Download - Zur Poststrukturalistischen Kritik des Scale-Konzepts. Für eine topologische Machtanalyse
hatten den Boden dafür bereitet, so -dass es gelang, auf der nationalen Ebene gegen den Widerstand des Wirtschaftsministerium und der mächtigen Energiekonzerne die Förderung. von· emeuerbaren Energien durchzusetzen. Die unterlegenen Konzerne sammelten ihr~ Kräf~ auf der supranatiQnalen Ebene. Durch Lobbying der EU-Kommission ut'ld -das Weiterziehen einer KJage an denEuropäischen Gericbtshof .versuchten sie di~ verhasste Einspeise~ verfügung zu kippen.
Für, Förderung von emeuerharen Euergien als Teil einer wirklieben Lösung der. Klimaproblematik war. die Ebenederintemationalen Klimapolitik bisber irrelevant. Die Erfolge dieses Industriezweigsin Deutschland führte .. ber d!"'!!, dass sich die Deutsche Regi~ung mit der .. Renewables"~RegierungskonfeIenz 2004 in Bonnfiireinen .
. parallelen internationalen ProZess stark m~hte. Die Bedeutung.von- natiom\len
_ Vorreitern_fUr den Erfolg yqn internationalen Ablrommen ist aus anderen . Bereichen. der internationalen (Umwelt-)Politik bekannt.
Das Thema der Anpassung an den Klimawandel wurde lange Zeit als Konkurrenz zu vorsorgendemHandeln gesehen und hatte deshalb weder bei den Vorre.itern unter den Staaten- noch unter den Umwelt-NGOs eine Lobby.
. Die besonderS betroffenen EntwicklüligsläDder waren in den Klimayer~. hanlllungen marginalisiert nnd die direkt Betroffenen "verletzlichen" Gruppen vollständig ab;"esend:Bei der von der internationalen und nationalen Ebeneerfoigenden Problemdelinition und -eingrenznng stehen geograpbische (Trockengebiete, tiefliegende Küsten) oder _sektorale (Subsistenzlandwirtschaft, Tourismus) Deterininanten vonVerwundbarkeit im Zentru~ nicht aber so?:io-ökonomische.-wie Margina~ lisierung oder Gender.
198
So überrascht. es auch nicht, dass eine Analyse der AnpaSsungsplanung in Tan'sani~ und Nicaragua' zu fol~ gendem Schluss kommt: ,,Die gegen-· wärtigen Instrumentarien und 'Strategien .zielen kaum auf die Förderung der Anpassungsfäbigkeit . der marginalisierten Bevölkerung. Die lilteressen derjenigen Bevölkerungsgruppen; die ~ufgrund sozialer, ökonomischer, gen~ derspezifischer und struktureller As- . pekte besonders verwundbar gegenüm;r den Folgen des Klimawandels sind, fliessen in die. ebenenü1iergrelfend"n politischen Plannugs- und Entscheidangsprozesse nicht oder nur sehr un~ureichend ein." (Einleitung)
. Das Buch' ist ein überzeugendes Beispiel für ein "thinking outside the box", das die ausgetreten· Pfade deS: Mainstreams verlüsst und den Klimawandel als eine tiefgreifende Gesellschaftskrise analysiert .. Es zeigt; dass lokale, nationale .und internationale' . Politikprozesse nicht imabhängig voneinander. begriffen werden können. Dass -die _ an~prucbsvone, Integration von verschiedenen Theorien, Analyseebenen und' Themensträngen nicht immer Überzeugend gelingt und einige Kapitel daher eher. nebeneinander als . miteinander in Beziehung stehen, ist bei so einem ambitionierten Projekt den AutorInnen nachzusehen:· Ebenso.
. dass keine einfa.;henLösnngenprüsentiert werden kÖnneiC :'"
Lösungsansätze können nicht von oben verordnet werden, "sondern müssen im gesellschaftlieben Diskursent; wickelt V{erden~" Damitdas Buchseitien Beitrag dazu leisten kann, müssten die wichtigsten Erkenntnisse aus diesem kollektiven sozialwissenschaftIichen Denkprozessh:erausgearbeitet und in . .eine alltags- mid poliliktauglicbe Sprache übersetzt wenten. Damit -aus dem Denken ein neues Handeln wird.
Andre .. Missbach
WIDERSPRUCH .:....S4I08
Markos Wissen, BerndRöttger, So-. sanneHeeg(Hrsg.): PolitiesofScale.
Räume der ·Globalisierung und Perspektiven emanzipatorischer Poli~. Westfälisches Dampfboot, Müns.ter~ .. 2008 (317 S.; € 29.90)
Erschütterungen hatte-es vorher schon gegeben, aber erit die Globalisierung . batdertraditionellenHnmangeographie endgültig den Boden unter den Füßen weggezogen. Die Gleichsetzung von ..Raum"-mitNaturi die lange.als Grund· lage diese~ DisZiplin fungiert hatte, war nicht mehr aufrechtzuerhalten, als deutlich wurde,in welchem U1igeheuerlieben Ausmaß ge~llschaftlich produzierte TechnikNaturverändert. Unddje .orientierung an nationalstaatlich um:grenzten Gebieten als ForscllUngsgegenständen der Geogruphie wurde offensichtlich obsolet, als grenzüberschreitende·_ Praxis im Bereich von . Produktion und:Konsumtion, v.0I! Poli- .. tik und Kultur dominant wnrde.
Im Ergebnis hat diese Erschiitlerung bisheriger Selbstverständlichkeiten die Geographie:von'ibrem bisherigen Stattis der Hilfswissenschaft emanzipiert und sie zu einem der .. relevantesteil Ideenspeicher für PoliwlogInnen, SozioIogInnen und kulturwissenscbaftliche(n) Forscherlnilen" werden laSsen,
:' schreiben Rianne;'cMahon upd Roger Keil im·vorliegenden Band.· Znm Teil ist dieser Bedeutungszuwachs aufden
. sog. spatial turn zurückzufübren, der sich im Mainstream dei Gesellschaftswissenschaft vollzog,_ als sich der Maßstab ökonomischer undpolitiscber Ptaxis nachdrücklich veränderte. Soweit dieser turn in cUe deu~he Gesell. s_chaftswissenscJ;1aft Eingang erhielt,ist er_ ganz überwiegend in 'ab$trakten Reflexionen über den Raum verarbeitet worden.
Die Herausgeber der Reip,e .. Rauril~ produktionen", deren dritter Band bier
WIDERSPRUCH - 54!08 .
zu besprechen ist, versuchen, die Grt~nzen derartiger: Reflexionen dadurch de~tlich' und.überwindbar zu machen. dass sie weiterreichende _ analytische Konzepte verÖffentlieben. Dabei handelt es sich msbesondere umDisku.ssionen im ZusammenhanR der sog. "Radical Geography'\ um die Arbeiten der Klassiker dieser Forschungsrichtung wie vor'allemHenri Lefebvre und DavidHarvey,aberaueh nm Anwendungen und Fortentwicklungen dieser Ansätze, an denen inzwis~hen-aucii hierzulande
· gearbeitet. wird,. Auf diese Weise soU nicht nur dieDiskussion unter Geograpbinnen und GeOgrapben beeinllusst, sondern auch deutlich gemacht werden, dass . es den Gesellschaftswissen
-schaften an ein~r neuen Raumtheorie gebricht.
Dieser Anspruch ist berecbtigt und . wird auch im vorliegenden Band der Reiheeingelöst,obwohl-un<!vielleicht sogar: weil - ·er die theoretischen und . analytischen Probleme, für die noch keine Lösung gefunden wurde, besonders deutlieb werden lässt. Beginnen Wir ,mit dem Titel: Dass die_ im Englischen . gebräucb.Iiche Formulierung
· Polincs 0/ Seal. für die deutsche. Ver~ öffentlichung übernommen wurde, verweist auf eiO inbaltlicbes Problem. Wörtlich übersetzt niüsste ini Deutschen von Politiken mit Ausrichtung auf unterschiedliebe Ma~stähe die Rede sein. Dann sind w;! aber~cimel1 wiederum \lei einem Konzept; das scales in Hi~rarchien einordnet, ihnen jeweils spezifische Eigensch"ften und womöglich ein dialektisches Verbältnis· zuschreibt.
Diese Gefahr ist auch in einigen · Beiträgen. zum vorliegendelJ; Band präsent (u.a. Stefan Kipfer, S; 91), besond.ers deutlich immer dann. wenD: die Zuordnung unterschiedlicher Kompetenzen zu lokalen, regionalen, nationalen ~ oder internationalen politischen
199
Institutionen diskutiert wird (Susanne Heeg). Die - im einzelnen durchaus interessanten - Ergebnisse hätten auch gefunden werden können, ohne dass vom Charme der angelsächsischen Terminologie (Bettina Köhler, S. 209) Gebrauch -gemacht worden wäre. Tatsächlich benutzt etwaMargitMayer den Terminus nur in der Überschrift ihres Beitrages, spricht ansonsten aber- von Arenen. Auch für die Anwendung der Arbeitsgeographie von Andrew Herod auf ein konkretes Forschungsprojekt zum überbetriebliclienEngageme~t von Betriebsräten (Bernd Röttger) wäre mit dem Terminus .,Arena" durchaus aus
, zukommen gewesen. Für einige Autorinnen_ und Autoren
zum vorliegenden Band liegt der Kern -der analytischen Konzeption Polities 0/ Seale in der Erkenntnis, dass Räume nicht nur durch konkrete ökonomische. politische und/oder kulturelle Strategien konstituiert werden, _also etwa
Au.I;"ch Verlagerung von Produktionsprozessen, durch mternationale governanee oder die weltweite Vermarktung VOn Moden und Denkrichtungen, sondern dass die so konstituierten Räume threrseits auf gesellschaftliche Prozesse und damit auch auf ganz ·konkrete Strategien zurückwirken. Wild diese Erkenntnis für kon~rete Analyse genutzt, besteht allerdings die Gefahr, dass die neukonstituierten Räume ~eoretisch gewissermaßen naturalisiert werden. Besonders deutlich wird diese Gefahr bei Versuchen, regulationstheoretische Ansätze mit den änalytischen _Konzepten skalarer Praxis zu verknüpfen (Christoph Scheuplein). Wir geraten hier leicht in jene Scholastik unterschiedlicher Institutionen, die sich in vielen regulationstheoretischen Beiträgen finden lässt.
Andererseits beharrt etwa Anke Strüver nachdrü.cklich darauf, dass scales als analytische KonstrUkte zu .
200
verstehen und Skalierungen deshalb keinesfalls als konstitutive Elemente gesellschaftlicher Beziehungen missverstanden werden dürfen. Damit wird zugleich das in der Scale-Debatte beliebte Konzept des jumping seale krItisiert, das seales als· bereits bestehende Räume unterstellt, zwischen denen sich Akteure hin und her bewegen (kritisch auch MahonfKeil, Belina und Brenner). Um dieser Gefahr zu entgehen,schlagen einige vor, nicht seales-zu untersuchen, sondern skalare Praxis, also Strategien und Prozesse der Skalierung und Reskalierung (nachdrücklich Belina). Der Fokus wird also auf Akteure und auf .
. deren einander widersprechende oder sich auch gegenseitig verstärkende Strategien !ier Veränderung räumlicher Maßstabsebenen verlagert.
Eine analytische Konzeption, -die darauf ausgerichtet wäre, das Verhältnis zwischen sealing- als Prozeß und scale .-als - -noch. so .vorübergehenderStruktur zu· bestimmen. wird damit ausgeschlossen. Markus Wissen (S. 20) hält das für eine problematische Folge dieser Interpretation. Wer -sich ihr anschließt, betont den instrumentellen Charakter -von Skalierungen und· sieht in diesen eine Dimension- der Räumlichkeit sozialer Prozesse. Neil Brenner hebt hervor (S. 58, 80), dass es zusätzliche Dimensionen räumlicher Prozesse gibt. Der Vorschlag (Paul zit. bei MahonlKeil, S. 41), statt von Globalisierung von resealing zu sprechen, ergibt sich folgerichti~ aus diesen Diskussionen.
Die Rezensent1n ist keine Geographin. Trotz ihrer Beschäftigung mit der Integration der Humangeographie in Ge~enschaftswissenschaft tut sie sich deshalb immer noch schwer damit;dass physisch-materielle Bedingungen gesellschaftlicher PraXis in wissenschaftlichen Diskussionen über Konzepte kritischer geographischer Analyse
WIDERSPRUCH - 54108
derzeit kaum eine Rolle spielen. Droso erleichterter war sie deshalb, in dem Beitrag von Matthias Bernt und Christoph Görg den Hinweis zu finden, dass Fließrichtungen von Gewässern nicht gesellschaftlich konstruiert slnd (S. 246), ihrerseits aber durchaus Probleme aufwerfen können, die in gesellschaftlich konstituierten Räumen bewältigt werden müssen. Tatsächlich werden im Zusammenhang der Diskussionen über Politics 0/ Seale - Bettina Köhler hat dies systematisch ausgeführt - Fragen nach Umwelt und- Kultur erst neuer-. dings gestellt (S. 208).
Dass ökologische Proze_sse sich nicht in die skalaren Strukturen staatlic
cher Regelungen einbinden lassen (Köhler, S. 213; Matthias Bemtl Chrisloph Görg, S. 227f.), ist inzwischen ebenso Alltagswissen wie die Feststellung, dass die Definition eines ökologischen Problems. vom jeweiligen Standpunkt abhängt. Globale Ressourcennianagerdiskt.ttieren die Gefaludung des Regenwaldes· anders als .~e dort lebende Bevölkerung.(ibid, S. 213).
Hier treffen wir also wieder auf das potentielle scale jumping von Akteurinnen. ein Argument, dem_ sich wohl nichtentgeheIi lässt, sobald governance im Spiel ist (S.218). Köhler selbst konzentriert sich dann aber auf Ansätze, in denen die Produktion von· Natur thematisiert ist, anders gesagt~ in denen nicht nur wechselseitige Einflüsse zwi-·- . sehen gesellschaftlichep. und n~türlichen Gegebenheiten angenommen, sondern eine dermaßen weitgehende Durchdringung unterstellt wird. dass nicht mehr länger zwischen Natur und Gesellschaft unterschieden werden kann (S. 215).
Ebenso wie vorfindliche .. Natur" das Produkt einer langen Geschichte gesellschaftlicher Prozesse und Konflikte darstellt, ist jede politik zugleich "Umweltpolitik" (S. 217). Während es
WIDERSPRUCH - 54/08
sich dabei vielfach um nichtintendierte Handlungsfolgen ,handeln mag, wird die Strategie der skalaren Restrukturierurig häufig durchaus bewusst eingesetzt. wenn es darum geht, den Zugang zu natürlichen Ressourcen zu kontrollieren (S. 218).
Bernt/Görg weisen daraufhin, dass kritische Diskussionen im Feld der Umweltanalysen die unterschiec,llichen scales vorläufig zumeist noch als gegeben unterstellen und _ damit wichtige Einsichten der Seale-Debatte (die Be-. deutung der Wahl einer- scale sowie Strategien der Reskalierung) ungenutzt bleiben. An zwei konkreten"_Problemfeldern, dem Millenium Ecosystem Assessment und der· Praxis des Stadt-. umbaus zeigen sie auf, welcher zusätzliche analytische Gewinn ihrer Ansicht nach-aus den Ansätzen, die dem Zusammenhang der Scale-Debatte entstammen, zu ziehen ist.
. Ebenso wie gegen weitere Beiträge zu di~sem Band lässt sic.h de~noch einwenden;dass eine stringente wissensch~ftliche Analyse_ der räumlichen Dimensionen -gesellschaftlicher Praxis auch ohne die Terminologie der Politics ofSeale ausk9mmen kann. Worauf sie allerdings nicht verzichten kann, ist die nachdrückliche Warnung vor scalar traps, vor Argumentationen also, die einzelnenscales, levels, sites bestimmte Eigenschaften- und eine - zUD;lindest zeitweise Dauer zuschreiben. Kaum jemand ist besser gewappnet, diese· Warnungen theoretisch überzeugend zu formulieren als- Geographinne_n. und Geographen;die sich gründlich mitder Kritik esseritialistischer Raumkonzepte beschäftigt haben. Der vorliegende Band ist deshalb allen zu empfehlen, die sich an die Analyse von Städten, von Ressourcenkonfiikten. von governanee und von Strategien globaler Restrukturlerung wagen wollen.
Heide Gerstenberger
201
Durch,chnitt im Gesamtumfang von fünf Monaten im Laufe des gesamten Studium,. Fast jedelr zweite Absolventlin (46,1 %) hat Erfahrungen in freiberuflicher Tatigkeit gesammelt.
Hohe Internationale Ausrichtung: Fast zwei Drittel (65,9 %) der Dortmunder Absolvent/innlen haben fachbezogene internationale Erfahrung während des Studiums erworben .. Dabei handeltees sich um ein Austauschstudium an einer ausländischen Hochschule (44 %), um Praktika außerhalb Deutschlands (21,1 %) oder um Studienprojekte mitThemen und Aufenthalten im Ausland (31,5 %). Für 9,3 % der Absolventl innlen ergab sich nach dem Studium eine Beschäftigung im Ausland, die auch zum Zeitpunkt der Befragung noch ausgeübt wurde. Dabei dominiert eindeutig Europa als Arbeitsmarkt. Aber auch bei den in Deutschland arbeitenden Berufsanfängerlinneln spielen internationale Bezüge für ihre Tatigkeit eine Rolle. Jeweils 31,5 % gaben zudem an, dass Auslandserfahrungen und Fremdsprachenkenntnisse wichtige Qualifikationen für ihre ersten Einstellungen waren.
Großer Stellenwert von Weiterqualifikationen: In Hinblick auf die perspektivische Übernahme von Leitungsaufgaben durch die Absolventl innlen ist zu berücksichtigen, dass ein gutes Viertel von ihnen sich entweder über ein städtebauliches Referendariat (16,8 %) oder eine Promotion (8,6 %) weiterqualifiziert. Darüber hinaus ha-
i " ben 7,8 % ein weiteres, aufbauendes Zusatzstudium aufgeno~men bzw. absolviert und 13,4 % ihre Qualifikationen für den Arbeitsmarkt durch unterschiedlichste und in der Regel weniger umfangreiche Weiterbildungsmaßnahmen geschärft.
Ungleiche Berufschancen für Mönner und Frauen: Bei allen Unterschieden im Detail sind die nach Geschlechtern differenzierten Daten im Bereich des Studiums weit weniger auffällig als beim Berufseinstieg und den Beschäftigungsverhältnissen. Für das Studium lässt sich zunächst fest- ' halten, dass Frauen tendenziell etwas bessere Abschlussnoten erzielen und mit ,einer etwas geringeren Studiendauer auskommen. Auch sammeln sie
BUChe,1
mehr Auslandserfahrung, während die i , Männer etwas mehr Praxiserfahru~g in ,
::::~:uf!~~:~~~:~:E~::::~:~~~:~ I Absolventen insgesamt schneller und : leichter gelingt. Dies lässt sich unter . Umständen dadurch erklären, dass die I männlichen Absolventen in wesent- , lieh stärkerem Maße über Kontakte, i j Netzwerke und vorherige Beschäftigungen ihre erste Einstellung erhalten
haben als Frauen (62 zu 48,8 %). Nach Beschäftigungsverhältnissen dominieren die Frauen dann deutlich stärker im Öffentlichen Dienst(56,8 zu 36,6 %), die Männer dementsprechend in der Privatwirtschaft (46,6 zu 35,1%). Beson-ders auffällig ist, dass Beschäftigungen an Hochschulen für Frauen eine große Rolle spielen (25,7 zu 8,4%).
Auch bei der Qualität der Beschäf-tigungsverhältnisse lassen sich deutliche Unterschiede zwischen den Ge-schlechtem feststellen, etwa in einem etwa doppelt so hohen Anteil von Absolventinnen in Teilzeitbeschäftigungen (14,9 zu 6,1 %) Und von Ab-solventen in Leitungsfunktionen (42,7 zu 24,4 %), Diese Unterschiede lassen sich auch beim Gehalt ablesen, wo-nach Absolventinnen nur auf 90 % des monatlichen Bruttoeinkommens der Absolventen kommen.
Ulla Greiwe und Volker Kreuzer sind Dipl.-Ing. Raumplanung,
Thomas Terfrüchte ist cand. ing. Raumplanung, AUe drei arbeiten am Studien- und Projektzentrum
des Instituts für Raumplanung (IRPUD) der Fakultät Rdumplanung,
Technische Universität Dortmund.
Literatur Bade, F.-JJBrand, CJGreiwe, U.ITerfrüchte,
TJUsunpv, K.: Absolventfnnenbefragung 2005, Arbeitspapiere des Instituts für Raumplanung, Nr. 185. Universität Dortmund 2005
Briedis, K.: Obergänge und Erfahrungen nach dem Hochschulabschluss. Ergebnisse der HIS-Absolventenbefragung des Jahrgangs 2005, Hannover 2007
Greiwe, UJKreuzer, VJTerfrüchte, T.: Absolvemlnnenbefragung 2007. Materialien "studium und Projektarbeit" 10. Zur beruflichen Lage der AbsolventInnen
, der Abschlussjahrgänge 2002 bis 2006 der Fakultät Raumplanung der TU Dortmund. Dortmund 2008
i 1 , ! i
I !
I , , 1 j , ! ! 1
! !
I • Markus Wissen, Betnd Röttger,
Susanne Heeg (Hg.)
Politics of Scale 1 und Perspektiven : emanzIpato-
rischer Politik. Raumproduktionen: Theorie
l Münster 2008, , ISBN 978-3-I ' ~;~}:~;~;~'€ 1 Mit "Raumproduktionen: Theorie und
i.: g~SellschaftBlichhe PhraXisd': befahsst
l sich
, eine neu~ uc re, e, ,e Sie a s e,n 1 Forum kritischer Raumforschung im : Rahmen kritischer Gesellschaftstheo: rie versteht. Die Beiträge in dieser Reil he bewegen sich jenseits des "Main
!,.! streamll und wollen alternative Forschungsansätze und Debatten um ge
i sellschaftliche Raumverhältnisse in die ! i raumbezogenen Wissenschaften ein-i bringen. Auch wenn der "Kritik"-Begriff , dabei vielleicht überstrapazieri wird, : so ist das Ansinnen der Buchreihe und ,
RaumPlanung 138/1~9 181
9
!BüCher
·damit des in ihrem Rahmen erschie- i der Raum- und Umweltforschung (z.
~~nb::~~~n~~~ti;Ö~i~~:~::i::~~~~ ! :~::~~i~~s~~:o~;:~~~~~:~~i:':)t!~ i
gefahrene Debatten mit neuen Denk- i feministisch-geografischen Ansätzen anstößen bereichert werden können.
Ein solcher Denkanstoß ist die "Scale-Debatte" der angloamerikanischen Radical Geography. welche die räumlich-maßstäblichen Dimensionen sozialen Handeins diskutiert. Es geht darum. wie Akteure durch skalare Strategien (das heißt durch Produktion und Veränderung räumlicher Maßstabsebenen) versuchen. Machtverhältnisse zu festigen. zu verschieben oder zu bekämpfen. Der Sammelband stellt das Scale-Konzept vor, reflektiertes aus der Perspektive weiterer Ansätze kritischer Gesellschaftstheorie undwill seine politischen ImpJikationen thematisieren. Er öffnet so die deutschsprachige Forschung fOr international gefOhrte Diskussionen - auch indem Wissenschaft-ler wie Roger Keil oder Neil Brenner als Autoren in dieser Publikation direkt zu Wort kOmmen und indem immer wieder auf Erkenntnisse und Annahmen von Forschern wie Henri Lefebvre. DavidHarvey. Bruno Latour oder Eric Swyngedouw Bezug genommen wird.
Damit geht notwendigerweise eine gewisse Theorielastigkeit des Bandes einher. Direkt praxisrelevante Erkenntnisse fOr die räumliche Planung sind aus diesem Band nicht zu gewinnen. auch der selbstformulierte Anspruch. "Perspektiven emanzipatorischer Politik" zu bieten. wird kaum eingelöst. Dazu hätte es zweifelsohne einer Zu-sammenfassung bedurft. welche die theoretischen Erkenntnisse der Einzel-beiträge aufeinander bezieht und zu gemeinsamen. möglicherweise. dann auch politikrelevanten Schlussfolgerungen zusammenfOhrt. In Ermangelung dessen sind die Leser/innen selbst" gefordert. aus den Einzelkapiteln des Bandes Schlussfolgerungen fOr Forschungsansätze bzw. politisches und planerisches Handeln zu ziehen.
Die möglichen AnknOpfungspunkte hierfOr sind vielfältiger Art: $0 setzt etwa Settina Köhler die Scale-Debatte in Bezug zu ökologischen Fragestellungen und thematisiert Matthias Bernt gemeinsam mit Christoph Görg Skalenprobleme als Herausforderung
182 RaumPlanung 138/139
1 i (A. StrOver) werden Forschungslinien
i aBUf~ehgriffen Undtztzudrscdale-D~batteu in i eZle ung gese i le erzelt zu ni recht keine "Konjunktur" (mehr) in den , i Raumwissenschaften haben. 1 Es ist eine große Stärke der ScaleI . Debatte. die "Verwobenheit"· räumI lichen Handeins abzubilden. Demnach
ist es beispielsweise abwegig. die I Globalisierung als einen universellen i Sachzwang aufzufassen. der quasi "von i oben" auf die Raumebene der Stadt i trifft und dort Handlungserfordernisse 1 auslöst. Lokale Probleme und Einflussi möglichkeiten sind zwar von natio-1 nalen und globalen Ebenen beeinI flusst - umgekehrt gilt dies allerdings ! ganz genauso. Die~e IIlnterdependenz: knäuel" (Bernt/Görg) sind typisch fOr i 1 eine Welt. in der die Nationalstaaten i ihre Möglichkeiten fOr hierarchische , , Anordnungen in ihrem Herrschaftsbe-! reich zugunsten supranationaler und 1 regionaler Strukturen eingebOßt haben. i Die Scale-bebatte bereichert die poli-1 1 tikwissenschaftliche (und auch in der : Raumwissenschaft vielfach. rezipierte) : Debatte um IIMultj-leve'-Governancef~ i indem die räumlichen Maßstabsebe-, , nen politischen Handeins (z. B. Nation. i Region. Stadt) nicht mehr einfach als i gegeben hingenommen werden. sonI dem die durchaus konfliktreichen Pro: zesse ihrer Produktion und Reproduktii on in den Mittelpunkt gerOckt werden. 1 1 Dabei spielen auch .emallzipatorische i Bewegungen eine Rolle (Beitrag Margit i Mayer). wenn lokale Anliegen im globalien Maßstab artikuliert werden und sich ! dadurch Handlungsräume verändern -i z. B. im Rahmen der Weltsozialforen. i Politics of Scale ist kein Buch für i Feinde von Anglizismen oder fOr Lei ser/innen. die raumtheoretische Abi handlungen gerne als"Begriffsschiebeirei" abtun. Wer jedoch einen kritischen i Blick auf die Rekonfiguration räum. lichen Handeins in Zeiten der Gloj balisierung werfen will und offen für . i gesellschaftstheoretische Herausfori derungen in den Raumwissenschaften !
'
1 ist; der wird hier Anregungen finden. Ludger Gailing, Berlin
• Götz von Rohr (Hg.)
Nachhaltiger Tourismus an Nord- und Ostsee S,=,:;,:~~~~~~n und ~mög~ C' IIchkeiten der
Landes~ und Rew
gionalpfanung, Arbeitsmaterial der ARL Nr. 340. Selbstverlag der Akademie für Raumforschung und Lpndesp'a~ nung. Hannover 2008, IS8N: 978-3-88838·340-3, 1265.,23,- €
In den deutschen KOstengebieten an Nord- und Ostseeist der Tourismusbereich einer der wichtigsten ökonomischen Impulsgeber. So hängen allein in Schieswig-Hoistein ca. 120.000 Arbeitsplätze von der Tourismuswirtschaft ab. die dort ca. 5 Mrd. € Umsatz erzielt. Das sich verändernde Konsum- und Freizeitverhalten hin zu häufigeren und kürzeren Reisen. preiswerten Flugreisen mit Billigfluglinien sowie eine immer stärkere Differenzierung von Reisenden als Zielgruppen stellen eine Herausforderung für die
großen Tourismusdestinationen dar: Es müssen immer neue Themen und Profile entwickelt werden.
Unvermeidliche Nutzungskonflikte. insbesondere solche zwischen einem weiter expandierenden. ökonomisch erwünschten Tourismus und einer ökologisch extrem sensiblen und schutzbedOrftigen Naturlandschaft in den Küstenbereichen machen auch eine Anpassung \ler raumordnerischen und landesplanerischen Zielvorstellungen und Instrumente erforderlich.
Die Arbeitsgruppe "Nachhaltige Tourismuseniwicklung an Nord- und Ostsee" der Landesarbeitsgemeinschaft Bremen. Hamburg. Niedersachsen. Schieswig-Hoistein in der Akademie fOr Raumforschung und Landesplanung (ARL) hat zu diesem Spannungsbogen einen Oberblicksband herausgegeben.
Darin werden Länderprofile zum. Küstentourismus in den beteiligten Ländern Niedersachsen und Schleswig-Hoistein vorgestellt. ergänzt um eine ausfOhrliehe Darstellung der schleswig-holsteinischen Tourismusstrategie 2006 und bezogen auf ihre
HR 2.2; NR 2.22, 2.27, 5.42, 4.43 Markus Wissen / Bernd Röttger / Susanne Heeg (Hrsg.) Politics of Scale. Räume der Globalisierung und Perspektiven emanzipatorischer Politik Münster: Westfälisches Dampfboot 2008 (Raumproduktionen: Theorie und Gesellschaftliche Praxis 3); 317 S.; 27,90 €; ISBN 978-3-89691-669-3
Der dritte Band dieser Buchreihe knüpft an zentrale Themen der im deutschen Sprachraum noch wenig verbreiteten .. Radical Geography" an, die mit Namen wie David Harvey, Doreen Massey oder .Edward Soja verbunden ist. Im Mittelpunkt steht die räumliche Dimension sozialer Konflikte, das dialektische Verhältnis zwischen Raum und Handeln. Dabei geht es nicht nur um die selektive Wirkung gegebener (geografischer) Räume auf die Tätigkeit unterschiedlicher sozialer Kräfte, sondern umgekehrt auch um die Produktion und Veränderung von (realen und fiktiven) Räumen mit dem Ziel, Machtverhältnisse zu festigen oder zu bekämpfen. Ausgehend von raumtheoretischen Reflexionen in Teil 1, mit denen zentra.le Konzepte der angloamerikanischen Scale-Debatte vorgestellt und diskutiert werden, analysieren die Autoren im weiteren Verlauf die Bedeutung dieser Debatte für sozialwissenschaftliche Konzepte wie Staat, Herrschaft und Macht. Zudem werden empirische Anwendungen in der Stadt-, Umwelt- und EU-Forschung vorgestellt sowie schließlich politische Perspektiven am Beispiel sozialer Bewegungen und gewerkschaftlicher Revitalisierungsperspektiven diskutiert. Ein längst überfälliges Buch, welches die inzwischen gut 3D-jährige Tradition der Radical Geography endlich auch einem breiteren Lesekreis von Studierenden und Sozia.lwissenschaftlern in Deutschland zugänglich macht. / BW (Autoren-Liste ZPol)
Erschienen online: 21.05.08
598 Besprechungen
Wissen, Markus, Bernd Röttger u. Susanne Heeg (Hg.), Polities oi Scale: Räume der Globalisierung und Perspektiven emanzipatorischer Politik, Westfälisches Dampfboot,
Münster 2008 (317 S., br., 29,90 €) Der >Spatial Turn< in den kritischen Sozialwissenschaften wird hier von Rianne Mahon
und Reger Keil vor dem _Hintergrund der traditionellen Skepsis der Linken gegenüber dem Raum dargestellt: » Beim Raum ging es um den Staat. Bei der Zeit ging es um die Revolution.« (35) Dann aber kam die sog. Globalisierung, und die Linke musste lernen, dass, so Markus Wissen, soziale Kämpfe auch immer eine räumliche Dimension haben, und dass die Reorganisation von Raum »ebenso Voraussetzung wie Medium und Resultat der Verschiebung soZialer Kräfteverhältnisse« ist (9). Es geht aber nicht einfach nur um den Raum, sondern um eine weitere Kategorie der Raumforschung, die Scale. Neil Brenner unterscheidet vier »Dimensionen der Räumlichkeit sozialer Prozesse«, und argumentiert, dass keine Perspektive, die eine dieser Dimensionen privilegiert, vollständig sein kann: das »Prinzip des Ortes«, der geographischen Nähe, der lokalen Einbettung der sozialen Prozesse; das Prinzip der Territorialität, des Ein- und Ausschlusses; jenes des Scaling, der vertikalen Differenzierung sozialer Beziehungen; und das der Vernetzung (60f). WaruI? also der Fokus auf Scale? Der Grund dafür liegt in der Globalisierungsdebatte. Dort dOITllnierte zuerst die Darstellung der Globalisierung als Naturereignis und Sachzwang. Es kam, so Bernd Belina, zur Naturalisierung der globalen Scale und ihrer Dominanz über andere (115). Die linke Antwort auf diese Tendenz beging nun denselben Fehler und flüchtete sich in einen defensiven Lokalismus, oder das, was Matthias Bemt und Christoph Görg die »lure ofthe local~~ nennen: eine Betrachtungsweise, welche »die lokale Ebene geradezu als Gegengewicht zur Globalisierung, als Refugium alternativer Lebensweisen« konstruiert 0.26). Gegen diese Tendenz zur Glorifizierung sowohl des Globalen als auch des Lokalen entfaltet das Scale-Konzept seine Kraft. Zentrales Argument ist, dass räumliche Maßstabsebenen - also das >Lokale<, >Nationale<, >Globale< etc. - »nicht vorgegeben existieren, sondern sozial konstruiert oder produziert werden« (209). Das heißt, dass auch das Lokale nicht apriori als Ort einer emanzipatorischen Praxis angesehen werden kann, sondern zuerst auf die dort vorherrschenden, und eine Lokalität erst als solche produzierenden, sozialen Kräfteverhältnisse hin untersucht werden muss.
Anke Strüvers feministische Perspektive auf die Debatte wirft hier aber eine interessante Frage auf: Kann es sein, dass die Kritik an der Überhöhung >des Lokalen< ein wenig ins Leere läuft, weil sie auf eine Strohfrau zielt? Kann es sein, dass die Konzentration auf die lokale Ebene keine ontologische ist, sondern eine Frage des »strategischen Essentialismus« (130)? Bemt und Görg formulieren eine vorsichtige Kritik an einer Position, die nur von der »<resellschaftlichen Produktion des Raumes« ausgeht: wie kann diese mit nicht gesellschaftli~h konstruierten räumlichen Dimensionen von Ökosystemen umgehen, w~e z.B. der Fließrichtung eines Flusses (246)? Stefan Kipferverteidigt Lefebvres Raumtheone und sein Konzept des Urbanen gegen die Übernahme durch die Scale-Debatte, indem er zei<rt, dass das Urbane als genuin >multi-skalare< Problematik vom Scale-Konzept nicht aus~eichend erfasst werden kann (99). Henning Füller und Boris Michel argumentieren, dass Scale nicht nur ein inhaltlich unscharfes Konzept sei und Gefahr liefe, eine neue Runde des sog. Raumfetischismus einzuläuten, es transportiere auch »ein sehr reduziertes Machtverständrus« (152) - und schlagen im Gegenzug eine foucaultsche Machtanalytik vor. Ulrich Brand argumentiert, dass die durchaus produktive Scale-Debatte an zwei Problemen leide: erstens an einer Untertheorisierung des Staates (174); zweitens an der irrigen Annahme, die Produktion räumlicher Maßstabsebenen sei unproblematisch und leite sich relativ direkt und ungebrochen aus den Intentionen mächtiger Akteure ab (175ff)
DAS ARGUMENT 27712008 ©
Ökonomie 599
- um diese Probleme zu umgehen, schlägt er einen Rekurs aufPoulantzas und Gramsci vor. Christoph Scheuplein geht weniger auf die Scale-Debatte als solche ein, sondern diskutiert die Herangehensweise der französischen Regulationstheorie an das Problem der sozialen Konstruktion des Raumes. Bettina Köhler wiederum zeigt die produktiven Möglichkeiten der Verbindungzwischen der Diskussion über Polities ofScale und der Debatte über Political Ecologylgesellschaftliche Naturverhältnisse auf. Die Verbindung zwischen diesen beiden Ansätzen verortet sie in einem gemeinsamen »historisch-geographisch-materialistischen« Verständnis der gesellschaftlichen Produktion des jeweiligen Analysegegenstandes: Scales in einem Falle, >die Natur< im anderen (217ft), wobei Political Ecology ihrer Meinung nach dadurch bereichert würde, dass ihre Tendenz zur Naturalisierung bestimmter Maßstabsebenen problematisiert würde.
Der Untertitel des Bandes verspricht Perspektiven emanzipatorischer Politik - diese kommen jedoch zu kurz. Erst die zwei letzten Beiträge nehmen sich dieser Frage ernsthaft an. Margit Mayer analysiert die multiskalaren Praxen städtischer und globaler sozialer Bewegungen als Reaktion auf das scale-jumping verschiedener Machtapparate, auf welche sich diese Bewegungen beziehen. Es wird deutlich, wie lokale Bewegungen auf Protestrepertoire und auch Machtressourcen anderer Scales zUIÜckgreifen ebenso, wie sog. globale Bewegungen immer auch in anderen Scales verwurzelt sind. Sie weist aber darauf hin, dass die von Brenner erwähnten anderen Dimensionen von Räumlichkeit ebenso notwendig sind, um die emanzipatorische Politik: heutiger sozialer Bewegungen zu verstehen (281). Bernd Röttgers Beitrag sticht mit Bezug auf die Kreativität des Ansatzes und die politische Qualität der formulierten These hervor: Sich auf einen Gramsci beziehend, der über den bekannten Theoretiker der Hegemonie deutlich hinausgeht, argumentiert er, dass sich aus der heutigen Krise der Gewerkschaften heraus Elemente einer neuen, autonomen Arbeiterpolitik entwickeln. Er besteht darauf, dass diese neuen Kampffonnen sich vor allem auf der betrieblichen Scale konstituierten, um dann von dort aus auf anderen Scales, zum Beispiel den zivilgesellschaftlichen, Bünqnisse zu schmieden. - Am Ende bleibt der Eindruck, dass das zentrale Argument der Scale-Debatte, welches von Betina schon als »truism«, als Gemeinplatz bezeichnet wird-nämlich dass »die räumlichen Maßstabsebenen des Sozialen gesellschaftliche Produkte sind« (111) - eine durchaus produktive Feststellung ist, aber mittlerweile eben doch auch ein Gemeinplatz. Allerdings einer, der häufig vernachlässigt wird. Tadzio Müller (KassellBerlin)
DAS ARGUMENT 277f2008 ©
208
und in der Praxis administrativrepressiven Führungsrolle der Partei schieden sich die Geister in Prag und Berlin." Zwar seien Wirtschaftsreformen, die eine höhere Effizienz, auch eine gewisse Selbständigkeit der Betriebe und ein nach unten delegiertes Gewinnstreben beinhalteten, grundsätzlich möglich gewesen. Nicht möglich hingegen wäre gewesen, die politischen Strukturen mit der letztendlichen Entscheidungsbefugnis der Partei und ihrer Führung anzutasten, was eben in der UdSSR der Fall war. Auch durften "die nationalen Reformversuche... nicht mit den sowjetischen allgemeinpolitischen und geostrategischen Interessen kollidieren ... " Typisch sei der Vorstoß der "Anti reformer gegen Ulbricht [gewesen], die sich genau wie Breshnew an dessen Anspruch rieben, das Sozialismuskonzepts jenseits der Weisungen Moskaus weiterzuentwickeln ... " Aus dieser Konstellation heraus hätten sich fur die Reformbestrebungen in den europäischen sozialistischen Ländern weitreichende Konsequenzen ergeben: "Das Niederwalzen des Prager Frühlings fuhrte eben auch zum Zerschlagen des Reformansatzes in der DDR und einer generellen Verkürzung reformerischer Ansätze auf wirtschaftlichem Gebiet, weil selbst ohne eine tatsächliche Demokratisierung das größere Gewicht der ökonomischen Eigendynamik immer auch eine Infragestellung der Führungsrolle der Partei bedeuten musste, in dem Politbürokraten zumindest durch Technokraten hätten verdrängt werden können." (80) Hier wird ein weiterer Aspekt der "unverstandenen Weichenstellung"
Z - Nr. 76 Dezember 2008
des Jahres 1968 gekennzeichnet: Es wurde allgemein im linken, sozialistischen Kräftespektrum nicht begriffen, dass Ende der 60er Jahre trotz anhaltender, noch immer Euphorie erzeugender Erfolge perspektivisch das Tor aufgebrochen wurde fur Erosion und Niedergang des realen Sozialismus im Osten, fur eine globale neoliberale Transformation des Kapitalismus im Westen und dass diese beiden Entwicklungen schließlich eine Niederlage aller linken und sozialistischen Kräfte mit sich brachten und diese mit einer neuen "Weichenstellung" konfrontierten.
Harald Neubert
Raumproduktionen Bernd Belina/Boris Michel, (Hrsg.), Raumproduktionen. Beiträge der Radical Geography - Eine Zwischenbilanz, Westfälisches Dampfboot, Münster 2007, 307 s., 27,90 Euro;
Uwe Krächer, Die Renaissance des Regionalen. Zur Kritik der Regionalisierungseuphorie in Ökonomie und Gesellschaft, Westfälisches Dampfboot, Münster 2007, 350 s., 29,90 Euro;
Markus Wissen/Bernd Röttger/Susanne Heeg, Politics 0/ Seale. Räume der Globalisierung und Perspektiven emanzipatorischer Politik, Westfälisches Dampfboot, Münster 2008,317 s., 29,90 Euro
Die Klage über die "Raumvergessenheit" der Sozialwissenschaften zieht sich durch die letzten Jabrzehnte. Zumindest in Deutschland hat dies einen besonderen Grund im Nationalsozialismus, der "das ganze
Buchbesprechungen
Vokabular aufgesogen oder doch zumindest kontaminiert" hat. Die Beschäftigung mit dem "Raum" war daher nach 1945 fast anrüchig; jahrzehntelang galt es häufig als reaktionär, sich mit dem "Raum" zu beschäftigen. Mittlerweile erleben die Sozialwissenschaften jedoch einen beispiellosen "Spatial Turn": Dies schlägt sich in einer mittlerweile nicht mehr überschaubaren Flut von Buchveröffentlichungen zu diesem Themengebiet nieder. Doch die deutsche Debatte leidet unter der nach wie vor unzureichenden Zugänglichkeit zentraler Texte, die seit den 1970er Jahren vorwiegend in Englisch, teils auch in Französisch erschienen, bis heute aber nicht in das Deutsche übersetzt worden sind: Dies gilt gleichermaßen fur Henri Lefebvres 1974 erschienenes Buch "La Production de l'Espace" wie fiir David Harveys 1973 erschienenes Buch "Social Justice and the City". Zum Schließen dieser Lücke trägt nach einem von Jörg Dünne und Stephan Günzel 2006 herausgegebenen Band mit Grundlagentexten aus Philosophie und Kulturwissenschaften nun eine weitere Veröffentlichung bei: Bernd Belina und Boris Michel sind Herausgeber einer Zwischenbilanz mit Beiträgen der Radical Geography. Es ist der erste Band der mittlerweile drei Bände umfassenden Reihe "Raumproduktionen". In der Einleitung zu ihrer Zwischenbilanz der Radical Geography erläutern Belina und Michel, dass ihr Interesse vor allem der spezifischen Rolle gilt, "die Räumlichkeit in sozialen Prozessen gegebenenfalls spielt" (8). Für sie zeichnen sich Versuche,
209
"Raum" in kritisch-materialistischer Theorie zu integrieren, zudem dadurch aus, keine abstrakte Theorie "des Raumes" formulieren zu wollen; vielmehr werde das Raumkonzept jeweils in Bezug auf die konkrete Problemstellung entwickelt. Der Sammelband bietet im ersten Teil ("Raumtheorie") eine Auswahl stärker theoretisch orientierter Beiträge: So etwa David Harveys Auseinandersetzung mit der Konstruktion einer historischen Geographie von Raum und Zeit (1990); ein Kapitel aus N eil Smiths Buch" Uneven Delelopment. Nature, Capital and the Production of Space" (1984); ein Kapitel aus Edward Sojas Buch "Postmodern Geographies" (1989) und Doreen Masseys Aufsatz "Politik und Raum/Zeit" (1992).
Der zweite Teil ("Raumforschung") präsentiert konkrete Raumproduktionen und stärker empirische Untersuchungen: unter anderem über Soziale Reproduktion in der privatisierten Stadt (Cindi Katz, 200 I), Klassenkämpfe in Baltimore (Andy Merrifeld, 2002) oder Ursachen und Folgen der Anti-Obdachlosen-Gesetzgebung in den USA (Don Mitchel, 1997). Gegenstand der Dissertation Uwe Kröchers - zweiter Band der Reihe Raumproduktionen - ist die Frage, ob die Region fiir ökonomische und gesellschaftliche Zusammenhänge in der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung an Bedeutung gewinnt, wie von neueren regionalwissenschaftlichen Ansätze behauptet.1
I Zu die,en An,ätzen zählt l(,öcher n.a. Ar, beiten über die räumlichen Ballungen von gleichartigen Unternehmen vor allem im "Dritten Italien", das Konzept regionaler
I I
! I
I
210
Als Ergebnis seiner Rekonstruktion verschiedener neuerer regionalwissenschaftlicher Ansätze und ihrer theoretischen und empirischen Kritik, stellt er fest: "Aus den theoretischen und empirischen Überlegungen lässt sich [ ... ] kein genereller Bedeutungsgewinn räumlicher Nähe ableiten, bei dem kleinräumige Produktionsbeziehungen eine Renaissance erfahren." (281) Obwohl die Arbeiten des new regionalism "hauptsächlich in einem progressiv geformten Wissenschaftsmilieu entstanden [sind]" (282), sind sie dennoch anschlussfahig an neoliberale Konzepte und "fungieren [ ... ] als Steigbügelhalter bei der neo liberalen Wettbewerbsformierung". (283) Als dominante Tendenzen für die aktuelle Raumordnungspolitik stellt Kröcher fest, dass die Zunahme "weieher" Steuernngsinstrumente nicht zum erhofften Machtgewinn der lokalen oder regionalen Ebene führt, sondern der Durchsetzung des neoliberalen Programms von mehr Wettbewerb und Privatisierung dient. Statt auf eine überregional ausgleichende Steuerpolitik wird zunehmend auf den marktwirtschaftlichen Wettbewerb zwischen den Regionen gesetzt. In diesen Rahmen eingebettet dient die partielle Regionalisierung von Staatlichkeit vor allem "der Durchsetzung marktlieher Steuerungsmöglichkeiten und einer besseren Privatisierung bisher öffentlich organisierter Aufgabenbereiche". (295) In der angloamerikanischen Radical Geography wird seit einiger Zeit ü-
Produktionscluster oder dem "global city"Ansatz.
Z - Nr. 76 Dezember 2008
ber die räumlich-maßstäbliche Dimension sozialer Konflikte diskutiert. "Es geht darum," - so die Herausgeber des Sammelbandes über Politics of Scale2 in ihrem Vorwort -"wie Akteure durch skalare Strategien, d.h. durch die Produktion und Veränderung räumlicher Maßstabsebenen Machtverhältnisse zu festigen, zu verschieben oder zu bekämpfen versuchen." (7) Um diese Debatte im deutschen Sprachraum bekannt zu machen, werden im dritten Band der Reihe Vorträge einer Konferenz in Toronto und eines Workshops in Wertpfuhl bei Berlin dokumentiert. Aufschlussreich ist die Einleitung von Markus Wissen (Zur räumlichen Dimensionierung sozialer Prozesse), der betont, "dass es sich bei der Schaffung, Abschaffung oder relativen Aufwertung von Maßstabsebenen nicht einfach um räumliche Konflikte, sondern um eine räumliche Dimension sozialer Konflikte handelt", mit "skalarer Dimension", also die räumliche Maßstäblichkeit sozialer Prozesse gemeint ist. Zentral auch die Einschätzung, dass solche Prozesse "keineswegs neutrale, sondern zutiefst herrschaftsförmige Prozesse [sind]." (9) Zum Verständnis der Scale-Debatte sei es daher wichtig, sich die Umkämpftheit und Veränderlichkeit von räumlichen Maßstabsebenen bewusst zu machen.
2 Für den Begriff Scale lässt sich im Deut-schen nur schwer eine adäquate Übersetzung finden. Er bezeichnet sowohl die einzelne räumliche Maßstabsebene als auch das Verhältnis verschiedener Maßstabsebenen zueinander. In dem besprochenen Band wird deshalb die englische Bezeichnung Scale in vielen Fällen beibehalten.
Buchbesprechungen
Der Sammelband bietet Raum, um die Annahmen, Kategorien und Ergebnisse der Scale-Debatte kritisch zu überprüfen und weiterzuentwickeln: zunächst aus einer raumtheoretischen Perspektive (mit Beiträgen von Rianne MahonIRoger Keil, Neil Brenner u.a.); dann indem die ScaleDebatte in Beziehung zu solchen Ansätzen gesetzt wird, die in den deutschsprachigen kritischen Sozialwissenschaften stärker diskutiert werden, also beispielsweise mit dem Poststrukturalismus (Henning Füller/Boris Michel), der Gramscianisehen Hegemonietheorie (Ulrich Brand) oder der Regulationstheorie (Christoph Scheuplein). Die empirische Fruchtbarkeit des ScaleKonzeptes wird am Beispiel der Stadt- und Umweltforschung (Matthias BerntiChristoph Görg) oder der Debatte über die Europäische Union (Susanne Heeg) überprüft. Und schließlich geht es etwa in den Beiträgen von Margit Mayer zu multiskalaren Praxen städtischer sozialer Bewegungen und von Bernd Röttger zur Revitalisierung der Gewerkschaften um die Frage, "inwieweit sich mit dem Scale-Konzept emanzipatorische politische Praktiken besser verstehen lassen und inwieweit das Konzept selbst solche Praktiken befruchten kann". (25)
Diese kurze Übersicht verdeutlicht, dass die drei Herausgeber Bemd Belina, Boris Michel und Markus Wissen und der Verlag Westfalisches Dampfboot mit den ersten drei Bänden der Reihe Raumproduktionen tatsächlich das angekündigte Forum für kritische Raumforschung bieten. Mit dieser neuen Veröffentlichungsmöglichkeit für die kritisch-
211
materialistischer Raumforschung verbindet sich die Hoffnung auf eine Intensivierung der sozial- und raumwissenschaftlichen Debatte im deutschen Sprachraum.
Hans Günter Bell
Soziale Gerechtigkeit Ursula Degner/Beate Rosenzweig (Hrsg.), Die Neuverhandlung sozialer Gerechtigkeit. Feministische Analysen und Perspektiven, VSVerlag, Wiesbaden 2006, 364 s., 49,90 Euro
Schon der Titel verweist darauf, dass Gerechtigkeit nicht allein als normatives Konzept im Sinne einer "Ordnung der Werte" zu begreifen ist, als vielmehr im Kontext sozialer Aushandlungsprozesse und -kämpfe. Die Herausgeber stimmen mit der von Nancy Fraser einleitend entfalteten Gerechtigkeitskonzeption überein, die die Dimensionen der Anerkennung, Umverteilung und Repräsentation gleichermaßen zu berücksichtigen versucht. Susanne Lettow arbeitet in Auseinandersetzung mit alternativen egalitaristischen und antiegalitaristischen Positionen das Verdienst Frasers heraus, die Transformation gesellschaftlicher Verhältnisse, in denen soziale Ungleichheit systematisch hervorgebracht wird, mitzudenken. Geteilt wird ebenfalls die Einschätzung, dass Inhalt und Form sozialer Kämpfe umso weniger national sein können, je weniger Keynesianismus in einem Lande möglich ist und je mehr transnationaJe Akteure mit Konzepten globaler Gerechtigkeit (Regina Kreide) hegemoniale Strukturen der Weltwirtschaft (Friederike Habermann) her-