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Entsorgung von HBCD-haltigem Polystyrol (Styropor) basierend auf einer Kundeninformation der EEW Energy from Waste GmbH Was ist HBCD? HBCD steht für HexaBromCyclo-Dodecan, eine Chemikalie, die in der Regel als Flammschutzmittel für Kunststoffe eingesetzt wird. Im Gebäudebereich wurden in der Regel Dämmplatten aus Polystyrol – auch bekannt unter dem Handelsnamen Styropor – damit behandelt, um die Entflammbarkeit zu minimieren. HBCD ist bei normalen Temperaturen fest und nur sehr wenig wasserlöslich HBCD hat sowohl für die Umwelt als auch für die menschliche Gesundheit negative Eigenschaften: Giftig, vor allem für Gewässerorganismen. Langlebig (persistent), das heißt, es wird in der Umwelt nur sehr langsam abgebaut. Bioakkumulierend, das heißt, es reichert sich in Lebewesen an. Hohes Ferntransportpotenzial: Die Chemikalie wurde in Fischen und Tieren in arktischen Regionen weit entfernt von der menschlichen Zivilisation gefunden. HBCD hat das Potenzial, die Entwicklung von Embryonen und Säuglingen zu stören. Wie viel HBCD-haltiges Polystyrol fällt in Deutschland an? Nach Angaben der Bundesregierung fallen jährlich in Deutschland rund 230.000 Tonnen Dämmmaterialien an. 42.000 Tonnen davon seien Dämmmaterialabfall in Form von Polystyrol und 35.000 Tonnen gemischter Baustellenabfall. Insgesamt geht die Bundesregierung von einem Aufkommen von jährlich 85.000 Tonnen aus (BT-Drs. 18/4129). Gemäß Destatis-Fachserie 19 von 2016 (Daten aus 2014): EAV 17 06 03* (anderes Dämmmaterial, das aus gefährlichen Stoffen besteht oder solche Stoffe enthält): 140.100 Tonnen EAV 17 06 04 (Dämmmaterial mit Ausnahme desjenigen, das unter 17 06 01 und 17 06 03 fällt): 88.800 Tonnen Q&A – Antworten auf häufige Fragen Düsseldorf, den 4. Oktober 2016

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Entsorgung von HBCD-haltigem Polystyrol (Styropor) basierend auf einer Kundeninformation der EEW Energy from Waste GmbH

Was ist HBCD?

HBCD steht für HexaBromCyclo-Dodecan, eine Chemikalie, die in der

Regel als Flammschutzmittel für Kunststoffe eingesetzt wird. Im

Gebäudebereich wurden in der Regel Dämmplatten aus Polystyrol –

auch bekannt unter dem Handelsnamen Styropor – damit behandelt,

um die Entflammbarkeit zu minimieren.

HBCD ist bei normalen Temperaturen fest und nur sehr wenig

wasserlöslich

HBCD hat sowohl für die Umwelt als auch für die menschliche

Gesundheit negative Eigenschaften:

Giftig, vor allem für Gewässerorganismen.

Langlebig (persistent), das heißt, es wird in der Umwelt nur sehr

langsam abgebaut.

Bioakkumulierend, das heißt, es reichert sich in Lebewesen an.

Hohes Ferntransportpotenzial: Die Chemikalie wurde in Fischen

und Tieren in arktischen Regionen weit entfernt von der

menschlichen Zivilisation gefunden.

HBCD hat das Potenzial, die Entwicklung von Embryonen und

Säuglingen zu stören.

Wie viel HBCD-haltiges Polystyrol fällt in Deutschland

an?

Nach Angaben der Bundesregierung fallen jährlich in Deutschland

rund 230.000 Tonnen Dämmmaterialien an. 42.000 Tonnen davon

seien Dämmmaterialabfall in Form von Polystyrol und 35.000 Tonnen

gemischter Baustellenabfall. Insgesamt geht die Bundesregierung

von einem Aufkommen von jährlich 85.000 Tonnen aus (BT-Drs.

18/4129).

Gemäß Destatis-Fachserie 19 von 2016 (Daten aus 2014):

EAV 17 06 03* (anderes Dämmmaterial, das aus gefährlichen

Stoffen besteht oder solche Stoffe enthält): 140.100 Tonnen

EAV 17 06 04 (Dämmmaterial mit Ausnahme desjenigen, das unter

17 06 01 und 17 06 03 fällt): 88.800 Tonnen

Q&A – Antworten auf häufige Fragen

Düsseldorf, den 4. Oktober 2016

EAV 17 09 03* (sonstige Bau- und Abbruchabfälle (einschließlich

gemischte Abfälle, die gefährliche Stoffe enthalten): 73.300

Tonnen

EAV 17 09 04 (gemischte Bau- und Abbruchabfälle mit Ausnahme

derjenigen, die unter 17 09 01, 17 09 02 und 17 09 03 fallen): 3,82

Mio. Tonnen

Bei dem Aufkommen muss die geringe Dichte von Polystyrol

berücksichtigt werden: Das Material ist bei einer Dichte von 0,015-

0,06 Gramm pro Kubikzentimeter federleicht. Die geringe Tonnage

sagt also nur wenig über das anfallende Volumen aus. Zur

Verdeutlichung: Ein aus dem Baustellenbetrieb bekannter 10cbm

Container fasst etwa 6 Tonnen gemischte Bau- und Abbruchabfälle

(Dichte 0,6). Will man hingegen 6 Tonnen Polystyrol transportieren,

so benötigt man hierfür 10 bis 30 dieser Container. Wahrscheinlich

sogar mehr, da ein solcher Container nie ohne Zwischenräume

beladen werden kann.

Wie wird das Material derzeit entsorgt?

Derzeit werden HBCD-haltige Dämmplatten aus Polystyrol

zusammen mit anderen Bauabfällen (gemischter Bauabfall) erfasst

und gemeinsam verbrannt. Das funktioniert sehr gut: Das

heizwertreiche Polystyrol wird energetisch verwertet und das HBCD

bei der Verbrennung in der MVA wie von der „Stockholm-

Konvention“ gefordert vernichtet.

Warum gilt HBCD-haltiges Polystyrol zukünftig als

gefährlicher Abfall?

Im Mai 2013 haben die Vertragsstaaten der Stockholm-Konvention

HBCD als persistenten organischen Schadstoff (persistant organic

pollutant – kurz POP) definiert. Für die Entsorgung bedeutet das,

dass das HBCD durch abfallwirtschaftliche Maßnahmen zerstört oder

unumkehrbar umgewandelt werden muss. Materialien gelten als mit

HBCD belastet, wenn die Konzentrationsgrenze von 1.000

Milligramm pro Kilogramm überschritten wird. Als geeignete

Maßnahme hierfür gilt die thermische Behandlung in einer gängigen

Abfallverbrennungsanlage.

Im März 2016 hat die EU die auf internationaler Ebene vereinbarten

Grenzwerte in die europäische POP-Verordnung übernommen.

Der Bundesrat hatte im November 2015 im Rahmen der Novelle der

Abfallverzeichnisverordnung (AVV) eine dynamische Verlinkung zur

POP-Verordnung in die AVV eingebracht (BR-Drs. 340/15 Beschluss).

Demnach gelten künftig automatisch alle in der POP-Verordnung

gelisteten Abfälle in Deutschland als gefährlich.

HBCD-haltiges Polystyrol wurde also nicht explizit, also willentlich, als

gefährlicher Abfall definiert. Die Einstufung als „gefährlich“ ist

vielmehr ein Nebenprodukt der AVV-Novelle. Europarechtlich

gefordert ist diese Einstufung nicht. Im Gegensatz zum Bundesrat

hält die Bundesregierung eine Einstufung als Sonderabfall nicht für

erforderlich (BT-Drs. 18/4129).

Was spricht für die Einstufung als gefährlicher

Abfall?

Gefährliche Abfälle müssen gesondert entsorgt werden. Das heißt,

sie müssen an der Anfallstelle – also in der Regel bei

Gebäudesanierungen oder einem -abriss – bereits getrennt erfasst

werden, um sie anschließend einem speziellen Entsorgungsweg

zuzuführen. In manchen Bundesländern gibt es eine Andienungs-

und Überlassungspflicht für gefährliche Abfälle. In diesen Fällen

müssen die Betriebe ihre Behörden darüber informieren, in welchen

Anlagen sie ihre gefährlichen Abfälle entsorgen wollen und um

welche Menge es sich dabei handelt. Die Behörde kann anschließend

eine geeignete Behandlungsanlage zuweisen.

In jedem Fall sind mit der Entsorgung von gefährlichem Abfall

strenge Nachweispflichten verbunden. Über Entsorgungsnachweise,

Begleit- und Übernahmescheine wird sichergestellt, dass der

gefährliche Abfall tatsächlich ordnungsgemäß entsorgt wurde. Diese

Kontrolle ist bei den meisten gefährlichen Abfällen gerechtfertigt

und notwendig, um eine sachgerechte Entsorgung zu gewährleisten

(beispielsweise Asbest).

Der Bundesrat hatte die automatische Einstufung von POPs als

gefährliche Abfälle damit begründet, dass die Überwachung der

POP-haltigen Abfälle nur sichergestellt werden kann, wenn sie der

Nachweispflicht unterliegen.

Was spricht gegen eine Einstufung als gefährlicher

Abfall?

HBCD-haltige Dämmplatten aus Polystyrol sind sowohl beim

Abbruch, als auch beim Transport umwelt- und arbeitsschutzrechtlich

unbedenklich. Es entstehen weder krebserregende, lungengängige

Stäube wie bei Asbest noch löst sich HBCD wegen der geringen

Wasserlöslichkeit bei Regen aus den Dämmplatten heraus und gerät

so unkontrolliert in die Umwelt. Eine abfallwirtschaftliche

„Sonderbehandlung“ ist unter den Aspekten Umwelt- und

Arbeitsschutz nicht erforderlich. Die thermische Entsorgung im

Rahmen einer gemischten Erfassung von Bauabfällen ist umwelt- und

sachgerecht.

Das Nachweisverfahren garantiert keine lückenlose Erfassung des zu

entsorgenden Materials: Denn nach Darstellung des

Umweltbundesamtes entfallen bei zu entsorgenden Mengen von

unter zwei Tonnen pro Jahr die Nachweispflichten. Bei einer Dichte

von 0,15 bis 0,06 Gramm pro Kubikzentimeter können also 33 bis 133

Kubikmeter HBCD-haltiges Polystyrol pro Jahr entsorgt werden, ohne

eine Nachweispflicht erbringen zu müssen.

Die getrennte Erfassung und gesonderte Entsorgung ist bürokratisch

aufwändig und verteuert die Entsorgung. Der Heizwert von

Polystyrol ist mit 38,5 Megajoule pro Kilogramm etwa vier Mal so

hoch wie der von gemischtem Siedlungsabfall.

Müllverbrennungsanlagen sind auf einen derart hohen Heizwert

nicht ausgelegt. Um den Heizwert zu senken, müssten die getrennt

erfassten Monochargen deshalb zunächst einer Vorbehandlung

unterzogen werden, bevor sie thermisch verwertet werden können.

Dabei müssten die Dämmplatten zunächst in kleinere Teile

gebrochen werden, um sie anschließend im Bunker mit Abfällen

vermischen zu können, die über einen geringeren Heizwert

verfügen. Aufgrund der notwendigen Vorbehandlung in Folge des

hohen Heizwertes sowie der sehr geringen Dichte von Polystyrol

schätzen Betreiber von thermischen Abfallbehandlungsanlagen die

Entsorgungskosten einer Polystyrol-Monocharge auf etwa 1.600 bis

2.000 Euro pro Tonne. Das wäre etwa 13-17 Mal so viel wie derzeit

marktüblich für die thermische Verwertung einer Tonne gemischten

Bauabfalls verlangt wird.

Die hohen Entsorgungskosten verteuern die energetische Sanierung

von Gebäuden und konterkarieren damit die energie- und

klimapolitischen Ziele der Bundesregierung und der Regierungen der

Bundesländer. Aufgrund der sehr guten Auftragslage der deutschen

Bauwirtschaft – der ZDB rechnet für 2016 mit einem Umsatzwachstum

von 4-5 Prozent – werden Bau- und Abbruchunternehmen in der

Lage sein, die deutlich höheren Entsorgungskosten vollständig auf

die Bauträger (Kommunen etc.) umzuleiten.

Es ergibt wenig Sinn, HBCD-haltige Dämmplatten zunächst

aufwändig getrennt zu erfassen, um sie anschließend – ggf. im

Rahmen einer Vorbehandlung – zu brechen, um sie wieder mit

anderen niederkalorischen Abfällen vermischen zu können. Das

Verfahren ist bürokratisch aufwändig, wirtschaftlich teuer und führt

zu keinem größeren Umweltnutzen. Die bisherige Praxis der

Erfassung von HBCD-haltigem Polystyrol im Rahmen des gemischten

Bauabfalls ist sowohl ökologisch als auch arbeitsschutzrechtlich

unbedenklich und garantiert bei einem deutlich geringeren

Aufwand und zu niedrigeren Kosten ebenfalls die geforderte

vollständige Zerstörung von HBCD bei gleichzeitiger energetischer

Verwertung des Polystyrols.

Eine technische Studie von Plastics Europe hat ergeben, dass die

thermische Entsorgung von HBCD-haltigen Polystyrol am besten

funktioniert, wenn das Material gemeinsam mit anderen Stoffen als

gemischter Baustellenabfall erfasst und an die Abfallverbrennungs-

anlage geliefert wird.

Kann es kurzfristig zu Entsorgungsengpässen

kommen?

Dies ist bei unveränderter Gesetzeslage aus mehreren Gründen

möglich und auch wahrscheinlich:

Nicht jede thermische Abfallverwertungsanlage in Deutschland

besitzt die behördliche Genehmigung zur Verwertung von als

gefährlich deklarierten Abfällen. Nach gemeinsamer Darstellung

des Industrieverbandes Hartschaum (IVH) und der ITAD gibt es

derzeit nur etwa 30 thermische Abfallverwertungsanlagen, die

HBCD-behaftetes Polystyrol annehmen. Wie viele hiervon

Monochargen verwerten dürfen, ist unklar.

Für Anlagenbetreiber, die bisher keine entsprechenden Abfälle

angenommen haben, diese Abfälle also neu in die Liste der von

ihnen angenommenen Abfälle aufnehmen wollen, bedeutet die

Aufnahme dieser gefährlichen Abfälle in den Annahmekatalog

der Verbrennungsanlage allerdings eine wesentliche Änderung,

die eines neuen Genehmigungsverfahrens nach

Bundesimmissionsschutzgesetz bedarf. Die Anlage muss diesen

Genehmigungsantrag stellen, über den innerhalb einer Frist von

bis zu sechs Monaten entschieden werden muss. Fraglich ist, ob

dies in sogenannten großen Verfahren mit

Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgen muss.

Aufgrund der auch in absehbarer Zukunft guten bis sehr guten

Auslastung der thermischen Abfallverwertungsanlagen mit

entsprechend hohen Bunkerständen in Deutschland ist eine

Mitverbrennung von mechanisch nicht vorbehandelten

(geschredderten/beigemischten) Monochargen Polystyrol technisch

kaum umsetzbar. Seitens des Branchenverbandes bvse werden für die

hohe Auslastung der deutschen Anlagen u.a. Abfallimporte aus

Großbritannien verantwortlich gemacht. Hierbei wird aber nicht

deutlich gemacht, welche der Abfälle importierenden Anlagen auch

Polystyrol verwerten dürfen.

Zudem sind die Importmengen aktuell rückläufig, wie die

entsprechende ITAD-Mitgliederumfrage 2016 zeigt:

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200000

400000

600000

800000

1000000

1200000

1400000

2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016(Prognose)

BeNeLux UK Italien Irland sonstige

Können Betreiber von thermischen

Abfallbehandlungsanlagen seitens des Gesetzgebers

gezwungen werden, Polystyrol in Monochargen

anzunehmen?

Nein.

Wie geht es weiter?

Viele Betreiber thermischer Abfallbehandlungsanlagen prüfen

derzeit bei ihren Anlagen im Einzelfall, wie hier weiter verfahren

werden kann. Dabei sind folgende Aspekte relevant:

Rechtlich zu klärende Fragen, die derzeit von Bundesland zu

Bundesland unterschiedlich sind,

Fragen der technischen Machbarkeit der Verwertung der

Monochargen,

arbeitsschutzrechtliche Voraussetzungen (Schulungen,

Arbeitsschutzkleidung, usw, die für die Behandlung des Materials

notwendig sind sowie

wirtschaftliche Fragen, die durch den – sofern möglich – erhöhten

technischen und organisatorischen Aufwand bei der Behandlung

dieser Monochargen zu beachten sind.

Die Ergebnisse der Prüfungen werden dann entsprechend den

Anlieferern/Kunden mitgeteilt.

Anmerkungen/Literatur:

Auch das Umweltbundesamt sieht beim Durchlaufen der einzelnen

Entsorgungsstufen (Abbruch, Transport und thermische Behandlung)

von HBCD-haltigen Dämmplatten keine Gesundheitsrisiken, wenn

die arbeitsschutz-rechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.

Wurbs, Johanna et. al.: Hexabromcyclodocedan (HBCD), Antworten

auf häufig gestellte Fragen, hrsg. v. Umweltbundesamt, 5. überarb.

Aufl., Dessau-Rosslau 2016, S. 12

Dresch, Hans et. al.: Verwertung von Polystyrol-Schaumstoffabfällen

mit HBCD, Untersuchung zur energetischen Verwertung von

expandiertem Polystyrol-Schaumstoff (EPS) und extrudiertem

Polystyrol-Schaumstoff (XPS), die als Flammschutzmittel Hexabrom-

cyclododecan (HBCD) enthalten, durch die Mitverbrennung in der

Abfallverbrennungsanlage für kommunale Abfalle der Stadt

Würzburg, hrsg. v. Plastics Europe, Brüssel 2015.

Polyurethan-Hartschaum (PU) enthält kein HBCD. Um zu vermeiden,

da dieses ebenfalls geschäumte Material von der Annahme

ausgeschlossen wird, hat der IVPU - Industrieverband Polyurethan-

Hartschaum eine Abgrenzungshilfe veröffentlicht.

Aktuelle Information 07. Oktober 2016

Häufig gestellte Fragen zur Entsorgung und zum Recycling von Dämmstoffabfällen aus Polyurethan-Hartschaum (PU) In Deutschland wird zur Zeit intensiv über das Thema „gefährlicher Abfall“ diskutiert. Der Grund dafür ist ein Beschluss des deutschen Bundesrats: Ab 30.09.2016 sind Dämmstoffe, die mehr als 0,1 % HBCD enthalten als gefährliche Abfälle einzustufen. Diese Abfälle müssen gesondert behandelt werden, d. h. getrennt erfasst und mit entsprechenden Nachweisen belegt. Betroffen von dieser Regelung sind Dämmstoff-Abfälle aus Polystyrol-Hartschaum (EPS und XPS), die das Flammschutzmittel HBCD enthalten. Nur Verbrennungsanlagen mit entsprechender Zulassung dürfen solche Dämmstoffabfälle thermisch verwerten. Die Praxis der letzten Tage zeigt jedoch, dass viele Entsorgungsfirmen, Bauhöfe und Müllverbrennungsanlagen auch die Annahme der Verschnittreste von anderen Dämmstoffen erschweren bzw. generell ablehnen. Mangelnde Aufklärung über den Sachverhalt und keine Differenzierung der Schaumkunststoffabfälle sind mögliche Ursachen und verschärfen das Entsorgungsproblem. Aus diesem aktuellen Anlass informiert der IVPU Industrieverband Polyurethan-Hartschaum e. V. zu häufig gestellten Fragen bezüglich der Differenzierung von Hartschaum-Dämmstoffen, des Recyclings von PU-Dämmstoffen und Lösungsvorschlägen für die Entsorgungsproblematik mit wichtigen Fakten und Empfehlungen. Was ist Polyurethan-Hartschaum (PU)? Polyurethan-Hartschaum (PU) ist ein geschlossenzelliger Hartschaum, der für die hochwertige Dämmung von Dächern, Wänden und Böden, sowie für haus-und betriebstechnische Anlagen verwendet wird. Polyurethan-Hartschaum gehört nicht zur Polystyrol-Dämmstoffgruppe, sondern ist ein hoch leistungsfähiger, Temperatur beständiger Polymerschaum. PU-Dämmprodukte gibt es in Form von Platten mit Aluminium-oder Mineralvlies-Deckschichten, als Verbundelemente mit zusätzlichen Funktionsschichten (z. B. Holzwerkstoffe, Ausbauplatten, Unterdeckbahnen), als Blockware und als Sandwichelemente für den Industriebau. Weitere Informationen über die Vielfalt der PU-Dämmsysteme: http://www.uegpu.de/polyurethan-daemmstoffe/daemmsysteme/

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PU-Dämmelement mit Aluminium-Deckschicht und aufkaschierter Unterdeckbahn. Woran kann man Polyurethan-Hartschaumabfälle erkennen? PU-Hartschaum erkennt man an seiner charakteristischen gelblich-bräunlichen Farbe und seiner feinzelligen Struktur. Die Schaumoberfläche fühlt sich leicht „sandig“ an, die Bruchstücke sind scharfkantig. Typisch für PU Dämmplatten sind Kaschierungen aus Alu-/Aluverbundfolien oder Mineralvlies, die manchmal bedruckt sind. Dies gilt nicht für PU-Blockschaum, der grundsätzlich ohne Beschichtungen hergestellt wird. PU-Hartschaum gehört nicht zu Kunststoffschäumen, die eine weiße, dunkelgraue, hellgrüne, blaue, violette oder rosa Farbgebung oder ein schwarzgrau-weißes Dalmatiner-Muster haben. Wie unterscheidet sich PU-Hartschaum von Polystyrol-Hartschaum (EPS und XPS)? Die chemischen und physikalischen Eigenschaften von PU-Hartschaum unterscheiden sich grundsätzlich von anderen Kunststoffschäumen wie z. B. Polystyrol-Hartschaum. Im Gegensatz zu Polystyrol schmilzt PU nicht und wird von Lösungsmitteln nicht angegriffen oder aufgelöst. Die Löslichkeit von Polystyrol in Lösungsmitteln wie z. B. Aceton oder Ethylacetat ist ein zuverlässiges Unterscheidungsmerkmal.

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Enthält PU-Hartschaum das Flammschutzmittel HBCD? Nein - weder in der Vergangenheit noch heute. Dämmstoffe aus PU-Hartschaum enthalten kein HBCD oder andere als SVHC klassifizierte Stoffe. Für die Herstellung von PU-Dämmstoffen wurde nie das Flammschutzmittel HBCD verwendet. Deshalb betrifft die aktuelle Abfalleinstufung von Polystyrol-Hartschaum (EPS und XPS) mit HBCD nicht PU-Dämmstoffe. Sind PU-Dämmstoffabfälle gefährlicher Abfall? Nein. PU-Dämmstoffabfälle sind nicht als gefährlich eingestuft. Sie müssen nicht getrennt gesammelt werden. Sie können zusammen mit dem Hausmüll oder als gemischte Bau- und Abbruchabfälle thermisch verwertet werden. Es besteht keine rechtliche Grundlage, die Annahme von PU-Dämmstoffabfällen zu verweigern.

Dämmstoffabfälle aus PU-Hartschaum - erkennbar an der gelb-bräunlichen Farbe und leicht „sandigen“ Oberfläche. Welchen Abfallschlüssel haben PU-Dämmstoffabfälle? Die Abfallschlüsselnummer von Dämmmaterial aus Polyurethan-Hartschaumabfällen lautet AVV 170604, d. h. PU-Dämmmaterial ist kein gefährlicher Abfall. Wichtig: Sie können zusammen mit dem Hausmüll bzw. als hausmüllähnlicher Abfall (AVV 200301) oder als gemischte Bau- und Abbruchabfälle (AVV 170904) einer thermischen

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Verwertung in jeder Hausmüllverbrennungsanlage oder jedem Müllheizkraftwerk verwertet werden. Im Gegensatz zu Polystyrol-Hartschaum müssen PU-Dämmstoffabfälle nicht getrennt gesammelt werden. Preislisten von Entsorgungsfirmen, die PU-Dämmstoffabfälle als gefährlichen Abfall einstufen sind falsch. Können PU-Dämmstoffabfälle recycelt werden? Ja. Saubere Verschnittreste und Produktionsabfälle werden beispielsweise zu Bauelementen recycelt, die in Fassaden oder im Dach als Anschlussdetails, Profile oder Leisten eingesetzt werden. Sie lassen sich wie Holz bearbeiten, sind alterungsbeständig, feuchtigkeitsresistent und formstabil. Nicht verunreinigtes PU-Hartschaum Material kann also sortenrein gesammelt und dem Recycling zugeführt werden.

Traufbohle aus recyceltem PU-Hartschaum.

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Was können Handwerker tun, wenn ein Entsorger die Annahme von PU-Dämmstoffabfällen verweigert? Zunächst ist es wichtig, dass der Entsorger zwischen HBCD-haltigen Polystyrol-Abfällen und PU unterscheidet. Tut er dies nicht und verweigert die Annahme von „PU“ generell, empfehlen wir, ihn auf die Abfallschlüsselnummer von PU-Dämmstoffabfällen hinzuweisen. Sie können den Entsorger dahingehend unterstützen, indem Sie Informationen vorhalten, aus denen hervorgeht, dass PU-Dämmmaterialein kein gefährlicher Abfall sind und es keine rechtliche Grundlage gibt, die Annahme zu verweigern. Diese Fakten sind wichtig:

Die Einstufung von Abfällen richtet sich nach der Abfallverzeichnisverordnung AVV (https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2503/dokumente/abfallverzeichnis-verordnung_2016.pdf). Nach AVV ist Polyurethan-Hartschaum dem Abfallschlüssel 17 08 04 zugeordnet. Ein Entsorger kann also die Klassifizierung des Abfalls nicht vorgeben.

Im Technischen Produktdatenblatt des Herstellers sind die Informationen zur Verwertung und Entsorgung des Produkts aufgeführt. Wir empfehlen, das Technische Produktdatenblatt bei Bedarf dem Entsorger vorzulegen.

Für Dämmstoffe aus Polyurethan-Hartschaum liegen Umwelt-Produktdeklarationen (EPDs) nach ISO 14025 und EN 15804 vor. Herausgeber ist das Institut Bauen und Umwelt e. V. IBU. Sie enthalten Informationen über die Grundstoffe, Inhaltsstoffe und Entsorgung von PU-Dämmstoffen. Die EPDs können von der IVPU Website heruntergeladen werden: http://www.ivpu.de/cms/front_content.php?idcat=48

Auch das Umweltsiegel pure life bestätigt, dass Dämmprodukte aus Polyurethan-Hartschaum HBCD-frei sind. Weitere Informationen: http://www.uegpu.de/pure-life/anforderungen/

Welche Lösungsvorschläge der Verbände der Entsorgungswirtshaft sind im Gespräch?

Als Folge der Einstufung von HBCD-haltigen Polystyrol als gefährlichen Abfall ist ein Entsorgungsengpass eingetreten. Die Verbände der Entsorgungswirtschaft wie auch die Handwerksverbände fordern die Länder deshalb auf, Maßnahmen zu ergreifen, um eine geordnete Entsorgung zu ermöglichen. Der BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. bringt in diesem Zusammenhang ein Drei-Punkte-Programm ins Gespräch. - Anlagengenehmigungen für Müllverbrennungsanlagenbetreiber und vorgelagerte

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Entsorger erleichtern, sofern die jeweilige Abfallverbrennungsanlage die technischen Voraussetzungen erfüllt.

- Zulässige Mischungsanteile erhöhen: Abfälle nach Abfallschlüssel „AVV 17 09 04 gemischte Bau- und Abbruchabfälle“ sollten bis zu Mischungsanteilen von 10 Volumenprozent von HBCD-haltigem Dämmstoff im Gemisch als nicht gefährlicher Abfall der Entsorgung zugeführt werden dürfen.

- Vorbehandlung für bestimmte gefährliche Abfälle mit Abfallschlüssel AVV 17 06 03*.

Weitere Informationen: BDE Deutsche Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. http://bde.de/assets/newsletterpdfs/pressemitteilung/2016/PM-16-09-23-HBCD-Loesung.pdf ITAD Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland e.V. https://www.itad.de/information/studien/ITADQAzuHBCDhaltigenAbfllen.pdf Wo findet man schnell weitere Informationen über Dämmstoffe aus Polyurethan-Hartschaum (PU)? Stellungnahme des IVPU zur Entsorgung von PU-Dämmstoffabfällen http://www.ivpu.de/cms/upload/pdf/IVPU_Stellungnahme_Entsorgung_von_Daemmstoffabfaellen_aus_PU-Hartschaum.pdf Website des IVPU - Industrieverband Polyurethan-Hartschaum e. V. www.ivpu.de Website der ÜGPU Überwachungsgemeinschaft polyurethan-Hartschaum e. V. www.ügpu.de Grüner Leitfaden für Bauherren und Sanierer http://www.daemmt-besser.de/cms/upload/pdf/IVPU_Gruener_Leitfaden.pdf Umwelt-Produktdeklarationen (EPDs) für PU-Dämmstoffe http://www.ivpu.de/cms/front_content.php?idcat=48 IVPU - Industrieverband Polyurethan-Hartschaum e. V. Im Kaisemer 5, 70191 Stuttgart [email protected] Oktober 2016