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Ausgabe 42 März 2019 - Juni 2019 Audiodata Salzburg | Dominic Miller | The Glenrothes ISSN 1867-5166 Ausgabe 42 März 2019 – Juni 2019 Technik – Musik – Lebensart HIFI-STARS Deutschland € 11 | Österreich € 12,30 | Luxemburg € 13,00 | Schweiz sfr 15,50 4 197947 011001 hifi-stars.de 50042

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Ausgabe 42März 2019 -Juni 2019

Audiodata Salzburg | Dominic Miller | The Glenrothes

ISSN 1867-5166

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Mit der Einführung der Continuum-Technologie in der 800er Serie hat der britische Hersteller Bowers & Wilkins seinen guten Ruf im Bereich Lautsprecher weiter festigen können. Inzwischen ist diese Techno-logie auch in der preislich „vernünftigen“ Liga und damit der 600er-Serie von B&W angekommen. Im Hörraum hat sich der größte Vertreter der Einsteiger-Baureihe aufgebaut, die B&W 603. Diese 3-Wege-Baßreflexbox setzt die Continuum Membran (150 Millimeter Durchmesser) im wichtigen Mitten-bereich ein (hier von rund 350 Hz bis 4 kHz), im Baß arbeiten zwei Papier-Tieftöner mit je 165 Millimeter

Durchmesser. Die hohen Frequenzen werden durch einen entkoppelten, doppellagigen Aluminiumkalot-ten-Hochtöner wiedergegeben. Der besitzt ein eigenes Gehäuse in Form der bekannten Nautilus Röhre hin-ter der Membran. Die gesamte Hochtoneinheit ist durch einen Kunststoffring vom Lautsprechergehäu-se entkoppelt und kann so möglichst störungsfrei arbeiten. Wer mag, kann das magnetisch haftende Lautsprechergitter vor das funktionale Gehäuse set-zen. Die silberne Continuum Membran macht optisch dazu schonmal mehr her als die gelben Kevlarmem-branen der vorausgegangenen 600er-Generation.

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Technik

Standlautsprecher Bowers & Wilkins 603

Nachwuchsförderung

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Wenn wir schon bei der Optik sind, dann muß der stolze Besitzer einer 603 durchaus etwas Pragmatis-mus an den Tag legen, denn die schwarze Folierung des gesamten Gehäuses ist im besten Sinne schlicht zu nennen. Auch die Bodenplatte aus zwei ebenfalls folierten Holzplatten wirkt recht einfach gehalten. Das hat, wie Sie gleich noch lesen werden, zwar kei-nerlei Einfluß auf den Klang der Lautsprecher, jedoch kann man hier den angesetzten Rotstift förmlich sehen. Die leidigen Blechbrücken an den Bi-Wiring-Terminals passen da leider auch ins Bild. Um diesen Absatz abzuschließen, sei noch gesagt, daß die 600er-Reihe in Fernost gefertigt wird und nicht in Groß-britannien. Dafür geht das durchaus große (über einen Meter hohe) Paar dann für etwas mehr als anderthalb große Scheine über den Ladentisch, und so lange sich die Kompromisse auf Äußerlichkeiten beschränken, hat der Musikliebhaber in mir grund-sätzlich kein Problem damit.

Tieftonfundament

Zum Einstieg darf ein Klassiker auf den Plattenteller und über die Kette im Hörraum die B&W 603 an-steuern. Dire Straits, „Love Over Gold“. Die beiden 16er-Tieftöner bringen direkt ihre Membranfläche ins Spiel. Da ist ein sattes Fundament untenherum wahr-zunehmen. Das, was in den unteren Frequenzen im Vergleich zu Mitbewerbern dieser Preisklasse mehr da zu sein scheint, kann die 603 mit einem Zugewinn an Informationen im Hochtonbereich sogar noch kombinieren. Der Bereich von Mark Knopflers Stim-me und Gitarre — die wichtigen Mitten also — prä-sentiert der Standlautsprecher ebenso souverän wie die Enden des Frequenzgangs. Da singt die Stratoca-ster aus dem Röhrenverstärker, der Baß von John Illsley legt fast schon virtuos seinen klaren Ton unten drunter und die Becken erstrahlen, ohne anstrengend zu werden. Tatsächlich sind die Becken ja auf den frühen Dire-Straits-Aufnahmen präzise, klar und ohne Tieftonanteile aufgenommen. Dadurch bekom-men sie eine Leichtigkeit und Präsenz, die sicherlich auch geholfen hat, diesen Platten den Stempel des guten Klangs aufzudrücken. Mit der Bowers&Wilkins-Standbox bekomme ich das schön und direkt prä-sentiert. Ich höre dabei trotz des mutmaßlich auf-wendigsten Treibers für die mittleren Frequenzen keine Vorliebe für bestimmte Bereiche. Das spielt

schon erstaunlich stimmig! Ich bleibe musikalisch in der Vergangenheit, wechsle aber das Genre und gehe zu Marillions ikonischem Album „Misplaced Childhood“ über. Die komplette erste Seite darf durch-laufen. Dabei drehe ich den Lautstärkesteller etwas höher. Nicht, daß es die 603 mit ihren 88,5 dB Wir-kungsgrad wirklich nötig hätte, aber ich habe da jetzt einfach Spaß dran. Das dynamisch aufgenommene Schlagzeug in „Kayleigh“ (auf Vinyl zumindest) drückt die Tieftonimpulse in den Raum, der Hall auf der Snare im Auftakt zum ersten Refrain ist mir bislang gar nicht so prominent aufgefallen. Alle Instrumen-te werden klar umrissen und sind identifizierbar, allen voran natürlich die Chorus-Gitarre von Steve Rothery. Die Boxen stellen die Stimme von Fish sau-ber in die Stereomitte, die Bühne ist breit wie tief und wenn zwischen den Noten mal Platz ist, dann höre ich das auch, wie zu Beginn von „Lavender“. Mir ge-fällt der nachvollziehbare Wechsel zwischen Brust- und Kopfstimme bei Fish gut, der auch mit unter-schiedlicher Intensität vorgetragen wird — vom Sänger und vom Lautsprecher.

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Verträgliche Spielpartner

Ich habe Verstärker zwischen 45 und 120 Watt Aus-gangsleistung mit der B&W gespielt, das hat immer gepaßt und zeigte den Lautsprecher als unkritisch, was die Quelle angeht. Unkritisch, wenn es um die Leistung geht natürlich, den Charakter der jeweiligen Endstufe konnte ich gut nachvollziehen. Dabei wird der 3-Wege-Lautsprecher allerdings nicht zum reinen Monitor. Hier geht es um den musikalischen Fluß und die Emotionen, die in der Musik vorhanden sind. Wieder drückt mir die 603 mit einem kräftigen Baßim-puls die durch die Membranbewegung verdichteten Luftmoleküle in die Magengrube. Ein Impuls, der genauso schnell abklingt, wie er gekommen ist. Die-se Sauberkeit hatte ich den beiden Papiertieftönern im Vorfeld nicht zugetraut — das ist aber genau das, was sie über alle Aufnahmen hinweg immer wieder unter Beweis stellen: Kontrolle und Druck! „It’s get-ting late“ singt Fish zu Beginn von „Heart of Lothi-an“, die trocken aufgenommene Stimme steht klar

und deutlich im Raum. Und sie bleibt transparent über den gesamten Verlauf des Stückes hinweg, egal wie voll das Arrangement wird. Dafür mache ich die aus den größeren Serien entlehnte Continuum-Mem-bran des Mitteltöners verantwortlich, die tatsächlich diesen schlichten Lautsprecher klanglich zu einem sehr ernsthaften Konkurrenten in der Liga bis 2.000 Euro machen.

Mit seinen 24,5 Kilogramm Gewicht steht der Laut-sprecher klanglich souverän im Hörraum. Den Tief-tonbereich können Sie über die beiliegenden Schaum-stoffteile nach Geschmack noch ein wenig anpassen. Eine bewährte Methode, und durch das Einsetzen in die rückwärtige Baßreflexöffnung auch kinderleicht umzusetzen. Probieren Sie es bitte in Ihrem Hörraum einfach aus, da sind die Geschmäcker durchaus ver-schieden.

Über alle Frequenzen

Meinen Geschmack trifft derzeit zum Beispiel das Hanno Busch Trio, das auf dem Album „Share this room“ die feine E-Gitarrenarbeit des Namensgebers mit den vollmundigen Baßläufen von Claus Fischer und dem filigranen Schlagzeugspiel von Jonas Burg-winkel vereint. Daraus resultiert ein manchmal etwas frickeliger, in weiten Teilen aber harmonischer Gi-tarren-Jazz mit kleinen Anleihen bei Bill Frisell oder auch Gregor Hilden. „Cautious Tones“ ist einer mei-ner Lieblingstitel auf diesem Album. Die cleane „Nik Huber“-E-Gitarre führt mit kleinen Licks, atmosphä-rischen Läufen und dem wirklich geschmackvollen Ton von Hanno Busch durch das Stück, in dem sich alle drei Musiker von Ihrer virtuosen Seite zeigen können. Kann man mit vier Gliedmaßen eigentlich so Schlagzeug spielen, frage ich mich? Ich bin beein-druckt. Nachdem es gerade laut, intensiv und raum-füllend war, nimmt sich das Trio zurück und Hanno Busch legt mit einem kleinen, aus wenigen Tönen bestehenden Lick das Fundament für den zweiten Teil dieses Stücks. Die B&W 603 lassen dabei jede Menge Platz um Becken, Trommeln und Baß und positionieren den Gitarrenverstärker in der Mitte des Geschehens, ohne ihn dabei allerdings zu groß er-scheinen zu lassen. Das ist realistisch und so durfte ich Hanno Busch bereits live erleben. Ich tauche ein in das Klangkonglomerat des Trios, vermisse dabei klanglich nichts und höre einmal mehr ein komplet-tes Album am Stück durch. Gerade in den Phasen,

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INFORMATIONInformationen3 Wege Baßreflex-Lautsprecher Bowers&Wilkins 603Preis: 799 Euro/StückB&W Group Germany GmbHKleine Heide 12D-33790 Halle/ Westf.Tel.: +49 (0) 5201-87170Fax: +49 (0) [email protected]

wo einige Testberichte geschrieben werden wollen, ist das ein dickes Plus für das zu testende Gerät, in diesem Falle die B&W 603.

Spielt jede Musikrichtung

Ich will einmal wiedergabetechnisch ebenfalls an-spruchsvolle, aber von der Entstehung her völlig an-dere Musik ausprobieren. Da kommt mir das aktu-elle Album des Elektronik-Pioniers Jean-Michel Jarre gerade recht. „Equinoxe Infinity“ ist nicht bei allen Kritikern durchweg gut weggekommen, ich finde dieses Album zum Thema Künstliche Intelligenz bis auf einen kurzen Ausflug in seichte Dancefloor-Klänge aber musikalisch und vor allem klanglich gelungen. Die überwiegend analogen Sägezahn-, Rechteck- und Sinusschwingungen sind hier zu kom-plexen Klangwelten verwoben und für Verstärker sowie Lautsprecher keine einfache Kost, muß doch teils sehr viel Energie umgesetzt werden. Die B&W 603 verschluckt sich an dieser Aufgabe keineswegs, sondern entläßt selbst bei moderaten Lautstärken eine kraftvolle, nach mehr klingende Darstellung in den Raum. Die fetten Flächen (ein anderes Wort fällt mir dazu beim besten Willen nicht ein), die weiten Hall-fahnen und spannenden Filterverläufe, die alten Equinox-Rhythmen und pluckernden Arpeggien werden mir einmal mehr aufgeräumt, aber mit mu-sikalischem Fluß präsentiert.

Dieser Eindruck bestätigt sich übrigens auch bei Dia-logaufnahmen in Hörspielen, wo Stimmen, Räume und Geräusche lebensnah nachgezeichnet werden. Und auch mit Klassik kommt die Standbox problem-

los zurecht. Ich lege die „Sinfonia Antartica“ von Ralph Vaughan Williams auf. Das erst 1951 entstandene Werk bezieht sich auf das Material, das der Kompo-nist für den Film „Scott of the Antarctic (1948)“ ge-schrieben hat. Die dynamische Einspielung des Ber-gen Philharmonic Orchestra nimmt den Hörer mit auf die Reise durch die Antarktis, durch das speziel-le Licht, durch die Kälte, durch bedrohliche Situatio-nen aber auch durch die Faszination dieser so frem-den Landschaft. Die B&W 603 zeichnet Holz, Blech und Streicher mit feinem Pinselstrich auf die Stereo-Leinwand. Hier kümmert sie sich einmal mehr um den musikalischen Zusammenhalt über den gesam-ten Frequenzbereich. Das Ergebnis ist eine einneh-mende Darstellung des Konzerts, das vor allem die Emotionen zu vermitteln vermag. Klanglich ganz weit vorne!

Auf den Punkt gebracht

Wer über die, dem vergleichsweise kleinen Preisschild geschuldete, schlichte Gehäuseausführung hinweg-sehen kann, bekommt mit der Bowers & Wilkins 603 einen technisch topaktuellen Lautsprecher mit breit-bandiger, musikalisch fließender Darstellung, die so einigen Mitbewerbern in dieser Preisklasse (und dar-über) die Schweißtropfen auf die Stirn treiben dürfte. Klanglich in dieser Liga eine dicke Empfehlung.

Frank Lechtenberg

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