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Labyrinthdichtungen für Wälzlager
Dipl.-Ing. Günter Gerhart und Dipl.-Ing. Michael Kurz
INA-SonderdruckOktober 1995
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Labyrinthdichtungen für WälzlagerDipl.-Ing. Günter Gerhart und Dipl.-Ing. Michael Kurz
1. EinleitungBereits vor ca. 4000 Jahren verwen-deten die Ägypter Hilfsmittel zumTransport von Lasten, um den Lei-stungsverlust durch Reibung zureduzieren. Hierzu gehörten bereitseinfache Schmierstoffe, wie Wasser,um die Kufengleitreibung zu ver-ringern, später Gemische aus Oliven-öl und Kalk um die hölzernen Wagen-achsen zu schmieren.Unter den Gesichtspunkten Energie-kosten, Antriebsauslegung, Öko-logie etc. gewinnt die Reibung eineimmer größer werdende Bedeutung.Im Bereich der Wälzlagertechnikwird ein großer Teil der Reibungdurch schleifende Dichtungen er-zeugt. Eine Abdichtung der Lagerist jedoch erforderlich, um den
Austritt des Schmierstoffes unddas Eindringen von Verunreinigungenund Feuchtigkeit zu verhindern. Je nach Anwendungsfall kommenunterschiedliche Formen von Dich-tungen zum Tragen. In der Regelhat aber eine bessere Dichtwirkungauch ein Ansteigen des Reib-moments zur Folge. Im Bereich derLand- und Baumaschinen sind dieVerschmutzungen derart, daß primäreine sehr gute Abdichtung gegenStaub erforderlich ist, und höhereReibmomente eine untergeordnetereRolle spielen. In vielen Anwendungs-fällen genügt eine berührungsloseLabyrinth-Dichtung den Anforde-rungen, welche im Gegensatz zuLagern mit schleifender Abdichtungmit einem wesentlich geringerenReibmoment aufwarten kann.
2. Reibung in WälzlagernDie Reibung in Wälzlagern ist verantwort-lich für die Wärmeentwikklung und somitfür die Betriebs- bzw. Schmierstofftem-peratur. Das gesamte Reibmoment beiabgedichteten Lagern setzt sich ausfolgenden Anteilen zusammen:
M = M0 + M1 + M3 LagerreibmomentM0 SchmierstoffreibungM1 RollreibungM3 Dichtungsreibung
Wegen der Vielzahl der Einflußfaktorenlassen sich die einzelnen Reibungsanteilenur näherungsweise und für konstanteBetriebszustände bestimmen. Wesent-liche Einflußfaktoren sind Lagerart, Be-triebsdrehzahl, Belastung und Wärme-abfuhr.Die lastunabhängige SchmierstoffreibungM0 eines Wälzlagers wird bestimmt durchdie Viskosität und Menge des Schmier-stoffes, sowie die Lagerbauart und Dreh-zahl. Insbesondere bei Schmierstoff-
Bild 1 Aufteilung des Gesamtreibungs-momentes, berührende Dichtung –mittlere Belastung
Schmierstoff-reibung M0 Rollreibung M1
Dichtungsreibung M3
Tabelle 1 Verschiedene Befettungsmöglichkeiten
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überschuß und hohen Drehzahlen führtdie Walkarbeit zum Ansteigen der Flüssig-keitsreibung. Bedingt durch die Betriebs-temperatur ändert sich die kinematischeViskosität des Fette, was dazu führenkann, daß mit steigender Temperatur dieSchmierstoffreibung abnimmt.
M0 = f0 · (ν · n)2/3 · dM3 · 10–7 [1]
falls ν · n ≥ 2000
M0 = f0 · 160 · dm3 · 10–7
falls ν · n < 2000
M0 [Nmm] Reibungsmoment, verursachtdurch die Flüssigkeitsreibung
f0 [–] Lagerbeiwert für drehzahlab-hängiges Reibungsmoment
ν [mm2/s] kinematische Viskosität des Schmierstoffes bei Betriebs-temperatur
dM [mm] mittlerer Lagerdurchmesser 1/2 · (d+D)
n [min–1] Drehzahl
Durch spezielle Fette ist es möglich dieGesamtreibung zu reduzieren. Eine Opti-mierung des Schmierfettes hinsichtlichSchmierstoffreibung ist jedoch nichtimmer möglich, da weitere Kriterien, wieTemperaturbeständigkeit, Belastungs-fähigkeit, etc., berücksichtigt werdenmüssen. Diagramm 1 zeigt die Schmierstoffreibungverschiedener Fettarten bei jeweilsgleichem Lagertyp. Um die Dichtungs-und Rollreibung auszuschließen, wurdendie lastfreien Versuche mit berührungs-losen Dichtungen durchgeführt. Die pro-zentuale Verteilung der Reibmomentewurde bis zur Grenzdrehzahl des Lagersaufgenommen. Größe und Art der Belastung sind Einfluß-faktoren für die Roll- und Gleitreibung M1.In Wälzlagern kommt es beim Abrollen zu einer Dehnung der Laufbahn und zueiner Stauchung des Rollkörpers. Bedingtdurch die Belastung entsteht in denBerührungspunkten der Wälzkörperlauf-bahnen eine Druckellipse.
Fettart kin. Viskos. bei 40 °C DIN-Norm
➀ Bariumkomplexseifenfett 220 mm2 · s–1 DIN 51 825-KP2N-20
(Mineralölbasis)
➁ Polyharnstoff 160 mm2 · s–1 DIN 51 825-KPE2R-30
(Esterölbasis)
➂ Lithiumseifenfett 68 mm2 · s–1 DIN 51 825-K3N-30
(Mineralölbasis)
➃ Lithiumseifenfett 15 mm2 · s–1 DIN 51 825-KE2K-50
(Diesterölbasis)
Durch die unterschiedlichen Abständedieser Berührfläche zur Lagerachse, isteine reine Wälzbewegung nicht mehrmöglich. Es entstehen zusätzliche Gleit-bewegungen. Weitere Gleitbewegungenkönnen beispielsweise an den Berüh-rungsflächen zwischen Rollkörper undKäfig auftreten. Diese Gleitreibungen sindbei gutem Schmierungszustand jedochgering.Das lastabhängige Reibungsmoment wirdnach folgender Beziehung bestimmt:
M1 = f1 · P1 · dM [1], [2]
M1 [Nmm] Reibungsmoment, verursachtdurch die Rollreibung
f1 [–] Lagerbeiwert für lastab-hängiges Reibungsmoment
P1 [N] maßgebende Belastung dM [mm] mittlerer Lagerdurchmesser
1/2 · (d+D)
Bei Lagern mit schleifenden Dichtungenwird das Reibmoment bzw. die Erwär-mung der Lagereinheit maßgeblich vonder Bauart und Vorspannung der Dich-tung bestimmt. Die Dichtungsreibung M3kann gegebenenfalls für einige Dich-tungstypen abgeschätzt werden. Weileine exakte Berechnung aufgrund dervielfältigen Einflußgrößen nicht möglichist, muß sie über Versuche ermitteltwerden.Je nach Anwendungsfall und Pflichten-heft werden auch an die Abdichtungunterschiedliche Anforderungen gestellt.Daher bietet INA dem Konstrukteurunterschiedliche Dichtungsbauformen.
Diagramm 1 Reibmomentverteilung bei unterschiedlicher Befettung, siehe auch Tabelle 1
➃
➂
➁
➀
100
80
60
40
20
0
proz
entu
ale
Ver
teilu
ng d
es R
eibm
omen
tes
Drehzahl
Bild 2 INA-R-Dichtung Bild 3 INA-P-Dichtung Bild 4 INA-RS-Dichtung
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3. INA-Abdichtungen bei Wälzlagern
Prinzipiell wird zwischen schleifenden undnichtschleifenden Dichtungen unterschie-den. Die geeignete Dichtungsform richtetsich nach dem jeweiligen Anwendungsfallund den damit verbundenen Umgebungs-einflüssen.Schleifende Dichtungen besitzen einegute Dichtwirkung. Die Vorspannung derDichtung beeinflußt jedoch stark dasGesamtreibungsmoment des Lagers.Die dreiteilige Ausführung der INA-R-Dichtung hat eine verzinkte Außen- undInnenkappe (Bild 2). Dazwischen liegteine NBR-Dichtlippe, welche auf einergeschliffenen Schulter läuft.Der Anpreßdruck der Dichtlippe ergibtsich aus der radialen Vorspannung.Der Aufbau der INA-P-Dichtung ähneltdem der R-Dichtung (Bild 3). Zwischenverzinkter Innen- und Außenkappe läufteine radial und axial vorgespannte Dicht-lippe in einem Dichtungseinstich.Die INA-RS-Dichtung basiert auf demgleichen Funktionsprinzip, wobei jedocheine einteilige, vulkanisierte Dichtungverwendet wird (Bild 4).Der Vorteil der R-Dichtung gegenüber derP- und RS-Dichtung liegt in dem für dieBefettung zur Verfügung stehenden Raum.Hierdurch ist ein größeres Fettreservoirgegeben.
Die Dichtwirkung nichtschleifender Dich-tungen beruht auf einem oder mehrerenengen Spalten. Durch diese berührungs-lose Dichtungsform und den sich darausergebenden reibungsarmen Lauf ist dieWärmeentwicklung des Lagers deutlichgeringer. Dadurch ergeben sich einmalhöhere zulässige Drehzahlen, sowielängere Schmierintervalle bzw. es ist keinNachschmieren erforderlich.Die Dichtwirkung der INA-Z-Deckscheibeist jedoch begrenzt und findet ihren Ein-satz bei geringer Verschmutzung bzw.bei Einbausituationen, bei denen einezusätzliche Abdichtung verwendet wird(Bild 5).
Eine wesentlich verbesserte Dichtwirkungbietet die dreiteilige INA-Labyrinth-Dichtung (Bild 6). Sie besteht aus eineräußeren und einer inneren Stahlblech-scheibe, welche im Außenring fest verrolltsind. Dazwischen ist ein Winkelring ausStahlblech berührungslos angeordnet,der auf den Innenring aufgepreßt ist. AlleBauteile der L-Dichtung sind zur Verbes-serung des Korrosionschutzes allseitigverzinkt.Durch die in axialer Richtung verbreiterteDichtungsform wird der Fettraum ver-größert, wodurch sich längere Schmier-intervalle ergeben (Bild 7).
Diagramm 2 Lastfreies Reibmoment als Funktion der Drehzahl
R-Dichtung
RS-, P-Dichtung
Z-, L-Dichtung
100
80
60
40
20
0
proz
entu
ale
Ver
teilu
ng d
es R
eibm
omen
ts
Drehzahl
Bild 5 INA-Z-Dichtung Bild 6 INA-Labyrinthdichtung Bild 7 Textillager mit INA-Labyrinthdichtung
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4. Vergleich der Reibungs-momente einzelner Dichtungsbauformen
Bei Lagern mit kleiner bis mittlerer Be-lastung haben die Reibungsverlustedurch die Abdichtung den größten Anteilan der Gesamtreibung. Anhand vonempirischen Versuchsreihen wurden dieUnterschiede im Reibmoment der ein-zelnen Dichtungsformen ermittelt. Beigleicher Lagerbaugröße und Befettung istder Reibmomentenverlauf bei Betriebs-temperatur über dem zulässige Drehzahl-spektrum dargestellt. Der Anteil der Roll-reibung konnte unberücksichtigt bleiben,da die Lager lastfrei geprüft wurden. Umeine Aussage unabhängig von der Bau-größe treffen zu können, sind keine ab-soluten Werte angegeben. Diagramm 2zeigt eine prozentuale Verteilung derReibmomente (Schmierstoffreibung undDichtungsreibung) als Funktion der Dreh-zahl.
Die Reibmomentenverläufe von P- undRS-Dichtung, sowie von Z- und L-Dich-tung sind aufgrund ihrer gleichen Wir-kungsweise und Ergebnisse zu einemBereich zusammengefaßt. Da bei der Z-und L-Dichtung keine Dichtungsreibungvorhanden ist, kann man das gemessene,lastfreie Reibmoment als reine Schmier-stoffreibung interpretieren. Die Differenzzu den Reibwerten von P-, RS- und R-Dichtung ist der Reibungsanteil derschleifenden Dichtungen.
Der Abfall der R-Dichtung im höherenDrehzahlbereich ist u. a. dadurch zu er-klären, daß durch die starke Erwärmungdes Lagers die kinematische Viskositätdes Fettes abnimmt sowie die Vorspan-nung des Dichtungswerkstoffes undsomit auch die Gesamtreibung. DerNachteil dieses Effektes ist jedoch, daßbei Betriebstemperaturen größer 70 °Cdie Fettgebrauchsdauer bei Standard-fetten erheblich reduziert wird.Den Einfluß der Dichtungsart auf dieLagerbeharrungstemperatur zeigt Dia-gramm 3.
Diagramm 3 Beharrungstemperatur als Funktion der Drehzahl
R-Dichtung
RS-, P-Dichtung
Z-, L-Dichtung
100
90
110
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Tem
pera
tur
[°C
]
Drehzahl
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5. Konsequenzen für den Anwendungsfall
Je nach Anwendungsfall kann die Ein-sparung von Antriebsenergie eine nichtunbedeutende Rolle spielen. Vor allem inBereichen, wo Maschinen mit einer hohenAnzahl von Lagerstellen eingesetzt wer-den, kann man dies bereits konstruktivbei der Dimensionierung der Antriebsein-heit berücksichtigen. Ein kurzes Rechen-beispiel soll die Aussage von Diagramm 2präzisieren:
Beispiel: INA-Spannlager GE 30 KLLH(B)(Bild 11) mit d = 30 mm unter radialerBelastung:
Lager: C0 = 11 300 NC = 19 500 NdM = 46 mm
Belastung:n = 500 min–1
P = 1 950 NC/P = 10f1 = 0,0006 · (P/C0)
1/2 = 2,49 · 10–4
Reibmomente:
Schmierstoffreibung: M0 = aus Versuch
Rollreibung:M1 = f1 · P · dM = 2,49 · 10–4 · 1950 · 46
= 22,4 Nmm
Dichtungsreibung: M3 = aus Versuch
Lager mit schleifender RS-DichtungM0+M3 = 53,4 NmmMges = 75,8 Nmm
Lager mit berührungsloser Labyrinth-DichtungM0+M3 = 2,5 NmmMges = 24,9 Nmm
Einsparung = 50,9 Nmm/Lager= 67,2 %
Bild 8 Sondergehäuseeinheit für den Textilbereich mit integrierter INA-Labyrinthdichtung Bild 9 Textil-Leichtlauflagerung mit Spezial-befettung
Bild 11 Papierleitwalzenlagerung
Autorenhinweis:Dipl.-Ing. Günter Gerhart ist Leiter fürTechnik/VertriebDipl.-Ing. Michael Kurz ist Leiter fürAnwendungstechnikbeschäftigt bei Firma Schaeffler Wälzlager oHG Homburg/Saar
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6. Anwendungen für Lager mit Labyrinth-Dichtung
Vor allem im Bereich der Textil- undPapiermaschinen findet sich ein breitesAnwendungsspektrum für Lager mit ge-ringster Reibung, die sich hauptsächlichfür den Einsatz in Leit-, Faltenleger- undAbsatzwalzen eignen. Insbesondere in der textilverarbeitendenIndustrie bietet die INA-Labyrinth-Dich-tung Vorteile gegenüber den übrigenDichtungsarten. Bei Wälzlagern mitschleifender Dichtung oder 2 Z-Deck-scheibe bildet sich zwischen Dichtlippeund Dichtungseinstich ein dünner Schmier-
Literaturverzeichnis[1] Eschmann, P., Hasbargen, L. undWeigand K.: Die Wälzlagerpraxis, R. Oldenbourg Verlag München-Wien,1978[2] Hauptkatalog D 515, INA Schaeffler Wälzlager Homburg/Saar,Ausgabe 1995
film. An diesem Schmierfilm kommt eszum Anhaften von Stoffflusen. DieseFlusen entziehen, durch ihre 'Kapilar-wirkung', dem Schmierstoff das Grundöl.Durch den konstruktiven Aufbau derLabyrinth-Dichtung ist ein Kontaktzwischen Flusen und Schmierfett aus-geschlossen. Den gleichen Vorteil bietetdiese Dichtung beispielsweise bei Papier-staub. Ein Optimum stellt selbstverständ-lich die Kombination von Leichtlauffett (siehe Diagramm 1) mit Labyrinthdichtun-gen dar (Bilder 8, 9 und 10).Bei Maschinen mit einer großen Anzahlvon Lagerstellen können durch geringsteReibung die Antriebsleistungen reduziertwerden, wodurch Herstell- und Energie-kosten eingespart werden können.
Bild 10 Textil-Kettenlagerung