kt_material_takatuka_meineschwesterhelena

76
Material Meine Schwester (H)elena von Stephan Lack Rechte: Thomas Sessler Verlag

Upload: kleines-theater

Post on 22-Mar-2016

223 views

Category:

Documents


1 download

DESCRIPTION

http://downloads.kleinestheater.at/KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena.pdf

TRANSCRIPT

Page 1: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

Material

Meine Schwester (H)elena

von Stephan Lack

Rechte: Thomas Sessler Verlag

Page 2: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

Meine Schwester (H)elena

Ein Theaterstück für Menschen ab 12

von Stephan Lack

Kurzinhalt

Schon mal in ein Buch hinein gefallen? Nicht in die Geschichte, sondern direkt in den Text.

Der fünfzehnjährigen Mila passiert genau das, sie erwacht ausgerechnet im Tagebuch

ihrer Mutter. Mit einem Mal befindet sie sich mitten auf den Buchseiten, auf Insektengröße

geschrumpft, zwischen den einzelnen Wörtern. In dieser Welt der Schrift lauern einige

Gefahren: die Buchstaben scheinen ein Eigenleben zu führen. Mila weiß überhaupt nicht,

wie sie hier gelandet ist, noch wie sie wieder herauskommt. Auch nicht, wer das

sonderbare Mädchen namens Elena ist, der sie dort zwischen den Buchdeckeln begegnet.

Ist es wirklich ihre Schwester, wie Elena behauptet? Aber Mila ist doch ein Einzelkind.

Welche Familiengeheimnisse verstecken sich in dem Tagebuch? Wie viel weiß Mila

wirklich über die Vergangenheit ihrer Mutter? Und wird es Mila mit Elenas Hilfe gelingen,

einen Ausgang aus dem Buchstabenlabyrinth zu finden?

"Meine Schwester (H)elena" handelt von der Bedeutung der Zeichen, der Erinnerung und

der Kraft des Erzählens.

Page 3: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

Die Figuren

MILA

Mila ist das, was man allgemein ein hochbegabtes Kind nennt. Als Mila sechs Jahre alt ist,

entwickelt sie sich ihre eigene Geheimschrift und zeigt wie sie schon als Kind die Kraft der

Zeichen beherrscht. In der Schule findet sie nur wenige Freunde. Sie fühlt sich alleine. In

ihren Tagträumen erfindet sie sich eine große Schwester, mit der sie als Abenteuer erlebt.

Der Unterricht unterfordert sie. Zuhause kann ihre Mutter Marion dem Wissensdrang des

Mädchens nicht gerecht werden. Als Mila älter wird, kommt es mehr und mehr zu

Spannungen zwischen den beiden. Nicht zuletzt auch deswegen, da Marion nicht über

ihre eigene Jugend mit Mila sprechen will. Mila hat so viele Fragen. Mila fühlt, dass ihre

Mutter ihr die Wahrheit verheimlicht. Aber was verbirgt sich hinter ihrem Schweigen?

MARION

Wir lernen Marion als Teenager kennen: aus einer Gruppe von Jugendlichen sticht sie

nicht notwendigerweise heraus. Ihren Lehrerinnen und Lehrer fällt Marion wahrscheinlich

nicht sonderlich auf: zu ruhig ist ihre Art, zu unscheinbar ihr Äußeres, zu verwechselbar ihr

Gesicht. Sie ist eine schlechte Schülerin, aber das sind die meisten in ihrer Klasse.

Niemand käme auf die Idee, Marion speziell zu fördern oder zu fordern. Dieses Privileg

wird in unserem Schulbetrieb meist anderen, auffälligeren Kindern zu teil: aggressiven

Burschen oder frechen Mädchen, aber eben keiner grauen Maus, die ihr bestes gibt, nicht

gesehen zu werden. Der schulische Alltag ist für Marion ein ständiges Durchleben

unterschiedlichster Ängste; die Angst zu versagen, die Angst gemobbt zu werden, die

Angst vor einer ungewissen Zukunft. Diese permanente Angst lässt keinen Platz für

andere Gedanken. Marion fehlt es an genügend Konzentration, dem Unterricht folgen zu

können. Marion hat nur wenige Freundinnen. Keiner davon würde sie sich vorbehaltlos

anvertrauen. Und ihren Eltern sowieso nicht; die sind zu sehr mit den anderen

„schwierigen“ Geschwistern beschäftigt. Marion hat in ihren Augen zu funktionieren. Oder

zumindest keinen Ärger zu machen. Sie hat ja noch immer ihren Sport. Sie ist eine

hervorragende Schwimmerin, die als Profi Medaillen holen könnte, wenn sie sich nur

etwas mehr auf das Training konzentrieren würde. Doch dann geschieht etwas, was ihre

ganze Konzentration fordert: Marion verliebt sich in Jan und wird schwanger. Sie ist

gerade 15 geworden. Aber soll sie alles aufgeben: Jan, ihren Sport, ihre Jugend und

Mutter werden? Sie, die nicht einmal ausreichend schreiben und lesen kann, soll plötzlich

Verantwortung für ein Kind übernehmen? Wie soll das funktionieren?

Page 4: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

ELENA

Bei Elena spielt das Wort „eigentlich“ eine große Rolle. Eigentlich sollte sie ja „Helena“

heißen, nach der schönen Helena aus der Sage. Eigentlich sollte sie jetzt bald ihren 23.

Geburtstag feiern. Aber so wie das „H“ des Namens ist das Kind verschwunden. Elena –

das ungeborene Kind – ist nur mehr in einer Welt existent: im Tagebuch ihrer Mutter, die

sie als Teenagerin abgetrieben hat. In Milas Augen ist Elena mehr als nur eine Leerstelle

in ihrem eigenen Leben. Sie ist ein Teil von Mila, das fehlende Zeichen, das es zu

entdecken gibt, die Verbindung zur Geschichte ihrer Mutter Marion, zu ihrer eigenen

Geschichte.

Page 5: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

Zur Thematik

Analphabetismus, bzw. die Tatsache, dass außerordentlich viele Jugendliche und

Erwachsene in Österreich nicht ausreichend lesen, schreiben oder rechnen können, ist

nach wie vor ein verdecktes Problem. Die Betroffenen selbst outen sich natürlich nicht -

denn wer das, was von der Umgebung selbstverständlich erwartet wird, nicht leisten kann,

will möglichst nicht auffallen. Somit sind all jene, die von diesem verdeckten Phänomen

wissen - jedoch selbst nicht davon betroffen sind, die einzigen, die dies in der breiten

Öffentlichkeit zum Thema machen, ihr Umfeld sensibilisieren können. In den letzten zehn

Jahren setzten deshalb Basisbildungseinrichtungen immer wieder innovative Maßnahmen

– es waren vor allem Aktionen, die kurzfristig ein breites Medienecho bewirkten.

Noch nie wurde in Österreich ein Theaterstück aufgeführt, dessen zentrales Thema

„Analphabetismus (in Österreich)“ ist. Und schon gar nicht wurde solch ein Stück je in

Zusammenarbeit mit ExpertInnen eines Basisbildungszentrums gemeinsam entwickelt.

Diese Innovation birgt aus vielerlei Gründen ausgesprochen hohes Potential in sich: Diese

erstmalige Zusammenarbeit eines Theaterautors, einer Regisseurin und ausgewählter

ExpertInnen der Basisbildung garantiert, dass ein Stück entsteht, das die Realität der

Betroffenen einfängt und nicht gezwungen ist, sich an überzogenen Vorstellungen

orientieren zu müssen. Das Stück sensibilisiert für ein wichtiges Thema und bricht aktiv

verbreitete Meinungen wie z.B.: „Analphabeten gibt es in Ländern der Dritten-Welt, sicher

nicht bei uns – und wenn, dann sind MigrantInnen davon betroffen“ oder „Das sind Leute,

die unter der Brücke schlafen und nicht mehr einzugliedern sind“. Es entsteht Platz für

neue Bilder, Diskussion.

Die langjährige Erfahrung des Basisbildungszentrums abc-Salzburg in der Arbeit mit den

Erwachsenen, die den Mut hatten, sich für einen Basisbildungskurs anzumelden und die

professionellen Umsetzung durch Autor und Regisseurin garantieren eine sensible, nicht

diskriminierende Darstellung dieses Tabuthemas. Jugendliche und Erwachsene, die große

Probleme mit dem Lesen oder Schreiben haben, können in den Basisbildungskursen

direkt befragt werden – sie erzählen von ihren Hürden in Alltag und Beruf, von ihrer

Kindheit, ihren Erfolgen, ihrem sich verändernden Selbstbild, ihren neu gewonnenen

Handlungsspielräumen... Sie sind die wahren ExpertInnen, die stark daran interessiert

sind, dass die Öffentlichkeit von diesem verdeckten Problem erfährt.

Dieses Theaterstück, das sowohl Jugendliche als auch Erwachsene anspricht und über

längere Zeit (nicht nur österreichweit) gespielt werden kann, sorgt für nachhaltige

Page 6: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

Sensibilisierung. Ein Publikum, das durch feines Spiel von einem „Tabuthema“

berührt/gefangen genommen wird, wird nach dem Theaterbesuch manch Alltagssituation

mit anderen Augen betrachten, denn „Analphabetismus (in Österreich)“ ist ein Thema, das

im ersten Moment irritiert, Betroffenheit und viele Fragen auslöst. Zusätzlicher positiver

Effekt: Mit jeder Ankündigung und jeder Kritik werden die Medien dieses verdeckte

Problem in thematisieren.

Page 7: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

Weiterführende Hintergrundinformationen

„Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“ war jahrelang das Motto der Politik in

Österreich. Das Phänomen wurde in Österreich bis Mitte der 90er-Jahre kaum

wahrgenommen. Man war überzeugt, dass in unserem Industriestaat mit bestehender

neunjähriger Schulpflicht das Problem Analphabetismus kein Thema sei. So zum Beispiel

nahmen Mitte der 90-er Jahre 12 Industriestaaten an der IALS-Studie (International Adult

Literacy Survey), in der das Leseverständnis einer repräsentativen Stichprobe der 16- bis

64-jährigen Wohnbevölkerung untersucht wurde, teil. Österreich zeigte kein Interesse an

der Untersuchung. In Österreich existiert bisher keine umfassende Studie. Schätzungen

nehmen internationale Vergleiche und Studien zu Teilaspekten (etwa die OECD PISA

Studie) als Grundlage her. Das EU-Parlament geht davon aus, dass 10 bis 20 Prozent der

Bevölkerung der Mitgliedsstaaten „funktionale AnalphabetInnen“ sind. Die

schriftsprachliche Kompetenz der Betroffenen reicht nicht aus, um in der Gesellschaft zu

„funktionieren“. (Analphabetismus und soziale Ausgrenzung. Entschließung des

Europäischen Parlaments zu Analphabetismus und sozialer Ausgrenzung (2001 /

240(INI)).

PISA 2009 – eine aufschlussreiche Studie: PISA als gemeinsames Projekt der OECD-

Staaten beleuchtet die Qualität von Schulsystemen und deren Eignung, Schüler/innen auf

die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten. Nicht die Erhebung von Kenntnissen,

die im Lehrplan vorgesehen sind, steht im Vordergrund, sondern die Erfassung von

Fähigkeiten, die erforderlich sind, um im sich verändernden Alltags- und Berufsleben

bestehen zu können. Die Ergebnisse aus PISA 2009 belegen für den Teilbereich Lesen die

Annahme, dass viele Jugendliche über unzureichende Basisbildungskenntnisse verfügen:

28% der Jugendlichen sind Lese-RisikoschülerInnen - gegen Ende der Pflichtschulzeit

können sie einen altersgemäßen Text nur unzureichend sinnerfassend lesen.

Basisbildungsbedarf Stadt und Land Salzburg: nimmt man das Mittel der EU-

Schätzungen (15%) so ergibt das für die Stadt Salzburg rund 14.000 Erwachsene im Alter

von 20 bis 64 Jahren für das Land Salzburg rund 49.000 Erwachsene. Im Jahr 2008 wurde

ein erster Schritt in Richtung Datenerhebung gesetzt. Das Bildungsministerium beschloss,

dass Österreich an der OECD-Studie PIAAC (Programm for the International Assessment

of Adult Competencies), einer Art PISA-Studie für Erwachsene – getestet werden 16- bis

64-Jährige -, teilnehmen wird. PIAAC soll grundlegende Kompetenzen, die zur

erfolgreichen Teilnahme an der Gesellschaft und insbesondere am Berufsleben notwendig

sind, messen: Lesekompetenz, im Sinne von Textverständnis, alltagsmathematische

Page 8: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

Kompetenz, Fähigkeiten im Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien.

Erste Ergebnisse dieser Studie werden im Jahr 2013 vorliegen.

Page 9: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

WEITERES MATERIAL

Informationsunterlagen für PädagogInnen zum verdeckten Problem „Erwachsene mit

Basisbildungsbedarf in Österreich“

Hrsg.: ‐Basisbildungszentrum abc Salzburg, 2012

Kontakt:

‐‐‐‐Basisbildungszentrum abc Salzburg

Brigitte Bauer

Lastenstraße 22

5020 Salzburg

0662 / 87 16 57

[email protected]

www.abc.salzburg.at

Analphabetismus in Spielfilmen:

Der Vorleser, USA/Deutschland, 2008, 124 Minuten. Regie: Stephen Daldry

Das Labyrinth der Wörter ,Frankreich, 2010, 85 Minuten.Regie: Jean Becker (Originaltitel:

La Tête en friche)

Stanley & Iris , USA, 1990, 100 Minuten.Regie: Martin Ritt

Miss Daisy und ihr Chauffeur, USA, 1989, 99 Minuten.Regie: Bruce Beresford

Little Tony, Niederlande, 1998, 95 Minuten. Regie: Alex van Warmerdam

ABC des Lebens, Deutschland, 2003, 90 Minuten. Regie: Titus Selge

Saint Jacques… Pilgern auf Französisch , Frankreich, 2005, 103 Minuten. Regie: Coline

Serreau

Wie buchstabiert man Liebe? ,Deutschland, 2001, 90 Minuten. Regie: Christine

Hartmann

Léon – Der Profi , Frankreich/USA, 1994, 105 Minuten. Regie: Luc Besson

Juls Freundin , Deutschland, 2002, 90 Minuten. Regie: Kai Wessel

Biester , Deutschland/Frankreich, 1995, 86 Minuten. Regie: Claude Chabrol

Precious – Das Leben ist kostbar , USA, 2009, 110 Minuten. Regie: Lee Daniels

Elissa Rhaïs (Le Secret d’Elissa Rhaïs) ,Frankreich, 1992, 100 Minuten. Regie: Jacques

Otmezguine

Der stärkste Mann der Welt, USA, 1984, 120 Minuten. Regie: Dick Lowry

Des Lebens schönste Seiten, Deutschland, 1992, 93 Minuten. Regie: Wolfgang B. Heine

Das Wunder der Wüste , USA, 1936, 80 Minuten. Regie: Richard Boleslawski

Page 10: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

Eine Klasse für sich , USA, 1992, 122 Minuten. Regie: Penny Marshall

Mögliche Themen:

Tabus in unsere Gesellschaft (Leben mit einem verdeckten Problem) - Schule und Lernen

- Stärken und Schwächen des Schulsystems - Bildung und Weiterbildung - Was kann mein

Beitrag sein diesem Tabu entgegenzuwirken als SchülerIn und Erwachsener -

Selbstbestimmung – Selbstwahrnehmung / Selbsteinschätzung – Abhängigkeit – Isolation

- Durchbrechen von Mustern

Mögliche Unterrichtsfächer, in denen das Stück beha ndelt werden kann:

Deutsch, Theater, Pädagogik, Psychologie, Ethik

Page 11: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

ÜBER DEN AUTOR

Stephan Lack

geboren geb. 1981 in Wien geboren. Studium der Theaterwissenschaft an der Universität

Wien. Studienaufenthalt in den Niederlanden. Ausbildung zum geprüften

Theaterdramaturgen im Rahmen der Werkstätte Kunstberufe. 2004 Teilnahme an der

Schreibwerkstatt „Neues Schreiben“ des Burgtheaters mit David Spencer und 2005 unter

Bernhard Studlar und Wolfgang Stahl, unter der Leitung von Andreas Beck. Leitung

mehrerer freier Theaterproduktionen am Interkult Theater, im Schikanederkino und in der

Fleischerei in Wien. Mehrere Literaturpreise, u. a. Niederösterreichischer Dramatikerpreis

2006 für das Stück „Verschüttet“. Mehrere Übersetzungen und Bühnenadaptionen aus

dem Niederländischen, beispielsweise des Theo van Gogh Filmes „Das Interview“ oder

„Der gute Tod“ von Wannie de Wijn. Textbeiträge u.a. für Radio Brandenburg und

Schauspielhaus Wien. Finalist von „Drama Köln“ 2007. Beiträge für mehrere Prosa-

Anthologien. Stipendiat der Literar Mechana 2007, sowie des österreichischen Bundes

2007 und des Wiener Dramatikerstipendiums 2009. Lesungen u.a. im Volkstheater Wien,

im Schauspielhaus Graz, auf der Leipziger Buchmesse und im Rahmen des Festivals

„Kaltstart“ in Hamburg. Arbeiten im kabarettistischen Bereich, etwa eine Autorenlesung im

Rahmen der KRIMINACHT `07 und der „Nacht der schlechten Texte 2006“ in Villach.

Teilnehmer der Werkstatttage des Burgtheaters 2007. 2008 wurde das Stück „Lichtscheu“

am Burgtheater (Kasino am Schwarzenbergplatz) uraufgeführt. Eingeladen zum Berliner

Stückemarkt 2009, Teilnehmer am Workshop mit John von Düffel. Seit 2008 Dramaturg

der freien Theatergruppe „Töchter der Kunst“. Das Stück „Blut auf Eis“ wurde im April 2010

in Salzburg und im Mai an der Neuen Bühne Villach uraufgeführt. Leiter einer

Schreibwerkstatt mit Jugendlichen für das Stück „Auslandia“ im Rahmen des Projektes

macht/schule/theater des bmukk 2009/10 im Dschungel Wien. Die Stückrechte liegen

beim Thomas Sessler Verlag, Wien.

Page 12: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

TEAM & FACTS

AUTOR Stephan Lack

REGIE Caroline Richards

MIT Nevena Lukic und Elisabeth Nelhiebel

BÜHNE UND KOSTÜM Ragna Heiny

VISUALS Mag. Hans Jürgen Gökler

KOMPOSITION Chris Német

CHOREOGRAPHIE Valentin "Knuffelbunt" Alfery

REGIEASSISTENZ Hendrikje Spengler

VERLAG Thomas Sessler Verlag, Wien

AB 12 Jahren

SPIELDAUER ca. 70 min

PAUSE keine

Caroline Richards (1966 in Bedford/UK)

Studierte Englische Literatur an der Universität in Edinburgh und Schauspiel an der Ecole

Internationale de Theatre, Jacques Lecoq, in Paris. Seit 1991 lebt sie in Österreich und

arbeitet als Schauspielerin an verschiedenen Theatern, u.a. Salzburger Landestheater,

Landestheater Niederösterreich, Komödienspiele Porcia, Stadttheater St. Pölten, Theater

für Vorarlberg, Klagenfurter Ensemble. Als Regisseurin hat sie am Landestheater

Niederösterreich, Jeunesse Wien, Staatstheater Innsbruck, theaterachse, Dschungel Wien

inszeniert. Ihr Jugendstück „Stones“ hat in 2010 eine Prämie des BMUKK erhalten. Sie ist

Künstlerische Leiterin von Taka-Tuka, Theater für Kinder, und im Leitungsteam des kleinen

theaters. Caroline Richards ist Dozentin an der Schule für Humor in Wien und realisierte

viele Theaterprojekte mit Kindern und Jugendlichen. 2011 bekam Caroline Richards den

Förderpreis für Kinder & Jugendprojekte der Kulturfonds der Stadt Salzburg verliehen.

Nevena Nena Lukic (1983 in Innsbruck)

Sie war Europa- und Weltmeisterin bzw. 2004 bei den Olympischen Spielen für Österreich

in der koreanischen Sportart Taekwondo. Die Schauspielausbildung folgte in Innsbruck

und Salzburg. Engagements: Schauspielhaus Salzburg, Salzburger Festspiele, Taka-Tuka,

Wald4tler Hoftheater, Tiroler Volksschauspiele, Orf Tirol, Tiroler Landestheater. Nevena

spielte die Rolle der Nelli in Caroline Richards „Pflicht oder Wahrheit. Zuletzt war Nevena

am Tiroler Landestheater in der Produktion "Hiob" von Josef Roth zu sehen, inszeniert von

Page 13: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

Guntram Brattia.

Elisabeth Nelhiebel (1982 in Wien)

aufgewachsen in Wien, wo sie Schauspiel studierte. 2001 – 2004, direkt nach dem

Studium, Engagement an der Württembergischen Landesbühne Esslingen. 2004 kam sie

nach Salzburg und ins Ensemble des Salzburger Landestheaters unter der Intendanz von

Peter Dolder. Sie war bis 2009 in mindestens 22 Produktionen am Salzburger

Landestheater zu sehen. Seit Herbst 2009 als freie Schauspielerin in Wilhelmshaven und

Salzburg tätig, unter anderem als Miss Umney in „Das Gespenst von Canterville“ an der

Landesbühne Niedersachsen Nord, als Penelope in der MAZAB – Produktion „Odyssee“,

als Linda in Woody Allens „Spiel’s nochmal, Sam“ (Produktion: die theaterachse und

Salzburger Sommertheater), beide im kleinen theater.haus der freien szene in Salzburg,

und momentan als Sonia Kehlich in „Verrücktes Blut“, eine Produktion von Michael

Kolnberger und Odeion Kulturforum Salzburg. Theaterpädagogik, Schauspieltraining und

Regie bei Macht|schule|theater 2010 und 2011, beide in Zusammenarbeit mit dem kleinen

theater.haus der freien szene, BM:UKK und Weiße Feder – Gemeinsam für Fairness und

gegen Gewalt. Seit 2010 gemeinsam mit der Akkordeonistin Sigrid Gerlach-Waltenberger

regelmäßige Auftritte als Frauenduo Schmähtandler.

Ragna Heiny (1973 in Kassel/D)

Ragna Heiny studierte Kostüm- und Bühnenbild am Mozarteum in Salzburg bei Prof.

Herbert Kapplmüller. Bereits während ihrer Studienzeit konnte sie Assistenzen bei Hartmut

Schörghofer, Andrea Schmidt-Futterer, Peter Mussbach, Marie-Jeanne Lecca und Robert

Wilson u.a. an der Semperoper in Dresden, den Salzburger Festspielen, der Volksoper in

Wien, der Staatsoper Hamburg und der Ruhrtriennale übernehmen.

Seither hat sie als Bühnen- und Kostümbildnerin zahlreiche eigene Produktionen u.a. am

Zimmertheater Tübingen, im Kosmos Frauenraum in Wien, am Tiroler Landestheater in

Innsbruck, an der Oper Graz und am Schauspielhaus Salzburg übernommen, wobei sie

mit Regisseuren wie Anna Hauer, G. H. Seebach, Editta Braun, Robert Pienz und Caroline

Richards arbeitete.

Mag. Hans Jürgen Gökler (1968 in Steyr)

Hans Jürgen Gökler studierte Kommunikationswissenschaft, Psychologie und Soziologie

an der Universität Salzburg, Abschluss 1996. Seitdem arbeitet er als Film- und

Medienproduzent und ist Kommunikationsberater und -trainer (Unternehmen und

Page 14: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

Privatpersonen). Seit 2008 arbeitet er weiters als Logotherapeut, er ist Lebens- und

Sozialberater, NLP-Trainer und Hypnosetherapeut. Seminare und Workshops zu Themen

wie „Gewaltfreie Kommunikation“, „Menschliche Kommunikation“ – Funktionen und

Möglichkeiten... „Kommunikation – Interpretation – Reaktion“.

Chris Német (1978 in Apatin/YU)

Der Komponist, Produzent und Pianist erhielt seinen ersten Klavierunterricht mit sieben,

zunächst bei Pianistin Jelena Hrubian, später beim Pianisten und Dirigenten Velimir

Valtchev. Obwohl er viel Spaß mit Bach, Chopin & Beethoven hatte, wuchs zunehmend

sein Interesse am Jazz. Als Jugendlicher sammelte er so erste Erfahrungen in Jazz-

Combos und Big-Bands, was schließlich dazu führte, dass er mit 18 Jahren sein

Jazzklavier Studium an der Musikhochschule Köln begann. Während und nach dem

Studium, welches er 2001 abgeschlossen hatte, tourte er als Jazzpianist in Europa mit

verschiedensten Formationen und Künstlern, u.A. Jimmy Woode, Charly Antolini, oder

Charly Mariano.Als Studiomusiker kam er mit vielen unterschiedlichen Musikstilen und der

Arbeit als Komponist und Produzent in Berührung, was zur Folge hatte, dass er selbst

anfing zu komponieren und zu produzieren. Eines der ersten erfolgreichen Projekte war

das Album „Coffee Lounge“, das weltweit bei Sony Music erschienen ist. Es folgten, neben

vielen kleineren independent Produktionen, auch langjährige Kollaborationen mit großen

Labels und Verlagen wie Warner Chappell, BMG, Edel, sowie Kompositionen für

Fernsehen, Theater und Varieté. Dabei hat er mit internationalen Künstlern aus Europa,

Südafrika und Nordamerika gearbeitet, sowohl als Komponist, Pianist, Produzent oder

auch Arrangeur für Orchester wie das Filmorchester Babelsberg oder die Warschauer

Symphoniker. Heute kann man Chris weltweit auf über 50 Tonträgern sowie bei vielen

Film-, Theater- und Varietéproduktionen hören. Seine Arbeit umfasst dabei ein breites

stilistisches Spektrum, von Jazz und Pop bis zur klassischen Musik, von

Orchesterarrangements bis zu elektronischer Filmmusik.

Valentin "Knuffelbunt" Alfery (1982 in Wien)

Im Sommer 2004 besuchte Valentin "Knuffelbunt" Alfery die "IMPULSTANZ" Wochen und

entdeckte seine Leidenschaft für Tanz. Gleichzeitig fing er bei der Theatergruppe

"daskunst" zu Schauspielen an. Seitdem erstrecken sich seine künstlerischen Tätigkeiten

über das nationale und internationale Kulturschaffen und Kulturleben. Als örtliche Basis für

die Aktivitäten seines Gebiets, der darstellenden Kunst, zählen die Städte Salzburg,

Klagenfurt und Wien. Seinen Künstlernamen "Knuffelbunt" erhielt Valentin Alfery anfangs

Page 15: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

2005 aus der urbanen Tanzszene aufgrund seiner Ähnlichkeit zu dem gleichnamigen

Kinderspielzeug aus den 80ern. Neben zahlreichen Erfolgen und Aktivitäten im urbanen

Tanzbereich wurde er in den Jahren 2006 - 2010 vor allem als Choreograf und

Haupttänzer des Stücks „Out Of The Shadow“ der Salzburger Tanzcompany „Nobulus“

bekannt, welches auch in London und San Francisco aufgeführt wurde und sogar diverse

Kunstpreise gewann. 2006 tanzte er in dem Musikvideo "Love Light" von Robbie Williams.

Seit 2007 wirkt er bei zahlreichen zeitgenössischen Tanzproduktionen mit (Silke

Grabinger, Companie Smafu, usw.). 2009 produzierte der Künstler sein erstes Solostück

"Falling" mit einer Spielzeit von 60 min. und führte es insgesamt 14 Mal in Österreich auf.

Seit 2010 ist er Mitglied der Salzburger Breakdance-Crew M.O.T. mit welcher er sich

erfolgreich durch die internationale Battle Szene bewegt Anfang 2011 gründete er mit

Dusana Baltic den Kulturverein "Hungry Sharks" e.V. in welchem er seitdem als Obmann

tätig ist. Mit diesem Kulturverein setzte Valentin "Knuffelbunt" Alfery 2011/2012 sein erstes

internationales Großprojekt namens StreetlifeMAD, mit dem Schwerpunkt Straßenkunst,

um.

Hendrikje Spengler (1981 in Henstedt-Ulzburg/D)

hat angewandte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis an der Universität

Hildesheim sowie Kulturvermittlung an der Sorbonne Nouvelle in Paris studiert. Im Zuge

dessen hat sie an verschiedenen Kunst- und Theaterprojekten mitgewirkt, wie z.B. der

Balljugend des Schauspielhaus Hannover, der „English Drama Group Hildesheim“, dem EU-

Kunstprojekts „Kultur-Natur“ oder dem Projektsemester „Antike Intermedial – Die

Phönizierinnen“. Nach Erfahrungen in Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit hat sie

sich in der Kulturbranche professionalisiert auf die Themen Organisationsstrukturen und

Finanzierungsmöglichkeiten wie Fundraising und Sponsoring. Zuletzt war sie als

Referentin der Theaterleitung am Schauspielhaus Salzburg tätig.

Page 16: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

NOTIZEN

verein zentrum für theater und kultur

schallmooser hauptstraße 50

5020 Salzburg

zvr 500015232

uid ATU63148338

kontakt

tel. +43 (0)662 88 02 19

fax. +43 (0)662 88 02 24

[email protected]

www.kleinestheater.at

Page 17: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

THOMAS SESSLER VERLAGMeine Schwester (H)elena

Ein Jugendstück ab 12 Jahren

Stephan Lack

Inhalt:

Schon mal in ein Buch hinein gefallen? Nicht in die Geschichte, sondern direkt in den Text...Der fünfzehnjährigen Mila passiert genau das, sie erwacht ausgerechnet im Tagebuch ihrer Mutter. Mit einem Mal befindet sie sich mitten auf den Buchseiten, auf Insektengröße geschrumpft, zwischen den einzelnen Wörtern. In dieser Welt der Schrift lauern einige Gefahren: die Buchstaben scheinen ein Eigenleben zu führen. Mila weiß überhaupt nicht, wie sie hier gelandet ist, noch wie sie wieder herauskommt. Auch nicht, wer das sonderbare Mädchen namens Elena ist, der sie dort zwischen den Buchdeckeln begegnet. Ist es wirklich ihre Schwester, wie Elena behauptet? Aber Mila ist doch ein Einzelkind. Welche Familiengeheimnisse verstecken sich in dem Tagebuch? Wie viel weiß Mila wirklich über die Vergangenheit ihrer Mutter? Und wird es Mila mit Elenas Hilfe gelingen, einen Ausgang aus dem Buchstabenlabyrinth zu finden?

"Meine Schwester (H)elena" handelt von der Bedeutung der Zeichen, der Erinnerung und der Kraft des Erzählens.

1

Page 18: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

Personen:

MILAELENA

MARION

ELFI und KARINJAN

LEHRERAPOTHEKERINSCHWIMMTRAINERINÄRZTINTRAINERIN BASISBILDUNGSZNTRUM

2

Page 19: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

Szene 1

ELENANicht anfassen. Wenn du sie berührst, verändern sie sich.

MILASie?

ELENADie Wörter. Sie sind sehr zerbrechlich.

ELENANicht.

ELENADu ruinierst hier noch alles. Na großartig. Schau, was du angerichtet hast.

MILAReg dich ab. Du tust ja so, als wären die lebendig.

ELENAWörter sind lebendig, falls du das nicht weißt. Das hier nicht mehr, das ist hinüber. Da hast du ganze Arbeit geleistet.

MILAWo bin ich hier?

ELENADu weißt nicht, wo du bist, ist das dein Ernst? Wie bist du dann überhaupt her gekommen?

MILAKeine Ahnung.

ELENAWas heißt, keine Ahnung. Hierher gelangt man nicht einfach so durch Zufall, kapiert?

MILAWas meinst du mit hierher? Was soll das?

ELENADu hast wirklich keine Ahnung, wo du bist?

MILASag ich doch!

ELENADas hier, das ist ein Buch. Schon mal eins gelesen?

3

Page 20: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MILAEin Buch?

ELENAJa. Wörter, Sätze, Seiten aus Papier. Ein Buch eben.

MILAIch weiß, was ein Buch ist! Ich seh hier überhaupt keines.

ELENAWeil du in einem drinnen bist, deshalb. Das alles hier ist das Buch. Alles um uns herum.

MILAAlles?

ELENAAlles.

MILAAlles klar.

ELENANichts ist klar. Ich spreche nicht von dem Gegenstand Buch. Du bist jetzt nicht geschrumpft und steckst zwischen den Buchdeckeln, so darfst du dir das nicht vorstellen. Du bist direkt im Kern des Buches, im Inhalt, verstehst du. Darum auch die ganzen Wörter.

MILAIm Inhalt…

ELENAIn…

ELENAHalt!

MILANur, dass ich das begreife. Willst du mir weiß machen, ich stecke in irgend so einem Buch fest.

ELENANein.

MILANein?

ELENANicht in irgend so einem Buch. In ihrem Buch. Ihrem Tagebuch.

4

Page 21: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MILATagebuch?

ELENABist du vielleicht begriffsstutzig. Mamas Tagebuch.

MILAMamas Tagebuch… Du meinst: das Tagebuch meiner Mama? Marion Fischer?

ELENAWie viele Mütter hast du denn?

MILADa muss ich dich enttäuschen: meine Mutter hat so was gar nicht. Kein Tagebuch.

ELENAWeißt du das genau?

MILAJa!

ELENAUnd du weißt ja bestimmt alles über deine Mutter.

MILAFast. Nicht alles.

ELENASondern?

MILASie hat kein Tagebuch, weil…

ELENAWeil?

MILAWeil sie eben keins hat. Punkt. Außerdem. Wenn sie eines hätte, hätte ich’s schon längst gefunden, glaub mir.

ELENAVor dir kann man also nichts geheimhalten?

MILADoch. Uninteressante Dinge. Aber nicht die interessanten.

5

Page 22: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

ELENASo!

MILAGenau, Miss Oberschlau. So ist das!

ELENADu bist ein komisches Mädchen.

MILASag ausgerechnet die, die in einem Buch lebt.

ELENAIch lebe gar nicht… hier.

MILASondern?

ELENADu weißt wirklich nicht, wie du hierhergekommen bist?

MILAWirklich nicht.

ELENADann weißt du auch nicht, wie du hier wieder raus kommst?

MILAWoher auch?

ELENAEin Pech.

MILAWarte.

ELENAWas?

MILADu kannst mich doch nicht einfach hier alleine lassen.

ELENANicht?

MILAAuf keinen Fall

6

Page 23: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

ELENASeh ich aus wie eine Fremdenführerin?

MILAWas?

ELENAGlaubst du, dass ich dich hier herumführe und alles zeige? Danke, dass Sie unsere Buchtour gebucht haben. Auf der linken Seite sehen Sie jetzt einen ganz rührenden Tagebucheintrag über heftige Zahnschmerzen und unbezahlter Rechnungen. Und rechts erfahren Sie mehr über das erste Mal Knutschen in der Kinonachmittagsvorstellung von „Arielle, der Meerjungfrau“, eine besonders feuchte Angelegenheit. Glaubst du echt, das ist meine Aufgabe. Dass ich nur wegen dir hier bin?

MILANein, eh nicht.

ELENAWeil das bin ich nicht.

MILAUnd warum dann?

ELENAWas?

MILABist du hier auch einfach so… aufgetaucht wie ich?

ELENAIch bin hier, weil das der einzige Ort ist, an dem ich sein kann.

MILAOh! Naja, schon klar. Du brauchst es mir nicht sagen, wenn du nicht willst.

ELENADu bist eine ganz schöne Nervensäge, Mila. Oh, überrascht? Glaubst du etwa, ich weiß nicht, wer du bist? Unser Mila Superstar. Das halbe Tagebuch ist ja voll von Dir. Mila hier, Mila da, Mila kann schon aufs Töpfchen gehen, Mila hat den ersten Milchzahn verloren, Mila hat eine Eins auf die Deutschschularbeit, Mila schwärmt für Zac, jetzt für Justin, jetzt doch eher für Robert. Meine kleine Mila, meine süße Mila, Mila, Mila, Mila.

MILASag mal, bist du eifersüchtig.

ELENADu musst nicht die ganze Zeit in diesem Buch verbringen, mit dir als übergroßem Schatten.

7

Page 24: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MILADu hast wohl nicht oft Gäste. Wenn du alle so behandelst.

ELENAKapierst du nicht, Mila. Du bist nicht mein Gast. Ich hab dich nicht eingeladen.

MILAUnd ich will nicht bleiben.

ELENADarf ich dich was fragen?

MILAWas?

ELENANichts, schon gut.

MILASag!

ELENABist du gar nicht neugierig?

MILAWorauf?

ELENAAuf das Tagebuch?

MILADas angeblich von meiner Mutter ist.

ELENANicht angeblich.

MILAIst es nicht.

ELENAUnd woher weiß ich dann wie du heißt?

MILAWeil das alles sowieso nicht real ist. Ich meine, schon real. Ein Traum, der sich sehr real anfühlt. Aber ich hab auch schon komischere Dinge geträumt.

ELENAWenn das ein Traum ist, wachst du sowieso bald auf.

8

Page 25: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MILAEben. Ich wache auf. So einfach ist das.

ELENAUnd bis dahin?

MILAWarte ich hier.

ELENAFalsch.

MILAWas?

ELENAHast du schon jemals geträumt, dass du dich einfach nur wo hinsetzt und wartest, bis der Traum vorbei ist?

MILABis jetzt nicht.

ELENAEben. Weil so funktioniert das in den Träumen nicht.

MILAWas soll ich also deiner Meinung nach tun?

ELENAMach was. Sieh dich um. Ich mein ja nur: entweder ist es ein Traum, dann lass es eben ein bisschen auf dich wirken. Oder es ist kein Traum. So oder so könntest du die Zeit ja nutzen.

MILAWillst du jetzt doch den Fremdenführer spielen oder was?

ELENAKeine Chance. Wirst dich schon allein zu Recht finden müssen. Vielleicht gibt es Sachen über deine Mutter, die du noch nicht weißt. Sachen, die sie bislang doch vor dir geheimhalten konnte.

MILAWarum kümmert es dich, was ich über meine Mutter weiß und was nicht?

ELENAJedenfalls hat sie Recht. Mila will immer mit dem Kopf durch die Wand. „Mila ist mitunter ziemlich rechthaberisch und ignorant.“ Das hat sie geschrieben.

9

Page 26: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MILAHat sie nicht.

ELENANur das „mitunter“ und das „ziemlich“ kann man weglassen.

ELENASchon besser.

MILASo ein Blödsinn. Mama könnte nie so was über mich denken, geschweige denn schreiben.

ELENAKlar, du Baby. Alle Eltern denken immer nur das Beste über ihre Kinder. Träum weiter.

MILAFalsch. Ich will aufwachen, schon vergessen?

ELENADann kneif dich doch.

MILAAu! Mist!

ELENAUnd, bringt es was?

MILASieht’s so aus?

ELENAWas weiß ich. Ist ja dein Traum.

MILADu sagst es. In meinem Traum gelten meine Regeln. Vielleicht sollte ich dich kneifen.

ELENAVielleicht solltest du’s dir verkneifen, mich zu kneifen.

MILAEin Versuch wär’s wert.

ELENADas wagst du nicht.

MILAEcht nicht?

10

Page 27: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

ELENAWenn du mich anfasst, schrei ich!

MILAUnd wer soll dich hier hören? Die Traumpolizei? Oder glaubst du, deine ach so lebendigen Wörter kommen dir zu Hilfe?

ELENAEs gibt ein paar Wörter, mit denen solltest du dich besser nicht anlegen.

MILADeine Wörter können mir gar nichts. Die sollen nur kommen.

ELENAEs gibt aber ein paar ganz fiese.

MILAIch hab schon Angst.

ELENAIch warne dich. Die verstehen absolut keinen Spaß.

MILAOh, mir schlottern schon die Knie.

ELENAZum Beispiel die hier.

MILAIst das dein Ernst? Karin und Elfi. Was für mächtig üble Wörter. Fällt dir gar nichts Besseres ein?

ELENAIch rufe sie!

MILAIch kneif dich trotzdem.

MILAWas ist das?

ELENALass mich los!

MILASei doch mal still. Hörst du das nicht? Da! Hör mal.

11

Page 28: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MARIONS STIMME Mila... Mila…

MILAMama…

MARIONS STIMMEMila…

MILADas ist Mama…

ELENADas ist Mama…

MILAMeine Mama, du Freak!

MARIONS STIMMEMila… Mila…

MILAWo ist sie? Wo ist sie hin?

ELENAMila, warte…

MILAEs kam von da.

ELENAManchmal dringt was von außen durch.

MILAWas? Was dringt durch? Und von wo?

MILAWas war das?

ELENASie hat das Fenster aufgemacht.

MILAHm.

ELENAMila, da geht’s nicht weiter.

12

Page 29: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

ELENAMila, nicht!

ELENAMila!

MILAAu!

MILASo ein Mist!

ELENADu kannst hier doch nicht alles ruinieren. Hast du gar keinen Respekt?

MILAVor den Buchstaben?

ELENAVor dem, was Mama da geschrieben hat.

MILANenn sie nicht immer Mama. Für dich heißt sie Frau Fischer, Marion Fischer, kapiert. Wo ist sie hin?

ELENAVielleicht war es gar nicht die Mama, die du kennst. Jede Marion hier hat ein anderes Alter, jede hat ihre eigene Geschichte.

Szene 22A: In Milas Zimmer.

MARIONMila. Was machst du, mein Schatz?

MILANichts.

MARIONAlles in Ordnung bei dir? Hast du mir nicht versprochen, dein Zimmer aufzuräumen. Wie’s hier wieder ausschaut. Mila?

MILAMach ich später.

MARIONZeichnest du was? Oder schreibst du was? Darf ich mal sehen?

13

Page 30: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MILANein. Lass mich.

MARIONIst es geheim?

MILAJa.

MARIONDann soll’s mal geheim bleiben. Krieg ich noch einen Kuss?

MILANicht gucken!

MARIONNein. Tu ich nicht, versprochen.

MILAGeh raus! Du musst raus gehen…

MARIONOkay, ich geh ja schon. Mila? Hab dich lieb. Okay?

MILAOkay. Geh raus.

MARIONOkay, mein Schatz.

Szene 2B:

ELENAKannst du dich daran erinnern?

MILADass Mama mich stört. Immer doch.

ELENAWie alt warst du da? 7 oder 8? Ein entzückendes Kind…

MILAWarum sollte Mama so was in ihrem Tagebuch, was sie sicher nicht geschrieben hat, festhalten?

ELENASie hat so einiges festgehalten, wo man sich fragen kann, warum.

14

Page 31: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MILAVielleicht wegen meiner geheimen Zeichen.

ELENAWas für Zeichen?

MILADie Zeichen. Meine Zeichen. Als Kind habe ich mir meine eigene Schrift ausgedacht und damit ganze Hefte vollgemalt. Nur ich wusste, was die Zeichen bedeuten, keiner sonst. Ich wollte nicht, dass sie sie sieht. Deshalb. Ich habe sie vor ihr versteckt.

ELENAVor Mama? Entschuldige, Marion.

MILA In meinem Bett. Unter der Matratze. Weil ich mich davor gefürchtet habe, dass Mama sie entdeckt.

ELENAWarum hast du dich davor gefürchtet?

MILAIch wollte nicht, dass sie sie mir wegnimmt. Dass sie meine Zeichen stiehlt. Und dass ich dann keine mehr habe.

ELENASo wie Marion.

MILAJa.

ELENADu weißt es also.

MILAJa. Du aber nicht.

ELENAWas?

MILASonst würdest du nicht immer noch behaupten, dass sie Tagebuch geschrieben hat.

ELENAVielleicht gibt es ja doch Dinge über sie, die du nicht weißt. Nicht wissen kannst. Sie war eine tolle Schwimmerin.

15

Page 32: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MILAIst. Sie ist eine tolle Schwimmerin.

ELENASie war im Nationalteam.

MILADas war ihr Beruf.

ELENADass sie in der Schule dafür Fisch genannt wurde, weißt du dann bestimmt auch. Und dass die Mitschüler sie damit gehänselt haben.

Szene 2C: Auf dem Schulhof.

ELFIFisch. Fisch.

KARINSieh einer an. Der stumme Fisch! ELFIHast du Töne! Der stumme Fisch ist ja gar nicht so stumm. Tut so, als könnte er singen.

KARINHe, Fisch! Jetzt schwimm doch nicht gleich davon. Warst du wieder planschen? Mit deinen Fischfreunden?

ELFIDie hat doch keine Freunde?

KARINIst das wahr? Bist du die einzige in deinem Fischschwarm? Oh!

ELFIIch glaub, dem Fisch hat’s wieder die Sprache verschlagen.

KARINWir bringen die schon zum Reden. Hab ich Recht?

ELFIGlaubst du, die ist irgendwie blöd? Glaubst du, die ist zurückgeblieben oder was?

KARINAber Elfi! Ist doch nur eine Masche. Bloß nicht auffallen. Immer schön mit dem Strom. Hab ich Recht?

ELFIKlappt aber nicht.

16

Page 33: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

KARINKlappt aber gar nicht.

ELFIschnüffelt

KARINWeil weißt du: du denkst, du schlägst keine Wellen. Aber wir riechen dich.

ELFIStummer Fisch.

KARINStinkender Fisch. Wir kennen solche wie dich.

ELFIDu Letzte-Reihe-Hocker.

KARINDu Analphabet!

ELFIDu Heimscheißer!

KARINDu Unsichtbare!

ELFIAber nicht für uns, oder?

KARINNein, nicht für uns.

ELFISolche wie dich fressen wir zum Frühstück, du Fischstäbchen.

KARINFischstäbchen zum Frühstück? Ist ja voll eklig!

ELFIHörst du, du bist voll eklig!

KARINWir wollen ihr doch keine Angst machen.

ELFINicht?

17

Page 34: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

KARINWir wollen doch nur was hören.

ELFIAch so.

KARINSag schon, was hast du da gesungen? Komm, spuck’s aus! Was war’s? Nichts? Klang aber nicht nach nichts.

ELFIKlang aber überhaupt nicht nach nichts.

KARINLos sing! Sing uns ein Fischlied!

ELFIGenau. Sing uns was vor. Sing uns das ABC-Lied, das wir Dir beigebracht haben!

KARINWird’s bald?

MARIONMeine Dummheit tut echt weh.Kann nicht mal das A B C.

ELFINa bitte! Geht doch!

MARIOND E F oje oje.Was kommt schnell noch mal nach G.

KARINLauter!

ELFIDu sollst lauter singen!

MARIONWeiter als bis H I J.Weiß ich nicht das A B C.

KARINHab ich was von aufhören gesagt?

ELFIHab ich nicht gehört. Sing weiter!

18

Page 35: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MARIONBitte mach, dass ich‘s versteh‘.Meine Dummheit tut echt weh.

KARINGlaub ja nicht, nur weil du ein Fisch bist, kommst du so leicht davon. Wir kriegen dich. Du stinkst von Kopf, Fischstäbchen.

Szene 2D:

MILAWas war das?

ELENAEine Naturgewalt namens Karin und Elfi. Ein Wirbelsturm. Hinterlassen eine Schneise der Verwüstung.

MILAWarum lässt sich Mama das gefallen?

ELENAWas würdest du denn tun? Zurückschlagen? Darf ich dich mal fragen: bist du je gemobbt worden? Nein, oder? Woher weißt du dann, wie du dich verhalten würdest?

MILAMan muss sich doch wehren.

ELENADenkst du, du kannst so jemand wie die zwei in die Flucht kneifen?

MILAWas soll das schon wieder heißen?

ELENAIch sag bloß. So wohlbehütet, wie du aufgewachsen bist. Mit deiner liebevollen Mutter und all deinen hübschen Freundinnen, deiner Superschule, deinem iPhone, Nintendo DS und deiner PS3.

MILAKeine PS3!

ELENAOh nein! Hast du das mit deinem Therapeuten schon aufgearbeitet?

MILAIch kann nichts dafür, dass du anscheinend keine tolle Kindheit hattest.

19

Page 36: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

ELENAJa, hatte ich auch nicht.

MILAEin Pech!

ELENAUnd Marion auch nicht.

MILAJa. Kapiert. Was kann ich dafür?

ELENAGar nichts.

MILAWar’s wirklich so schlimm für Mama? In der Schule?

ELENAJa. Das schlimmste waren die beiden. Und Deutsch. Und Englisch. Und, und, und … Das einzig Gute an der Schule war Janik.

MILAJanik?

JANDu kannst Jan zu mir sagen.

ELENASeine Eltern waren aus Dänemark und er war anders als die anderen.

Szene 2E:

JANHe! Helena! He, bleib stehen!

MARIONMeinst du mich?

JANSiehst du hier noch eine andere Helena?

MARIONMarion.

JANIch kenn dich. Du bist die Sportskanone, stimmt’s? Kommst grad vom Schwimmen?Ich schau euch Mädels gern beim Sport zu.

20

Page 37: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MARIONKann ich mir vorstellen.

JANAuf dem Platz mein ich, beim Volleyball und so. Du spielst gut.

MARIONDanke.

JANKarin. Die hat dich doch mal so gefoult, oder? Du hast geblutet.

MARIONWar nicht so schlimm.

JANDie kann ganz schön fies sein.

MARIONEin wenig.

JANNein, richtig. Sie ist ein Arsch.

MARIONUnd was für einer.

JANJa. Wir sind zusammen.

MARIONIch wollte nicht…

JAN He! Haust du schon ab? Warte.

MARIONIch muss nachhause.

JANWarum so schnell?

MARIONHab die Haare nicht geföhnt.

JANHast Angst dich zu erkälten?

21

Page 38: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MARIONNein.

JANOder hast du Angst, dass Karin und Elfi hier auftauchen. Sind doch alles bloß Hühner.

MARIONKarin auch?

JANVor allem die!

MARIONUnd warum bist du dann mit ihr zusammen?

JANIhre Eltern haben einen Pool.

MARIONNa dann.

JANKarin und ihre Freundinnen gehen aber nie ins Wasser. Die hocken immer nur da und lassen sich bräunen. Wie Hühner auf einer Stange. Fehlt nur noch, dass sie Eier legen. Ich hab das ganze Pool für mich. Und du?

MARIONWas?

JANDu bist also eine gute Schwimmerin, Helena.

MARIONMarion.

JANEin Fisch im Wasser.

MARIONFisch?

JANWillst du was trinken? Ich mein, nach dem ganzen Sport und so, da sollte man doch was trinken.

MARIONWir beide?

22

Page 39: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

JANCola oder so.

MARIONDas ist keine so gute Idee.

JANWegen dem Koffein oder wegen Karin?

MARIONMit nassen Haaren und so.

JANKomm vergiss die.

MARIONAußerdem muss ich noch lernen. Hab bald Entscheidungsprüfung.

JANIn Deutsch?

MARIONJa. JANKlar. Du hast es ja nicht so mit Lesen und Schreiben, nicht wahr? Ist aber kein Problem.

MARIONWas?

JANDeutsch. Ich meine: He, ich geb dir Nachhilfe! Wie klingt das? Schließlich hab ich Deutsch gelernt. Ist schon einige Zeit her, aber mit Grammatik kenn ich mich aus.

MARIONEs geht um Literatur.

JANDa auch. Ich box dich durch. Komm schon. Ich beiß nicht.

MARIONUnd was versprichst du dir davon?

JANEine Einladung auf einen Schuss Koffein.

MARIONEinen Schuss Koffein. Das ist alles?

23

Page 40: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

JANMal sehen.

ELENAJan.

MILAUnd?

ELENAJan ist die eine Sache, die nicht schlecht an der Schule ist.

MILAMama hat mir nie von ihm erzählt. Vielleicht war er ja doch nicht so wichtig, wie du tust.

MILAMama!

MARIONDas nennst du Nachhilfe?

JANGefällt es dir nicht, meine Helena?

MARIONWarum sagst du ständig Helena zu mir?

JANWeißt du das nicht? Weil Helena die schönste ist?

MARIONVon der Schule?

JANNein, von allen. Die schöne Helena? Die von den Trojanern geraubt wurde?

MARIONAh ja, die.

JANDu weißt Bescheid?

MARIONJa.

JANWeil du auch schön bist. Deshalb Helena?

24

Page 41: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MARIONHelena.

MILAEr kennt sich sogar mit der griechischen Sagenwelt aus.

ELENADas täuscht. Sein Wissen stammt vor allem aus Comicheften: Herkules und die Menschenfresser. Perikles und das Orakel. Odysseus und der intergalaktische Kampfstern.

MARIONDie schönste von allen…

JANGlaubst du mir nicht? Das ist mein voller Ernst.

MARIONUnd was ist mit Karin.

JANMit der mache ich Schluss, okay. Gleich nach dem Schuss Koffein.

MARIONGleich nach dem...?

JANWenn ich es doch sage, Helena. Gleich nach dem...

MILALieber Himmel Wie alt ist Mama da?

ELENASo alt wie du jetzt.

MILAIch darf mit Jungs nicht mal allein auf mein Zimmer…

JANGefällt’s dir nicht?

MARIONDoch, doch.

MILAMama, hör auf!

ELENAWas ist denn?

25

Page 42: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MILADas ist ja bläh!

MARION Doch

JANDu hast ja richtig Muskeln…

MARIONKommt vom Schwimmen…

ELENAAufhalten kannst du sie nicht. Es sind ja Erinnerungen, Schatten. Ist alles schon passiert.

MILAWas alles? Was ist passiert? Was wird das?

MARIONWas wird das? Jan?

JANJa?

MARIONIch bin noch… Ich meine, ich hab noch nie…

JANSiehst du: Nachhilfe.

MILAMama!

ELENALass sie. Sieht aus, als wäre sie beschäftigt.

MILAAber das geht doch nicht.

ELENAWarum?

MILAWeil sie viel zu jung ist für… so was.

ELENAJetzt hört es sich an, als wärst du die Mutter und sie das Kind. Man kann sowieso nichts mehr daran ändern.

26

Page 43: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MILAMeinst du. Dann pass mal auf!

JANWo ist das?

MARIONDas Ding zum zum Draufliegen?

JANGenau! Wie heißt das?

MARIONHab’s vergessen…

JANIch auch.

MILAMama! Hört auf! So, jetzt reicht’s.

ELENAWas glaubst du, was du damit bezweckst?

MARIONDas Ding in deinem Mund ist weg

JANDeins auch.

MARIONMeins auch?

JANDas Ding in meinem Mund. Das spür ich gar nicht mehr.

MARIONDu meinst deine… deine…

JANIch komm nicht auf das Wort.

MARIONEgal, küssen können wir trotzdem

MILADas gibt’s ja nicht.

27

Page 44: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MARIONHast du was da?

JANDu meinst zum Schutz?

MARIONWie heissen die?

MILASchluss jetzt. Das passiert nicht wirklich!

ELENADoch, so hat sie es erlebt.

MILAMir egal

MARIONHast du was dabei?

JANIch pass schon auf, ich verspreche es.

MILADer hat Nerven. Okay, Stopp!

ELENADas war jetzt total kindisch!

MILAKindisch? Glaubst du, ich lasse das zu, das meine Mutter und der da…

ELENAHe, der da ist mein Erzeuger.

MILAWas?

ELENAMein Erzeuger… mein Vater.

MILAWas hat dein Vater auf meiner Mutter zu suchen?

ELENADas siehst du doch.

28

Page 45: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MILAAber ich will das nicht sehen. Das ist mir echt zu heftig. Ich will, dass es aufhört!

ELENADas Rummachen?

MILADer Traum. Mir ist das echt zu intensiv. Es gibt Dinge, die will man von seiner eigenen Mutter nicht wissen.

ELENAWillkommen in meiner Welt.

MILADie Welt meiner Mutter, meinst du wohl!

ELENASiehst du’s endlich ein? Dass es ihr Tagebuch ist?

MILAIch sehe gar nichts ein. Und mir ist es egal, ob das hier ihr Tagebuch ist, oder deine Welt oder mein Traum. Ich will hier nur raus.

ELENAWem sagst du das!

MILAWeißt du, Wächterin des Tagebuchs oder Traumwesen oder was immer du auch bist, wärst du freundlich, mir jetzt bitte zu sagen, wo verdammt nochmal hier der Ausgang ist.

ELENAElena.

MILAWas?

ELENAMein Name ist Elena. Danke, dass du endlich danach fragst.

MILAGut, schön. Elena. War nett mit dir zu plaudern. Wie komm ich hier raus?

ELENAWenn du unbedingt raus willst, dann versuch es doch am Ende, würde ich vorschlagen.

MILAAm Ende?

29

Page 46: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

ELENABeim allerletzten Tagebucheintrag. Vielleicht gibt’s ja dort die Möglichkeit dazu.

MILAWo?

ELENADu musst einfach nur Seite um Seite umblättern, bis du bei der letzten Seite anlangst.

MILAEinfach nur umblättern…

ELENAWie bei jedem Buch.

MILAOkay. Hat mich gefreut, deine Bekanntschaft zu machen, Elena.

ELENAGlaub mir: das hast du nicht.

Szene 33A:

KARINHe, Fisch! Glaubst, du kannst dich an mir so einfach vorbei stehlen? He! Ganz ruhig. Ich wollte dich doch nur fragen, wie’s dir geht. Na, alles paletti?

MILAIch bin’s nicht.

KARINWas?

MILALass mich los, verdammt. Ich bin nicht sie.

KARINAch ja. Den fauligen Fischgestank erkenn ich doch von weitem. Also lass dir besser mal eine andere Ausrede einfallen.

MILAIch bin nicht meine Mutter.

KARINDeine Mutter? Willst du mir jetzt mit deiner Mami drohen, oder was?

MILANein…

30

Page 47: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

KARINSoll ich jetzt Angst haben? Soll ich mir jetzt vor Angst in die Hose kacken? Au! Hast du sie noch alle? Du Miststück, du kannst mich doch nicht einfach kneifen.

KARINScheiße. Bleib da!

Szene 3B: Marion und Jan.

JANIch hab was für dich.

MARIONWas ist das?

JANMach es auf.

JANWas ist? Gefällt’s dir nicht?

MARIONDoch.

JANIst ein Glücksbringer. Für die Prüfung.

MARIONDas ist schön. Danke.

JANUnd der Anhänger?

MARION Ein H.

JANH wie?

MARIONHelena?

JANDamit du immer dran denkst, dass du meine schöne Helena bist, logisch?

MARIONDanke. Es geht gleich los.

31

Page 48: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

JANBoxerfaust.

MARION Faust, alt müde vom lernen und lesen.

JAN Bücherhände.

MARIONKann man nicht alles lernen!

JANWenn ich Dir mein...

MARIONVerkaufe ich Dir meine Seele!

JANUnd die große Fragezeichen...

MARIONNun sag, wie hast du´s mit der Religion?

JAN UND MARIONTop, die Wette gilt!

MILAMama, warte! Warte mal!

Szene 3C:

LEHRERGuten Morgen. Setzen. Marion, für dich steht heute eine wichtige Prüfung auf dem Programm. Dass die Prüfung mündlich ist kommt dir zu gute. Dann ist ja noch nicht alles verloren. Erzähl mir doch was zum Faust.

MARIONEin Theater...ein Stück. Es ist ein Theaterstück.

LEHREREs ist ein Theaterstück, Herr Professor.

MARIONGenau ein Professor! Es geht um einen Professor, der müde ist vom Lernen und Lesen und nichts mehr auf die Reihe kriegt.

32

Page 49: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

LEHRERWelche Figuren kommen darin vor?

MARIONEs ist von Goethe.

LEHRERWie bitte?

MARIONJohann Wolfgang von Goethe.

LEHRERGut. Also ein Theaterstück von Goethe. Zurück zur Frage...

MARION Nun sag, wie hast Dus mit der Religion?

LEHRERIch bin ausgetreten. Aber welche Charaktere kommen darin vor?

MARIONGute und Böse?

LEHRERUnd wie heißen sie?

MARIONFaust und sein Pudel, er ist eigentlich ein Hund, Gretchen, Mephisto.

LEHRERWer noch?

MARIONDie schöne Helena?

LEHRERDie schöne Helena? Aber die schöne Helena kommt ja erst in Faust Teil 2 vor und wir sprechen doch hier von Teil 1. Wo hast Du denn das her? Wer taucht denn noch auf? Hast Du dich überhaupt vorbereitet, Marion?

MARIONDoch, das habe ich.

LEHRERIch weiß, Marion, ich weiß. Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube... gut Marion.

33

Page 50: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

ELENAMila was machst du hier? Du musst zur letzten Seite wenn du raus willst

MILAJetzt weiss ich nicht wie die Prüfung ausgegangen ist.

ELENAEr hat sie durchgelassen. Das ist das Problem. Alle haben sie durchgelassen.

MILAIch hab Karin getroffen.

ELENADu hast sie gesehen?

MILANein, ich hab sie getroffen. Sie hat gedacht, ich bin Mama. Ich seh ihr doch überhaupt nicht ähnlich. Und ich habe wieder Mama’s Stimme gehört, als käme ich sie von ganz weit weg.

ELENAVielleicht ist sie nähe als du denkst.

MILAWas war das jetzt?

ELENAJetzt hat sie dich umgelegt!

MILAIch will nicht umgelegt werden.

ELENAHast du etwa wieder mit den Wörtern herumgespielt? Ich hab dich doch gewarnt.

MILADu hast gesagt, es lässt sich nichts verändern. Es ist alles schon passiert.

MARION’S STIMMEMila, ..

MILADa, hörst du?

ELENAIst auch so. Aber wenn du die Wörter angreifst, werden sie sich wehren. Ich hab dir doch gesagt, dass sie lebendig sind.

34

Page 51: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MARION’S STIMMEMila...Mila...

MILAElena, was macht das für einen Sinn? Warum bin ich hier?

Szene 3D:

MARIONbewegt sich

JANNicht bewegen. Bleib so.

MARIONbewegt sich wieder

JANNicht.

MARIONJan...

MARIONKommst Du zum Wettkampf?

JANNa Klar.

MARIONWeißt Du wo es stattfindet?

JAN Klar.

MARIONGlaubst Du wirklich das Krabben dirigieren können?

JANSicher!

MARIONWeißt Du, im Wasser bin ich blitzschnell und weiß immer, wo es lang geht. Aber an Land ...

JAN Nicht bewegen.

35

Page 52: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MARIONAn Land zerfallen mir die Dinge immer so, da bricht alles über mich zusammen… Jan, sind wir jetzt zusammen?

JAN Gleich.

MARION Hast Du eigentlich Geschwister?

JAN Fertig, gratuliere zur bestandenen Prüfung.

MARIONSoll das ich sein?

JANHallo.

MARIONSieht irgendwie nicht aus wie ich.

JANDoch, die Augen, die Haare.

MARIONAber der Rest sieht ein bisschen aus wie du.

JANFindest du?

MARIONEin bisschen ja. Das Grübchen am Kinn.

JANHe, Grübchen sind ein Zeichen von Potenz.

MARIONEcht jetzt.

JANHe, ein Teil von dir, ein Teil von mir. So wird unsere Tochter mal aussehen.

MARIONSo wird unsere Tochter mal aussehen?

JANNa ja. Wenn‘s ein Sohn wird, hat er hoffentlich nicht so einen Vorbau.

36

Page 53: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MARIONDen hast du viel zu groß gezeichnet.

JANFindest du?

MILAElena? Dieser Jan. Ist der wirklich dein Vater?

ELENAMuss wohl so sein.

MILAUnd deine Mutter…

ELENAWillst du immer noch zur letzten Seite? Oder willst du wissen, wie die Geschichte weitergeht?

MILAIch weiß nicht, ob ich will… Aber jetzt, wo ich schon mal hier bin…

Szene 3E:

TRAINERINPfeift

ELENA Marions Schwimmtrainerin…

TRAINERINGut Marion, wir müssen dich schneller vom Start kriegen. Dein Technik ist gut, du liegst gut im Wasser wie ein Fisch, aber wo ist dein Ziel Marion? Positionieren. Fokussieren, und im richtigen Moment reagieren. Wie sage ich immer?

MARIONGut ist nicht gut genug.

TRAINERINEben. Du kannst besser sein. Besser als gut. Verstehst du, Marion? Du bist eine meiner begabtesten Schwimmerinnen.

MARIONIch hab Probleme in der Schule...

37

Page 54: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

TRAINERINDie Schule, die Schule. Die Freundinnen. Die Jungs. Die Hormone. Alles schön und gut. Aber in erster Linie bist du eine Schwimmerin, Marion, eine verdammt gute, verzeih die Ausdrucksweise. Aber die Wettkämpfe, die kann man vergessen, wenn man nur jedes zweite Mal hier auftaucht. Ich sag es nicht gerne, aber wenn das so weitergeht, dann sehe ich für dich keine Zukunft bei uns im Schwimmteam, verstehst du, Marion?

MARIONJa.

TRAINERINSicher?

MARIONJa.

TRAINERINOkay. Bist ein gutes Madl, Marion. Tüchtige Schwimmerin, wirklich. Aber mach was draus. Mach was aus dir, Mädel. Positionieren. Fokussieren. Reagieren. Pfeift

Szene 3F:

ELFISchau, wer da wieder da ist.

KARINNein, so ein Zufall.

ELFIWarum bist du abgehauen?

KARINWir haben dich vermisst. Stimmt’s, Elfi?

ELFIWir haben uns alle Sorgen gemacht.

KARINJa. Große Sorgen. Weißt du, vielleicht denkst du, ich bin dir böse.

MARIONWeswegen?

KARINJetzt sieh dir das an. Spielt den Unschuldsengel.

ELFITut so, als wüsste sie von nix.

38

Page 55: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

KARINVielleicht sollten wir ihr auf die Sprünge helfen.

ELFIIch finde, das ist sogar unsere Pflicht.

KARINHe! He, keine Angst! Weißt du, was das ist? Nein? Das ist ein Brief. An wen ist der denn?Nein, so was! Der ist ja an mich! Hier. Du darfst ihn lesen. Na nimm schon. Lies mal vor, was da steht. Ich möchte, dass du ihn vorliest. Laut und deutlich.

ELFIDer arme stumme Fisch. Der kann doch gar nicht lesen.

KARINIch weiß, dass die nicht lesen kann, Elfi. Das weiß ich…

MARIONDoch, ich kann lesen

KARINWie bitte? Hast du was gesagt?

MARIONIch kann lesen

KARINHast du das gehört, Elfi? Na dann, lies vor, Fisch!

MARIONIch…

KARINNa los!

ELFISperr deine Kiemen auf!

KARIN Wird’s bald?

MARIONIch…

KARINIch kann dich nicht mehr treffen. Es gibt da wen neuen. Es ist aus. Jan.

39

Page 56: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

ELFIKurz und bündig.

KARINNein, unser Jan ist wirklich kein Mann vieler Worte. Entschuldige: dein Jan. Aber weißt du was? Ich schreib ihm jetzt auch einen Brief, wär das was?

ELFITolle Idee.

KARINJa, genau. Im Gegensatz zu dir kann er nämlich sehr gut lesen. Oh, aber ich habe leider gar kein Papier. Du Elfi?

ELFINein. Wie schade.

KARINWeißt du was Marion, ich verzeih dir dass mit Jan. Lass uns Freundinnen werden. Wir haben auch ein Geschenk für dich, nicht wahr Elfi?

ELFIhält ein T-SHIRT mit Schrift „Hure bei der Arbeit“ hochMhmmm, zieh es an.

KARINZieh es an.

KARINPasst dir!

ELFIPerfekt.

KARINBist du so nett und überbringst Jan die Nachricht? Klar tust du das...

MARIONWelche Nachricht?

Szene 3G:

MILAIch könnte die…

ELENAMisch dich nicht ein. Sonst passiert wieder was. Außerdem: siehst du? Da kommt Trost.

Jacke über Schulter

40

Page 57: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

JANHe, alles in Ordnung?

MARIONLass mich!

JANWas ist denn? Hab ich was falsch gemacht?

MARIONLass mich in Ruh!

JANHelena?

MARIONIch bin nicht deine Helena! Geh zu deiner Karin.

JANIch hab mit ihr Schluss gemacht, schon vergessen?

MARIONDann mach es wieder rückgängig.

JANBist du bescheuert? Ich will doch nichts von ihr. Ich will was von dir.

MARIONVergiss es!

JANHe, ich dachte, du magst mich.

MARIONHast dich eben getäuscht.

JANSag mir, dass du mich gar nicht magst, und ich geh.

MARIONIch kann dich nicht leiden!

JANOkay.

JANUnd was jetzt?

41

Page 58: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MARIONIch kann nicht, okay? Ich kann einfach nicht.

JANOkay.

MARIONWir werden nicht rummachen. Nie wieder.

JANOkay.

MARIONEcht jetzt?

JANNein.

MARIONNa ja. Küssen geht vielleicht.

JANrutscht ran

MARIONAber nur vielleicht.

JANSag mal, ist das ein neues T-Shirt?

MarionJa.

JANSteht dir gut.

MARION Hat mir Karin geschenkt.

JAN Weißt Du was darauf steht?

MILAMir reicht’s. Können wir nicht wieder ein paar Seiten vor blättern?

ELENAWenn du willst. Dann folgt jetzt die Geschichte mit dem Test.

42

Page 59: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MILANein. Bei der Prüfung war ich doch schon dabei.

ELENAKeine Prüfung, ein Test.

Szene 44A:

APOTHEKERINBitte?

MARIONEin Schwangerschaftstest, bitte.

APOTHEKERINBitte?

MARIONEin Schwangerschaftstest, bitte.

MILAMoment. Augenblick. Schwangerschaftstest? Da war doch bestimmt noch was dazwischen, oder?

ELENAIch dachte, wir blättern etwas vor.

MILADoch. Aber da haben wir aber ganz schön viel vorgeblättert.

ELENASo viel auch wieder nicht. Das geht eigentlich ganz schnell.

MILAIch mein ja nur, darauf hättest du mich ja vorbereiten können.

ELENAWillst du wieder streiten?

MILASchon gut.

ELENAAlso. Dann weiter in der Apotheke. Einen Schwangerschaftstest bitte sagt Mama und die Apothekerin sieht sie an und geht dann zu einer der Laden, öffnet sie und holt eine lilafarbene Schachtel heraus. Alles geht viel zu langsam für Mama, wie in Zeitlupe. Hinter ihr hat sich schon eine lange Schlange gebildet. Endlich liegt die Schachtel vor ihr.

43

Page 60: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

APOTHEKERINSonst noch was?

MARIONWie muss ich das… Wie funktioniert das?

APOTHEKERINSteht alles in der Gebrauchsanweisung.

MARIONAber wie genau seh ich, wenn ich… ob ich…

APOTHEKERINSteht alles in der Gebrauchsanweisung. Wär das alles?

ELENADie Apothekerin tippt mit ihrem Zeigefinger ununterbrochen auf die lilafarbene Schachtel.

MARIONIch möchte nur sichergehen…

APOTHEKERINDer Test ist deppensicher. Mit dem kann man nix falsch machen.

MARIONAber... Kann ich was fragen?

APOTHEKERINWas denn noch?

ELENAUnd was Mama eigentlich sagen will ist:

MARIONWenn ich ein Kind bekomme und wenn es dann so alt ist, wie ich jetzt, dann bin ich 30, und wenn es ein Mädchen ist und es dann im gleichen Alter ist wie ich, und dann ein Kind bekommt, bin ich mit 30 Oma. und wenn das so weitergeht, dann bin ich Uroma mit 45 und Ururoma mit 60 und mit 75 bin ich vielleicht schon Urururoma und mit 90 Ururururoma.

ELENAAber stattdessen bleibt sie stumm.

APOTHEKERINMacht 5,95. Brauchen Sie eine Rechnung?

ELENASie braucht keine. Im Grunde braucht sie nicht mal einen Test.

44

Page 61: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MILASie weiß es?

ELENASie weiß es.

ELENAIn ein paar Monaten, denkt sie. Da werden es alle sehen. Ihre Eltern, ihre Mitschüler, die Lehrer, einfach alle. Sie werden sie sehen und ihr Leben wird vorbei sein. Kein Schwimmen mehr, kein Jan mehr, nichts mehr.

MILAUnd dieses Kind, das sie im Bauch trägt, ist von Jan? Dieses Kind, das sie im Bauch trägt, das bist…

Szene 4B: Marion und Jan

MARIONAlles Gute zum Monatstag.

JANMonatstag?

MARIONIch hab was für dich.

JANEine Überraschung?

MARIONEin Geschenk…

JANOkay. Was?

JANWas ist es? Spann mich nicht auf die Folter.

JANZeig her…

JANDas hab ich schon.

MARIONGenau das?

JAN

45

Page 62: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

Ich hab doch gesagt, ich hab alle bis auf Herkules und der Kopf der Hydra.

MARIONUnd ich hab die Verkäuferin noch extra gefragt…

JANUnd was steht da? Herkules und der nemëische Löwe. Hast du es nicht mal versucht den Titel zu lesen?

MARIONTut mir leid.

JANIch kapier‘ manchmal echt nicht, was in deinem Kopf vorgeht, Helena.In letzter Zeit bist du ziemlich durch den Wind.

MARIONIch muss dir was sagen.

JANGeht das nicht später? Ich hab jetzt Fußball. Nachher, okay?

Szene 5: 5A: Elfi fängt Marion ab.

ELFIFisch! Ich muss dir was sagen.

MARIONHau ab!

ELFIWeißt du, warum du nicht ständig eine von Karin aufs Maul kriegst?

MARIONWeil du das für sie machst. Machst ja alles für sie. Wischst ihr wahrscheinlich auch den Hintern aus.

ELFIDu redest Scheiße, kapiert? Es gibt nur einen einzigen Grund, warum sie dich am Leben lässt, obwohl du was mit ihrem Typen laufen hast. Kannst du den vielleicht erraten?

MARIONBlödsinn!

ELFIDer einzige Grund ist, dass sie auch noch was mit ihm laufen hat. Er fährt zweigleisig, verstanden?

46

Page 63: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MARION Ich glaub dir kein Wort.

ELFIWas glaubst du, was die jetzt gerade machen, Jan und Karin?

MARIONVerpiss dich!

ELFIDie reden über dich. Jetzt gerade reden die über dich und bestimmt lachen die sich kaputt über dich.

MARIONDu lügst.

ELFIWillst du dich jetzt mit mir prügeln? Helena, schöne Helena! Du bist so ein Opfer, weißt du das? Du kannst einem gar nicht leidtun, so blöd bist du! Du hast nicht bloß eine Lernschwäche, du hast Gehirnfäule, hast du kapiert?

ELFIHast du echt geglaubt, der gute Jan steht ernsthaft auf jemanden wie dich? Eine Zurückgebliebene? Du hast mir leid getan, okay. Deshalb. Ich wollte nur, dass du Bescheid weißt. Blöde Schlampe.

Szene 5B:

TRAINERINGut… Gut sieht das nicht aus. Aber halb so wild. Muss nicht genäht werden.

MARIONBin vom Rad gefallen.

TRAINERINJa, und das Rad war so sauer, dass es dir gleich eine gescheuert hat. Eine wahre Sportlerin braucht keine Gewalt.

MARIONIch hab mich nicht geprügelt.

TRAINERINEine Schande… eine Schande, dass du deine Energien so vergeudest. Du könntest eine wirklich hervorragende Schwimmerin sein. Aber stattdessen entscheidest du dich, vom Rad zu fallen. Du bekommst gleich ein Schmerzmittel von mir.

47

Page 64: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MARIONKann man das nehmen?

TRAINERIN Keine Angst. Ist völlig harmlos.

MARIONNein, ich meine: kann man das nehmen, wenn man schwanger ist?

MILAElena? bist du meine Schwester ?

Szene 5B:

JANHelena! Warte mal! Helena!

JANMarion! Marion!

MILAMama, warte! Diese Entscheidung, die kann sie doch nicht treffen. Einfach so…

ELENASie hat sie schon getroffen.

MILAAber sie will dich loswerden. Das will sie doch. Das kann sie doch nicht tun.

ELENAEs ist auch ihr Leben.

MILAWie kannst du so was sagen? Wie kannst du so ruhig bleiben.

ELENANichts, was ich mache, ändert was daran. Und nichts, was du machst.

MILAWillst du nicht leben?

ELENAIch weiß ja gar nicht, was das ist, Leben. Alles, was ich kenne, sind ein paar Einträge in ein Tagebuch voller Rechtschreibfehler. Vielleicht bin ich auch nur so ein Fehler. Und vielleicht ist das ja dann die richtige Entscheidung, diesen Fehler zu korrigieren.

MILADas ist sie nicht. Das kann sie nicht sein.

48

Page 65: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

ELENADu bist nicht in ihrer Lage. Dann kannst du es nicht beurteilen.

MILAIch habe eine Schwester. Die lass ich mir doch nicht einfach wieder wegnehmen.

ELENAAußerhalb dieses Buches gibt es mich nicht. Das darfst du nicht vergessen.

MILAAber es sollte dich geben. Es muss dich geben.

ELENAEs ist zu spät.

Szene 6

TRAINERIN Noch ist nichts zu spät. Du hast es ja gottseidank früh genug bemerkt. Das ist gut.

ÄRZTIN Sie sind?

TRAINERIN Ihre Schwimmtrainerin. Ich hab sie hergefahren.

ÄRZTIN Sie können inzwischen draußen Platz nehmen.

TRAINERINAber…

ÄRZTINEinfach im Wartezimmer Platz nehmen.Und du müsstest mir noch das Formular hier ausfüllen. Für die Kartei.

TRAINERINWir füllen das dann gemeinsam aus.

ÄRZTINIch denke, dass Marion das sehr wohl allein schafft.

MARIONIst schon okay. Mir ist lieber, wenn sie mir dabei hilft.

ÄRZTINMarion. Wir werden uns erst nur unterhalten. Du musst heute noch gar nichts entscheiden.

49

Page 66: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MARIONIch habe mich aber schon entschieden.

ÄRZTINEs kann schon sein, dass du jetzt glaubst, eine Entscheidung getroffen zu haben.

MARIONIch habe mich entschieden.

MARIONS STIMMEMila… Mila…

ELENAMila?

MILAIch hab doch nicht gewusst…

ELENADass ich deine tote Halbschwester bin?Sonst wärst du netter gewesen?Du kannst nichts dafür. Das war doch alles lang vor deiner Zeit. Lang bevor sich deine Eltern überhaupt kennen gelernt haben.

MILAAber ich bin so wütend.

ELENAAuf Marion?

MILASag Mama zu ihr.

ELENAVersetz dich mal in ihre Situation: sie ist 15, sie kann nicht richtig lesen und schreiben, sie kann nicht mal für sich selbst Verantwortung übernehmen, wie soll sie es dann für ein Kind tun?

MILAAber sie hätte es zumindest versuchen können.

ELENAEin Kind ist kein Versuch.

MILAIch hab mir immer eine Schwester gewünscht.

50

Page 67: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

ELENAEs dreht sich nicht alles um deine Wünsche Mila.

MILAWie kannst du ihr das verzeihen?

ELENASie hat das Buch wegen mir geschrieben.

MILAUnd wenn schon!

ELENA Hast du’s immer noch nicht kapiert? Es wäre nie eine echte Schwimmerin aus ihr geworden. Sie hätte nie Medaillen gewonnen. Sie wäre nie glücklich gewesen. Sie hätte nie deinen Vater kennen gelernt. Und du wärst nie auf die Welt gekommen. Entweder oder, verstehst du. Entweder du oder ich. Eine Entscheidung gegen etwas ist auch immer eine Entscheidung für etwas.

ELENAMila? Darf ich dich was fragen? Wie ist sie so? Unsere Mama?

MILAWie meinst du, wie ist sie? Du kennst sie doch.

ELENAIch kenne nur das was in diesem Buch steht. Nur das, was sie von sich aus erzählt. Also, wie ist sie?

MILAIch weiß nicht...ich möchte mit niemanden meine Mama tauschen. Für keine andere Mutter der Welt. Meinen Vater aber auch nicht.

ELENAWo haben sich unsere Mama und dein Papa kennengelernt, weißt du das?

MILAAuf einem Ball.

ELENAIm Ernst?

MILAKein Opernball oder so. Ein Ball für Sportler.

ELENAEin Fußball oder Basketball?

51

Page 68: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MILAHaha.

Szene 7:

FRAUENSTIMMEBasisbildungszentrum, Monika Schlager. Hallo?

ELENAAn manchen Tagen hat sie zwei, dreimal angerufen. Immer aufgelegt.

MILADas nennt man Telefonterror.

FRAUENSTIMMEBasisbildungszentrum. Monika Schlager.

MARIONHallo…

FRAUENSTIMMEGuten Morgen!

MARIONStille.

FRAUENSTIMMEWürden Sie sich für einen Kurs interessieren? Wir bieten Kurse für Lesen, Schreiben, Rechtschreiben oder Rechnen an. Wär‘ da was für Sie dabei?

MARIONnickt

FRAUENSTIMMEHallo? Kann es sein, dass sie gerade nicken? Darf ich Ihnen kurz etwas über unsere Kurse erzählen?

MARIONnickt

MILAIch hab nicht gewusst, dass Mama nach Hilfe gesucht hat.

ELENASie ist über ihren Schatten gesprungen.

MILAAber gebracht hat es trotzdem nichts.

52

Page 69: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

ELENAWie kannst du das sagen?

MILAWeil ich es weiß. Ich kenne meine Mutter seid 14 Jahren und sie hat noch nie einen Wort geschrieben oder einen Satz gelesen!

MILAWas wird das?

TRAINERINSie sind nervös? Ich kann Ihnen sagen: Fast alle, die das erste Mal hier sind, sind nervös-aber sie werden sehen, das legt sich gleich. Sie haben gemeint, dass sie sich beim schreiben verbessern wollen?

MARIONJa.

TRAINERIN

Was würden sie gerne schreiben?

MARIONDen Namen meiner Tochter. Helena. Den kann ich schon.

TRAINERINEin schöner Name. Und selten.

TRAINERINSehr gut. Aber Sie haben Elena geschrieben. Wenn Sie Helena schreiben wollen, fehlt noch das H vorne. Soll ich es Ihnen zeigen?

MARIONIch weiß, wie ein H aussieht.

TRAINERINAber sie schrieben es nicht.

MARIONIch will es nicht schreiben, dieses H. Das H habe ich vergraben.

TRAINERINVergraben?

MARIONMeine Tochter heißt Helena. Nur ohne das H.

53

Page 70: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

TRAINERINElena. Das ist genau so ein schöner Name. Möchten Sie sonst noch etwas schreiben?

MARIONIch will ein Buch schreiben. Vom ersten Buchstaben an, selber schreiben. Für meine Töchter. Und in dem Buch will ich ihr alles erzählen und erklären.

TRAINERINDas kriegen wir hin. Sie haben nur den richtigen Zugang gebraucht, das ist alles. Die Motivation haben Sie selbst mitgebracht.

MARIONIch mache das für meine Töchter.

TRAINERINIch nehme an auch für sich selbst.

ELENADenkst du noch immer, dass du alles weißt?

MILAOkay, sie hat lesen und schreiben gelernt, aber warum bin ich hier?

ELENADu hattest einen Unfall, einen schweren Unfall und du liegst im Koma.

MILAIch lieg doch in keinem Koma.

MARION’s STIMMEMila, Mila...

ELENASie ruft nach dir. Deshalb hörst du ihre Stimme. Und sie sitzt an deinem Bett und liest dir in diesem Augenblick aus ihrem Tagebuch vor, damit du aufwachst. Aus dem Buch, das sie selbst geschrieben hat.

MILADann muss ich gehen

MARION Liebe Elena. Ich denke sehr, sehr oft an dich. Ich weiß nicht, wo du bist und ob es dir gut geht, aber ich wünsche es mir sehr. Ich habe nie ein Tagebuch geschrieben, weil ich nicht schreiben konnte. Aber jetzt hole ich das alles nach.

ELENAGeh.

54

Page 71: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

MILAUnd was ist mit dir?

ELENAIch bin hier zuhause. Du wärst bestimmt eine tolle Schwester gewesen.

MILADu auch.

MARIONDieses Buch widme ich dir. Und wenn ich es fertig geschrieben habe, werde ich es deiner Schwester vorlesen. Für sie lerne ich lesen. Damit ihr voneinander wisst.

ELENAGlaubst du, du hättest sie mit mir geteilt?

MILAWas?

ELENADeine Zeichen. Deine Geheimzeichen. Stell dir vor, wir hätten einander geheime Botschaften schreiben können.

MILADas können wir immer noch tun. Uns schreiben, meine ich. Ich weiß ja jetzt, wo ich dich finde.

MARIONIch nenne es mein Tagebuch, aber eigentlich habe ich es erst jetzt schreiben können. Eigentlich ist es ein Buch voller Erinnerungen…

ELENADu musst jetzt los.

MILAJa.

ELENAVergiss mich nicht.

MILAOkay, wenn du mich nicht vergisst.

ELENAOkay.

ELENAHe! Immer mit dem Kopf durch die Wand?

55

Page 72: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

 

Finanziert aus Mitteln des Landes Salzburg und des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur. 

 

 

 

 

 

 

Basisbildungszentrum abc‐Salzburg 

 

Salzburg, am 18.10.2011 

 Basisbildungszentrum abc‐Salzburg Brigitte Bauer Lastenstraße 22 5020 Salzburg 0662 / 87 16 57  [email protected] | www.abc.salzburg.at 

Informationsunterlagen  für PädagogInnen 

zum verdeckten Problem  

„Erwachsene mit Basisbildungsbedarf in Österreich“ 

Page 73: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

 

Finanziert aus Mitteln des Landes Salzburg und des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur. 

 

 

 Das abc‐Salzburg als Initiator und Motor der Basisbildung 

 Das Basisbildungszentrum abc‐Salzburg als Initiator und Motor der Basisbildung in Stadt und Land Salzburg steht seit zwölf Jahren für professionelles und engagiertes Handeln in diesem speziellen Bereich der Erwachsenenbildung.   Erwachsene  können  im abc‐Salzburg das  lernen, was  von  ihnen  täglich erwartet wird:  Sie lernen  Lesen,  Schreiben,  Alltagsrechnen  und  den  Umgang  mit  Informations‐  und Kommunikationstechnologien.  Im  Zentrum  stehen dabei  immer die Bedürfnisse, Wünsche und  Möglichkeiten  der  KursteilnehmerInnen,  die  allesamt  mindestens  eine  gescheiterte Lerngeschichte hinter  sich gelassen haben und  in der Hoffnung auf ein  selbstsicheres und selbstbestimmtes Leben mutig einen erneuten Einstieg ins Lernen wagen. 

 

Warum Alphabetisierung und Grundbildung für Erwachsene?  Wer einfache Arbeitsanweisungen, Wahlzettel, Medikamentenbeipacktexte,  Straßenkarten nicht lesen, kurze Notizen oder Arbeitsberichte nicht schreiben und einfache Eingabemasken am PC nicht bedienen kann,  ist nicht nur von der gesellschaftlichen Teilhabe, sondern auch von der Teilhabe am Arbeitsprozess großteils ausgeschlossen. Der Zugang zu Schriftlichkeit entscheidet  wesentlich  über  die  Chancen  auf  Beschäftigungsfähigkeit  und  gesicherte Arbeitsverhältnisse. Geringer qualifizierte Menschen geraten schnell ins Abseits.   

Mit welchen Zielgruppen arbeitet das abc‐Salzburg?  Das abc‐Salzburg arbeitet mit Jugendlichen und Erwachsenen mit deutscher Muttersprache und  mit  MigrantInnen,  die  sich  auf  Deutsch  gut  verständigen  können.  Ihre  Kenntnisse reichen  nicht  aus,  um  sich  selbstständig  im  privaten  und  beruflichen  Leben  bewegen  zu können.  Das  abc‐Salzburg  bietet  keine  Kurse  „Deutsch  als  Fremdsprache“  an,  da  es  genügend Einrichtungen gibt, die diese Kurse im Programm führen.  

 

 

 

 

Page 74: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

 

Finanziert aus Mitteln des Landes Salzburg und des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur. 

 

 

Was sind die wesentlichen Motive der Betroffenen? 

 

• Die KursteilnehmerInnen wollen  ihr Leben selbstständig und selbstbestimmt führen. Sie haben sich entschlossen,  ihre Abhängigkeit von anderen Personen – auch wenn sie mit ihnen familiär und freundschaftlich verbunden sind – zu lösen. 

• Sie erhoffen sich bessere Chancen, einen Arbeitsplatz finden oder  ihren Arbeitsplatz halten zu können. 

• Sie  haben  den  Entschluss  gefasst,  sich  von  ihren  bisherigen  Strategien  –  dem Vermeiden, Tarnen und Täuschen – zu verabschieden. 

• Mit ihrem Kursbesuch verknüpfen sie die Hoffnung, ein Stück weit aus ihrer sozialen Benachteiligung herauszukommen. 

• Sie  fassen  den  Mut  und  wagen  einen  zweiten  Einstieg  ins  Lernen,  um  ihre Lernbiographie  neu  fortzuschreiben,  einen  ersten  Einstieg  ins  lebensbegleitende Lernen zu schaffen. 

 

 

Die Arbeitsbereiche des abc‐Salzburg – ein Auszug  Auf soliden Grundfesten gebaut, entwickelte sich das Ein‐Frau‐Pilotprojekt Schritt für Schritt im  Laufe  der  Jahre  zu  einer  sehr  gut  vernetzten  Erwachsenenbildungseinrichtung  mit vielfältigen  Angeboten.  Heute  sorgen  neun  angestellte  MitarbeiterInnen,  davon  sechs TrainerInnen,  für  innovative  Kurs‐  und  Beratungsangebote  an  zwei  Standorten  im  Land Salzburg.   

 

• Maßgeschneiderte Kurs‐ und Beratungsangebote  für  Jugendliche und Erwachsene mit Alphabetisierungs‐ und Basisbildungsbedarf 

Das  abc‐Salzburg  arbeitet  im  Vorfeld  aller  Erwachsenenbildungseinrichtungen  und  bietet maßgeschneiderte Alphabetisierungs‐ und Basisbildungskurse in den Bereichen 

• Lesen und Schreiben/Rechtschreiben mit PC 

• Alltagsrechnen mit PC  

• Informations‐ und Kommunikationstechnologien auf drei Niveaus (AnfängerInnen/ LernerInnen mit Vorkenntnissen/ Fortgeschrittene) an.      

Page 75: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

 

Finanziert aus Mitteln des Landes Salzburg und des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur. 

 

 

• Modellentwicklung: Es braucht nicht mehr vom Gleichen, sondern neue Lösungen! 

Dieses  relativ  junge  Feld  der  Erwachsenenbildung  erfordert  die  Entwicklung  neuer, innovativer Kursmodelle, denn erfolgreiche Alphabetisierungs‐ und Basisbildungsarbeit muss im Gegensatz zu gängigen Erwachsenenbildungsangeboten radikal anders gedacht werden.   Erfolgreich umgesetzt, werden die Ergebnisse der Arbeit   unmittelbar sichtbar: Erwachsene KursteilnehmerInnen  erleben  oft  nach  jahrelangen  Selbstzweifeln,  dass  sie  lernfähig  sind.  Sie setzen sich Ziele, finden Freude und Interesse am Lernen, öffnen Türen und beschreiten selbstsicher neue Wege….   

• Öffentlichkeitsarbeit – Aktionen, die sich lohnen 

Mit  Aktionen  wie  etwa  „Verstehen  Sie  auch  nur  Bahnhof“  oder  „15  von  100“  (siehe: www.abc.salzburg.at)  sorgt das abc‐Salzburg  für medienwirksame Öffentlichkeitsarbeit. So wird das verdeckte Problem regelmäßig thematisiert und zugleich erfahren die Betroffenen oder mögliche  Vermittlerpersonen,  dass  es  Unterstützung  gibt.  Denn  das  beste  Angebot nützt nichts, wenn niemand davon erfährt.  

 

• Zusammenarbeit mit PH und Schulen 

Im Sinne der Prävention und der Verbreitung des Tabuthemas bietet das abc‐Salzburg Workshops und Vorträge für Studierende der PH und Workshops für SchülerInnen an.  

Eine ausgewogene Mischung aus theoretischen Inputs in Form ansprechender Präsentationen,  Diskussion und selbsttätiges Tun bietet den Rahmen für die gemeinsame Arbeit in den Workshops.    

  

• Know‐how‐Transfer: Beratung neuer Anbieterorganisationen  

Das Basisbildungszentrum abc‐Salzburg hat  in den  letzten 12  Jahren viel an Erfahrung und Wissen im Aufbau von Basisbildungsstrukturen gesammelt. Zentrale Aufgabe ist der Transfer der  gewonnenen  Erkenntnisse  und  vorhandenen  Produkte,  um  den  qualitätsgesicherten Ausbau von neuen Basisbildungsstellen zu unterstützen.  

 

 

 

 

Page 76: KT_MATERIAL_TakaTuka_MeineSchwesterHelena

 

Finanziert aus Mitteln des Landes Salzburg und des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur. 

 

 

 

Zahlen und Daten  Finanzierung: Seit Eröffnung der ersten Basisbildungsstelle in der Stadt Salzburg haben sich Land Salzburg und Stadt Salzburg an der Finanzierung der Arbeiten des abc‐Salzburg beteiligt. Derzeit werden die Kurs‐ und Beratungsangebote  vom Land Salzburg, dem bm:ukk und der Stadt Salzburg finanziert.  

 Zu den Kursen: Im Jahr 2011 haben an den Standorten Salzburg und Bischofshofen 112 Jugendliche und Erwachsene die  Eingangsphase  –  den  Einzelunterricht  –  besucht.  155  Jugendliche  und  Erwachsene  haben  am Kleingruppenunterricht teilgenommen   

Kontakt:  Basisbildungszentrum abc‐Salzburg Brigitte Bauer Lastenstraße 22 5020 Salzburg 0662 / 87 16 57  [email protected]     Sie wollen einen Workshop buchen?  Rufen Sie uns an, wir informieren Sie gerne: 0662|87 16 57   Für nähere Infos besuchen Sie unsere Website: www.abc.salzburg.at    

Die Nummer für KursinteressentInnen: