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5 Gelbglut und Schmiedeflöhe Eisenschmieden in der Oberstufe Handarbeit und Handwerk Die künstlerische und gestalterische Hand-Arbeit beginnt schon im 1. Schuljahr. Es ist zunächst eine Tätigkeit mit flau- schigen und weichen Werkstoffen, die aber schon viel Aufmerk- samkeit und Geschicklichkeit erfordert. Die kleinen Hände wer- den beweglicher und geschmeidiger, hinzu kommt eine wach- sende Koordinationsfähigkeit in der Feinmotorik. Durch Zu- sammenfügen werden im Handarbeitsunterricht vorwiegend Hüllen gebildet, die den Menschen kleiden und schützen. Die farbliche Gestaltung hierbei wird gefördert durch den Maltag des Klassenlehrers. Der in der 5. Klasse einsetzende künstlerische Handwerks- unterricht hat seinen Schwerpunkt in der Bearbeitung und Ge- staltung von Holz. Der Werkstoff ist deutlich fester und von Spuren des Wachstums gezeichnet. Eine Begeg- nung mit den „Baumbiographien“ findet statt. Im Unterricht werden dem Holz Späne abgenom- men, auf diese Weise wird zur Gestalt und Form des Werkstückes hingearbeitet. Grundsätzlich soll Schönes und zugleich Nützliches entstehen. Um das 12. Lebensjahr erst verwächst der Handwurzelknochen und wird belastbar. Dieser Entwicklung muss im Vorfeld durch leichte Arbeiten entsprochen werden, auch wenn die kleinen Handwerker mit Feuereifer bei der Sache sind. Themenschwerpunkte im künstlerischen Handwerksunterricht sind nützliche und funkti- onsfähige Haushaltsgeräte. Schalen etwa, die Innenraum erlebbar machen. Oder das Herstellen von beweglichem Spielzeug, wo das Gebiet der Mechanik einbezogen werden muss. Das Stre- cken der Gliedmaßen, das die schlacksigen Be- wegungen der Jugendlichen hervorruft, schwächt auch ihre Arbeitsfähigkeit. Von der Erscheinung her könnte man ihnen mehr zutrauen, würde sie aber dann überfordern. In der Schmiede

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Gelbglut und SchmiedeflöheEisenschmieden in der Oberstufe

Handarbeit und HandwerkDie künstlerische und gestalterische Hand-Arbeit beginnt

schon im 1. Schuljahr. Es ist zunächst eine Tätigkeit mit flau-schigen und weichen Werkstoffen, die aber schon viel Aufmerk-samkeit und Geschicklichkeit erfordert. Die kleinen Hände wer-den beweglicher und geschmeidiger, hinzu kommt eine wach-sende Koordinationsfähigkeit in der Feinmotorik. Durch Zu-sammenfügen werden im Handarbeitsunterricht vorwiegendHüllen gebildet, die den Menschen kleiden und schützen. Diefarbliche Gestaltung hierbei wird gefördert durch den Maltag desKlassenlehrers.

Der in der 5. Klasse einsetzende künstlerische Handwerks-unterricht hat seinen Schwerpunkt in der Bearbeitung und Ge-staltung von Holz. Der Werkstoff ist deutlich fester und vonSpuren des Wachstums gezeichnet. Eine Begeg-nung mit den „Baumbiographien“ findet statt. ImUnterricht werden dem Holz Späne abgenom-men, auf diese Weise wird zur Gestalt und Formdes Werkstückes hingearbeitet. Grundsätzlichsoll Schönes und zugleich Nützliches entstehen.

Um das 12. Lebensjahr erst verwächst derHandwurzelknochen und wird belastbar. DieserEntwicklung muss im Vorfeld durch leichteArbeiten entsprochen werden, auch wenn diekleinen Handwerker mit Feuereifer bei der Sachesind. Themenschwerpunkte im künstlerischenHandwerksunterricht sind nützliche und funkti-onsfähige Haushaltsgeräte. Schalen etwa, dieInnenraum erlebbar machen. Oder das Herstellenvon beweglichem Spielzeug, wo das Gebiet derMechanik einbezogen werden muss. Das Stre-cken der Gliedmaßen, das die schlacksigen Be-wegungen der Jugendlichen hervorruft, schwächtauch ihre Arbeitsfähigkeit. Von der Erscheinungher könnte man ihnen mehr zutrauen, würde sieaber dann überfordern.

In der Schmiede

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Die Entwicklungsprozesse in der Unter- und Mittelstufe sindvielfältig. Im künstlerischen und praktischen Unterricht gehenwir – wie auch in anderen Fächern – auf diese Entwicklungenunterstützend ein. Hier kann jeder Fortschritt nur durch Arbeitmit den Händen erzielt werden. Das stärkt Willenskräfte, sensi-bilisiert Sinneswahrnehmung und mobilisiert Kräfte für gedank-liche Tätigkeit. Ein Sprichwort lautet: „Geschickte Hände –kluger Kopf“. Begreifen und Verstehen können durch den prak-tischen Unterricht eine Förderung erfahren. Wichtig ist zudemgerade in der Mittelstufe die Begegnung mit dem Schönen. Ineiner Zeit der Turbulenzen wirkt das stützend und Halt gebend.

Metallhandwerk in der 9. KlasseAlle Werkstoffe, die in der Unter- und Mittelstufe be- und

verarbeitet wurden, kamen aus der uns umgebenden sinnlichenWelt. Metalle hingegen lagern im Erdenleib und entziehen sichso der unmittelbaren Wahrnehmung. Das Metallhandwerk be-ginnt in der 9. Klasse mit einer Kupfertreibepoche. Kupfer istein Bunt-, Halbedel- und Schwermetall. Es kommt gediegen underzförmig vor, es ist bildsam, dauerhaft und leitfähig.

Die Aufgabe besteht darin, eine Schale zu formen. Andersals bei den Werkarbeiten der Mittelstufe wird nicht entnommen

oder zugefügt, sondern verformt. DieSchüler treiben die Form durch wieder-holendes Durcharbeiten mit gleichmäßigfesten und gleichmäßig gesetzten Ham-merschlägen. Eine erste und grundle-gende Erfahrung dabei ist das Entspan-nungsglühen. Metalle verlieren an Wi-derstand, wenn sie über eine bestimmteTemperatur erwärmt werden. DurchZwischenglühen wird somit der Vorgangdes Formens wesentlich erleichtert.Beim Ausarbeiten ist es dann notwendig,das Kupfermetall hart zu arbeiten.

Die Erfahrung im Metallfachunterricht der 9. Klasse lehrtZustände des Metalls zu beurteilen. Klang- und Biegeprobe, mitwenig Widerstand formen, ein hohes Maß an Widerstand amfertigen Werkstück erzeugen… Fachlich heißt das, Einfluss zunehmen auf die Gitterstruktur des Metalls, die nicht sichtbar ist.Das ist ein Merkmal der Metalle, was jüngere Schüler noch nichtverstehen könnten. Auf die bildhauerischen Aspekte der Form-bildung will ich hier nicht näher eingehen, weil dieser Beitragseinen Schwerpunkt im Schmieden von Eisen haben soll.

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Schmieden in der 10. und 11. KlasseKaum ein anderes Handwerk hat einen so ausgeprägten Cha-

rakter wie das Schmiedehandwerk. Es ist sagenumwoben undehrfurchtgebietend. Jedes Dorf hatte früher seinen Schmied, unddie Klänge seines Amboss waren unverwechselbar. Der Dorf-schmied war für alles zuständig, was mit Eisen zu tun hatte, bishin zum Hufbeschlag der Pferde. In den Städten hingegen warendie Schmiede seit dem Mittelalter spezialisiert. Unter anderemgab es Messerschmiede, Kettenschmiede und Kunstschmiede,die Tore und Gitter herstellten. Noch im Mittelalter ward demSchmied von der Zunft geboten, „kein teuflisch Handwerk zutreiben“. Es gab Verhaltensregeln: wie beim Apotheker „probiernichts!“, so beim Schmied „fass nichts an!“ Nun, eine unsichtba-re Schwarzglut kann heftige Verbrennungen hervorrufen!

Vereinzelt gibt es noch Kunstschmiede, aber im Wesentli-chen haben moderne Verfahrenstechniken den Berufszweigverdrängt. Einige wenige Hufschmiede gibt es noch. Mit demAufkommen elektronischer Gebäudesicherung verschwandenfast alle Kunstschmiede, die bis zu dieser Zeit noch Gitter her-stellten – für eine Gesellschaftsschicht, die es sich leisten konn-te. Erwin Mehne (1889 – 1953) war der bekannteste Kunst-schmied in Heilbronn. Nur wenige seiner Werke überstandenden 2. Weltkrieg.

Historisch betrachtet ist das Schmieden ein sehr altes Hand-werk. Vor dem Eisen wurde Kupfer und Bronze verarbeitet. DieErfindung des Bronzemetalls (eine Legierung aus Kupfer und

„Schwerter zu Pflugscharen“Am 24. September 1983 fandwährend eines evangelischenKirchentages in Wittenbergauf dem Lutherhof vor etwa4.000 Teilnehmern einesymbolische Aktion statt: Derörtliche Schmied Stefan Nauschmiedete ein Schwert zueiner Pflugschar um. Wegender internationalen Präsenzauch von westlichen Medien-vertretern griffen die Staats-organe nicht ein. Die Initiati-ve zu der Aktion ging vonFriedrich Schorlemmer,damals Pastor an derSchlosskirche Wittenberg,aus.

Regin schmiedet für Sigurddas Schwert – NorwegischeStabkirche

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Zinn) war ein gewaltiger Schritt der Menschheit. Erst spät folgtedas Eisen nach – wegen des komplizierten Vorgangs seiner Ge-winnung. Denn das Eisen hat sich mit der Erde vielfältig ver-bunden. Gold, Silber und Kupfer gibt es gediegen, aber Eisenausschließlich als Erz – abgesehen vom Meteoreisen, das keinirdisches Eisen ist und dessen Vorkommen gering sind. DasHerauslösen des Eisens aus seinen Erzen war zunächst sehraufwendig, sodass nur durch sehr viel Einsatz kleine Mengenerzeugt wurden. Zeitweise war Eisen sogar teurer als Gold. Erstdie Trennung von Schmiede- und Hüttenwesen führte nach undnach zu größeren Mengen gewonnenen Eisens. Im Siegerland,wo es viel Eisenerz gibt, wurden schließlich ganze Landstricheabgeholzt, um Holzkohle herzustellen, die für das Verhütten vonEisenerz notwendig war. Später brachte man Eisenerze zurKohle in das Ruhrgebiet zum Verhütten.

Durch Legierungen und Behandlungsverfahren hat derMensch dem Eisen alle nur erdenklichen Eigenschaften beige-bracht. In der Gegenwart ist beispielsweise rostfreier Stahl völlignormal (Chromnickelstahl 18/10). Im Haushalt ist er überall

anzutreffen. Jeder Autoher-steller garantiert langfristig,dass seine Produkte bei sach-gemäßer Behandlung undWartung nicht rosten. So istdie Begegnung mit dem Ros-ten heute selten geworden. Inder Museumspädagogik hin-gegen wird der Rost des Ei-sens als Beispiel für die Ver-gänglichkeit angeführt.

Im Unterrichtsgespräch vorder Eisenschmiedeepoche er-fahren die Schüler vieles überdie Metalle. Eine Zuordnung

der Metalle wird erarbeitet: Buntmetall, Edel-, Halbedel- undUnedelmetall. Je mehr sich ein Metall den Erdprozessen wider-setzen kann, desto edler ist es. Grundsätzlich betrifft das zu-nächst die natürlich auftretenden Metalle ohne Einflussnahmedes Menschen. – Andere Themen: Eisen und Nicht-Eisen-Metalle werden unterschieden. Die allgemeinen Metalleigen-schaften werden erarbeitet. Die Problematik der Erstgewinnungvon Aluminium wird angesprochen. Ein Hüftgelenk aus Titanwird angeschaut. Die Rückgewinnung von Kupfer ist ebenfallsein wichtiges Thema, weil der Weltverbrauch beständig zu-nimmt und die Vorkommen bescheiden sind.

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Eine Schmiedeepoche: Haken aus BaustahlErst in der 10. Klasse sind die Schüler in der Lage wirklich

zu schmieden. Kraft, Mut, Körperbeherrschung und Überblicksind Voraussetzungen, die strenge Einhaltung von Regeln istunabdingbar, um Unfälle zu vermeiden. Das Entzünden einesFeuers mit der Einweisung in die Herdstelle bildet den Anfang.Ein Schmiedefeuer mit magerer Steinkohle anzufachen ist keineleichte Aufgabe. Ein Anfänger, wenn er nicht deutlich unter-stützt wird, verbringt die ersten Stunden nur mit dem Feuerma-chen. Vorbereitend wird der Kohlenstaub aus der Feuerschüsselund von der Herdplatte entfernt. Das Wasserbecken wird gefüllt,frische Kohle rechts und links von der Feuerschüssel wird aufge-schüttet. Zwei Schaufeln frischer Kohle bedecken den Luftkegelund den Grund der Feuerschüssel. Klein gerissene Pappe wirdangezündet und durch ein kleines Holzstück ergänzt. Die Wind-maschine führt Sauerstoff in das Feuer, das nach und nach auf-gekohlt wird. Schwerer Qualm dringt aus dem Kohlenhaufen,der auf den Boden sinkt und nicht im Kamin verschwindet. Esknackt, faucht und zischt. Die Orientierung in der Werkstatt istdann zunächst sehr eingeschränkt. Abzugschächte an den Au-ßenwänden transportieren langsam den Rauch ins Freie. Miteinem heftigen Schlag dringt das Feuer aus dem Kohlenberg undentzündet die Rauchsäule darüber. Der Rauch wird vom Feueraufgezehrt und die Kohlen sind soweit abgefackelt, dass Schwe-fel und Kohlenstoff weitgehend verbrannt sind. Außen wird dasFeuer mit Wasser abgelöscht, um die Wärme im Inneren zuhalten. Ein Zugang wird geschaffen und es kann losgehen.

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Zunächst werden die Schülerinnen und Schüler in den Um-gang mit einigen ausgewählten Feuerzangen eingewiesen. DieZangen dürfen nicht mit geglüht werden, weil sie sich verbiegenoder verbrennen. Stahl ist ein mäßiger Wärmeleiter, aber nacheiniger Zeit kommt die Hitze im Zangenschenkel an, beimNachgreifen in Richtung des Maules kann das zu Verbrennun-gen führen. Die Zangen müssen deshalb oft im Wasserbeckengekühlt werden. – Schließlich verlassen wir das Thema Feuerund Feuerpflege und den Umgang mit den Zangen und schauenden Amboss an. Er steht auf einem verstärkten Fundament undeinem Sockel aus Eichenholz. Das Rundhorn weist zur linkenund das Vierkanthorn zur rechten Seite, die Arbeitsfläche (Bahn)liegt dazwischen. Es gibt verschiedene Ambossformen, die hieraber nicht betrachtet werden sollen. Nach der Einführung vonFeuerstelle, Zange und Amboss wird noch der kleine Schmiede-hammer (1000 gr) besprochen und an das Hebelgesetz aus derPhysik der 7. Klasse erinnert.

Die Schüler teilen sich zu mehreren eine Feuerstelle und ei-nen Amboss. Je nach Umsichtigkeit kann auch ein zweiter be-nachbarter Amboss mit benutzt werden. Regel ist aber strikt,dass nur ein Schüler an einem Amboss schmiedet und nicht zweizugleich. Ohne Hitze wird demonstriert, wie man aufrecht amAmboss steht, wie das Werkstück mit der Zange gehalten und

geführt wird. Bei den ersten Schlägen auf dasEisen muss man vormachen, wie der Hammergehalten und geführt wird. Mit Verwunderungwird der Leerschlag beim Wenden und Beurtei-len des Eisens wahrgenommen: der Ambosshebt nach dem Aufprall den Hammer an. Indemer den Hammer abprallen lässt, spart derSchmied Energie. Hinzu kommt das bessereKlangbild, das durch den Leerschlag entsteht –ein Beispiel ohne Leerschlag wird dagegen wieholpriges Stottern erlebt.

Einen Haken zu schmieden erfordert ver-schiedene Arbeitstechniken. An einem vorbe-reiteten Stahl (8x8x100 mm) wird der Glühvor-gang demonstriert. Die Wolfsmaulzange mit300 mm Schenkellänge kommt zum Einsatz.Das kleine Eisen wird in das Feuer eingebracht,so dass es parallel zum Tisch liegt. Schwarzglut,Rotglut und schließlich Gelbglut entstehen. DasEisen ist bis in den Kern erhitzt. Der Glühvor-gang erfordert Konzentration und Kontrolle. BeiÜberhitzung verbrennt das Eisen. Gedeih undVerderb liegen beim Schmieden eng beieinan-

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der: Nicht selten verglüht ein mühevoll angelegtes Werkstück.Nicht bei der Sache sein hat beim Schmieden Konsequenzen, diesich nicht weg diskutieren lassen. Wenn man das Feuer genaubeobachtet, zeigt sich ein Verbrennen des Eisens an: kleine,heftig und munter sprühende Sterne sind ein Alarmsignal. Siesind nicht zu verwechseln mit den Schmiedeflöhen, die gele-gentlich aus dem Feuer sprühen. Die Beobachtung des Feuers istjedoch nur kurzzeitig zuträglich. Ein durchgeschlagenes Feuerführt bei längerem Anstarren zu vorübergehender Blindheit. Esist wesentlich heller als ein Kaminfeuer.

Das Eisen erhält eine Temperatur von 1200°C, was der FarbeGelb entspricht. Jetzt muss als erstes zügig und mit richtigerHammerführung an der Kante der Ambossbahn die Spitze desHakens vierkantig gestreckt werden. Mit viel Mühe wird vonden Schülern der Leerschlag praktiziert. Korrekturen von Standund Haltung sind notwendig. Der Hebel des Hammers wird nichtgenutzt, es wird im ersten Drittel des Hammerstiels aus derSchulter heraus gedrückt. Nach und nach wird ein geschmeidi-ger, effizienter und rhythmischer Bewegungsablauf erzielt. DenSchlag ankommen zu lassen braucht Erfahrung. Zunächst wirdder Hammer nur hektisch angehoben, ohne die nachhaltige Wir-kung des Hammerschlags und den Gegenschlag des Ambosseszu berücksichtigen. Das Eisen (Baustahl) istaber ausgesprochen gutmütig, Reaktionen aufFehlbehandlungen sind gering. Vor demVerbrennen ist es aber nicht geschützt. Außer-dem wird auf dem Amboss nach kurzer Arbeitein Zunder (Hämmatit) sichtbar. Das ist eineVerbindung von Sauerstoff und Eisen, die sichablöst. Der Amboss muss davon frei gehaltenwerden, weil sich der Abbrand in das Eisenschlägt und die Geschlossenheit der Oberflächeso zerstört wird.

Das vierkantige Spitzen, das korrekte Auf-legen des Werkstückes und das richtige Führendes Hammers werden die Schüler zunächst nuransatzweise umsetzen können. Alles wirkt nochsehr umständlich und ungelenk, die wirklicheUmsetzung braucht Training und Erfahrung. Dader Querschnitt des Werkstücks abnimmt, sinddie ersten Spitzen jetzt verbrannt. Sie lassensich nicht nachbessern und ein Neubeginn istoft unausweichlich. Genau hier wird der Habi-tus oder Charakter des Schmiedens jetzt vollausgekostet: Zornig sein und fluchen gehört zudiesem Handwerk.

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Der folgende Arbeitsschritt, das Schild des Hakens breitzie-hen, stellt neue Anforderungen. War das Spitzen und Streckenmit der Hammerbahn noch recht komfortabel, ist das Breitziehen

sehr punktgenau auszuführen. Der Glühvorgangbleibt gleich, aber die Bearbeitung findet nun mit derHammerfinne statt. Jeder Schlag daneben lässt denAtem kurz stillstehen. Das Geschehen in der Werk-statt ist klanglich jetzt schon gestalteter. Man reihtsich ein in das akustische Spektakel und arbeitet sonicht mehr gegeneinander.

Ein Ausgleich von Strecken und Breitziehen stehtnun an, das Werkstück muss mittig geglüht werden.Es ist nicht leicht, die Vierkantspitze zu runden. Diegenaue Lage auf der Ambossbahn ist herauszufinden,das Eisen verdreht sich, wenn der Druckpunkt nichtsenkrecht ist. Auch das Biegen bzw. Einrollen desHakens ist eine Erfahrung – biegen ist nicht schmie-den. Nur die Form soll beim Biegen verändert wer-den, nicht der Materialquerschnitt. Der Amboss darfnicht klingen.

Bis auf die Bohrung ist der Haken nun fertig ge-stellt. Das Ganze wird noch gerichtet, Verbiegungenwerden ausgeglichen, dann wird Öl eingebrannt. DerVorgang ist vergleichbar mit dem, was sich in alteneisernen Bratpfannen vollzogen hat: Die einge-brannte Ölschicht schützt vor Rost. Der Vorgang istschwer auszuführen, weil an verschiedenen Materi-alquerschnitten ein Gleichmaß an Erwärmung erfol-gen muss. Wenn es gelingt, ist das Werkstück wider-standsfähig gegen Rostbildung.

Ein Projekt für KinderNach einem Aufruf an die Schulgemeinschaft zur humanitä-

ren Hilfe für Indien entschloss sich die 10. Klasse einmütig, imSchmiedeunterricht ein Projekt durchzuführen: Ein Produktsollte hergestellt werden, das sich vermarkten ließe, und derGewinn sollte der Indienhilfe zugute kommen. So beschlossman, zugunsten des Entwicklungsprojektes Ghosaldangha Ha-ken zu schmieden und zu verkaufen.

Die Haltung der Schüler begeisterte mich. Nachdem sie sichbei der Herstellung eines eigenen Hakens Grundfähigkeitenerworben hatten, wurde arbeitsteilig produziert. Die Werkstattmusste neu strukturiert werden, Ordnung und Überblick warendie Voraussetzung für eine solche Produktionsanlage. Zunächstgab ich eine Einteilung der einzelnen Arbeitsschritte vor. Bald

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zeigte sich, dass die Schüler besser organisieren konnten als ich.Krankheitsvertretungen und die Überwindung von Staus in derProduktion wurden von den Schülern hervorragend organisiert.

Eine neue Aufgabe war die Qualitätskontrolle. Es war zu ent-scheiden, was bewegt sich im Rahmen der Vorgabe und was istzu aufwendig nachzubessern. Die Schrottkiste füllte sich. DasVerpacken und Vervollständigen mit Dübel und Schrauben wareine Aufgabe für sich.

Es wurden viele Fragen bewegt, die Produktion, Rentabilitätund Vermarktung betrafen. Die Erstellung einer Kalkulationunseres „Betriebes“ (Bilanz) stimmte recht ernüchternd. MitUnterstützung der Schule (Produktionsanlage) und den kosten-freien Arbeitskräften war dennoch Gewinn zu erwirtschaften.

Der Ertrag oder die Spende nach Indien waren natürlich nureine Seite des Projektes. Es gab Stimmen, die sagten, ein solchesarbeitsteiliges Produzieren sei zwar gut, weil es eine Arbeit mitder Welt ist; dennoch sei der Unterricht in der Waldorfschuleansonsten bildender, ergiebiger. Darin drückte sich keineswegsEgoismus aus – unsere Schüler haben für das, was in der Wal-dorfschule entwickelt werden kann, ein feines Gespür. Auchmeine anfängliche Euphorie, dass diese Art von Welterfahrungin der Schule angesagt sei, wurde ernüchtert. Den einzelnenSchüler in seiner Individualentwicklung zu fördern ist men-schengemäßer als eine Serienproduktion. Dennoch, wir, dieSchüler und auch ich, haben viele Erfahrungen gemacht. DieZusammenarbeit war hervorragend, kooperativ und herzlich.Und wir haben etwas bewirkt. Die Einnahmen aus unseremProjekt können ein Waisenkind in Ghosaldangha zwei Jahre langunterstützen.

Martin Stolze (L)

Verbrannt!

Der Kindergarten zu Besuch