grundlagen der therapie der chronischen niereninsuffizienz ... · ace-antagonist/hemmer abb.2...

7
Eine frühzeitig begonnene Therapie ist bei der chronischen Niereninsuffizienz wich- tig, um die Überlebenszeit des Patienten zu verlängern. Hierbei scheinen die Kon- trolle des Serumphosphatspiegels und die Vermeidung oder Reduktion der Protein- ausscheidung im Primärharn wichtige Ansatzpunkte zu sein. Die chronische Niereninsuffizienz (CNI) ist eine häufige Erkrankung, vor allem älterer Hunde und Katzen. Die Ur- sachen für diese chronisch-entzündliche Erkrankung sind bis jetzt nicht vollständig geklärt. Offensichtlich spielt aber eine fortschreitende tubulo-interstitielle Entzün- dung eine entscheidende Rolle bei der Progression der Er- krankung [1 3]. Über die Bedeutung einer rechtzeitigen Diagnostik in Bezug auf eine frühzeitige Therapie und eine längere Überlebenszeit besteht weitgehende Über- einstimmung. Dafür können eine Reihe verschiedener Laborparameter im Serum oder Urin genutzt werden. Unabhängig von möglichen Grundursachen der chroni- schen Niereninsuffizienz scheinen 2 Pathomechanismen für das Fortschreiten der Erkrankung und eine schlechte Prognose mitverantwortlich zu sein: eine erhöhte Kon- zentration von Protein im Urin und ein erhöhter Serum- phosphatspiegel. Hier ergeben sich somit 2 wichtige An- satzpunkte für die Therapie der chronischen Niereninsuf- fizienz, nämlich die Kontrolle des Serumphosphatspiegels und die Vermeidung/Reduktion der Proteinausscheidung im Primärharn. Einleitung Die chronische Niereninsuffizienz ist eine bei Hunden und Katzen häufig diagnostizierte Erkrankung. Sie wird bei äl- teren Katzen 2- bis 3-mal häufiger diagnostiziert als bei älteren Hunden. Die Primärursachen dieser progressiven Erkrankung sind bis heute unklar; diskutiert werden ne- ben genetischen Ursachen Infektionserkrankungen, Imp- fungen, Ernährung, Medikamente oder der Zeitpunkt der Kastration. Alle diese Ursachen erklären kaum die hohe Inzidenz an chronischer Niereninsuffizienz, insbesondere in der Katzenpopulation. Andere offensichtliche Primär- ursachen wie Erkrankungen der unteren Harnwege durch Inflammation/Infektion (LUTD), Obstruktion durch Stein- und Konkrementbildung, erhöhter Blutdruck oder verän- derte Gewebeperfusion infolge einer Hyperthyreose oder Herzerkrankung sowie definierte genetische Erkrankun- gen wie polyzystische Nierenerkrankung erklären zwar einzelne konkrete Fälle, sind aber nicht für die Vielzahl von älteren Hunden und vor allem Katzen mit chronischer Niereninsuffizienz verantwortlich. Sicher scheint zu sein, dass vor allem bei der Katze eine tubulo-interstitielle Nephritis für die fortschreitenden histologischen Veränderungen und den Funktionsverlust des Nierengewebes verantwortlich sind. Eine erhöhte Proteinkonzentration im (Primär-)Harn hat zunächst ja eine glomeruläre Ursache. Durch die Reabsorption der übermäßig ausgeschiedenen Proteine im proximalen Tu- bulus scheint eine solche Hyperproteinurie ein wichtiger Trigger für das Fortschreiten der tubulären Entzündung und somit der chronischen Niereninsuffizienz zu sein. Mit großen individuellen Unterschieden kommt es bei Hunden und Katzen im Laufe der chronischen Nieren- insuffizienz zu einem Anstieg der Serumphosphat-Kon- zentration. Der genaue Pathomechanismus wird dabei noch diskutiert. Zahlreiche Autoren machen einen sekun- dären Hyperparathyreoidismus dafür verantwortlich [4]. Fest steht, dass eine solche Hyperphosphatämie zu einer weiteren Schädigung des funktionellen Nierengewebes und damit zur Progression der chronischen Niereninsuf- fizienz beiträgt. Eine Senkung der Hyperproteinurie sowie eine Kontrolle der Serumphosphat-Konzentration scheinen neben an- deren Maßnahmen (Proteinrestriktion in der Nahrung, ggf. Rehydratation etc.) Grundpfeiler der Therapie der chronischen Niereninsuffizienz zu sein. Grundlagen der Therapie der chronischen Niereninsuffizienz bei Hund und Katze Jörg Wolfgang Schäffner Hund.Katze | Innere Medizin Enke 12 Schäffner J. Grundlagen der Therapie kleintier konkret 2018; 21: 1219 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Upload: lyanh

Post on 17-Aug-2019

213 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Grundlagen der Therapie der chronischen Niereninsuffizienz ... · ACE-Antagonist/Hemmer Abb.2 Nierenfunktion bei der Katze. a Physiologische Nierenfunktion. b Bei chronischer Niereninsuffizienz:

Grundlagen der Therapie der chronischenNiereninsuffizienz bei Hund und Katze

Jörg Wolfgang Schäffner

Hund.Katze | Innere Medizin Enke

12

ung

des

Ver

lage

s.

Eine frühzeitig begonnene Therapie ist bei der chronischen Niereninsuffizienz wich-tig, um die Überlebenszeit des Patienten zu verlängern. Hierbei scheinen die Kon-trolle des Serumphosphatspiegels und die Vermeidung oder Reduktion der Protein-ausscheidung im Primärharn wichtige Ansatzpunkte zu sein.

zum

per

sönl

iche

n G

ebra

uch

heru

nter

gela

den.

Ver

viel

fälti

gung

nur

mit

Zus

timm

Die chronische Niereninsuffizienz (CNI) ist eine häufigeErkrankung, vor allem älterer Hunde und Katzen. Die Ur-sachen für diese chronisch-entzündliche Erkrankung sindbis jetzt nicht vollständig geklärt. Offensichtlich spieltaber eine fortschreitende tubulo-interstitielle Entzün-dung eine entscheidende Rolle bei der Progression der Er-krankung [1–3]. Über die Bedeutung einer rechtzeitigenDiagnostik in Bezug auf eine frühzeitige Therapie undeine längere Überlebenszeit besteht weitgehende Über-einstimmung. Dafür können eine Reihe verschiedenerLaborparameter im Serum oder Urin genutzt werden.

Unabhängig von möglichen Grundursachen der chroni-schen Niereninsuffizienz scheinen 2 Pathomechanismenfür das Fortschreiten der Erkrankung und eine schlechtePrognose mitverantwortlich zu sein: eine erhöhte Kon-zentration von Protein im Urin und ein erhöhter Serum-phosphatspiegel. Hier ergeben sich somit 2 wichtige An-satzpunkte für die Therapie der chronischen Niereninsuf-fizienz, nämlich die Kontrolle des Serumphosphatspiegelsund die Vermeidung/Reduktion der Proteinausscheidungim Primärharn.

Die

ses

Dok

umen

t wur

de

EinleitungDie chronische Niereninsuffizienz ist eine bei Hunden undKatzen häufig diagnostizierte Erkrankung. Sie wird bei äl-teren Katzen 2- bis 3-mal häufiger diagnostiziert als beiälteren Hunden. Die Primärursachen dieser progressivenErkrankung sind bis heute unklar; diskutiert werden ne-ben genetischen Ursachen Infektionserkrankungen, Imp-fungen, Ernährung, Medikamente oder der Zeitpunkt derKastration. Alle diese Ursachen erklären kaum die hoheInzidenz an chronischer Niereninsuffizienz, insbesonderein der Katzenpopulation. Andere offensichtliche Primär-ursachen wie Erkrankungen der unteren Harnwege durchInflammation/Infektion (LUTD), Obstruktion durch Stein-und Konkrementbildung, erhöhter Blutdruck oder verän-derte Gewebeperfusion infolge einer Hyperthyreose oderHerzerkrankung sowie definierte genetische Erkrankun-

gen wie polyzystische Nierenerkrankung erklären zwareinzelne konkrete Fälle, sind aber nicht für die Vielzahlvon älteren Hunden und vor allem Katzen mit chronischerNiereninsuffizienz verantwortlich.

Sicher scheint zu sein, dass vor allem bei der Katze einetubulo-interstitielle Nephritis für die fortschreitendenhistologischen Veränderungen und den Funktionsverlustdes Nierengewebes verantwortlich sind. Eine erhöhteProteinkonzentration im (Primär-)Harn hat zunächst jaeine glomeruläre Ursache. Durch die Reabsorption derübermäßig ausgeschiedenen Proteine im proximalen Tu-bulus scheint eine solche Hyperproteinurie ein wichtigerTrigger für das Fortschreiten der tubulären Entzündungund somit der chronischen Niereninsuffizienz zu sein.

Mit großen individuellen Unterschieden kommt es beiHunden und Katzen im Laufe der chronischen Nieren-insuffizienz zu einem Anstieg der Serumphosphat-Kon-zentration. Der genaue Pathomechanismus wird dabeinoch diskutiert. Zahlreiche Autoren machen einen sekun-dären Hyperparathyreoidismus dafür verantwortlich [4].Fest steht, dass eine solche Hyperphosphatämie zu einerweiteren Schädigung des funktionellen Nierengewebesund damit zur Progression der chronischen Niereninsuf-fizienz beiträgt.

Eine Senkung der Hyperproteinurie sowie eine Kontrolleder Serumphosphat-Konzentration scheinen neben an-deren Maßnahmen (Proteinrestriktion in der Nahrung,ggf. Rehydratation etc.) Grundpfeiler der Therapie derchronischen Niereninsuffizienz zu sein.

Schäffner J. Grundlagen der Therapie… kleintier konkret 2018; 21: 12–19

Page 2: Grundlagen der Therapie der chronischen Niereninsuffizienz ... · ACE-Antagonist/Hemmer Abb.2 Nierenfunktion bei der Katze. a Physiologische Nierenfunktion. b Bei chronischer Niereninsuffizienz:

Anzeige

Diagnostik der chronischenNiereninsuffizienz

rde

zum

per

sönl

iche

n G

ebra

uch

heru

nter

gela

den.

Ver

viel

fälti

gung

nur

mit

Zus

timm

ung

des

Ver

lage

s.

PRAXISTIPP

Eine frühzeitige Diagnostik der chronischen Nieren-

insuffizienz ist elementare Voraussetzung für einen

frühen und damit erfolgreichen Beginn der Therapie.

Grundlagen der Diagnostik sind andernorts ausführlichbeschrieben worden [1,5], daher sollen sie hier nur kurzumrissen werden. Klinisch (Polydipsie, eventuell Anorexie,gerade beim Hund häufig Vomitus, bei der Katze häufigGewichtsabnahme) wird die chronische Niereninsuffi-zienz erst zu einem späten Zeitpunkt der Erkrankungoffensichtlich. Daher sollte gerade bei älteren Tieren derFokus auf eine gezielte Laboruntersuchung nierenspe-zifischer Parameter bei Routinelaboruntersuchungen(Alterscheck) gerichtet werden.

Über die Sensitivität und Spezifität verschiedener Labor-parameter wurde viel diskutiert. In Kürze lässt sich fest-stellen, dass für die Routineuntersuchung folgende Para-meter einen Hinweis auf eine chronische Niereninsuffi-zienz geben:▪ wiederholte Bestimmung des Serumkreatinins zu

definierten Bedingungen (ein kontinuierlicher Anstiegauch innerhalb der Normwerte ist ein signifikanterHinweis auf eine entstehende chronische Niereninsuf-fizienz),

▪ die Bestimmung der Urindichte (Hypostenurie) oder▪ ein erhöhtes symmetrisches Dimethylarginin (SDMA)

im Serum.

Darüber hinaus sollte bei Verdacht auf eine chronischeNiereninsuffizienz immer der Protein/Kreatinin-Quo-tient (UPC) im Urin bestimmt werden [1,6].

Die

ses

Dok

umen

t wu

Grundlagen der Therapie derchronischen Niereninsuffizienz

Bis jetzt scheint die Pathophysiologie der chronischenNiereninsuffizienz nicht ausreichend verstanden [2,3].Darüber hinaus haben wir es bei chronischer Niereninsuf-fizienz von Hund und Katze ohnedies mit einer Erkran-kung zu tun, die ätiologisch verschiedene Ursachen ha-ben kann. Angesichts der vielfältigen Ursachen der chro-nischen Niereninsuffizienz ist eine ätiologische Therapienur bedingt möglich, beispielsweise bei einer Hyperthy-reose, Diabetes mellitus, einer Herzerkrankung odereiner Erkrankung des unteren Urogenitaltrakts.

Schäffner J. Grundlagen der Therapie… kleintier konkret 2018; 21: 12–19

Page 3: Grundlagen der Therapie der chronischen Niereninsuffizienz ... · ACE-Antagonist/Hemmer Abb.2 Nierenfunktion bei der Katze. a Physiologische Nierenfunktion. b Bei chronischer Niereninsuffizienz:

Phosphat

Phosphatbinder

a

b

Arterie

Arterie

Ausscheidung

mit dem Kot

Ausscheidung

mit dem Kot

Darm

Darm

▶ Abb. 1 Mit der Nahrung aufgenommenes Phosphat im Darm. a Phos-phatresorption im Darm. b Reduktion der Phosphatresorption im Darmdurch Einsatz eines Phosphatbinders und die Ausscheidung mit dem Kot.© Thieme Gruppe

14

Hund.Katze | Innere Medizin Enke

Die

ses

Dok

umen

t wur

de z

um p

ersö

nlic

hen

Geb

rauc

h he

runt

erge

lade

n. V

ervi

elfä

ltigu

ng n

ur m

it Z

ustim

mun

g de

s V

erla

ges.

PRAXISTIPP

Sinnvoll und wichtig für eine längere Überlebenszeit

und eine bessere Lebensqualität [7] ist die therapeu-

tische Beeinflussung der Faktoren, die für das rasche

Fortschreiten der Erkrankung verantwortlich sind.

Neben der unmittelbaren Behandlung von Schüben/aku-ten Verschlimmerungen einer chronischen Nierenin-suffizienz mit Symptomen wie Exsikkose, Vomitus undKachexie durch Flüssigkeitssubstitution, Antiemetikaoder temporärer Zwangsfütterung [1] stehen für dasLangzeitmanagement 3 therapeutische Maßnahmenim Vordergrund:▪ Eine möglichst phosphatarme, proteinreduzierte

(evtl. Na+-reduzierte) Diät.▪ Eine Phosphatreduktion durch den Einsatz von Phos-

phatbindern als Zusatz zur Nahrung.▪ Die Verringerung der Hyperproteinurie im Primärharn.

Diät

Für Hunde und Katzen mit chronischer Niereninsuffizienzstehen eine Reihe kommerzieller Diäten zur Verfügung,die sich zum Teil beträchtlich in Bezug auf Protein-, Phos-phat- und NaCl-Gehalt unterscheiden. Gerade bei Katzenbestehen immer wieder erhebliche Unterschiede in derAkzeptanz angebotener Diätfuttermittel.

MerkeGrundsätzlich gilt, dass eine Katze mit chronischerNiereninsuffizienz besser „normales“ Futter auf-nimmt als gar keines.

Denn ein kataboler Zustand mit Abbau körpereigenenProteins belastet die Niere zusätzlich. Eventuell kann indiesem Fall das gewohnte Futter weiter gefüttert wer-den, indem Phosphatüberschüsse durch einen gut akzep-tierten Phosphatbinder reduziert werden [8].

Ein zu hoher Proteinanteil im Futter kann z. B. durch denZusatz kohlenhydratreicher Futtermittel wie etwa Kartof-felflocken gesenkt werden. Letzteres funktioniert in derPraxis eher beim Hund.

Reduktion der Hyperphosphatämie

Unabhängig von den zum Teil kontrovers diskutierten Pa-thomechanismen besteht Konsens in Bezug auf die Tat-sache, dass eine Hyperphosphatämie im Laufe einer chro-nischen Niereninsuffizienz zu einer weiteren histologi-schen und funktionellen Schädigung der Niere führt.Diesen Circulus vitiosus gilt es frühzeitig zu erkennenund zu durchbrechen. Allgemein sprechen wir von einerHyperphosphatämie bei einem Serumphosphat > 6mg/dl bei der Katze und > 6,5mg/dl beim Hund [7].

MerkeEs erscheint jedoch vorteilhaft, bereits ab einerSerumphosphat-Konzentration von 4,5 mg/dl mitMaßnahmen zur Phosphatreduktion zu beginnen [8].

Für die Katze wurden die anzustrebenden Phosphatkon-zentrationen für die 3 festgelegten Stadien der chro-nischen Niereninsuffizienz in einem Konsensuspaper ein-deutig definiert [1]. Fressen Hund oder Katze eine kom-merzielle oder selbst zubereitete Nierendiät, ist diese inunterschiedlichem Maße phosphatreduziert. Oft reichtdiese Reduktion jedoch bei weiterer Progression derchronischen Niereninsuffizienz nicht mehr aus, um dieSerumphosphat-Konzentration im angestrebten Norm-bereich zu halten, sodass der Einsatz eines Phosphatbin-ders unerlässlich ist [9]. Grundsätzlich muss festgestelltwerden, dass sich der Serumphosphatspiegel ausschließ-lich durch eine Reduktion der Phosphataufnahme kon-trollieren lässt und nicht durch eine erhöhte Ausschei-dung der funktionsgestörten Niere.

Schäffner J. Grundlagen der Therapie… kleintier konkret 2018; 21: 12–19

Page 4: Grundlagen der Therapie der chronischen Niereninsuffizienz ... · ACE-Antagonist/Hemmer Abb.2 Nierenfunktion bei der Katze. a Physiologische Nierenfunktion. b Bei chronischer Niereninsuffizienz:

physiologischer

glomerulärer

Filtrationsdruck

glomerulärer

Filtrationsdruck

glomerulärer

Filtrationsdruck

glomeruläre

Filtrationsrate

physiologische

glomeruläre

Filtrationsrate

glomeruläre

Filtrationsrate

Tubulus

Glo-

meru-

lusNephron

a

b

c

Vas efferens

physiologische Nierenfunktion

chronische Niereninsuffizienz

Einsatz eines ACE-Antagonisten

Vas afferens

ACE-Antagonist/Hemmer

▶ Abb. 2 Nierenfunktion bei der Katze. a Physiologische Nierenfunktion.b Bei chronischer Niereninsuffizienz: erhöhter glomerulärer Filtrations-druck und gesteigerte glomeruläre Filtrationsrate; in der Folge kommt eszu einer erhöhten Proteinkonzentration im Primärharn. c Einsatz einenACE-Antagonisten: Senkung des glomerulären Filtrationsdrucks; in derFolge kommt es zu einem Abfall der glomerulären Filtrationsrate und da-durch zu einer reduzierten Proteinkonzentration im Primärharn. © ThiemeGruppe

16

Hund.Katze | Innere Medizin Enke

Die

ses

Dok

umen

t wur

de z

um p

ersö

nlic

hen

Geb

rauc

h he

runt

erge

lade

n. V

ervi

elfä

ltigu

ng n

ur m

it Z

ustim

mun

g de

s V

erla

ges.

Prinzipiell funktioniert eine solche Phosphatreduktiondurch ein phosphatarmes Futter oder durch die Bindungdes überschüssigen Phosphats im Darm (▶ Abb. 1).Phosphatbinder beruhen auf der Reaktion zwischen demnegativ geladenen Phosphat und verschiedenen (meist 2-fach positiv geladenen) Kationen, insbesondere Kalziumund Magnesium. Es bildet sich ein unlöslicher Phosphat-komplex im Magen-Darm-Trakt; dieser kann auch in denproximalen Darmabschnitten nicht mehr resorbiert wer-den.

Den breitesten Einsatz bei Tieren finden Kalziumverbin-dungen als Phosphatbinder. Im Vergleich mit anderenPhosphatbindern verfügt Kalzium über ein optimalesPhosphatbindungsvermögen im leicht sauren Bereichbei pH 4, wie er im Übergang zum Duodenum zu findenist. Bei einem pH von 2, also im Magen, bindet z.B. Eisenbesser als Kalzium.Magnesium dagegen hat sein pH-Op-timum für die Phosphatbindung erst im Bereich von 7–8,sodass es erst in den hinteren Darmabschnitten zur vollenWirkung kommt. Grundsätzlich besteht beim Einsatz vonkalziumhaltigen Phosphatbindern das Risiko der Hyper-kalzämie [6], bei Magnesiumverbindungen kann es zuvermehrter Ausscheidung dieses Minerals über den Harnkommen. Entscheidend für die Wirksamkeit ist stets dieMenge an phosphatbindenden Substanzen, die das Tierfreiwillig mit dem Futter aufnimmt. So erweisen sich be-stimmte Präparate bei angegebener Dosierung als wenigeffizient in der Phosphatbindung [10].

Da auch bei Menschen mit chronischer Niereninsuffizienzdie zentrale Rolle der Phosphatreduktion für die Behand-lung erkannt wurde, wurden neben Kalzium und Mag-nesium eine Reihe von weiteren geeigneten Substanzenexperimentell und klinisch getestet, die auch bei Hundund Katze Anwendung finden oder fanden. Aluminium-verbindungen binden Phosphat sehr effizient und bewir-ken eine rasche Reduktion der Serumphosphat-Konzen-tration. Aluminiumsalze gelten jedoch als neurotoxischund haben daher ihre Zulassung beim Menschen ver-loren. Präparate auf Basis der seltenen Erde Lanthan zeig-ten sich ebenfalls als wirksame Phosphatbinder; ein fürTiere angebotenes Präparat mit Lanthancarbonat wurdejedoch vom Markt genommen. Toxizitätsstudien zeigtenhohe Lanthankonzentrationen in zahlreichen Gewebenbei Hunden.

Einen neuen Ansatz stellt der Einsatz von Eisenverbin-dungen zur Phosphatreduktion dar. Bei der Katze hat sichdas inzwischen in einem Ergänzungsfuttermittel angebo-tene Fe-III-Oxid (Fe2O3) als sehr wirksam in der Reduk-tion der intestinalen Phosphatresorption erwiesen [11].Fe-III-Oxide werden in extrem geringem Umfang ausdem Darm aufgenommen, sodass auch hohe Eisengabenkeine erhöhten Serumeisenspiegel induzieren. Allerdingskann es als Nebenwirkung des Einsatzes zur Diarrhoekommen, die jedoch bei einschleichender Dosissteige-

Schäffner J. Grundlagen der Therapie… kleintier konkret 2018; 21: 12–19

Page 5: Grundlagen der Therapie der chronischen Niereninsuffizienz ... · ACE-Antagonist/Hemmer Abb.2 Nierenfunktion bei der Katze. a Physiologische Nierenfunktion. b Bei chronischer Niereninsuffizienz:

rung ausbleibt. Eine andere beobachtete und durchaus„erwünschte“ Nebenwirkung ist wahrscheinlich der An-stieg des Hämatokrits, obwohl Eisen-III-Oxid kaumresorbiert wird; bedenkt man, dass mittlerweile bei CNI-abhängiger Anämie neben der Applikation eines Erythro-poetin-Analogons zur Eisensubstitution geraten wird,also eher ein Effekt, den man gern in Kauf nimmt.

Schäffner J. Grundlagen der Therapie… kleintier konkret 2018; 21: 12–19

.

Senkung der Hyperproteinurie

Wie oben dargelegt, werden durch eine vermehrte tubu-läre Rückresorption von glomerulär filtriertem ProteinTubulusepithelien geschädigt. Ein hoher Proteingehaltim Primärharn triggert also die Progression der chro-nischen Niereninsuffizienz [3,4].

MerkeBei nachgewiesenem erhöhten UPC sollte der glome-ruläre Blutdruck gesenkt werden [5].

Anzeige

17

Die

ses

Dok

umen

t wur

de z

um p

ersö

nlic

hen

Geb

rauc

h he

runt

erge

lade

n. V

ervi

elfä

ltigu

ng n

ur m

it Z

ustim

mun

g de

s V

erla

ges

Page 6: Grundlagen der Therapie der chronischen Niereninsuffizienz ... · ACE-Antagonist/Hemmer Abb.2 Nierenfunktion bei der Katze. a Physiologische Nierenfunktion. b Bei chronischer Niereninsuffizienz:

Anzeige

Hund.Katze | Innere Medizin Enke

18

mun

g de

s V

erla

ges.

Dadurch erreicht man eine Reduktion der glomerulärenFiltration von Protein in den Primärharn (▶ Abb. 2). Leiderkommt es aber auch temporär zu einer Senkung der glo-merulären Filtrationsrate, was zunächst einen mildenAnstieg des Serumkreatinins nach Therapiebeginn nachsich zieht. Langfristig wird durch diese therapeutischeMaßnahme die Überlebenszeit jedoch verlängert unddie Lebensqualität verbessert.

Für die Katze ist für diese Indikation ein Angiotensin-Converting-Enzyme-Antagonist (ACE-Antagonist) zuge-lassen, für den Hund kann auf zahlreiche zugelasseneACE-Hemmer (ACEI) zurückgegriffen werden. Ob dieKombination von ACEI und ACE-Antagonisten oder sogardie Kombination mit Aldosteron-Antagonisten weitereVorteile bietet, ist unklar [3].

iese

s D

okum

ent w

urde

zum

per

sönl

iche

n G

ebra

uch

heru

nter

gela

den.

Ver

viel

fälti

gung

nur

mit

Zus

tim

Weitere mögliche therapeutischeOptionen

Über die erwähnten Standardtherapien hinaus haben sichandere Behandlungsmaßnahmen als sinnvoll erwiesen:▪ Therapie der chronischen Anämie: Unabhängig von

den kausalen Zusammenhängen bei der Entstehungder Anämie hat sich eine Therapie mit dem Erythro-poetin-Analogon Darbepoetin (1 µg/kg s. c. 1-mal proWoche) als sinnvoll erwiesen [12]. Auf die empfohlenezusätzliche Eisensupplementierung kann vermutlichbei der Verwendung eines Eisen-III-Oxid-haltigenPhosphatbinders verzichtet werden.

▪ Substitution von aktivem Vitamin D3: Nach erfolg-reicher Kontrolle der Serumphosphat-Konzentrationkann die Substitution von 1,25-Dihydroxycholecalcife-rol einen zusätzlichen therapeutischen Effekt bieten[10]. Der Parathormonspiegel kann durch die Vita-min-D3-Substitution sinken oder zumindest kann einAnstieg vermieden werden [13].

▪ Homöopathische Behandlung: Viele Tierbesitzer ver-langen eine zusätzliche homöopathische Therapie derchronischen Niereninsuffizienz oder deren Folgen. Seitlängerer Zeit wird hierzu entweder eine fixe Kombina-tion u.a. aus Renes bovis, Viscum album, Equisetumund Veratrum album oder eine Kombinationstherapieaus Coenzymen, Solidago,Ubichinon undRen suis emp-fohlen und von vielen Kollegen regelmäßig angewandt.

D

KontrolluntersuchungenMindestens monatlich sollten bei klinisch stabilen Patien-ten Serumkreatininspiegel und Serumphosphat-Konzent-ration bestimmt werden. Darüber hinaus ist die Kontrolledes (roten) Blutbilds, des UPC sowie des Körpergewichtssinnvoll. Bei Verschlechterung einzelner Parameter sindhäufigere Kontrollen zu empfehlen [1].

Schäffner J. Grundlagen der Therapie… kleintier konkret 2018; 21: 12–19

Page 7: Grundlagen der Therapie der chronischen Niereninsuffizienz ... · ACE-Antagonist/Hemmer Abb.2 Nierenfunktion bei der Katze. a Physiologische Nierenfunktion. b Bei chronischer Niereninsuffizienz:

Korrespondenzadresse

Dr. med. vet. Jörg Wolfgang SchäffnerFachtierarzt für KleintiereFachtierklinik für Kleintiere im EichenbachLippstraße 18, 77716 Haslach im [email protected]

gela

den.

Ver

viel

fälti

gung

nur

mit

Zus

timm

ung

des

Ver

lage

s.

Literatur

[1] Sparkes AH, Caney S, Chalhoub S et al. ISFM consensus guide-lines on the diagnosis and management of feline chronic kid-ney disease. J Feline Med Surg 2016; 18: 219–239

[2] Chakrabarti S, Syme HM, Brown CA et al. Histomorphometryof feline chronic kidney disease and correlation with markersof renal dysfunction. Vet Pathol 2013; 50: 147–155

[3] Jepson RE. Current understanding of the pathogenesis ofprogressive chronic kidney disease in cats. Vet Clin North AmSmall Anim Pract 2016; 46: 1015–1048

[4] Reynolds B, Lefebvre H. Feline CKD. Pathophysiology and riskfactors – what do we know? J Feline Med Surg 2013; 15: 3–14

[5] Steinbach S. Die chronische Nierenerkrankung der Katze. EinUpdate über Diagnose, Therapie und Prognose. Komp klein-tier 2014; 17–24

[6] Francey T, Müller E. Chronische Nierenerkrankung – Früh-erkennung und Bedeutung der Phosphate. Vet Spiegel 2010;3: 107–114

[7] Roudebush P, Polzin DJ, Adams LG et al. An evidence-basedreview of therapies for canine chronic kidney disease. J SmallAnim Pract 2010; 51: 244–225

[8] Brown SA, Rickertsen M, Sheldon S. Effects of an intestinalphosphorus binder on serum phosphorus and parathyroidhormone concentration in cats with reduced renal function.Intern J Appl Res Vet Med 2008; 6 (3): 155–160

[9] Zentek J, Paßlack N, Kröger S. Pathophysiologische Besonder-heiten bei Hunden und Katzen mit chronischer Niereninsuffi-zienz und Konsequenzen für die Diätetik. Kleintierprax 2009;54 (7): 393–406

[10] ChewDJ. Chronic kidney disease (CKD) in dogs & cats – stagingand management strategies. Program 1027–30047, AAVSBRACE approved; 2016

[11] Paßlack N, Neumann K, Zentek J. Effekte eines neuen Phos-phatbinders auf Eisenoxidbasis auf die renale Phosphataus-scheidung bei adulten, gesunden Katzen – eine PilotstudieKleintierprax 2014; 59: 58–68

[12] Chalhoub S, Langston CE, Farrelly J. The use of darbepoetin tostimulate erythropoiesis in anemia of chronic kidney disease incats: 25 cases. J Vet Intern Med 2012; 26 (2): 363–369

[13] Cortadellas O, Fernández del Palacio MJ, Talavera J et al. Cal-cium and phosphorus homeostasis in dogs with spontaneouschronic kidney disease at different stages of severity. J VetIntern Med 2010; 24: 73–79

Bibliografie

DOI https://doi.org/10.1055/s-0044-100323kleintier konkret 2018; 21: 12–19© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New YorkISSN 1434-9132

r

Anzeige

Die

ses

Dok

umen

t wur

de z

um p

ersö

nlic

hen

Geb

rauc

h he

runt

e