsamen Feier im Goldenen Adler auf sein Wohl an. Ad multos annos!

Was, schon? Viele konnten es nicht glauben, als die Fakultät einen besonders runden Geburtstag ihrer Fakultätsdirektorin Gabriele Winklerfeierte. Wer auch nur eine Woche in unserer Fakultät lebt und arbeitet, kann mitvollziehen und unterschreiben, was der Dekan wohl nicht nur einmal im Herzen dankbar dachte: „Gabriela a Deo data“. Ad multos annos!

Frau Dr. Anna Findl-Ludescher (Institut für Praktische Theologie) hat sich für ein halbes Jahr ganztags karenzieren lassen, die Karenz-stelle wurde mit Frau Dr. Elke Pale-Langhammer besetzt. Frau Pale-Langhammer war nach ihrem Studium in Innsbruck langjährig inder Gemeindepastoral tätig (zuletzt in der Erzdiözese Freiburg) und hat im Herbst 2009 mit einer Arbeit in Pastoraltheologie bei unspromoviert. Sie kann auf eine breit gefächerte kirchliche Berufserfahrung zurückblicken. Herzlich willkommen!

Dr. Mathias Moosbrugger, Projektmitarbeiter am Institut für Systematische Theologie, wurde mit dem Vorarlberger Wissenschaftspreis(Spezialpreis zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses) ausgezeichnet. MMag. Georg Gasser, Projektmitarbeiter am Institutfür Christliche Philosophie, wird beim Großen Ehrungstag der Universität Innsbruck am 12. Juni 2010 mit dem Best Student PaperAward für seine Arbeit „Lebewesen und Artefakte. Ontologische Unterscheidungen“ ausgezeichnet. Wir gratulieren!

Seit kurzem gibt es im Studienbereich neue Verantwortliche: Ao. Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Guggenberger wurde zum Fakultätsstudien-leiter ernannt, Ao. Univ.-Prof. DDr. Winfried Löffler zum Studienbeauftragten für die philosophische Studienrichtung. Wir wünschenihnen alles Gute für die zukünftige Arbeit und danken gleichzeitig den zurückgetretenen Professoren Reinhard Meßner und Christi-an Kanzian für ihre – auch bei der Erstellung der neuen Curricula – geleistete Arbeit.

Ist die Angst vor Religion, wie sie derzeit inEuropa an vielen Fronten geschürt wird, ge-recht? José Casanova, einer der wichtigstenReligionssoziologen der Gegenwart, sagt:nein! Seine Forschungsarbeiten stellen diesimple These in Frage, Säkularisierung geheHand in Hand mit Demokratisierung und To-leranz. Damit entziehen sie jenen kulturpoliti-schen Strömungen den Boden, die im Nameneines säkularistischen Selbstverständnisses dermodernen Gesellschaft das religiöse Erbe ausdem kollektiven Bewusstsein zu tilgen versu-

chen. Casanova warnt vor dem säkularisti-schen Dogma, er öffnet aber auch neu denBlick auf die Frage nach integrativer Rolle vonReligionen. Deswegen kritisiert er die neuro-tisierende Angst vor dem Islam und leistetauch einen Beitrag zur Thematik der Integra-tion muslimischer MigrantInnen in Europa.Vieles aus seiner Arbeit ist durch die epocha-le Wende in der katholischen Kirche mitbe-dingt: Nicht der Staat, sondern die Zivilgesell-schaft sei demnach der eigentliche öffentlicheOrt der Kirche.

Überbesetzt der Madonnensaal, leise, fastbrüchig der Vortragende. Ein Ereignis wardieser Abend am 11. Mai 2010: In einer Rei-he von Veranstaltungen zum Gedenken anden 30. Todestag des Märtyrerbischofs OscarRomero, der am 24. März 1980 in der Eu-charistiefeier erschossen wurde, hielt Prof.Dr. Jon Sobrino SJ von der UCA (Zentralame-rikanische Universität) in El Salvador einenVortrag mit dem Thema „Monseñor Romero.Umkehr und Hoffnung. Eine andere Kircheist notwendig“. Eine andere Kirche ist mög-lich. Stille und Betroffenheit breitete sich amEnde bis in den letzten Herzenswinkel aus,als P. Sobrino auf die Bedeutung der Märtyrerund Armen verwies: „Bischof Romero fol-gend wird die Kirche, von der wir träumen,die wir für möglich glauben, vor allem Jesusgegenwärtig machen, ohne ihn subtil oderplump zu verstecken. Sie muss fasziniert blei-ben von den Seligpreisungen wie Gandhi.Obwohl es tragisch ist, daran zu erinnern, siedarf niemals wie der Großinquisitor bei Do-stojewski sagen: ‚Herr, geh fort und kehrnicht wieder.‘“ Sie muss auf so viele hören,innerhalb und außerhalb der Kirche, die dassagen, was Roger Garaudy in seiner marxisti-schen Zeit sagte: „Ihr Kirchenleute, gebt unsJesus zurück.“ Monseñor Romero, die Märty-

rer, sie geben uns Jesus zurück. „Eine andereKirche ist möglich“, bedeutet, „Jesus in ihrwachzuhalten.“Red.

Der gebürtige Spanier hat zu Beginn der70er-Jahre als Canisianer sein Theologiestu-dium an unserer Fakultät mit einer Diplom-arbeit bei Univ.-Prof. Dr. Franz Schupp ab-geschlossen. Seine wissenschaftlicheKarriere machte er im Bereich der Religi-onssoziologie in den USA; heute ist er Pro-fessor an der Georgetown University inWashington. Mit dem Ehrendoktorat inTheologie bringt unsere Fakultät nicht nurihren berechtigten Stolz auf den internatio-nal renommierten Wissenschaftler zum

Am 3. Dezember starb in Pune (Indien) derin Feldkirch geborene P. Josef Neuner SJ, der2001 das theologische Ehrendoktorat derUniversität Innsbruck erhielt, im Alter von101 Jahren. Neuner war ein großer Theologeund Dogmatiker, theologischer Berater beim2. Vatikanischen Konzil. Er gilt als Autor desKonzilsdekrets Nostra Aetate, das von derHaltung der katholischen Kirche zu dennichtchristlichen Religionen handelt. Seit1938 mit der Unterbrechung einer mehr-jährigen Internierung in einem englischenLager in Indien lehrte er in Indien am ange-sehenen De Nobili-College in Pune. Nachdem Konzil war es ihm ein Anliegen, die In-der auf die eigene indische Tradition auf-merksam zu machen. P. Neuner wurde einwichtiger Brückenbauer zwischen europäi-scher Theologie und indischer Kultur, die erstets achtete und respektierte.Gemeinsam mit Heinrich Roos SJ verfasste erein zum Standardwerk („Neuner-Roos“) ge-wordenes Buch zur Priesterausbildung: „DerGlaube der Kirche in den Urkunden der Lehr-verkündigung“. Beim Gedenkgottesdienst am10.12. in der Jesuitenkirche verneigte sich P.Georg Fischer SJ in seiner Predigt(www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/840.html) „vor einem großen Theologen, vor einem

Gefährten Jesu und vor einem Tröster und Hel-fer der Armen.“ Im größten Slum Asiens, Dha-ravi in Mumbay, bemühte er sich zusammenmit den von ihm betreuten „Helpers of Mary“,das Schicksal der Leidenden zu verbessern. Le-pra-Kranke, Aids-Infizierte, Waisenkinder, Ob-dachlose und viele andere Menschen in Notprofitieren heute noch von dem, was P. NeunerSJ mit den „Helpers of Mary“ angestoßen hat.Red.

Ausdruck. Seit Jahrzehnten ist vieles in un-serer Forschung und Lehre auf die Kritikdes Vorurteils, „Religion erzeuge Gewalt“,und auf die Kultivierung des friedensstif-tenden Potenzials der Religion ausgerich-tet. Das Ehrendoktorat für Casanova trans-portiert die kulturpolitische Botschaft:Nicht weniger, sondern mehr an Religionbraucht das Land. An einer Religion, die ei-ne integrative Rolle in der Gesellschaftspielt. Auch oder gerade in Tirol.Józef Niewiadomski, Dekan

Ehrendoktorat für José Casanova

Jon Sobrino an der Fakultät

P. Josef Neuner SJ(1908-2009)

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13 . JG 1/103

„Priester in priesterarmer Zeit“ Dies academicus und Diözesantag 2010

Der Kaiser-Leopold-Saal überfüllt, die not-wendig gewordene Videoübertragung inden Madonnensaal verband mehr als 200Personen aus der Diözese und der Univer-sität zu einem Studien- und Orientierungs-tag im Jahr des Priesters. In seiner Eröffnungsansprache nannte derDekan folgende Motive für diese neue Artder Zusammenarbeit: „Wir möchten andiesem Tag alle möglichen Facetten der The-matik zur Sprache bringen: aus kirchen-rechtlicher Sicht, aus pastoralstrategischerSicht, aus biografisch-spiritueller Sicht usw.Und wir möchten den Priester eingebun-den wahrnehmen in die konfliktuelle, indie tägliche kirchliche Gemeinschaft, diedoch atemberaubend und atemraubend ist.Nachdem das Thema ‚Priester‘ es aberschaffte, wochenlang die Logik unsererSchlagzeilen zu prägen, hat es bei uns einekurze Überlegung gegeben: Was machenwir mit unserem Thema ‚Priester in pries-terarmer Zeit‘? Die Entscheidung war: Wirwollen einen kräftigen Kontrapunkt setzen,einen Kontrapunkt gegen die gegenwärtigeMelodienführung. Wir wollen weder bekla-gen noch bloß die Mängel beweinen –wenn schon, dann die Wunden mit österli-

chen Augen anschauen. Wir wollen die vie-len Aufbrüche und Chancen, die auch undgerade in Tirol möglich sind, fokussieren,wertschätzend wahrnehmen, was da ist.Damit wir mehr Luft zum Atmen bekom-men. Damit die untergründig schwelendeAngst vor dem Priester, die glimmendeAngst vor der Religion in Tirol und Europa,sich auflöst, damit kein Flächenbrand ent-steht, keine tsunamiartige kulturpolitischeKatastrophe.“

Eingeleitet wurde der Vormittag von sehrunterschiedlichen und bewegenden State-ments. Eine Salesianerin sprach von ihrerBerufung zum ordinierten Priestertum,dass sie in der jetzigen Situation mitSchmerz, aber dennoch froh anders lebt.Der Generalvikar gab uns einen kleinenEinblick in seinen Alltag, der sich nicht im-mer, aber immer wieder auch wie ein„Müllkübel der Diözese“ gestaltet. Der Kir-chenrektor und ein Priesteramtskandidatstellten ihre Perspektive den TeilnehmerIn-nen in die Erinnerung.Im Hauptreferat entwarf Bischof Koch ausBasel nicht nur eine fundierte Theologiedes priesterlichen Dienstes, des gemeinsa-

men und des besonderen, sondern sprachauch über seine einzigartige Schweizer Si-tuation. In der Diskussion wurde jenes The-ma stark aufgegriffen, das im Referatzunächst ausgeklammert worden ist: dieFrage der Zulassungsbedingungen. Obwohlseit 1993 dazu ja nicht diskutiert werdensoll (oder darf), war deutlich zu merken,wie brennend das Thema ist und wohl nochauf lange Zeit bleiben wird.Manche Gespräche kamen wohl erst beimgemeinsamen Essen in Gang, das auf Einla-dung der Diözese im Jesuitenkolleg einge-nommen wurde. Zu kontrovers waren dieStatements, zu vielschichtig die Situationder Kirche. Auch hier ist mit einer Pluralitätzu leben.

Nachmittags wurde in zwei Zeitschienen insehr unterschiedlichen Arbeitskreisen gear-beitet. Der gelungene Tag klang aus mit ei-nem Gottesdienst im Dom. Erstmals alsohat der Gründer des Jesuitenkollegs und derPatron der Diözese Fakultät und Diözese sozahlreich zusammengeführt. Was sich dawohl Petrus Canisius gedacht haben mag?Red.

„Wer dem lieben Gott ins Fenster geschauthat, langweilt sich nicht; er/sie ist glück-lich“ – so lautet einer meiner Lieblings-sprüche. Und wann schauen die Christendem lieben Gott ins Fenster? Sie sehen dieHerrlichkeit Gottes im Gesicht eines ande-ren Menschen. Und wenn sie sich dazunoch ‚österliche Augen‘ zugelegt haben,dann, ja dann ist die Sache geritzt – könnteman salopp sagen.“ (Niewiadomski)

„Die Beziehung zwischen Amtspriestertumund gemeinsamem Taufpriestertum ist ge-nauerhin durch die Spannung von In-Seinund Gegenüber-Sein geprägt. Das Priester-amt ist auf der einen Seite christologischfundiert, und zwar aufgrund von Weiheund Amt, es ist dazu gesandt, Jesus Christusmit seinem Heilswerk in Wort und Heili-gung sakramental zu vergegenwärtigen, al-so ‚in persona Christi‘ zu handeln und der

Glaubensgemeinschaft gegenüber Christusals Haupt der Kirche zu repräsentieren. In-sofern steht das Priesteramt dem Taufprie-stertum gegenüber. Auf der anderen Seiteist das Priesteramt pneumatologisch ge-

prägt und dazu bestimmt, ‚in personaecclesiae‘ zu handeln, es steht deshalb mit-ten im Lebensgefüge der Kirche als ihramtliches Organ, um den Glauben der Kir-che zu bezeugen und den priesterlichenCharakter des ganzen Gottesvolkes darzu-stellen und zu ermutigen.“ (Koch)

„Der Priestermangel kann – bei allen Pro-blemen und Nöten, die er verursacht – in-sofern auch ein Anruf des Heiligen Geistessein, das Zweite Vatikanische Konzil nochbesser zu verwirklichen und Kirche als VolkGottes vom Leib Christi her zu leben, dasalle Getauften in ihrem gemeinsamen Kir-chesein zusammenfügt und mit Christusals Haupt der Kirche verbindet.“ (Koch)

Zum Nachlesen der einzelnen Beiträge:http://www.dibk.at/index.php?id=4114&language=1&portal=1

Alle Fotos: Pressedienst der Diözese Inns-bruck

Bischof Manfred Scheuer

Am Podium diskutierten: Dekan Niewiadomski, Bischof Manfred Scheuer und Bischof Kurt Koch(v.l.n.r.)

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BAU STEL LE THEO LO GIE 4

Pastorale MitarbeiterInnen werden heu-te mit vielfältigen Herausforderungenkonfrontiert – in sozialer, spiritueller,theologischer, praktischer und institutio-neller Hinsicht. „Das Pastoraljahr will ei-nen Lernprozess unterstützen, der ange-hende SeelsorgerInnen befähigt, in denheutigen Umbruchssituationen urteils-und handlungsfähig zu werden. Es führtin die Gemeindepastoral ein und fördertdie ‚Gemeindefähigkeit’ …“ So werdendie Anliegen und Ziele des Universitäts-lehrgangs „Pastoraljahr“ im Informati-onsblatt beschrieben.

Die Kunst der Seelsorge lernenDas II. Vatikanische Konzil hat die Notwendig-keit erkannt, dass die Seelsorger (und heutewird man auch sagen müssen: die Seelsorge-rinnen) „die Kunst der Apostolatsausübungnicht nur theoretisch, sondern auch praktischerlernen sowie aus eigener Verantwortung undin gemeinschaftlicher Arbeit zu handeln ver-mögen“ (OT 21). Um diese Kunst zu erlernenund um den viel zitierten „Praxisschock“ ab-zumildern, wünscht Papst Johannes Paul II. anden Fakultäten ein „Pastoraljahr“ einzurich-ten, „um die pastorale Ausbildung zu vervoll-ständigen“ (Sapientia Christiana, 74 § 2).An der Theologischen Fakultät Innsbruckwaren es der damalige PastoraltheologeHermann Stenger und sein Assistent Kle-mens Schaupp, die – in enger Absprachemit dem damaligen Generalvikar Klaus Eg-ger – ein erstes Konzept für ein Pastoraljahrentworfen haben. So startete das erste ge-meinsame Pastoraljahr der Diözesen Inns-bruck, Feldkirch und Bozen/Brixen im WS1988/89 mit insgesamt 20 Personen: mit17 (!) Priesteramtskandidaten sowie zweiLaientheologinnen und einem Laientheolo-gen. Davon kamen je 7 aus Nordtirol undVorarlberg, 6 stammten aus Südtirol. Zu-nächst noch ein Provisorium, trat der Lehr-plan des Hochschullehrgangs am 1.1.1990in Kraft. Seit 1. September 2002 wird daszweisemestrige Pastoraljahr als Univer-sitätslehrgang (ULG) geführt. Seine Absol-vierung ist Anstellungsbedingung für dieDiözesen Innsbruck und Feldkirch.(http://www.uibk.ac.at/service/c101/mitteilungsblatt/2001/57/mitteil.pdf)

Jubiläumsfeier: 20 Jahre Pastoraljahr

21.Oktober 2010, 16 bis 20 UhrTheologische FakultätFestvortrag von Prof. Christoph Jacobs,Paderborn:„Pastoral updaten: Praktisch-theologischeOrientierung zur Qualifizierung kirchlicherDienste“Ein Panorama zu 20 Jahre Pastoraljahr:Anfänge – Entwicklungen Anekdoten zu Lustigem /Schrägem / Merk-würdigemFestbuffet

20 Jahre PastoraljahrWertvolle Zukunftsarbeit für Kirche und Gesellschaft

Die individuellen Gesichter der Berufun-gen begleitenUnspektakulär und ohne große Schlagzeilenwerden seitdem Jahr für Jahr (v.a.) jungeMenschen nach Abschluss des Theologiestudi-ums bei ihrer beruflichen Entscheidung,ihrem Such- und Entscheidungsprozess indi-viduell und in einer gemeinsamen Lerngrup-pe fachlich und persönlich begleitet. Mit demdiesjährigen, dem 22. Jahr des Lehrgangs, ha-ben insgesamt 380 (!) Theologen und Theolo-ginnen das – immer international zusammen-gesetzte – Pastoraljahr absolviert. Unzähligepersönliche Lebens-, Entwicklungs- und Ent-scheidungsgeschichten verbergen sich hinterdieser beträchtlichen Zahl, einzigartige Ge-sichter mit einer je individuellen Berufung,die heute in ganz verschiedenen Berufsfeldernin und außerhalb der Kirche tätig sind.

Das Pastoraljahr als Spiegel kirchlicherBrennpunkte Der ULG besteht aus dem Einsatz in einem pa-storalen Bereich (Gemeinde, Klinikseelsorge,Caritas …) und den begleitenden universi-tären Lehrveranstaltungen. In letzteren werdenpraktische Fragen nach dem persönlichenZeitmanagement oder projektorientiertes Pla-nen ebenso behandelt wie aktuelle Fragen zurSakramenten- oder Jugendpastoral. Praxiser-probte und theologisch kompetente Referent-Innen stehen zur Begleitung zur Verfügung.Besondere Aufmerksamkeit verlangen dietheologischen Implikationen bestimmter Kir-chen- und Gemeindebilder und deren pasto-rale Folgen. Denn die Vielfalt der persönlichenLebenswege und Spiritualitäten und die Ei-

gendynamik geteilter Ausbildungswege vonPriesteramtskandidaten, Ordensleuten undLaientheologInnen führen verständlicherwei-se auch zu Spannungen zwischen den Teilneh-merInnen. In all dem ist die Pastoraljahrsgrup-pe ein Spiegelbild der Kirche heute. Sie wirddamit zu einer Art Werkstatt, zu einem Atelier,in dem ein wertschätzender Umgang mit derVielfalt an Berufungen erlernt und ein kon-struktives Miteinander der unterschiedlichenRollen eingeübt werden kann. Die Gaben desHl. Geistes an seine Kirche können so stärkerals Geschenk anstatt als Konkurrenz für die ei-gene Berufung gesehen werden. In diesemSinn ist die Pastoraljahrsgruppe mehr als einereine Lern- und Arbeitsgruppe. Sie ist viel-mehr Kirche im Kleinen. Durch wechselseiti-ges Teilnehmen und Teilgeben an den eigenenErfahrungen, an den Schwierigkeiten undFreuden der Arbeit im „Weinberg des Herrn“wird sie ein konkreter Ort gelebter Gemein-schaft. So steht in der (auch zeitlichen) Mittejedes ULG-Treffens bewusst die gemeinsameFeier der Eucharistie, in der das verbindendeGeheimnis des Glaubens gefeiert wird.

Veränderter Kontext – neue Herausfor-derungenVieles hat sich freilich verändert in diesen 20Jahren: Pluralisierung, Individualisierung undPluralismus schreiten voran, aber auch die Su-che nach Sinn und Orientierung wird drän-gender. Die Kirche wird radikaler angefragt.Die Zusammensetzung der Pastoraljahrsgruppehat sich – bezogen auf das Verhältnis Priester-amtskandidaten und zukünftige Pastoraltheo-logInnen – umgekehrt. Die TeilnehmerInnender Ausbildungsgruppe rücken im „raueren“Kontext näher zusammen: Gelegentliche „Rol-len- und Statuskämpfe“ in der Gruppe Anfangder 90er-Jahre haben einem selbstverständli-cheren Miteinander von Priesteramtskandida-ten und TheologInnen Platz gemacht. Nach-konziliare, enthusiastische Hoffnungen aufgroße Veränderungen in der Kirche sind einemnüchternen Realismus für das, was in der Kir-che möglich ist, gewichen. Der veränderteKontext in der Verkündigung (Stichwort: Seel-sorgeräume) erfordert eine Neugewichtungpastoraler Grundkompetenzen. Teamarbeit,Leitungskompetenz und die Bereitschaft, dieCharismen ehrenamtlicher MitarbeiterInnenzu sehen und zu fördern, sind heute unver-zichtbar.

Einmalig in ÖsterreichDer ULG „Pastoraljahr“ ist in dieser Form inÖsterreich einzigartig. An keiner anderenstaatlichen Universität Österreichs wurde über20 Jahre eine so gute und enge Kooperationzwischen den Trägern des ULG, den DiözesenFeldkirch und Innsbruck (Bozen/Brixenmachte sich 1997 selbständig) und der Theo-logischen Fakultät, im Besonderen dem Insti-tut für Praktische Theologie, gepflegt. Er leisteteine unbestritten wertvolle Zukunftsarbeit fürKirche und Gesellschaft.Johannes Panhofer, Geschäftsführer des ULGFranz Weber, Leiter des ULG

„Das Pastoraljahr ist für mich eine gute Gele-genheit, meine beruflichen Ambitionen zuklären und nachzuspüren, wofür mein Herzbrennt. Als wohltuend erlebe ich die unter-schiedlichen Arbeitsfelder Pfarre und Alten-seelsorge und die Pastoraljahrsgruppe.“Anna Oberhofer

„Pastoraljahr bedeutet für mich: An der Le-benswirklichkeit vieler Menschen Anteil zunehmen und sich mit Ihnen gemeinsam aufden Weg der Gottsuche zu begeben.“Fr. Maximilian Stefan Thaler

„Pastoraljahr bedeutet für mich: DAS VER-STÄRKT MICH SELBER!“Noby Varghese, Priester aus Indien

„Für mich ist das Pastoraljahr eine Zeit desAusprobierens. Es ermöglicht mir, in unter-schiedlichen pastoralen Arbeitsfeldern Erfah-rungen zu sammeln, was für die eigene Be-rufswahl sehr hilfreich ist.“Gleffe Patrick

„Für mich persönlich liegt ein besondererWert darin, dass ich sowohl in der Pfarre alsauch in der Klinikseelsorge tätig sein kann,und an beiden Orten sowie durch die Gruppeim Lehrgang eine gute Begleitung erfahre.“Anna Pöll

„Dieses Jahr bietet für mich die Chance, in ei-ner Pfarrgemeinde mitzuarbeiten und mitzu-leben.“Christiane Kücher

Die Teilnehmer des Pastoraljahrs 2009/10

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13 . JG 1/105

Im konziliaren Prozess der christlichen Kir-chen (seit 1983) wurde in ökumenischerÜbereinstimmung neben Friede und Gerech-tigkeit die Bewahrung der Schöpfung als zen-trale Aufgabe der Kirchen in der Welt be-stimmt. Schöpfungsverantwortung ist zwei-fellos ein modernes und werbewirksames The-ma, mit dem die Kirchen auch in der media-len Öffentlichkeit gut reüssieren können – so-fern es nicht bloßes Lippenbekenntnis bleibt.Voraussetzung gelebter Schöpfungsverantwor-tung ist aber eine biblisch und systematischfundierte Auseinandersetzung mit dem, wasSchöpfung, Natur, ökologische Umwelt fürden gläubigen Menschen überhaupt bedeuten.Diese Auseinandersetzung ist gerade ange-sichts einer dominierenden Weltsicht, diedurch Materialismus und einen verengtenEvolutionismus geprägt ist, überaus notwen-dig. Denn einerseits bleibt in einer durch reineNaturkausalität und Zufall geprägten Welt we-nig Platz für ethische Verantwortung, anderer-seits werden durch die naive Übertragung nar-rativ-biblischer Sprache in die Logiknaturwissenschaftlicher Weltdeutung sowohl

die Intention des Offenbarungstextes als auchjene der modernen Wissenschaft verfehlt.Das Anliegen der 11. Theologischen Sommer-tage ist es, eine verantwortete theologische Re-de von Schöpfung zu skizzieren und den sichdaraus ergebenden Anforderungen an kirchli-ches Handeln in liturgischer, pastoraler, recht-licher und ethischer Hinsicht nachzuspüren.

Programm der Theologischen Sommertage 20106.-7. September• Andreas Vonach„Im Anfang schuf Gott“ – Vom SchaffenGottes und dem Tun des Menschen im Al-ten Testament und heute• Martin Hasitschka / Mira Stare„Alles ist durch ihn geworden.“ (Joh 1,3)Ursprung und Vollendung der Schöpfung inChristus – Neutestamentliche Perspektiven• Willibald SandlerAlles, was ist, gründet in Gott. Christli-ches Schöpfungsverständnis zwischenPantheismus und Deismus

• Roman SiebenrockFlammendes Herz: Die Vision der kosmi-schen Christogenese des Universumsnach Teilhard de Chardin

• Nikolaus WandingerSchöpfung der Evolution – Evolution derSchöpfung. Theologische Bemerkungenzur Entstehung der Welt

• Liborius Lumma„Gib uns gute und gedeihliche Witterung“.Das Gedenken der Schöpfung in östlicher,westlicher und ökumenischer Liturgie

• Franz Weber„Kirche als Anwalt (Anwältin) der MutterErde“

• Johannes PanhoferDas „Seufzen der Schöpfung“ hören. Seel-sorge als Anstiftung zu solidarischer An-teilnahme

• Wilhelm Guggenberger / Wilhelm Rees Schöpfungsverantwortung konkret. Wiesich die Kirche der ökologischen Heraus-forderung stellt

Wilhelm Guggenberger

Über 200 Personen folgten der Einladungzum Muslimisch-Christlichen Friedensgebetam Samstag, den 27. Februar 2010, insSportzentrum Telfs. Getragen wurde das Ge-bet von den muslimischen Vereinen, ATIBGießenweg und VIKSZ Bahnhofstraße, denPfarrgemeinden des Seelsorgeraumes Telfs,dem Franziskanerkloster Telfs und der Theo-logischen Fakultät Innsbruck (Fakultätsfor-schungszentrum „Religion-Gewalt-Kommuni-kation-Weltordnung“, Forschungsprogramm„Kommunikative Theologie“). Muslimische und christliche Gebetsbeiträgesowie Schrifttexte aus Qur’an und Bibelwechselten einander ab. Die muslimische Ju-gendgruppe Ilahi und Kinder und Jugendli-

che des Seelsorgeraumes Telfs sorgten für diemusikalische Gestaltung. Als Symbol des Frie-dens stellte der Telfer Künstler Hans Gappsein Mosaik „Der Sonnengesang des hl. Fran-ziskus“ zur Verfügung, das er aus Steinen derverschiedenen Telfer Kirchen und der Mo-schee im Laufe mehrerer Jahre geschaffenhatte.In seiner Hinführung verwendete der Dekander Theologischen Fakultät, Józef Niewia-domski, einen Vergleich von Abraham a San-ta Clara: Leben und Arbeiten ohne zu betensei wie Rudern mit nur einem Ruder. Der Ef-fekt: Man komme nicht vorwärts, sonderndrehe sich im Kreis. Das Friedensgebet be-zeichnete Niewiadomski als einen Versuch,

„das zweite Ruder ins Spiel zu bringen, dieKraft der Religion für das mitmenschlicheZusammenleben zu aktivieren“.Schon bei der ersten Planungsbesprechungzum Friedensgebet im kleinen Kreis gab esAnfragen an die Konzeption des Gebetes: Wieist Beten möglich, wenn die Betenden unter-schiedlichen Religionen und Traditionen an-gehören, ja durch sie getrennt sind? Könnendie Betenden sich unter diesen Umständenüberhaupt aufeinander und auf Gott bezie-hen? Ist es möglich, sich im Angesicht derUnterschiede vor Gott zu stellen? Teresa Peterhat mit ihrem Beitrag in der Kongresspubli-kation „Heilig-Tabu. Christen und Muslimewagen Begegnungen“ weitergeholfen, in-dem sie von „Anteil-Nehmen“ und „Anteil-Nehmen-Lassen“ sprach. Nicht der kleinstegemeinsame Nenner wird gesucht, wie esoftmaliges Muster bei interreligiösen Feiernist, sondern jeder/jede betet aus seiner/ihrerTradition und Religion und gibt dem frem-den Anderen – wechselseitig – Anteil an die-ser Tradition. Anteil aneinander nehmendund einander Anteil gebend, darüber ent-spann sich beim Vorbereitungstreffen ein tie-fes Gespräch zwischen Muslimen und Chris-ten: Die Unterschiede bleiben so alsSpannungspunkte bestehen, dennoch ist Mit-einander spiritueller Kommunikation mög-lich. Kommunikation wird so weder nivel-liert noch idealisiert oder verniedlicht. Ausdieser Haltung heraus wuchs das Motto desFriedensgebetes: „Zusammenkommen, umfür den Frieden zu beten“.Martina Kraml

Schöpfung – Evolution –VerantwortungSchöpfungsverantwortung konkret. Wie sich die Kirche der ökologischenHerausforderung stellt. Innsrucker Theologische Sommertage 2010

Zusammenkommen, um für denFrieden zu betenMuslimisch-Christliches Friedensgebet Telfs, 27. Februar 2010

Es war sicherlich ganz anders gedacht undgeplant: das Priesterjahr. Statt ruhige Besin-nung und Erneuerung sind Unruhe, heftigeDebatten und Zwielichter entstanden.„Missbrauch“ scheint der Identifikator fürunsere Kirche geworden zu sein. Auch un-ser „Dies academicus“, der tapfer gegenden Strom schwimmen wollte, ist bereitsVergangenheit – und wir müssen uns fra-gen: Was bleibt, oder besser: Was wird neuund anders sein? War das Priesterjahr unzu-reichend, ja falsch projektiert?Priester sind als solche keine Heiligen, aberauch keine Monster und Sündenböcke. Siebilden auch keinen Sonderstand, der denGesetzen des Rechtsstaates entzogen ist.Dies gilt auch für Kardinäle. Hier holt unsdie Debatte um Groër und Krenn ein. Ichbin dankbar dafür, dass Kardinal Schönbornseinem Herzen Luft machte und offen dar-über gesprochen hat. Hier beginnt – bei al-ler Anerkennung der Diskretion in Perso-nalfragen – ein neues Klima von Offenheit.In dieser Frage kann auch nicht das letzteKonzil beschworen werden. In der Er-klärung über die christliche Erziehung, Jo-seph Ratzinger nannte sie aus gutem Grundeinen Schwächeanfall der konziliaren An-thropologie, findet sich kein Wort über Ge-walt, sexuellen Missbrauch oder auch Sün-de. Noch viel weniger ist davon die Rede,dass Erziehung scheitern kann und nichteinfach „machbar“ ist. Die wichtigste Ori-entierung des Konzils fehlt völlig: auf Chri-stus schauen! Das Konzil aber hatte die gesamte Ge-schichte der Kirche vor Augen und wusste,was John Henry Newman den Systemtheo-retikern des Ultramontanismus ins Stamm-buch geschrieben hat: Der Papst (und daherjedes Amt in der Kirche) steht auf dem Ge-wissen der Menschen. Er würde geistigenSelbstmord begehen, wenn er dagegen ver-stoßen würde. Daher ruhen das Amt unddamit jeder Dienst in der Kirche auf der An-erkennung und dem Vertrauen der Men-schen. Rezeption wurde das einmal ge-nannt – um dann sofort unter Verdachtgestellt zu werden.Auch wenn durchaus – aber wohl eher abs-trakt gesprochen – die Wahrheit nicht ausdem Konsens der Kirche zur Wahrheit wird,beruht alle Wahrheit und Tätigkeit in derKirche auf jenem Konsens, der im wechsel-seitigen Dienst besteht: Ein jeder trage desanderen Last.Schließlich aber: Ich frage mich, was denPapst bewogen hat, das Priesterjahr so ein-seitig einzuleiten: Warum wird es nicht ausder Eucharistiegemeinschaft heraus ent-worfen, wie es der junge Theologe Ratzin-ger so glänzend darlegte. Die Gemeindenkommen in dem Ankündigungsbrief nichtvor. Warum wurden nicht Priestergestaltenvorgestellt, die den Bruch zwischen Evan-gelium und Kultur zu heilen versuchten: J.M. Sailer, A. Rosmini, J. H. Newman oderAbbé George Lemaître, der ja die Idee desUrknalls entwickelte? Wir sollten uns erin-nern, was Schleiermacher so mahnend amBeginn unserer Ära vermerkte: Soll dennder Knoten der Geschichte so aufgehen, dieWissenschaft mit dem Unglauben und dieReligion mit der Barbarei? Und ich fügehinzu: oder auch durch Skurrilität undbloße ästhetische Inszenierung?Roman Siebenrock

Das TheologischeStreiflicht

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BAU STEL LE THEO LO GIE

Politik-Religion-KunstDie neue Forschungsplattform

Seit vielen Jahren hat Wolfgang Palaver erfolg-reich die Forschungsplattform „Weltordnung –Religion – Gewalt“ geleitet. Sie wurde von P.Schwager nach 9/11 (2001) ins Leben geru-fen. Wegen forschungspolitischer Maßnahmendes Ministeriums wurde seit Feber 2009 an ei-ner neuen Kohärenz der über Jahre schon be-währten Zusammenarbeit in mehreren Klausu-ren gearbeitet. Die frühere Plattform„Weltordnung – Religion – Gewalt“ und derfrühere Schwerpunkt „Politische Kommunika-tion und die Macht der Kunst“ sowie das theo-logische Forschungszentrum „Religion-Ge-walt-Kommunikation-Weltordnung“ (RGKW)bilden derzeit das Herzstück der neuen Platt-form. Mit der offiziellen Bestätigung durch dasRektorat (1.4.2010) konnte die Arbeit nunauch offiziell beginnen. 6 Fakultäten, 18 Insti-tute und mehr als 100 Forscher/innen habensich neu auf den Weg gemacht. In dieser Plattform sind die beiden theologi-schen Ansätze, die in unserer Fakultät schon

seit vielen Jahren in „RGKW“ zusammenarbei-ten, nämlich die „Dramatische Theologie“ unddie „Kommunikative Theologie“, als For-schungscluster etabliert. Eine erste Tagungwurde am 8. und 9. Mai veranstaltet. Als The-menfeld soll am 29. Oktober dieses Jahres ineinem gemeinsamen Forschungstag eine ersteAnnäherung an das breite Themenfeld „Gewalt/ Frieden“ aus den Kompetenzen der einzel-nen Cluster gewagt werden. Die Leitung derPlattform (Sprecherin: Professorin Brigitte Ma-zohl, Stellvertreter: Professor Roman Sieben-rock, Professor Johann Holzner) wird vomentscheidungsbefugten Rat mitgetragen. Inter-disziplinär zu forschen und zu lehren, ist im-mer eine große Herausforderung in unserenWissenschaften. Aber gerade in dieser Heraus-forderung liegt die Absicht, die neue Plattformin spannungsreicher Vernetzung zu ent-wickeln. Red.

FWF-Projekt „Kritische Edition der Tugendlehre des Robert Cowton O.F.M.“

Robert Cowton hat seinen Kommentar zumLiber Sententiarum des Petrus Lombardus zwi-schen 1308 und 1311 in Oxford verfasst. DieTugendlehre ist dabei eines der zentralen The-men, die in jedem Sentenzenkommentar da-mals enthalten waren. An den mittelalterlichenUniversitäten Europas war der Sentenzenkom-mentar eine Standardform der wissenschaftli-chen Qualifikation, durch die man zum ‚Ma-gister‘ wurde, der dazu berechtigte, selbst ander Universität zu lehren. Diese Texte sind we-gen der Auseinandersetzung mit den Zeitge-nossen auf der Grundlage der Tradition sehraufschlussreich. Cowton, ein wenig erforsch-ter Theologe aus dem Franziskanerorden,stand im Dialog mit einigen wichtigen Philo-sophen und Theologen in dieser nicht nur fürdie Philosophie sehr spannenden Zeit desfrühen 14. Jahrhunderts, darunter JohannesDuns Scotus und Thomas Sutton. Währendsich die Editoren früher vornehmlich mit denzentralen Figuren einer philosophischen Epo-Manuskriptseite aus dem Sentenzenkommentar des Robert Cowton O.F.M.

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che beschäftigten, hat in letzter Zeit das Interes-se an den bislang weniger bekannten Autoren inderen Umfeld stark zugenommen, da man er-kannt hat, wie wichtig sie für das Verständnisder Entwicklungen im Denken einer Zeit sind.Gerade Cowton war zu seiner Zeit eine prägen-de Gestalt, und so erwarten wir von der Editionseiner Tugendlehre insbesondere auch weitereErkenntnisse zur Entstehung des Skotismus inOxford. Das FWF-Projekt steht im Rahmen derZusammenarbeit der Abteilung für Quellen-kunde der Philosophie und Theologie des Mit-telalters am Institut für Christliche Philosophiemit der Bayerischen Akademie der Wissenschaf-ten. Dabei hat die Abteilung die Edition derBücher 3 und 4 des Sentenzenkommentarsübernommen. Die Edition der Tugendlehre, dieden zweiten Teil des dritten Buches darstellt, istder erste Beitrag unserer Abteilung.Sylvia Eibl, Projektmitarbeiterin

Die Art und Weise, wie an der InnsbruckerTheologischen Fakultät gearbeitet wird, ist bisheute von der Gestalt und dem Wirken Ray-mund Schwagers, des ehemaligen Professorsfür Dogmatik, geprägt. Das gilt nicht nur fürdiejenigen, die sich ausdrücklich um die Wei-terentwicklung der von R. Schwager konzipier-ten „Dramatischen Theologie“ bemühen, son-dern auch für eine intensive Kultur derinterdisziplinären Zusammenarbeit.Das seit Januar 2010 am Institut für Systemati-sche Theologie laufende FWF-Projekt „Ray-mund Schwager: Dramatische Theologie“möchte auf diesen beiden Ebenen das theolo-gische Anliegen Schwagers aufgreifen. Es wirdhierbei einerseits das Anliegen der Dramati-schen Theologie in der Tradition R. Schwagersweitergeführt; zu diesem Zweck wird das auf-grund seines überraschenden Todes im Febru-ar 2004 unvollendet und fragmentarisch ge-bliebene Werk „Dogma und dramatischeGeschichte“ in einer kritischen Edition heraus-gegeben. Schwagers Bemühen um eine inter-disziplinäre Verortung seiner Theologie wie-derum spiegelt sich besonders in seinemBriefverkehr mit dem franko-amerikanischenLiteraturwissenschaftler und Kulturanthropo-logen René Girard, dessen mimetische Theorie

für die Dramatische Theologie von entschei-dender Bedeutung wurde, wider. Dieser um-fangreiche französischsprachige Briefwechselsoll deshalb, kritisch bearbeitet und ins Deut-sche übersetzt, ebenfalls herausgegeben wer-den. Beide Bände werden jeweils um sachkun-dige Kommentare von ausgewiesenenKennern/Kennerinnen der Arbeit R. Schwagersergänzt. Im weiteren Verlauf des auf drei Jahreangelegten Projektes wird eine Fachtagung or-ganisiert, die den nationalen und internationa-len Kommentatoren/Kommentatorinnen dieMöglichkeit intensiveren Austauschs bietensoll.Als Leiter des Projekts fungiert Józef Niewia-domski, der von Mathias Moosbrugger (Pro-jektkoordinator) bei der Herausgabe von„Dogma und dramatische Geschichte“ unter-stützt wird. Nikolaus Wandinger arbeitet ge-meinsam mit Karin Peter und Simon de Keuke-laere an der Edition des Briefwechsels. Das fürdas Projekt maßgebliche Material befindet sichim Wesentlichen in dem zwischen 2004 und2006 aufgebauten R.-Schwager-Archiv an derFakultät, das damit erstmals Gegenstand inten-siver Forschungsarbeit wird.systheol.uibk.ac.at/schwagerdrama Mathias Moosbrugger

Raymund Schwager:Dramatische TheologieEin FWF-Forschungsprojekt am Institut fürSystematische Theologie

Mathias Moosbrugger, Józef Niewiadomski, Karin Peter, Nikolaus Wandinger (v.l.n.r.)

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NEUERSCHEINUNGEN

Georg FischerAuf dein Wort hinGott suchen und finden. Stuttgart Katholisches Bibelwerk2010.191 S. ISBN 978-3-460-31848-9

Der populäre Pilgerweg nach Santiago de Compostela hat ei-nen biblischen Vorläufer im faszinierenden Lebensweg des Pa-triarchen Jakob im Buch Genesis. Die biblischen Texte zeichnendessen Entwicklung auf, mit einer Wandlung vom Egoistenund Betrüger zum weisen und wahrhaftigen Menschen. In denHöhen und Tiefen dieses Lebensweges wird die Person des Ja-kob Modell und geistliche Anregung, das eigene Leben in ei-nem tieferen Sinn wahrzunehmen. Hintergründe und prakti-sche Hinweise zum Arbeiten mit den Texten zu Jakob rundendas Buch ab.

Georg Fischer, Knut BackhausBetenPerspektiven des Alten und Neuen Testaments (Die NeueEchter Bibel. Themen 14). Würzburg 2009.152 S. ISBN 978-3-429-03072-8

Die Bibel ist ein „Gebetslehrbuch“: Sie will zum Betenführen, und sie zeigt an ungezählten Situationen auf, wieBeten darin eine angemessene Weise ist, Gott zu begeg-nen. Überdies bringt sie eine Vielzahl exemplarischer Ge-bete, nicht nur in den bekannten Psalmen, sondern aucheingestreut in Erzählungen und andere Bücher. Das vor-liegende Buch gibt einen Überblick dazu, bespricht diewichtigsten dieser Gebete im Blick auf ihre Botschaft undzeigt deren Bedeutung für das persönliche Beten auf.

Konrad Breitsching in Zusammenarbeit mit HermannSteidl (Hg.)Partikularrecht der Diözese InnsbruckInnsbruck 2010.776 S. ISSN 2078�8266

Das Werk fasst weitestgehend das für die Diözese Innsbruckgeltende Teilkirchenrecht in einer für den Ausdruck als Lose-blattsammlung aufbereiteten PDF-Datei zusammen. Es ist unterhttp://www.uibk.ac.at/praktheol/teilkirchenrecht/dribk.pdfabrufbar. Unter http://www.uibk.ac.at/praktheol/teilkirchen-recht/ werden in Zukunft Ergänzungslieferungen ebenfalls alsPDF-Dateien downloadbar sein. Ziel des Werkes ist es, das inden verschiedenen Amtsblättern der Diözese Innsbruck ver-streute Teilkirchenrecht in einer systematisch geordnetenSammlung sowohl für die Praxis als auch das Studium leichterzugänglich zu machen.

Georg Gasser, Josef Quitterer (Hg.)Die Aktualität des SeelenbegriffsInterdisziplinäre Zugänge. Paderborn 2010.320 S. ISBN 978-3506769053

Mit dem Begriff der Seele wurde in der westlichen Geistes-geschichte die Sonderstellung des Menschen begründet.Heute ist der Begriff allerdings in Verruf geraten: Handelt essich tatsächlich um einen antiquierten Begriff? Oder ist derMensch doch mehr als ein komplexes biologisches System?Im vorliegenden Band untersuchen Naturwissenschaftler,Philosophen und Theologen, wie der Seelenbegriff im Lichtaktueller naturwissenschaftlicher Forschung sowie philoso-phischer und theologischer Überlegungen weiterentwickeltwerden und zum Verständnis des Menschen als psychophy-sische Einheit beitragen kann.Der Sammelband weist nicht ein Menschenbild als end-gültiges aus, sondern er macht auf den Begriff des Men-schen als eine offene Liste von Zuschreibungen aufmerk-sam. Diese Liste von Zuschreibungen kann mithilfe desSeelenbegriffs strukturiert und inhaltlich ausbuchstabiertwerden.

Christian Kanzian, Muhammad Legenhausen (Eds.)SoulA Comparative Approach. Heusenstamm bei Frankfurt2010.297 S. ISBN 978-3-86838-020-0

„Soul“ ist der dritte Band, der im Kontext der Kooperationzwischen der Theologischen Fakultät und unseren Partnernin Qom / Iran publiziert wurde. Was ist die Seele? Geht die Seele mit dem Tod des Menschenzugrunde? Was heißt es, dass der ganze Mensch aufersteht?Das sind Fragen, die sowohl in christlichen als auch in isla-mischen Traditionen vorkommen und gar nicht so unähnli-che Antworten finden. Philosophie und Theologie können soals Brücke für den religiösen Dialog dienen. Mit Beiträgenu.a. von Georg Gasser, Hans Goller, Hans Kraml, Josef Quit-terer, Mathias Stefan, Daniel Wehinger.

Liborius Olaf LummaCrashkurs LiturgieEine kurze Einführung in den katholischen Gottesdienst.Regensburg 2010.192 S. ISBN 978-3-7917-2252-8

Der Crashkurs Liturgie bietet fundiertes und leicht lesbaresGrundwissen über den katholischen Gottesdienst. Er the-matisiert Eucharistiefeier, Tagzeitenliturgie, Sakramenteund alle weiteren Ausdrucksformen der katholischen Litur-gie im römischen Ritus, verweist aber auch auf östlicheTraditionen. Der Geschichte der verschiedenen Liturgiefa-milien in Ost und West ist ebenso ein eigenes Kapitel ge-widmet wie dem Kirchenraum, den liturgischen Ämtern,der liturgischen Kleidung und dem Festkalender. Exkursebieten Vertiefungsmöglichkeiten zum Weiterdenken undHinweise zu aktuellen Auseinandersetzungen in der Litur-giewissenschaft. Zahlreiche Schautafeln und Abbildungenergänzen die Lektüre.

Liborius Olaf LummaFürbittenTaufe, Hochzeit, Ehejubiläum, Begräbnis. Tyrolia VerlagInnsbruck/Wien 2009.48 S. ISBN 978-3-7022-3060-9

Viele Angehörige möchten zu Anlässen wie Taufe, Hochzeit,Ehejubiläum oder Begräbnis den Gottesdienst mit ihren Für-bitten gestalten. Für jene, die nicht mit den liturgischen Vollzü-gen der Kirche und dem Formulieren von Gebetstexten ver-traut sind, ist dieses Büchlein gedacht. Die Sammlung regt an,auszuwählen und sich die jeweils passende Fürbittreihe zu-sammenzustellen.

Matthias Scharer, Bradford E. Hinze, Bernd Jochen Hilbe-rath (Hg.)Kommunikative TheologieZugänge – Auseinandersetzungen – Ausdifferenzierungen(Kommunikative Theologie – interdisziplinär 14).Deutsch-englisch, Wien/Berlin 2010.152 S. ISBN 978-3-643-50126-4

Die zahlreichen Publikationen zur KommunikativenTheologie in den letzten Jahren haben unterschiedlicheReaktionen ausgelöst. Dieses Buch greift diese auf, bringtkritisch-konstruktive Anfragen und zeigt Weiterführun-gen auf.

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Josef Meyer zu Schlochtern, Roman A. Siebenrock (Hg.)Wozu Fundamentaltheologie?Zur Grundlegung der Theologie im Anspruch von Glaubeund Vernunft. Paderborn u.a. 2010.320 S. ISBN 978-3506769701

Vorliegender Band dokumentiert das Treffen der Fundamental-theologInnen aus dem deutschen Sprachraum in Paderborn2009. Die unterschiedlichen Positionen, Methoden und Ansät-ze treten miteinander über die Grundlagen des Faches und derTheologie in einen offenen Diskurs. Daraus ist diese einzigar-tige Dokumentation des Prozesses entstanden.

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BAUSTELLE THEOLOGIE

Seit mehreren Monaten bereits beschäftigtsich die 1964 in Innsbruck geborene Künstle-rin Milena Meller mit dem Kunstgang derTheologischen Fakultät. Die Ergebnisse ihrer

Ortsrecherche zeigte sie nun in einer Ausstel-lung, die am 30. April eröffnet wurde. Meller,die ein Studium der Musikwissenschaften ab-solviert hat und sich seit vielen Jahren auch alsKulturkritikerin betätigt, begann Anfang derNeunzigerjahre mit fotografischer und male-rischer Arbeit. Sie ist seit 2009 Mitglied der Ti-roler Künstlerschaft.Milena Meller ist eine Ortserkunderin, eine Er-kunderin des Charakters von Orten. Ob priva-te oder öffentliche, urbane oder ländliche Or-te, Orte des Verweilens oder Durchgangsorte,funktionelle Orte oder Anti-Orte – sie alle ha-ben ihren je eigenen Charakter, und sie allewecken das Interesse der Künstlerin. Manspricht meist unbedacht von Orten und setztstillschweigend voraus, dass sich ein Ort ab-grenzen und umgrenzen lässt. Aber jeder Ortist irgendwie offen, hat Schnittstellen undÜbergänge zwischen Innen und Außen. Wobeginnt ein Platz? Wo hört er auf? WelcheGrenze hat ein Wald, eine Straße, das Meer –oder eben: ein langer Gang, der nur selten einOrt des Verweilens, sondern üblicherweise nurein Durch- und Verbindungsgang ist, den manmöglichst zeitsparend überwinden will.

Was ist ein Ort?Und wie erfährt man einen Ort? Zweifellos,wenn man ihn begeht und bewohnt, aber, umihm näher zu kommen, benötigt das Geduld;

man muss den Verlauf der Tages- und Jahres-zeiten abwarten, jahrelang Intimität mit ihmgewinnen. Im Konkreten erlebt man den vonMeller gewählten Ort des Ganges düster, kalt

und abstoßend oder sonnig, hell, mit spie-gelndem Marmorboden.Manchmal erschließt sich das Wesen eines Or-tes erst, wenn man ihn vergleicht mit der Um-gebung, in die er eingebettet ist – wenn manihn kontextualisiert. Man nähert sich dem Ver-ständnis dann aus dem Kontrast und derÜberraschung. Wie verändern sich Gegenstän-de, die wir alle kennen: Anschlagtafeln, Feuer-löscher, Türen und Lampen von einem Raumzum anderen und schließlich – umgekehrt:Wie verändern wir uns in Räumen? Was pas-siert mit uns, wenn wir von einem weiten ineinen engen Raum wechseln, von einem hek-tisch-funktionalen in einen gemütlichen?All diese Fragen umspannen das Feld, in demMilena Meller sich bewegt, und um auf sieAntworten zu finden, hat Meller die Fakultätund die Umgebung in den vergangenen Mo-naten mit ihrer Kamera häufig aufgesucht. Ih-re Raumexpeditionen beginnt die Künstlerinmit einer fotografischen Bestandsaufnahme.Die Fotografien zeigen den Raum von innenund außen, aus der Vogelperspektive, sie do-kumentieren die Umgebung, und die Fotogra-fin tastet sich durch den Sucher weiter zu di-versen Details, die sie sorgsam erkundet oderdie ihr zu-fallen (Zufälle). Bei der Betrachtungdieser Fotografien bleiben viele bestehen, an-dere werden übermalt, wieder andere lösendas Verlangen aus, sie abzumalen. Es entstehen

fotorealistische Malereien in Öl oder Acryl,wobei sich Ausschnitt oder Perspektive ändern.Die Wahrnehmung der Künstlerin beginnt,den Ort zu komponieren, es fließt ihre Befind-lichkeit ein, die das Sondieren am Ort in ihrauslöst. Manchmal werden die Malereien wie-derum abfotografiert. Die Vermischung derMedien entspricht den verschiedenen Erfah-rungsebenen und Wahrnehmungsweisen. Imeinen Medium geht die Arbeit schnell, im an-deren langsam vonstatten. So wie Orte ebenauf Menschen wirken. Manchmal nimmt manblitzschnell wahr, überblickt die Totale, oder esbleiben einzelne Details in der Erinnerunghängen. Ein andermal kostet man eineRaumerfahrung eine lange Weile aus. Mediensind Abbilder der Zeit. Raum und Zeit – das isteine alte Paarung. Raum und Zeit treten in ei-nen Dialog. Es gibt Orte des Verweilens undsolche, die der Geschwindigkeit dienen. IhreÖkonomie stiftet mitunter Verwirrung, MilenaMeller erzeugt Unschärfe in ihren Bildern,zoomt ins Detail, bis es durch die Spuren derZeit nicht mehr zuordenbar ist, und steigertderart den Grad der Abstraktion. All das ist derVersuch, dem näher zu kommen, was man das

Wesen oder den Geist eines Ortes nennt, dengenius loci. Das aber ist ein Geschehen, dasniemals an ein Ende gelangen kann.

Den Ort macht der Betrachter

Was die Künstlerin schließlich in der Ausstel-lung präsentierte, ist sozusagen ein screenshoteines dynamischen Vorgangs. Es ist ein Proto-koll der Ortserkundung, genauer: der Reflexi-on einer Künstlerin über diesen Ort.Es hing dort keine mimetisch-mediale Verdop-pelung des Ortes, sondern eine reflektierendeWahrnehmung, die sich mit der Wahrneh-mung des Betrachters von diesem Ort ver-mischt, seine Wahrnehmung anregt und sieverändert.Ort wird etwas ja nur, wenn der Betrachter esdazu macht, und dieser gemachte Ort reflek-tiert wieder auf den Betrachter zurück, ein Vor-gang, der so wenig einen Abschluss findet, wieauch Menschen nie mit sich selber fertig sind.(http://www.milena-meller.com)Bernhard Braun

„langer gang“von

Milena Meller

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„Bilder zur Apokalypse – anhand der liturgisch relevanten Texte“ Veronica von Degenfeld und Maria Leopold

Ausstellung im Kontext eines FWF-Forschungsprojektes

Die Ausstellung findet im Anschluss an das FWF-Forschungsprojekt zur kritischen Edition desbedeutenden Apokalypsekommentars des Benediktinerabtes Rupert von Deutz (1075-1129)statt. Im Rahmen dieses Forschungsprojektes wurde vom 28. Sept. bis 1. Okt. 2009 eine inter-nationale wissenschaftliche Tagung mit großem Erfolg veranstaltet, bei der neben der primärtheologischen Forschung nicht nur Vorträge über die kunsthistorischen Aspekte der Apokalyp-serezeption gehalten wurden, sondern auch eine Uraufführung von Prof. Kurt Estermann („Im-provisationen über Themen der Apokalypse“) in der Stiftskirche Wilten zu hören war.Die Ausstellung schließt an diese Verbindung von wissenschaftlicher Beschäftigung, gläubigemHören und kunstverständigem Wahrnehmen der Johannesapokalypse und ihrer Wirkungen an– womit die Auseinandersetzung mit dem letzten Buch der Bibel am Institut für Christliche Phi-losophie der Universität Innsbruck nun einen weiteren würdigen, intermedialen Höhepunkterfährt.Texte aus der Apokalypse des Johannes fanden nur an sehr wenigen Festen des KirchenjahresEingang in die Liturgie. Diese Textpassagen, mit denen uns die Liturgie der Kirche an einzelnenFesten konfrontiert, geben die Themen für die Bilder dieser Ausstellung vor. Es sind dies die lich-ten und glorreichen Passagen der Apokalypse, nicht die katastrophisch anmutenden. Die Bildergeben Eindrücke dieser verheißungsvollen, von der Kirche ausgewählten Passagen wieder.Die liturgischen Texte des jeweiligen Festes werden dem Betrachter mit an die Hand gegeben,sodass er anhand der Kombination von Bild und Text die anderen biblischen Tagestexte mit demAbschnitt aus der Apokalypse in Einklang zu schauen vermag – geben doch die Textpassagenaus der Apokalypse nur einen bestimmten Akzent an dem jeweiligen Fest in Vereinigung mitmehreren anderen Bibeltexten. Welche Akzentuierung innerhalb eines Festes der jeweilige Apo-kalypsetext zu geben vermag, kann durch die Betrachtung der Bilder tiefer erfahren werden (bis23. Juli).Rainer Klotz