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Aktuelles PLUS LUCIS 3/2000 29 Vor nunmehr drei Jahrzehnten wurde das Institut für Welt- raumforschung von der Österreichischen Akademie der Wis- senschaften gegründet. Es bestand zunächst aus einer Reihe von Abteilungen in Wien, Innsbruck und Graz und wurde erst später nach einem Konzentrationsprozess in Graz etabliert. Auf dem Gebiet der theoretischen, experimentellen und ange- wandten physikalischen Weltraumforschung sowie der Satelli- tengeodäsie weist es eine Vielfalt von Forschungsrichtungen und Forschungstätigkeiten auf. Daher kann ohne Einschrän- kung gesagt werden, dass im Institut für Weltraumforschung der derzeit größte Teil der in Österreich durchgeführten Welt- raumwissenschaften konzentriert ist. Das Institut wird derzeit vom Geschäftsführenden Direktor, o. Univ.-Prof. DI DDr. Willibald Riedler geführt, welcher auch die Abteilung für Ex- perimentelle Weltraumforschung leitet. Die Abteilung für Sa- tellitengeodäsie wird von o. Univ.-Prof. DI Dr. Hans Sünkel und die Abteilung für Physik des erdnahen Weltraumes von ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Helmut Rucker geleitet. Die Abteilung für experimentelle Weltraumforschung ist hauptsächlich tätig in der Entwicklung von Messgeräten und der Durchführung von Experimenten, somit also in der physi- kalischen Erforschung des Weltraums mit Hilfe von Ballonen, Raketen, Erdsatelliten und Raumsonden. Einer der wichtigsten Schwerpunkte liegt in der Beteiligung am Nachfolgeprojekt CLUSTER-II (nach dem Fehlschlag mit der Ariane-5 Träger- rakete im Jahre 1996), wobei Hardware für das Magnetfeldex- periment FGM ("flux gate magnetometer") hergestellt sowie eine entsprechende FGM-Kalibrierung vorgenommen wird. Die ESA-Mission CLUSTER, bestehend aus vier baugleichen und parallel um die Erde laufenden Satelliten, soll erstmals durch eine spezielle Position der Satelliten zueinander (i.e. Eckpunkte eines Würfels mit drei zueinander orthogonalen Richtungen) zeitliche und räumliche Effekte in den Messun- gen auseinanderhalten können. Die wissenschaftliche Erfor- schung der terrestrischen Magnetosphäre, des magnetfelddo- minierten Raumes um die Erde, wird durch diese vier CLU- STER-Satelliten einen markanten Fortschritt in der Qualität der Erfassung plasmaphysikalischer Phänomene bewirken. Die Abteilung ist auch maßgeblich beteiligt an der Entwick- lung von Potentialregelungsinstrumenten, welche die positive elektrische Aufladung eines Satelliten auf Grund des Verlustes von Elektronen infolge von Photoemissionen an sonnenbe- schienenen Oberflächen hintanhalten soll. Diese Potentialre- gelungsinstrumente beruhen auf der Emission von positiven Ionenstrahlen hoher Energie und haben bei einer Reihe von Satelliten bereits erfolgreich die erwartete Reduzierung des Potentials erbracht. Stellvertretend für die Fülle weiterer Projektbeteiligungen sei das Projekt MIDAS ("Micro-Imaging Dust Analysis System") erwähnt, welches im Rahmen einer äußerst ambitionierten Mission namens ROSETTA, der Erforschung des Kometen P/Wirtanen und einer Landung darauf, eingesetzt werden soll. Nach dem Prinzip eines Raster-Kraft-Mikroskops soll MIDAS dreidimensionale Abbildungen von Staubteilchen mit einer Auflösung von nur wenigen Nanometern erzielen. Der Start der Raumsonde ROSETTA ist für 2003 geplant, das Rendez- vous mit dem Kometen soll 2011 erfolgen. Die Erforschung von Kometen, welche als die ursprünglichsten Überreste unse- res frühen Sonnensystems angesehen werden, bildet einen langjährigen Schwerpunkt der Arbeit im Institut für Weltraum- forschung und deshalb wird am Ende des vorliegenden Arti- kels dieser Schwerpunkt nochmals aufgegriffen werden. Die Forschungstätigkeiten der Abteilung für Satellitengeodä- sie konzentrieren sich auf den Zustand der Erde und dessen zeitliche Änderung, wobei eine Vielfalt dynamischer Prozesse im Erdinneren (z.B. Plattentektonik), an der Erdoberfläche (z.B. Meeresströmungen) und physikalisch messbare Verände- rungen des Erdschwerefeldes erfasst und quantifiziert werden. Diese Abteilung ist in der "Satellite-Laser-Ranging"-Hoch- technologie führend und spielt auch eine Vorreiterrolle auf dem Gebiet der Erdschwerefeldbestimmung, wie dies durch die kürzlich zuerkannte ESA-Mission GOCE ("Gravity Field and Steady State Ocean Circulation Explorer") zum Ausdruck gekommen ist. Im Rahmen dieser Mission bestimmen erdum- laufende Satelliten das Erdschwerefeld mit bisher nicht er- reichter Präzision. Die Kenntnis des terrestrischen Gravitati- onsfeldes ermöglicht Aussagen über Mechanismen, die zum Aufbau der Erdkruste, den Treibhauseffekt und zur Bildung von Meeres- und Luftströmungen führen. Somit sind hier in großem Maße auch Aspekte der Umweltwissenschaften rele- vant involviert. Aus der Fülle der Forschungsaktivitäten ebenfalls nur stellver- tretend erwähnt, soll die Laserstation am Observatorium Graz Lustbühel kurz beschrieben werden. Ein extrem kurzer Laser- Lichtimpuls wird in Richtung Satellit abgeschickt und an den Reflektorflächen dieser oft nur ca. 15 cm im Durchmesser gro- ßen kugelförmigen Kleinsatelliten zur Laserstation zurückge- schickt. Allerdings kommen vom Laserimpuls von ursprüng- lich ca. 1 cm Länge (entspricht ca. 35 ps) nur mehr einige we- nige Photonen (!) zurück. Aus der Laufzeit und der bekannten Lichtgeschwindigkeit kann auf die Entfernung des Satelliten und auf Grund eventueller Bahnabweichung lokal auf variable terrestrische Massenverteilung geschlossen werden. Die der- zeit erreichbare Genauigkeit der Entfernungsbestimmung zu Satelliten liegt bei wenigen Millimetern. Im internationalen Vergleich erzielt die Laserstation Graz weltweit die meisten Echos von den für "Satellite Laser Ranging" eingesetzten Sa- telliten. Aus der bereits angedeuteten reichhaltigen Fülle der theoreti- schen, experimentellen und angewandten Forschungsrichtun- gen des Instituts für Weltraumforschung, die die Themenberei- che Erde, Planeten und Monde, Kometen und den interplane- Forschungsaktivitäten im Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Helmut O. Rucker ao. Univ.-Prof. Helmut O. Rucker, Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Schmidlstr. 6, 8042 Graz

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Page 1: Forschungsaktivitäten im Institut für Weltraumforschung ... · tion" (TKR) oder "auroral kilometric radiation" (AKR) be-kannte Radioemission ist das Ergebnis eines komplizierten

Vor nunmehr drei Jahrzehnten wurde das Institut für Welt-raumforschung von der Österreichischen Akademie der Wis-senschaften gegründet. Es bestand zunächst aus einer Reihevon Abteilungen in Wien, Innsbruck und Graz und wurde erstspäter nach einem Konzentrationsprozess in Graz etabliert.Auf dem Gebiet der theoretischen, experimentellen und ange-wandten physikalischen Weltraumforschung sowie der Satelli-tengeodäsie weist es eine Vielfalt von Forschungsrichtungenund Forschungstätigkeiten auf. Daher kann ohne Einschrän-kung gesagt werden, dass im Institut für Weltraumforschungder derzeit größte Teil der in Österreich durchgeführten Welt-raumwissenschaften konzentriert ist. Das Institut wird derzeitvom Geschäftsführenden Direktor, o. Univ.-Prof. DI DDr.Willibald Riedler geführt, welcher auch die Abteilung für Ex-perimentelle Weltraumforschung leitet. Die Abteilung für Sa-tellitengeodäsie wird von o. Univ.-Prof. DI Dr. Hans Sünkelund die Abteilung für Physik des erdnahen Weltraumes vonao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Helmut Rucker geleitet.

Die Abteilung für experimentelle Weltraumforschung isthauptsächlich tätig in der Entwicklung von Messgeräten undder Durchführung von Experimenten, somit also in der physi-kalischen Erforschung des Weltraums mit Hilfe von Ballonen,Raketen, Erdsatelliten und Raumsonden. Einer der wichtigstenSchwerpunkte liegt in der Beteiligung am NachfolgeprojektCLUSTER-II (nach dem Fehlschlag mit der Ariane-5 Träger-rakete im Jahre 1996), wobei Hardware für das Magnetfeldex-periment FGM ("flux gate magnetometer") hergestellt sowieeine entsprechende FGM-Kalibrierung vorgenommen wird.Die ESA-Mission CLUSTER, bestehend aus vier baugleichenund parallel um die Erde laufenden Satelliten, soll erstmalsdurch eine spezielle Position der Satelliten zueinander (i.e.Eckpunkte eines Würfels mit drei zueinander orthogonalenRichtungen) zeitliche und räumliche Effekte in den Messun-gen auseinanderhalten können. Die wissenschaftliche Erfor-schung der terrestrischen Magnetosphäre, des magnetfelddo-minierten Raumes um die Erde, wird durch diese vier CLU-STER-Satelliten einen markanten Fortschritt in der Qualitätder Erfassung plasmaphysikalischer Phänomene bewirken.

Die Abteilung ist auch maßgeblich beteiligt an der Entwick-lung von Potentialregelungsinstrumenten, welche die positiveelektrische Aufladung eines Satelliten auf Grund des Verlustesvon Elektronen infolge von Photoemissionen an sonnenbe-schienenen Oberflächen hintanhalten soll. Diese Potentialre-gelungsinstrumente beruhen auf der Emission von positivenIonenstrahlen hoher Energie und haben bei einer Reihe vonSatelliten bereits erfolgreich die erwartete Reduzierung desPotentials erbracht.

Stellvertretend für die Fülle weiterer Projektbeteiligungen seidas Projekt MIDAS ("Micro-Imaging Dust Analysis System")erwähnt, welches im Rahmen einer äußerst ambitionierten

Mission namens ROSETTA, der Erforschung des Kometen P/Wirtanen und einer Landung darauf, eingesetzt werden soll.Nach dem Prinzip eines Raster-Kraft-Mikroskops soll MIDASdreidimensionale Abbildungen von Staubteilchen mit einerAuflösung von nur wenigen Nanometern erzielen. Der Startder Raumsonde ROSETTA ist für 2003 geplant, das Rendez-vous mit dem Kometen soll 2011 erfolgen. Die Erforschungvon Kometen, welche als die ursprünglichsten Überreste unse-res frühen Sonnensystems angesehen werden, bildet einenlangjährigen Schwerpunkt der Arbeit im Institut für Weltraum-forschung und deshalb wird am Ende des vorliegenden Arti-kels dieser Schwerpunkt nochmals aufgegriffen werden.

Die Forschungstätigkeiten der Abteilung für Satellitengeodä-sie konzentrieren sich auf den Zustand der Erde und dessenzeitliche Änderung, wobei eine Vielfalt dynamischer Prozesseim Erdinneren (z.B. Plattentektonik), an der Erdoberfläche(z.B. Meeresströmungen) und physikalisch messbare Verände-rungen des Erdschwerefeldes erfasst und quantifiziert werden.Diese Abteilung ist in der "Satellite-Laser-Ranging"-Hoch-technologie führend und spielt auch eine Vorreiterrolle aufdem Gebiet der Erdschwerefeldbestimmung, wie dies durchdie kürzlich zuerkannte ESA-Mission GOCE ("Gravity Fieldand Steady State Ocean Circulation Explorer") zum Ausdruckgekommen ist. Im Rahmen dieser Mission bestimmen erdum-laufende Satelliten das Erdschwerefeld mit bisher nicht er-reichter Präzision. Die Kenntnis des terrestrischen Gravitati-onsfeldes ermöglicht Aussagen über Mechanismen, die zumAufbau der Erdkruste, den Treibhauseffekt und zur Bildungvon Meeres- und Luftströmungen führen. Somit sind hier ingroßem Maße auch Aspekte der Umweltwissenschaften rele-vant involviert.

Aus der Fülle der Forschungsaktivitäten ebenfalls nur stellver-tretend erwähnt, soll die Laserstation am Observatorium GrazLustbühel kurz beschrieben werden. Ein extrem kurzer Laser-Lichtimpuls wird in Richtung Satellit abgeschickt und an denReflektorflächen dieser oft nur ca. 15 cm im Durchmesser gro-ßen kugelförmigen Kleinsatelliten zur Laserstation zurückge-schickt. Allerdings kommen vom Laserimpuls von ursprüng-lich ca. 1 cm Länge (entspricht ca. 35 ps) nur mehr einige we-nige Photonen (!) zurück. Aus der Laufzeit und der bekanntenLichtgeschwindigkeit kann auf die Entfernung des Satellitenund auf Grund eventueller Bahnabweichung lokal auf variableterrestrische Massenverteilung geschlossen werden. Die der-zeit erreichbare Genauigkeit der Entfernungsbestimmung zuSatelliten liegt bei wenigen Millimetern. Im internationalenVergleich erzielt die Laserstation Graz weltweit die meistenEchos von den für "Satellite Laser Ranging" eingesetzten Sa-telliten.

Aus der bereits angedeuteten reichhaltigen Fülle der theoreti-schen, experimentellen und angewandten Forschungsrichtun-gen des Instituts für Weltraumforschung, die die Themenberei-che Erde, Planeten und Monde, Kometen und den interplane-

Forschungsaktivitäten im Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Helmut O. Rucker

ao. Univ.-Prof. Helmut O. Rucker, Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Schmidlstr. 6, 8042 Graz

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taren Raum umfassen, sollen die Forschungsaktivitäten dervom Autor geleiteten Abteilung näher vorgestellt werden.

Die Physik planetarer Magnetosphären

Die Sonne als Zentralgestirn unseres Sonnensystems emittiertneben elektromagnetischer Strahlung, die wir in Form vonLicht und Wärme registrieren, auch eine Plasmaströmung, diesich mit hoher Geschwindigkeit radial in den interplanetarenRaum ausbreitet. Dieser sog. Sonnenwind, welcher aus Elek-tronen und Protonen und zu einem geringen Prozentteil auchaus höher ionisierten Atomen besteht, ist eine Überschallströ-mung, d.h., die in diesem Plasma auftretenden Informations-Übertragungsgeschwindigkeiten (Schallwellen, Alfven-Wel-len) haben eine deutlich geringere Geschwindigkeit. DiesesSonnenwindplasma weist eine extrem hohe elektrische Leitfä-higkeit auf, was zur Folge hat, dass es das solare Magnetfeld inden interplanetaren Raum hinauszieht. Die Kombination ausradialer Bewegung der Plasmateilchen und der Rotationsbe-wegung der Sonne um ihre Rotationsachse bewirkt die spiral-förmige Struktur des interplanetaren Magnetfeldes. Wir spre-chen hier von der sog. Parker-Spirale des interplanetaren Ma-gnetfeldes.

In der Ekliptik trifft nun diese supersonare Plasmaströmungauf die Planeten, wobei hier eine ganz spezifische Wechsel-wirkung zwischen den Planeten bzw. den planetaren Magnet-feldern einerseits und dem Sonnenwind andererseits auftritt.Für diese hochleitende Plasmaströmung ist nämlich nicht nurder Planetenquerschnitt als Hindernis zu betrachten, sonderndas gesamte planetare Magnetfeld, das im planetennahen Be-reich in den Weltraum hinausreicht. Die vorhin angesprocheneWechselwirkung zeigt sich in der Weise, dass der Sonnenwinddas planetare Magnetfeld auf der sonnenzugewandten Seitezusammendrückt und auf der sonnenabgewandten Seite (derNachtseite eines Planeten) das Magnetfeld zu einem langenMagnetschweif verformt. Gleichzeitig muss jedoch die Plas-maströmung um diesen Magnethohlraum herumströmen, dadie geladenen Teilchen nicht in diesen magnetfelddominiertenRaum, der sog. Magnetosphäre, eindringen können (Rucker,1997).

Bei der Wechselwirkung des Sonnenwindes mit einem plane-taren Magnetfeld kommt es relativ häufig zu einem sehr wich-tigen plasmaphysikalischem Phänomen, der sog. Magnetfeld-verschmelzung (Abb. 1). Diese Verschmelzung erlaubt es to-pologisch unterschiedlichen Magnetfelder zu interagieren,wobei sich deren Struktur verändert. Diese Veränderung kannals eine Umwandlung von Magnetfeldenergie in kinetischeEnergie angesehen werden und führt daher direkt zu einer Be-schleunigung des Plasmas. Dieses Phänomen ermöglicht unteranderem den lokalen Eintritt von Sonnenwindplasma in dieMagnetosphäre eines Planeten. Der Vorgang der "magneticreconnection" ist ein äußerst komplizierter Prozess und erfor-dert entsprechend hohen mathematischen Aufwand. Plasma-physiker unserer Abteilung haben sich schon seit vielen Jahrenmit diesem Problem beschäftigt und dabei orts- und zeitabhän-gige Modelle entwickelt. Natürlich müssen diese Modelle denBeobachtungsdaten gegenübergestellt werden. Hier zeigt sichdie große Relevanz dieses plasmaphysikalischen Phänomensder Magnetfeldverschmelzung: an der der Sonne zugewandtenSeite der Magnetosphäre, also der Tagseite, ist dieser Prozessverantwortlich für den lokalen Eintritt von Plasma in die Ma-

gnetosphäre. Im Magnetschweif hingegen kann dieser Prozessder Magnetfeldverschmelzung eine Beschleunigung des Plas-mas bewirken, was in weiterer Folge zu einem vermehrtenTeilcheneinfall in die Polarregionen zur Folge hat. In direktemZusammenhang damit stehen auch die wunderbaren Phäno-mene des Polarlichts sowie die terrestrische Radiostrahlung,deren physikalische Gesetzmäßigkeiten wir noch erläuternwerden.

Die detaillierten mathematischen Modelle über die orts- undzeitabhängige Magnetfeldverschmelzung haben gezeigt, dassSchockwellen vom Ort der "reconnection" weglaufen und so-mit als indirekter Indikator für diesen Prozess herangezogenwerden können. Wie bereits erwähnt, spielen diese Verschmel-zungsprozesse eine wesentliche Rolle bei der Beschleunigungdes Plasmas. Und so eine Plasmabeschleunigung erfolgt auchin den Bereich der Polarlichtregion hinein. Damit eng verbun-den ist das Phänomen des Nordlichts: Geladene Teilchen spi-ralen entlang von Magnetfeldlinien in die höheren Atmosphä-renschichten und kollidieren dort mit jenen Atmosphärenteil-chen, die durch diese Kollision in einen angeregten Zustandgelangen, welcher durch Emission von Licht, eben dem Polar-licht rückgängig gemacht wird.

Ein weiteres Phänomen, eng verknüpft mit der oben erwähn-ten Plasmabeschleunigung, ist die terrestrische Radiostrah-lung. Die unter den Bezeichungen "terrestrial kilometric radia-tion" (TKR) oder "auroral kilometric radiation" (AKR) be-kannte Radioemission ist das Ergebnis eines kompliziertenProzesses, wo kinetische Teilchenenergie von eben jenen ent-lang von Magnetfeldlinien spiralenden Elektronen umgeformtwird in elektromagnetische Energie, wobei die abgestrahlteWellenfrequenz in unmittelbarer Nähe der sog. Gyrationsfre-quenz liegt, jener Frequenz, mit der die Teilchen um die Ma-gnetfeldlinien gyrieren.

Die in unserer Abteilung "Physik des erdnahen Weltraums"durchgeführten Studien über die terrestrische Radiostrahlungverwenden unter anderem Beobachtungen von den INTER-

Abb. 1: Am Beispiel der terrestrischen Magnetosphäre werden hier in derMittags-Mitternachtsmeridianebene die Grundstrukturen der Wechselwir-kung des Sonnenwindes mit einem planetaren Magnetfeld dargestellt. DerBereich des subsolaren Punktes ist vergrößert hervorgehoben: Hier könnenim Falle südwärts (= nach unten) orientierter Richtung des interplanetarenMagnetfeldes Magnetfeldverschmelzungsprozesse auftreten (Biernat, priv.).

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BALL Satelliten "Tailprobe" und "Auroral Probe". Diesenichtthermische Radiostrahlung tritt bei Frequenzen auf, diedie terrestrische Ionosphäre nach unten hin nicht durchdringenkönnen. Somit ist eine Beobachtung dieser Radioemissionvom Boden aus nicht möglich.

Die Theorie zur Erzeugung nichtthermischer Radiostrahlunggeht davon aus, dass ein energetischer Elektronenstrom (1-10keV) in Bereiche konvergenter Magnetfeldlinien eindringt.Konvergente Magnetfeldlinien findet man an den Polregioneneines Dipols, wie es im wesentlichen die Erde hat, und somitkönnen also Teilchen, in unserem Falle Elektronen, zwar inForm von Spiralbewegung in gewisse Höhen vordringen, aberdurch ihren unterschiedlichen Anstellwinkel zum Magnetfeld(Winkel zwischen dem Geschwindigkeitsvektor und der Ma-gnetfeldrichtung) wird ein Teil der Elektronen schon in größe-ren Höhen gespiegelt und die Bewegung erfolgt wiederum vonder Erde weg. Andere Elektronen mit einem kleineren An-stellwinkel können sehr tief in die Atmosphäre eindringen.Hier ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass eine Kollisionmit Atmosphärenteilchen stattfindet, und die Elektronen ge-hen verloren. Die wiederaufsteigende Elektronenplasmapopu-lation befindet sich nun nicht mehr in einer Gleichverteilungund versucht nun allerdings diese Gleichverteilung zu errei-chen durch Abgabe an kinetischer Energie und Transformationin Wellenenergie. Bei Vorliegen geeigneter Umstände - dieElektronengyrationsbewegung und der elektrische Vektor derzu verstärkenden elektromagnetischen Welle befinden sich zu-einander in konstanter Phase - erfolgt eine Verstärkung derelektromagnetischen Welle und Radiostrahlung wird untergroßem Winkel zum Magnetfeld abgestrahlt. Man kann sichvorstellen, dass die etwa mit der Zyklotronfrequenz emittierteStrahlung sich in einem Kegelmantel befindet, dessen Öff-nungswinkel zur Kegelsymmetrale etwa zwischen 70 und 90Grad beträgt. In Kenntnis dieser Situation haben Mitarbeiter inder Abteilung die Beobachtungsdaten der Radiostrahlung vonINTERBALL Tailprobe herangezogen und den Wellenstrahlvon der Satellitenposition zurückverfolgt bis zum möglichenOrt der Radioquelle, indem man Feldlinien aufsucht, die unterverschiedenen geeigneten Winkel zum Wellenstrahl liegen.Die Kenntnis der Position der Radioquelle, die Polarisationder Welle, die Frequenz und Intensitätsvariation der Radio-strahlung und viele weitere Parameter sind für den in diesemBereich der Weltraumforschung tätigen Wissenschafter vongroßer Relevanz, da dieses Phänomen der nichtthermischenplanetaren Radiostrahlung als Indikator für verschiedene ma-gnetosphärische Prozesse, gewonnen in einer Art Fernerkun-dung, herangezogen werden (siehe Rucker und Bauer, 1985;Rucker et al., 1988; 1992; 1997).

Die nichtthermische magnetosphärische Radiostrahlung bei Jupiter

Im Jahre 1955 haben Burke und Franklin, zwei amerikanischePhysiker, eher zufällig die Radiostrahlung von Jupiter auf ei-ner Frequenz von etwa 22 MHz entdeckt. Man kannte bereitsfrüher das Phänomen der Radiostrahlung von der Sonne, waraber überrascht, dass auch ein Planet eine nichtthermische Ra-diostrahlung emittieren kann. Die Erklärung dieses Phäno-mens erfolgt, wie bereits erwähnt, durch die Annahme, dassenergetische Elektronen um ein Magnetfeld gyrieren, also eineKreisbewegung um die Magnetfeldlinie durchführen und da-

bei elektromagnetische Wellen emittieren. Somit liegt dieserErklärung zu Grunde, dass die emittierte Strahlungsfrequenzin der Nähe der sog. Gyrationsfrequenz liegen muss. DieseKreisfrequenz der Gyrationsbewegung ist direkt proportionalzur magnetischen Induktion und reziprok zur Masse des Teil-chens. Wesentliche Schlussfolgerung aus dieser Entdeckungwar die Möglichkeit, die Größe des Jupiter Magnetfeldes ausder empfangenen Frequenz zu bestimmen, und dies noch vorden Zeiten der Satelliten- und Raumsondenflüge. Nach etwaeinem Jahrzehnt kontinuierlicher Beobachtung der Jupiter Ra-diostrahlung durch terrestrische Bodenstationen hatte man be-reits ein relativ umfassendes Bild von der Jupiter Radiostrah-lung bekommen und entdeckte nachfolgend einen sehr rele-vanten Triggermechanismus zur Auslösung dieser im Deka-meterwellenbereich auftretenden Radiostrahlung, und zwardie Rolle des Galileischen Mondes Io.

Der Mond Io, den wir heute durch etliche Raumsondenvorbei-flüge, insbesondere durch die Sonde Galileo, als einen Mondkennen, welcher durch aktiven Vulkanismus gekennzeichnetist, spielt eine ganz relevante Rolle bei der Beschleunigungvon Elektronen in Richtung Jupiter, die dann in weiterer Folgefür die Dekameter-Radiostrahlung von Bedeutung sind. Im-mer dann, wenn Io durch Magnetfeldlinien mit bestimmtenRegionen des Jupiter-nahen Magnetfeldes verknüpft ist,kommt es zu besonders starken Radiostrahlungsausbrüchen,den sog. Radiobursts, wobei eine Abstrahlung ungefähr imrechten Winkel zur magnetischen Feldlinienrichtung erfolgt.Diese emittierte Radiostrahlung befindet sich somit im Kegel-mantel eines sehr weit geöffneten Kegels rund um die magne-tische Feldlinie. Wenn die Strahlrichtung derart orientiert ist,dass die Erde getroffen wird, können Bodenstationen dieseRadiostrahlung empfangen. Aus der bekannten Rotationsperi-ode von Jupiter mit nicht ganz 10 Stunden und der Orbitalpe-riode von Io um Jupiter mit etwas mehr als 42 Stunden konnteman nach Jahrzehnten ein Muster erkennen, wann unter wel-chen geometrischen Konfigurationen Radiostrahlung zu er-warten ist, d.h. man konnte eine Art Vorhersagekatalog erstel-len.

Die 1977 gestarteten Raumsonden Voyager 1 und Voyager 2haben unsere Kenntnis über den größten Planeten unseresSonnensystems gewaltig vermehrt (Rucker, 1991). Im Bereichder magnetosphärischen Radiostrahlung wurde beobachtet,dass Jupiter nicht nur im Dekameterwellenlängenbereich, alsoim Frequenzbereich von 10 und mehr MHz, sondern auch beiwesentlich tieferen Frequenzen aktiv ist. Diese niederen Fre-quenzen können durch Bodenstationen nicht beobachtet wer-den, da die terrestrische Ionosphäre diese Frequenzen ab-schirmt. Die Voyager Raumsonden konnten dagegen alle jeneFrequenzen beobachten, die Jupiter in den interplanetarenRaum emittiert. Dazu zählen insbesondere die Hektometerra-diostrahlung und die Kilometerwellenlängenkomponenten,welche zum Teil im Aurorabereich, zum Teil aus der Gegenddes Torus entlang der Io Orbitalbahn erzeugt werden. Nachdem Vorbeiflug der Raumsonden an Jupiter konnten zum er-sten Mal auch die Strahlungsphänomene auf der JupiterNachtseite detektiert werden und das Bild von Jupiter als Ra-diostrahler hat sich dahingehend vervollständigt, dass die Ra-diostrahlung wie ein rotierender Lichtkegel eines Leuchtturmsin das All emittiert wird.

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Die graphische Darstellung einer Radiostrahlung erfolgt übli-cherweise in Form eines sog. dynamischen Spektrums, wobeials Achsen die Zeit bzw. die Frequenz aufgetragen werden unddie Schwärzung oder Farbe die Intensität der empfangenenStrahlung wiedergibt (Abb. 2). Und hier waren die Voyagerbe-obachtungen bahnbrechend in der Entdeckung der innerenStrukturen solcher dynamischer Spektren. Neben den bereitsbekannten Radiostürmen, die unter den Namen Io-A, Io-B, Io-C und Io-D sowie non Io-A, non Io-B und non Io-C bekanntsind, wurden in diesen dynamischen Spektren auch Bogen-strukturen erkannt, die einen Hinweis geben auf die kegelar-tige Emission der Dekameter-Radiostrahlung. Es zeigte sich,dass jedoch nur große Antennenanlagen und hochsensitive In-strumente in den Bodenstationen im Stande waren, weitereDetailstrukturen hochauflösend in Frequenz und Zeit zu de-tektieren.

Als relevanter Meilenstein in der Forschungsaktivität der Ab-teilung wurde im Jahre 1986 die Radiostation am Observato-rium Lustbühel in der Nähe von Graz eröffnet. Es konnten da-mit auf interferometrischem Wege Radiosignale von Jupiterempfangen werden. Ein vom Observatoire de Paris-Meudonin Frankreich zur Verfügung gestellter Multikanalempfängerwurde nachfolgend in der Radiostation installiert und mankonnte mit hoher Zeit- und Frequenzauflösung Feinstrukturenim dynamischen Spektrum erkennen. Diese Feinstrukturensind unter anderem die sog. Millisekundenradiobursts.

Die Abbildung 2 zeigt eine Serie von Millisekundenradio-bursts, welche am Observatorium Grakovo in der Nähe vonKharkov (Ukraine) durch ein von uns gemeinsam mit dem Ob-servatoire de Paris-Meudon entwickeltes Gerät aufgenommenwurden. Der im Bereich der Millisekundenradiobursts auftre-tende Formenreichtum ist offenbar die Folge höchst kompli-zierter Prozesse im Zusammenhang mit der Erzeugung undAusbreitung dieser Radiowellen.

Wesentliches Charakteristikum eines Millisekundenradio-bursts ist demnach seine (fast immer) negative Drift im dyna-

mischen Spektrum. Eine (naheliegende) Erklärung der negati-ven Drift eines Millisekunden-Radiobursts im dynamischenSpektrum, also das Auftreten des Wellenphänomens bei zuersthohen und dann bei niederen Frequenzen ist die Bewegungvon (gespiegelten) Elektronen, welche Radiostrahlung auslö-sen, zuerst in Jupiter-Nähe (starkes Magnetfeld = hohe Gyrati-onsfrequenz) und dann erst in größerer Entfernung (schwäche-res Jupiter-Magnetfeld = geringere Gyrationsfrequenz). Es istaber auch durchaus denkbar, dass nur der Anregungszustandals solcher, also das Auslösen von Millisekunden-"Radioblit-zen", entlang von Jupiter-Magnetfeldlinien weitergegebenwird. Schließlich können noch entlang des Ausbreitungsweges(innere Jupiter-Magnetosphäre, Io-Torus, äußere Jupiter-Ma-gnetosphäre, interplanetarer Raum, terrestrische Magneto-sphäre, terrestrische Ionosphäre, Radioteleskop als Ende desAusbreitungsweges) entscheidende Veränderungen am Radio-burst auftreten.

Diesbezügliche theoretische und experimentelle Untersuchun-gen werden in der Abteilung intensiv fortgesetzt und - wienoch erwähnt werden wird - in internationaler Zusammenar-beit an vorderster wissenschaftlicher Front durchgeführt.

Die Raumsonde Cassini auf dem Wege zu Saturn

Im Oktober 1997 startete die Raumsonde Cassini zu ihremweit entfernten Ziel, dem Riesenplaneten Saturn. Aufgrundder großen Masse der Raumsonde waren die Raketentrieb-werke nicht im Stande, eine ausreichende Beschleunigung fürden direkten Weg zu Saturn zu erreichen. Somit musste die er-forderliche Geschwindigkeit durch Vorbeiflüge an den Plane-ten Venus, Erde und natürlich auch Jupiter erreicht werden.Diese sog. "gravity assist flybys" haben, wie noch später aus-geführt wird, eine Bedeutung für die Überprüfung und Kali-bration bestimmter Experimente an Bord der Raumsonde. DieCassini Raumsonde hat die Aufgabe, das Saturnsystem, alsoden Planeten Saturn, seine Magnetfeldumgebung - die sog.Magnetosphäre - und seine Monde zu erkunden. Cassini wirdim Juli 2004 in einen Orbit um Saturn einschwenken und diesog. Huygens Probe wird sich vom Mutterkörper lösen und ei-genständig auf den Saturnmond Titan niedergehen und die At-mosphäre dieses großen Mondes untersuchen.

Der Autor ist Co-Investigator an einem der etwa ein DutzendExperimente an Bord der Raumsonde, und zwar am Experi-ment "Radio and Plasma Wave Science". Dieses Experimentbesteht aus Antennen, aus einer Langmuir Sonde und entspre-chenden Empfängern, die Radiofrequenzen aufnehmen kön-nen. Es ist das Ziel dieses Experiments, elektrostatische undelektromagnetische Wellen zu detektieren, welche Hinweisegeben auf dynamische Prozesse in einem Plasma in der Plane-tenumgebung. Für unsere Abteilung besteht eine Hauptauf-gabe darin, das Empfangsverhalten dieser Antennen an Bordder Raumsonde Cassini zu untersuchen, um fehlerfreie und ka-librierte Messungen zu erreichen. Man kann sich sehr leichtvorstellen, dass der metallische Körper einer Raumsondeselbst wie eine Antenne wirkt und somit das Empfangsverhal-ten der eigentlichen Antennen stört. Hier ist das Konzept dersog. effektiven Antennenvektoren sehr hilfreich. Diese effekti-ven Antennenvektoren sind fiktive Vektoren, welche von derRichtung der eigentlichen "physikalischen" Antennen abwei-chen, wenn die Antennen an einem komplizierten Strukturge-bilde der Raumsonde fixiert sind. Es gibt mehrere Verfahren,

Abb. 2: Das sog. dynamische Spektrum (Radioburst-Intensität in einem Dia-gramm Frequenz gegenüber Zeit) veranschaulicht hier die komplizierte Phä-nomenologie der Jupiter Dekameter Radiostrahlung für etwa 5 Sekunden.Zwei aktive Frequenzbänder mit Mittenfrequenzen bei ca. 20 und 26 MHz)sowie sporadische Emissionen zwischen 22 und 23 MHz sind sichtbar.Dunkle, wolkennartige Schattierungen können ebenfalls einer (diffusen)nicht-thermischen Radioemission zugeordnet werden. Die horizontalenLinien sind Interferenzen ("man-made noise").

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diese effektiven Antennenvektoren zu bestimmen und inKürze sei hier auf ein Verfahren näher eingegangen, welcheszur Bestimmung des Cassini-RPWS-Empfangsverhaltensauch in der Abteilung durchgeführt wurde.

Das Empfangsverhalten eines Antennensystem lässt sich unteranderem experimentell durch die sog. Rheometrie bestimmen.Hier wird ein so exakt wie möglich konstruiertes Modell derRaumsonde gebaut, im vorliegenden Fall im Maßstab 1:30(Abb. 3), und dieses Modell wird in einen großen Wassertankunter definierten Orientierungen hineingegeben. Der Wasser-tank (Länge-Breite-Höhe 2m-1m-1m) besteht aus einemnichtleitendem Material (Marmor) und hat an den Stirnseitenzwei metallische Platten, an denen ein quasi-statisches elektri-sches Feld angelegt wird. Durch das im Tank befindliche Was-ser entsteht nun ein sehr homogenes elektrisches Feld, welchesallerdings ein niederfrequentes Wechselfeld ist, um galvani-sche Effekte an den Leiterplatten zu verhindern. Nun könnenSpannungswerte an den physikalischen Antennenstäben desRaumsondenmodells abgenommen werden, und bei drei zu-einander orthogonalen Aufhängeachsen kann durch jeweiligeDrehung des Modells die effektive Höhe alle Antennenstäbe(= effektive Antennenvektoren) dreidimensional bestimmtwerden. Eine Überprüfung dieser Winkelwerte, die die Abwei-chung der effektiven Antennenvektoren von den physikali-schen Antennenstäben angeben, kann beim Vorbeiflug derRaumsonde Cassini an Jupiter im Dezember 2000 erfolgen.Denn hier wird die natürliche Radiostrahlung von Jupiter aus-genützt und durch entsprechende Rollmanöver können dieseeffektiven Antennenvektoren auch im Flug eruiert werden(Rucker et al., 1996).

Während des Vorbeifluges der Raumsonde Cassini an Jupiterwird eine Reihe von zusätzlichen Beobachtungsmöglichkeitengeschaffen, die in ihrer Gesamtheit ein umfassendes Bild vomSonnenwind und dessen Einfluss auf das Jupiter Magnetfeldbzw. das Jupiter Magnetosphärensystem geben sollen. WennCassini vor dem Zeitpunkt der größten Annäherung an Jupiter(closest approach = 30. Dezember 2000) die Verhältnisse desSonnenwindes messen kann, dann ist es der Raumsonde Gali-leo im Orbit um Jupiter innerhalb der Jupiter Magnetosphäremöglich, die Auswirkungen eventueller Sonnenwindverände-rungen in der Jupiter Magnetosphäre zu "sehen". Gleichzeitigwerden der Satellit "Wind" im elliptischen Orbit um die Erdeund das Hubble Space Teleskop Jupiter ins Visier nehmen.Darüber hinaus sind einige Bodenstationen, insbesondere Ra-dioteleskopanlagen vorbereitet, die Radiostrahlung von Jupi-ter im Dekameterbereich zu messen. Alle diese Aktivitätenwerden koordiniert durch den sogenannten "International Ju-piter Watch", welcher aus sechs verschiedenen Disziplinen be-steht. Der Autor ist Vorsitzender der "IJW-Magnetosphere andRadio Emissions" Disziplin, und aus den unten angeführtenWebpages sind die näheren Details zu entnehmen.

Die Abteilung ist somit führend involviert in den wissen-schaftlichen Aktivitäten des "International Jupiter Watch".Das hat seinen Grund in der seit vielen Jahren bestehenden Ra-dio Teleskop Anlage am Observatorium Lustbühel zur Beob-achtung der Jupiter Radiostrahlung, aber insbesondere durchdie Tatsache, dass innerhalb der letzten Dekade eine vom Au-tor initiierte Beobachtungsspange in Europa aufgebaut wurde.Hier sind drei Radiostationen, die Radiostation Nancay, etwa200 km südlich von Paris, die Radiostation Graz, Observato-rium Lustbühel und das im Dekameterbereich weltweit größteAntennnenarray Kharkov in der Ukraine zusammengeschlos-sen. Eine seit Jahren sehr enge Kooperation der Abteilung mitdem Observatoire de Paris-Meudon und mit dem Radio Astro-nomy Institute in Kharkov hat hier erstaunliche Erfolge er-zielt: Dieses europäische Beobachtungsnetz ist weltweit alseinziges imstande, Jupiter über eine volle Jupiterrotation (9Stunden 57 Minuten) zu beobachten. Weiters wurden im Rah-men dieser Zusammenarbeit erstmals Simultanmessungen imBereich zeitlich und frequenzmäßig hochauflösender Beob-achtungen durchgeführt. Darüber hinaus entstand als Resultateiner Dissertation an der Universität Graz (Betreuung durchden Autor gemeinsam mit dem Observatoire de Paris Meudon)ein sog. Digitalspektropolarimeter (DSP), welcher innerhalbvon 12 MHz auf über 1000 verschiedenen Empfangskanälenbei einer zeitlichen Auflösung von einer Millisekunde Wellenim Dekameterbereich mit unübertroffen hoher Sensitivitätempfangen kann. (Die hohe Qualität des Digitalspektropolari-meters hat unsere französischen Kollegen am Observatoire deParis-Meudon veranlasst, dieses Gerät zu duplizieren!) ImRahmen eines internationalen EU-INTAS Projektes ("NewFrontiers in Decameter Radio Astronomy") hat die Kombina-tion des Einsatzes eines Empfangsgerätes neuester Technolo-gie (DSP) im weltweit größten Radioteleskop (UTR-2 Khar-kov) neue Ergebnisse gezeitigt, wie die Abbildung 2 zum Aus-druck bringt. Dieses europäische Beobachtungsnetz wird alsoauch in Bereitschaft stehen und Messungen durchführen, wennCassini an Jupiter vorbeifliegen wird.

Abb. 3: Das für das Rheometrie-Experiment gebaute Modell der CassiniRaumsonde ermöglicht die Bestimmung der sog. effektiven Antennenvektoren.Das aus Messing hergestellte und vergoldete Modell zeigt die wesentlichenStrukturelemente der Raumsonde, wobei bestimmte Teile beweglich oderauch abnehmbar ausgeführt sind (wie z.B. die Huygenssonde). Die "high-gain" -Antenne weist während des Fluges jenseits der Erdorbitalbahn immerin Richtung Erde. Die dünnen langen Stabelemente sind die RPWS Antennen,der dicke Stab (nach links oben weisend) ist der sog. "magnetometer boom".(Der nach unten gekrümmte Stab ist die Modellhalterung.)

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Blitzphänomene in der Atmosphäre des Saturnmondes Titan?

Wissenschaftliche Mitarbeiter der Abteilung haben sich auchmit den Atmosphären und Ionosphären von Planeten beschäf-tigt. Die detaillierte Kenntnis physikalisch/chemischer Gesetz-mäßigkeiten von Atmosphären unterschiedlicher Zusammen-setzung und Struktur hat demnach die theoretische Behand-lung auch der Titan-Atmosphäre ermöglicht. Die für eine At-mosphäre wichtigen Aspekte wie Temperaturveränderung,Teilchenflucht, Aerosolverteilung etc. wurden in die Erstel-lung eines "Atmospheric Engineering Model" der Titan-Atmo-sphäre einbezogen, welches für den Abstieg der "Huygens-sonde" auf die Titan-Oberfläche von großer Wichtigkeit seinwird.

Bevor die Raumsonde Cassini im Jahre 2004 in den Orbit umSaturn einschwenkt, wird sich vom sog. "Orbiter" die Huy-genssonde lösen und als eigener Raumsondenkörper ("Probe")dem Titan nähern. Beim Abstieg durch die Titan-Atmosphärewerden umfangreiche Messungen, vor allem der Zusammen-setzung der Gashülle, vorgenommen. Die Vorauskenntnis desDruckprofils spielt hier eine relevante Rolle, weil bestimmteSonden-Mechanismen (z.B. Freisetzen von Fallschirmen)druckabhängig ausgelöst werden.

Während des Abstiegs der Huygenssonde wird auch ein Teil-experiment HASI-PWA ("Huygens Atmospheric Structure In-strument - Permittivity, Wave and Altimetry Instrument) nie-derfrequente elektrische Felder und die elektrische Leitfähig-keit messen - ein Gerät, das maßgeblich durch Wissenschaftlerder Abteilung für Experimentelle Weltraumforschung entwik-kelt wurde. Und dieses Instrument könnte eventuelle Blitzent-ladungen in der Titan-Atmosphäre detektieren. Die Wahr-scheinlichkeit der Entdeckung von Blitzphänomenen durchdie Huygens-Probe ist vermutlich nicht sehr groß (zeitlich undräumlich begrenzte Durchquerung der Titan-Atmosphäre).Eine wesentlich höhere Chance auf Blitz-Entdeckung bestehtdurch das oben erwähnte RPWS-Experiment an Bord des Cas-sini-Orbiter, welcher innerhalb der prognostizierten Lebens-dauer von 4 Jahren (2004-2008) insgesamt 44 Vorbeiflüge anTitan vornehmen wird. Entsprechende theoretische Studienwurden diesbezüglich in unserer Abteilung kürzlich fertigge-stellt.

Kometenphysik (ROSETTA)

Der Bogen wissenschaftlicher Tätigkeit schließt sich mit ei-nem wichtigen Schwerpunkt, der Untersuchung der thermi-schen und strukturellen Eigenschaften des Kometenkernesdurch das Experiment MUPUS (= Multi-Purpose Sensors forSurface and Sub-Surface Sensors) am ROSETTA Lander. Hierhaben Wissenschafter unserer Abteilung am Design der Elek-tronik sowie an der Entwicklung eines Ankers mitgewirkt. DieMasse eines Kometenkernes führt naturgemäß zu einer äußerstgeringen Schwerkraft. Somit besteht für den Lander auf demKometen die Gefahr, nach vollzogener Landung wieder ins Allabzudriften. Dem wirkt im Moment der Landung ein Ankerentgegen, welcher in die oberflächennahen Schichten des Ko-metenkernes hineingeschossen wird (Abb. 4). Die im Ankerbefindlichen Sensoren zeichnen mit hoher Genauigkeit die an-fänglich positive (Abschuss) und danach einsetzende negativeBeschleunigung (Abbremsung durch die Kometenkern-

Schichten) auf, was zu entsprechenden Rückschlüssen auf dieZusammensetzung dieser Schichten führen soll. Diese unterder Bezeichnung "Penetrometry" laufende Forschungsrich-tung ist hochaktuell im Lichte der neu geplanten Missionen zuMars ("Netlander"), aber auch zu anderen noch nicht aufge-suchten Planeten mit fester Oberfläche (Merkur, Pluto).

Die Zukunft der österreichischen Weltraumforschung

Das Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Aka-demie der Wissenschaften konzentriert seit seiner Existenzden größten Teil der in Österreich durchgeführten wissen-schaftlichen Forschung auf dem Gebiet der Weltraumwissen-schaften. Im Laufe der vergangenen drei Jahrzehnte hat sichdas Institut durch internationale Kooperation und durch er-folgreiche Drittmittel - Akquirierung zu einer anerkannten In-stitution entwickelt, deren Projekte und Forschungspro-gramme weit in die Zukunft reichen. Ein wesentliches Zielwar und wird es sein, eine ausgewogene Balance von ange-wandter und Grundlagenforschung zu halten. Die Österreichi-sche Akademie der Wissenschaften hat all diese Bemühungenmit einem notwendigen, aber auch großartigen Geschenk ho-noriert: dem Bau eines neuen Forschungszentrums in Graz,welches noch im Jahr 2000 bezogen werden wird und das demInstitut für Weltraumforschung auch für die nächsten Jahr-zehnte eine erfolgreiche Zukunft sichert.

Literatur

Rucker, H.O. und S.J. Bauer (Hsg.): Planetary Radio Emissi-ons. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissen-schaften, Wien, 276 S., 1985.

Rucker, H.O., S.J. Bauer, und B.M.-Pedersen (Hsg.): Plane-tary Radio Emissions II. Verlag der Österreichischen Akade-mie der Wissenschaften, Wien, 465 S., 1988.

Rucker, H.O.: Erkundung der Radioplaneten durch Voyager.Physik in unserer Zeit, 22, (4), 149-155, 1991.

Abb. 4: Der ROSETTA Lander ist mit einem Anker auf der Kometenkern -Oberfläche fixiert, wobei aus dem (negativen) Beschleunigungsverhalten desAnkers auf die Konsistenz der oberflächennahen Schichten geschlossen wer-den kann. Ein weiterer Penetrator (links) dient ebenfalls der Analyse vonKomentenkern - Schichten (Kömle, priv. Mitteilung)

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Rucker, H.O., S.J. Bauer, und M.L. Kaiser (Hsg.):PlanetaryRadio Emissions III. Verlag der Österreichischen Akademieder Wissenschaften, Wien, 536 S., 1992.

Rucker, H.O., W. Macher, R. Manning, und H.P. Ladreiter:Cassini model rheometry, Radio Sci., 31, 1299 - 1311, 1996.

Rucker, H.O.: Planetenmagnetosphären. In: Bergmann -Schäfer, Lehrbuch für Experimentalphysik, Bd. 7, Erde undPlaneten, Kap. 6, Walter de Gruyter und Co. Verlag, Berlin,527 - 603, 1997.

Rucker, H.O., S.J. Bauer, und A. Lecacheux (Hsg.): PlanetaryRadio Emissions IV. Verlag der Österreichischen Akademieder Wissenschaften, Wien, 518 S., 1997.

Einige relevante Internet-Adressen:

Institutionen

Österr. Akademie der Wissenschaften: http://www.oeaw.ac.atInstitut für Weltraumforschung: http://www.iwf.oeaw.ac.atÖsterreichische Weltraumagentur ASA:

http://www.asaspace.atEuropäische Weltraumagentur ESA: http://www.esa.intNASA (USA): http://www.nasa.govRadiostation Nancay (Frankreich): http://www.obs-nancay.fr

Projekte und Missionen

International Jupiter Watch: http://www.iwf.oeaw.ac.at/ijwNew Frontiers in DAM Radio Astr.:

http://www.iwf.oeaw.ac.at/intas Mars Global Surveyor: http://mpfwww.jpl.nasa.gov/mgs

Galileo: http://galileo.ivv.nasa.govCassini: http://www.jpl.nasa.gov/cassini/todayEarth from Space: http://earth.jsc.nasa.govROSETTA/MUPUS: http://ifp.uni-muenster.de/pp/MUPUS

"Happy-Birthday-Fireworks" für Soho vom 23. - 27. November 2000Ein massiver coronare Auswurf der Sonne, der auf der Erde zu prächtigen

Polarlichterscheinungen führte. (Quelle: sohowww.estec.esa.nl)

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An unserer Schule hat neben der Vermittlung von theoreti-schem Wissen die Anwendung des Gelernten in der Praxis, derhandlungsorientierte Unterricht und die Durchführung vonProjekten einen großen Stellenwert.

In der ersten Stunde des Schuljahres 1999/2000 erklärte unsunsere Professorin Mag. Andrea Kiss, daß wir an unsererSchule nur ein Jahr Physikunterricht im Lehrplan hätten. Sieerklärte uns die einzelnen Stoffkapitel des Lehrplans undfragte uns, auf welche Art wir den Physiklehrstoff gerne bear-beiten wollten. Sie machte uns den Vorschlag, den Lehrstoffim Rahmen eines Projektes zu erarbeiten und mit diesem Pro-jekt an einem Wettbewerb der Österrichischen PhyikalischenGesellschaft teilzunehmen. Bald stand fest, daß wir Physik-spielzeug basteln wollten, um vor allem Kindern die Physiknahezubringen. Unser Ziel war, daß wir im September unsereeinfachen Experimente bei der Präsentation in Graz vorstellenkonnten.

Deshalb begannen wir nach einem Brainstorming ein Mind-Map zu erstellen, in dem wir die Gruppen, die Bereiche der

Physik und die einzelnen Versuche anführten. Diesen fünfWorkshopgruppen gaben wir die Namen Schwerpunkt undGleichgewicht, Mechanik, Optik, Bernoulli und die letzteGruppe war die Seifenblasengruppe. Bald hatte jeder dieTheorie über ihren Themenbereich durchgearbeitet, beganndas Material zu besorgen und ihr Spielzeug für die Experi-mente zu basteln. Außerdem fertigen wir auf Plakaten Ver-suchsbeschreibungen an und erklärten kurz und möglichstleicht verständlich die physikalischen Grundlagen, die hinterden Experimenten steckt.

Die erste Präsentation gab es dann am Tag der offenen Tür un-serer Schule im Jänner. Als Teil der Kinderanimation bautenwir unsere Workshops mit den Plakaten und den Versuchenund Bastelarbeiten im Turnsaal auf. Aber obwohl wir uns sehrbemühten - der "große Renner" waren unsere Bastelarbeitenleider nicht bei den Kids, die in den Turnsaal kamen; wir hat-ten nämlich eine große Konkurenz - eine Hüpfburg, die auf dieKinder leider wie ein Magnet wirkte.

Projektunterricht an der HLWT Neusiedl groß geschrieben!Die SchülerInnen der 3 AW

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Nach diesem Tag waren wir etwas frustriert, da wir dachten,daß unsere Ideen nicht sehr gut wären. Bei unserer Reflexionarbeiteten wir diese Enttäuschung jedoch auf und beschlossen,an der ScienceWeek Austria teilzunehmen. Das taten wir imMai in Form eines Kinderfestes.

"Spiel und Spaß für Neusiedler Volksschulkids " hieß deshalbdas Motto für unsere Klasse im 2. Semester!

Unter der Devise "Kreative Physik - wir basteln Physik-spielzeug" nahmen wir an der ersten österreichischen Sci-ence-Week statt. Erstmals wurde heuer nach englischem Vor-bild dazu aufgerufen, Aktionen zu veranstalten, die der Öffent-lichkeit die Wissenschaft nahe bringen sollten!

So luden wir die dritte und vierte Klasse der Klostervolks-schule aus Neusiedl am 23. Mai 2000 zu einem gemeinsamenScienceWeek-Tag ein. Mit lustigem Spielen und Bastelnwollten wir in 5 Workshops das Interesse von Volksschulkidsan Physik wecken und Erstaunen hervorrufen. Wir wollten un-seren kleinen Gästen physikalische Grundkenntnisse in spiele-rischer Form beibringen.

Viele Wochen vor diesem Termin waren wir unter der Leitungunserer Mathe- und Physiklehrerin mit den Vorbereitungen be-schäftigt. Das Material vom Tag der offenen Tür mußte ge-sichtet und ergänzt werden, Zeit- und Ablaufpläne wurden er-stellt, Kontakt mit den Veranstaltern wurde per Fax und E-Mail gehalten, das Programm wurde koordiniert, mit der Di-rektion der Volksschule klärten wir die wichtigsten Daten; wirschrieben Briefe an die Eltern unserer kleinen Gäste und wirsahen uns nach Sponsoren für das Buffet, das Helium, fürLuftballons und viele andere Dinge mehr um.

Dann kam der 23. Mai immer näher und somit stieg auch dieAufregung, ob wir alles richtig geplant und vorbereitet hatten."Hast du nichts vergessen?", "Uns fehlen noch die Filzstifte,wer nimmt sie mit?", "Wer hält nun die Eröffnungsrede undwas muß man dabei sagen?", so schwirrten noch am Montagdie Fragen durch den Raum, als wir das gesamte Material vonder Klasse nach unten - in Richtung Turnsaal - schleppten.

Am Montag abend begann das große Zittern - hoffentlich ist esam nächsten Tag schön, denn wir wollten unseren "Physikzir-kus" gerne im Freien abhalten. Dieser Wunsch ging leidernicht in Erfüllung: der Wind wehte einfach zu stark, dichteWolken standen am Himmel und es war zu kalt.

In der Früh trafen wir uns alle pünktlich im Turnsaal - wir hat-ten das Spielefest ja für Schön- und Schlechtwetter gut durch-geplant und bereiteten alles vor: Tische und Sessel schleppen,Workshops aufbauen, Plakate aufhängen, das Material aufle-gen, -...

Und dann standen unsere kleinen Physiklehrlinge etwas zufrüh in der Turnsaaltür. Um 8.30 Uhr starteten wir mit einemflotten Tanz - Kinder begrüßen, in Gruppen einteilen, die lusti-gen Laufkarten verteilen und "ab zu den Stationen" - dann ginges richtig los. Bei fünf Stationen bastelten, zeichneten, experi-mentierten und spielten die Kinder der Volksschule jeweils 30Minuten.

Es gab lustige Stehaufmännchen und balancierende Clowns,mit viel Puste entstanden lustige Spritzbilder a la Bernouli,Bumerangs wurden geschnitten und bemalt, bunte Maxwell-papageien tanzten auf ihrer Stange und viele Kreisel schwirr-

ten über die Tische. Bei der Station mit dem Schwerpunkt Op-tik malten die Kinder Farbkreisel, bastelten schwarz- weißeBanham- Scheiben, die beim Drehen Farben sehen ließen,klebten Lebensräder und erfuhren viel über die Trägheit unse-rer Augen. Besonderen Spaß machten allen die Riesenseifen-blasen! Es war einfach schön, die Beisterung in den Kinderau-gen zu sehen!

Da Experimentieren hungrig und durstig macht, war von unsein kleines Buffet vorbereitet worden, bei dem sich die Kidsdie Brote und den Saft gut schmecken ließen. Das Brot hatteuns eine örtliche Bäckerei gesponsert, die Aufstriche hatte wirselbst gemacht - an die 10 kg Brot wurde von unseren experi-mentierfreundigen Gästen "verputzt".

Als großen Abschluß tanzen wir gemeinsam unseren Tanz,nachdem die Kids von uns noch kleine Geschenke erhaltenhatten. Als Höhepunkt ließen wir im Freien unsere mit Heliumgefüllten Luftballons mit Erinnerungskärtchen steigen! Hof-fentlich schreibt uns jemand zurück!

Dieser Tag war zwar anstrengend, aber sehr schön; es lief allessehr locker und angenehm ab. Die Kinder waren begeistertvon unserer Welt der Physik. Ein Mädchen meinte, daß so eineArt Physikunterricht öfters stattfinden sollte und es ihr sehrviel Spaß gemacht habe. Unser Ziel, den Kids die Physik überdas selbstgebastelte Physikspielzeug näher zu bringen, gelanguns recht gut! Anfangs dachten einige von uns, daß es denKindern vielleicht fad werden konnte, aber schon bald "tau-ten" sie richtig auf und waren ganz begeistert davon mit Krei-seln zu spielen, zu malen, zu basteln, zu jonglieren oder Dia-bolo zu spielen. Sie waren sehr nett und wollten unbedingt al-les versuchen. "Könnten wir nicht jeden Dienstag solche Phy-sik machen?", fragten einige, bevor das Fest zu Ende ging.Auch die beiden Begleitlehrerinnen waren vom Vormittag undden Geschenken sehr begeistert!

Die Wiederholung im Rahmen der Physicshow anläßlich der ÖPG 2000 im Grazer Stadtpark wurde mit einem Preis ausge-

zeichnet, den Nobelpreisträger Manfred Eigen überreichte.

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