leitfaden_arbeitsrecht_2013
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Arbeitsrecht
Von der Anbahnung des Arbeitsver-
hältnisses bis zum Zeugnis
Aktueller Leitfaden
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Stand: Januar 2013
9. Auflage
IHK Ostwestfalen zu Bielefeld
Ansprechpartnerin:
Katharina Buddenberg
Telefon: 0521 554-159
Telefax: 0521 554-420
E-Mail: [email protected]
Industrie- und Handelskammer
Ostwestfalen zu Bielefeld
Referat Recht
Elsa-Brändström-Str. 1-3
33602 Bielefeld
www.ostwestfalen.ihk.de
Hinweis: Diese Broschüre erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl sie mit größtmög-
licher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernom-
men werden.
Inhalt
RECHTLICHE GRUNDLAGEN DES ARBEITSVERHÄLTNISSES ......................................................................................... 5
ANBAHNUNG DES ARBEITSVERHÄLTNISSES ................................................................................................................... 7
A. Mitarbeiterauswahl ...................................................................................................................................................... 7
1. Personalfragebogen, Vorstellungsgespräch und Fragerecht des Arbeitgebers ........................................ 7
2. Auskunft des früheren Arbeitgebers ................................................................................................................... 8
3. Ärztliche Eignungsuntersuchung ......................................................................................................................... 9
B. Ersatz von Vorstellungskosten................................................................................................................................... 9
C. Behandlung überlassener Unterlagen ..................................................................................................................... 9
ABSCHLUSS VON ARBEITSVERTRÄGEN ...........................................................................................................................10
A. Begriff des Arbeitsvertrages ....................................................................................................................................10
1. Abschlussfreiheit ...................................................................................................................................................10
2. Inhaltsfreiheit .........................................................................................................................................................10
3. Formfreiheit ............................................................................................................................................................11
4. Schriftliche Niederlegung der Arbeitsbedingungen......................................................................................11
B. ABSCHLUSS DES ARBEITSVERTRAGES...................................................................................................................13
1. Zustandekommen des Arbeitsvertrages ...........................................................................................................13
2. Besondere Formen des Arbeitsvertrages ..........................................................................................................14
C. Abgrenzung zum freien Mitarbeiter-Vertrag ......................................................................................................17
DIE PFLICHTEN IM ARBEITSVERHÄLTNIS ........................................................................................................................19
A. Die Hauptpflichten .....................................................................................................................................................19
1. Die Vergütungspflicht des Arbeitgebers ..........................................................................................................19
2. Leistung von Arbeit durch den Arbeitnehmer ................................................................................................19
B. Die Nebenpflichten ....................................................................................................................................................20
1. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ...............................................................................................................20
2. Die Treuepflicht des Arbeitnehmers ..................................................................................................................21
TEILZEITARBEIT ......................................................................................................................................................................23
1. Stellenausschreibung (§ 7 TzBfG) ...........................................................................................................................23
2. Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit (§ 8 TzBfG) ....................................................................................23
GERINGFÜGIGE BESCHÄFTIGUNG ....................................................................................................................................25
GLEICHBEHANDLUNG VON FRAUEN UND MÄNNERN IM ARBEITSVERHÄLTNIS .................................................27
URLAUBSRECHT ....................................................................................................................................................................28
1. Urlaubsdauer ................................................................................................................................................................28
2. Wartezeit ......................................................................................................................................................................29
3. Urlaub im Ein- und Austrittsjahr ............................................................................................................................29
4. Urlaubsgewährung .....................................................................................................................................................29
5. Übertragbarkeit des Urlaubs ....................................................................................................................................30
6. Widerruf zugesagten Urlaubs ..................................................................................................................................30
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7. Erkrankung während des Urlaubs ...........................................................................................................................30
8. Urlaubsanspruch bei längerer Krankheit ..............................................................................................................30
9. Urlaubsabgeltung........................................................................................................................................................30
10. Erwerbsarbeit während des Urlaubs ....................................................................................................................31
11. Urlaubsentgelt ...........................................................................................................................................................31
12. Zusätzliches Urlaubsgeld ........................................................................................................................................31
13. Urlaubsquittung ........................................................................................................................................................31
14. Arbeitsverhinderung (sog. Sonderurlaub) ...........................................................................................................31
KRANKHEIT IM ARBEITSRECHT .........................................................................................................................................33
1. Grundsatz der Entgeltfortzahlung ..........................................................................................................................33
2. Unverschuldete Krankheit ........................................................................................................................................33
3. Dauer der Entgeltfortzahlung und Fortsetzungskrankheit ...............................................................................33
4. Verursachung durch einen Dritten .........................................................................................................................34
5. Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts ..........................................................................................................34
6. Anzeige- und Nachweispflichten ...........................................................................................................................34
7. Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit ..........................................................................................................................35
8. Kündigung während Krankheit ................................................................................................................................35
9. Freistellung zum Arztbesuch....................................................................................................................................35
10. Freistellung bei Erkrankung von Kindern ...........................................................................................................36
GRATIFIKATIONEN ................................................................................................................................................................37
1. Anspruch auf Gratifikation .......................................................................................................................................37
2. Höhe der Gratifikation ...............................................................................................................................................37
3. Kürzung der Gratifikation wegen Krankheitszeiten ...........................................................................................38
4. Ausschluss des Gratifikationsanspruchs ...............................................................................................................38
5. Kürzung der Gratifikation für die Zeit der Elternzeit ........................................................................................38
6. Rückforderung der Gratifikation .............................................................................................................................38
SCHADENSHAFTUNG DES ARBEITNEHMERS IM ARBEITSVERHÄLTNIS ..................................................................40
1. Grundsätze der Haftung ............................................................................................................................................40
2. Durchsetzung des Anspruchs ...................................................................................................................................41
3. Sonderfall: Haftung für Waren- oder Kassenfehlbestände (sog. Mankohaftung) .....................................41
ARBEITSZEITRECHT ...............................................................................................................................................................42
A. Arbeitszeitschutz ........................................................................................................................................................42
1. Geltungsbereich des Arbeitszeitgesetzes ........................................................................................................42
2. Arbeitszeit ...............................................................................................................................................................42
3. Ruhepausen .............................................................................................................................................................43
4. Ruhezeit ...................................................................................................................................................................43
5. Nacht- und Schichtarbeit....................................................................................................................................43
6. Sonn- und Feiertagsruhe .....................................................................................................................................44
B. Überzeitarbeit und deren Vergütung .....................................................................................................................44
MUTTERSCHUTZ, ELTERNGELD, ELTERNZEIT, PFLEGEZEIT ..........................................................................................46
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1. Geltungsbereich ..........................................................................................................................................................46
2. Arbeitsplatzgestaltung ..............................................................................................................................................46
3. Beschäftigungsverbote ..............................................................................................................................................46
4. Arbeitsentgelt bei Beschäftigungsverboten .........................................................................................................47
5. Mitteilungspflicht der werdenden Mütter ...........................................................................................................48
6. Kündigungsschutz ......................................................................................................................................................48
7. Elterngeld ......................................................................................................................................................................49
8. Elternzeit .......................................................................................................................................................................49
9. Teilzeitarbeit während der Elternzeit ....................................................................................................................50
10. Pflegezeit ....................................................................................................................................................................51
SCHWERBEHINDERTENRECHT ...........................................................................................................................................52
1. Schutzbereich ..............................................................................................................................................................52
2. Beschäftigungspflicht ................................................................................................................................................52
3. Ausgleichsabgabe .......................................................................................................................................................52
4. Zusatzurlaub ................................................................................................................................................................52
5. Arbeitsentgelt ..............................................................................................................................................................53
6. Kündigungsschutz ......................................................................................................................................................53
7. Neubesetzung freier Arbeitsplätze .........................................................................................................................54
8. Vertrauensperson ........................................................................................................................................................54
9. Verstöße gegen das Schwerbehindertenrecht .....................................................................................................55
10. Adressen der für den Kammerbezirk zuständigen Behörden ........................................................................55
KÜNDIGUNG, KÜNDIGUNGSSCHUTZ, ZEUGNIS ............................................................................................................56
A. Vorbemerkung .............................................................................................................................................................56
B. Kündigung und Aufhebungsvertrag .......................................................................................................................56
1. Rechtsnatur der Kündigung ................................................................................................................................56
2. Der Aufhebungsvertrag ........................................................................................................................................56
C. Inhalt und Form der Kündigung ..............................................................................................................................58
D. Mitbestimmung bei Kündigungen ..........................................................................................................................58
E. Die ordentliche Kündigung .......................................................................................................................................59
1. Gesetzliche Kündigungsfristen ...........................................................................................................................59
2. Tarifliche Kündigungsfristen ...............................................................................................................................60
3. Einzelvertragliche Kündigungsfristen ...............................................................................................................60
F. Die außerordentliche (fristlose) Kündigung .........................................................................................................60
G. Die Änderungskündigung .........................................................................................................................................61
H. Kündigungsschutz ......................................................................................................................................................62
1. Der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz .................................................62
2. Besondere Kündigungsschutzbestimmungen .................................................................................................66
I. Folgen der Kündigung .................................................................................................................................................68
1. Pflicht, Zeit zur Stellungssuche zu gewähren ................................................................................................68
2. Hinweispflicht des Arbeitgebers ........................................................................................................................68
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3. Restlicher Jahresurlaub ........................................................................................................................................68
4. Rückzahlung von Fortbildungskosten ..............................................................................................................68
5. Zurückhaltung der Arbeitspapiere .....................................................................................................................69
6. Pflicht zur Zeugniserteilung ...............................................................................................................................70
J. Betriebsübergang.........................................................................................................................................................71
TARIFRECHT ............................................................................................................................................................................73
A. Tarifvertragswesen .....................................................................................................................................................73
1. Begriff des Tarifvertrags (§ 1 TVG) ....................................................................................................................73
2. Tarifvertragsparteien (§ 2 TVG) ..........................................................................................................................73
3. Tarifvertragsabschluss ..........................................................................................................................................73
4. Form des Tarifvertrags ..........................................................................................................................................73
5. Einsichtnahme in Tarifverträge ..........................................................................................................................73
6. Tarifgebundenheit (§§ 3 - 5 TVG) ......................................................................................................................74
B. Tarifvertrag ...................................................................................................................................................................74
1. Schuldrechtlicher Teil des Tarifvertrages.........................................................................................................74
2. Normativer Teil des Tarifvertrages ....................................................................................................................74
BETRIEBSVERFASSUNGSRECHT .........................................................................................................................................77
A. Einführung ....................................................................................................................................................................77
B. Organe der Betriebsverfassung ...............................................................................................................................77
1. Der Betriebsrat .......................................................................................................................................................77
2. Die Betriebsversammlung ....................................................................................................................................81
3. Jugend- und Auszubildendenvertretung (§§ 60 ff BetrVG) ........................................................................81
4. Der Wirtschaftsausschuss (§§ 106 ff BetrVG) ................................................................................................81
5. Die Einigungsstelle (§ 76 BetrVG) .....................................................................................................................82
6. Stellung der Gewerkschaft im Betrieb .............................................................................................................82
C. Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer im Betrieb ...............................................................................................82
1. Allgemeine Aufgaben des Betriebsrats (§ 80 BetrVG) ..................................................................................83
2. Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten ...............................................................................................83
3. Mitbestimmung bei der Berufsbildung (§§ 96 ff BetrVG) ...........................................................................84
4. Mitbestimmung bei der Personalplanung (§ 92 BetrVG).............................................................................85
5. Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen (§§ 99 ff BetrVG) ...................................................86
6. Beteiligung bei Kündigungen (§ 102 BetrVG) ................................................................................................86
7. Mitbestimmung bei der Gestaltung des Arbeitsablaufs und der Arbeitsplätze (§§ 90, 91 BetrVG) .87
8. Mitwirkung und Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten (§§ 106 ff BetrVG) .............87
STICHWORTVERZEICHNIS ...................................................................................................................................................88
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RECHTLICHE GRUNDLAGEN DES ARBEITSVERHÄLTNISSES
Die Rechte und Pflichten, die im Arbeitsverhältnis zu beachten sind, ergeben sich aus folgenden
Rechtsquellen:
1. Europäisches Unionsrecht und Grundgesetz (Verfassung)
2. gesetzliche Bestimmungen, Gewohnheitsrecht einschließlich gesetzesergänzendem Richter-
recht
3. Kollektivvereinbarungen, insbesondere tarifliche Bestimmungen und Betriebsvereinbarungen
4. einzelvertragliche Abreden (Arbeitsvertrag)
Zu 1.:
Im Europäischen Unionsrecht ist zwischen dem primären (bezieht sich auf den Vertrag über die
Europäische Union und den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) und dem se-
kundären Gemeinschaftsrecht (die von den Organen der Europäischen Union erlassenen Verord-
nungen und Richtlinien) zu unterscheiden.
Das primäre Unionsrecht ist im Rahmen des nationalen Arbeitsrechts unmittelbar anzuwenden.
Von besonderer Bedeutung sind hier die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
(AEUV) enthaltenen Grundsätze der Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus den Mitgliedstaaten (Art.
45 Abs. 1 AEUV) und der gleichen Entlohnung von Männern und Frauen bei gleicher und gleich-
wertiger Arbeit (Art. 157 Abs. 1 AEUV).
Das deutsche Verfassungsrecht als solches ist dem EU- Recht nachgeordnet. Die Grundrechte des
Einzelnen sind seitens des Gesetzgebers bei der Rechtsetzung und bei der Erstellung kollektiv-
rechtlicher Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite in Gestalt von Tarif-
verträgen und Betriebsvereinbarungen zu berücksichtigen. Dagegen kann sich der Arbeitnehmer
im Rahmen einzelvertraglicher Vereinbarungen (Arbeitsvertrag) und bei einseitigen Maßnahmen
des Arbeitgebers nicht unmittelbar auf die Grundrechte berufen.
Zu 2.:
Es gibt kein einheitliches Gesetz, welches das Arbeitsrecht regelt. Dies macht es vielfach schwie-
rig, die maßgebende gesetzliche Vorschrift zu finden. Das gesetzlich geregelte Arbeitsrecht weist
auch erhebliche Lücken auf, was die Gerichte, insbesondere das Bundesarbeitsgericht, veranlasst,
durch „Richterrecht“ Rechtsregeln zu schaffen.
Die Rechtsnormen, die das Arbeitsverhältnis bestimmen, sind in vielen Einzelgesetzen geregelt
(nur einige Beispiele dafür: §§ 611 ff BGB, §§ 59 ff HGB, §§ 105 ff GewO, Bundesurlaubsgesetz,
Entgeltfortzahlungsgesetz, Arbeitszeitgesetz, Kündigungsschutzgesetz, Mutterschutzgesetz, SGB
IX, Jugendarbeitsschutzgesetz, Berufsbildungsgesetz, Tarifvertragsgesetz, Betriebsverfassungsge-
setz).
Im Verhältnis zu Kollektivregelungen und arbeitsvertraglichen Vereinbarungen besitzen die ge-
setzlichen Vorschriften dann Priorität, wenn sie zwingenden Charakter haben. Das ist bei vielen
Gesetzen, vor allem den sogenannten Arbeitsschutzgesetzen, der Fall. Soweit es sich um zwin-
gende Gesetzesbestimmungen handelt, kann weder durch Tarifvertrag noch durch Arbeitsvertrag
etwas für den Arbeitnehmer Ungünstigeres vereinbart werden. Eine für den Arbeitnehmer güns-
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tigere Regelung ist stets wirksam. Doch muss eindeutig feststellbar sein, dass die betreffende ta-
rifliche oder vertragliche Regelung nach objektiven Kriterien günstiger ist (Günstigkeitsgrund-
satz). Einige arbeitsrechtliche Gesetzesvorschriften gibt es, die zwar nicht durch Einzelvereinba-
rung, aber durch Tarifvertrag geändert werden können. Neben den zwingenden Vorschriften gibt
es im Arbeitsrecht eine Reihe von Bestimmungen, die nur subsidiär gelten sollen, also nur dann,
wenn weder durch Tarifvertrag noch durch Arbeitsvertrag eine verbindliche Regelung der betref-
fenden Frage erfolgt ist. Eine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung ist stets wirksam. Wie
oben beschrieben gilt auch hier der Günstigkeitsgrundsatz.
Einige arbeitsrechtliche Gesetzesvorschriften gibt es, die zwar nicht durch Einzelvereinbarung
aber durch tarifvertragliche Regelung geändert werden können (z. B. § 13 BUrlG, § 622 Abs. 4
Satz 1 BGB). Zudem sind in wenigen Fällen auch Veränderungen gesetzlicher Vorschriften zu Un-
gunsten der Arbeitnehmer durch einzelvertragliche Regelung möglich (z. B. § 612 Abs. 2 BGB).
Weiterhin gibt es im Arbeitsrecht eine Reihe von Rechtsverordnungen, die den formellen Geset-
zen im Rang nachgeordnet sind (z. B. Arbeitsstättenverordnung).
Zu 3.:
Zu den Kollektivregeln, die das Arbeitsverhältnis bestimmen können, gehören
a) Tarifverträge
b) Betriebsvereinbarungen
Zu Begriff, Bedeutung und Geltungsbereich des Tarifvertrages ist vor allem auf das Tarifrecht zu
verweisen. Geschlossen wird der Tarifvertrag zwischen einem Arbeitgeber oder Arbeitgeberver-
band auf der einen Seite und einer Gewerkschaft auf der anderen Seite. In einem Tarifvertrag
können die tarifvertragschließenden Parteien Regelungen treffen, die den Abschluss, den Inhalt
und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen. Zu beachten ist aber, dass die Tarifnormen
in der Regel nur die Arbeitsverhältnisse der tarifgebundenen Arbeitgeber mit den tarifgebunde-
nen Arbeitnehmern erfassen, es sei denn, dass der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt
wurde. Für nicht tarifgebundene Arbeitsverhältnisse besteht allerdings die Möglichkeit, eine Ver-
einbarung über die Anwendung eines Tarifvertrages zu treffen.
Betriebsvereinbarungen werden zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat im Rahmen des Betriebs-
verfassungsgesetzes abgeschlossen und sichern allen Belegschaftsangehörigen einen Anspruch
auf die Einhaltung der vereinbarten Bedingungen zu. Der Regelungsbereich einer Betriebsverein-
barung umfasst alle Angelegenheiten, die zum Aufgabenbereich des Betriebsrates gehören und
üblicherweise nicht durch Tarifvertrag geregelt werden.
Zu 4.:
Neben den arbeitsrechtlichen Gesetzen und den häufig auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden
tariflichen Vorschriften haben die im Arbeitsvertrag mündlich oder schriftlich getroffenen Ver-
einbarungen wesentliche Bedeutung für die im Arbeitsverhältnis geltenden Rechte und Pflichten.
Soweit keine Einschränkung durch zwingende gesetzliche Regelungen oder durch einen für das
Arbeitsverhältnis zwingend geltenden Tarifvertrag besteht, können die Bedingungen des Arbeits-
verhältnisses zwischen den Arbeitsvertragspartnern im Wesentlichen frei ausgehandelt werden.
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ANBAHNUNG DES ARBEITSVERHÄLTNISSES
A. Mitarbeiterauswahl
Bei der Mitarbeiterauswahl kann sich der Arbeitgeber verschiedener Informationsquellen bedie-
nen, die ihm wesentliche Erkenntnisse für die sachgemäße Entscheidung geben können (Bewer-
bungsschreiben, Lichtbild, Lebenslauf, Schul- und Arbeitszeugnisse, Personalfragebogen, Vorstel-
lungsgespräch, Auskünfte früherer Arbeitgeber, ärztliche Eignungsuntersuchung, Eignungstests,
graphologisches Gutachten usw.). Im Folgenden soll auf einige Rechtsfragen hingewiesen wer-
den, die im Zusammenhang mit dem Gebrauch von Informationsquellen zu beachten sind.
1. Personalfragebogen, Vorstellungsgespräch und Fragerecht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber hat vielfach ein Interesse daran, vor Einstellung eines Arbeitnehmers über gewis-
se persönliche Daten des Bewerbers informiert zu sein. Die sich dabei zunächst anbietende In-
formationsquelle ist der Personalfragebogen. Dieser ermöglicht es, für alle Bewerber gleichmäßig
die wesentlichen Angaben zur Person zu ermitteln. Er hat den Vorteil der neutralen Fragestellung
und der Vollständigkeit der Befragung und ist insoweit auch sehr geeignet, als Grundlage für ein
Vorstellungsgespräch zu dienen. Darüber hinaus hat er den Vorteil der schriftlichen Unterlage
und kann das Vorstellungsgespräch nicht unwesentlich abkürzen.
Der Bewerber ist weder zur Ausfüllung eines Personalfragebogens noch zur Beantwortung von
Fragen im Rahmen eines Einstellungsgesprächs rechtlich verpflichtet. Da jedoch der Arbeitgeber
aufgrund seiner Abschlussfreiheit den Abschluss des Arbeitsvertrages von der Beantwortung ge-
wisser Fragen abhängig machen kann, ist es für den Bewerber in der Regel nicht opportun, die
Beantwortung gestellter Fragen zu verweigern.
Bei der Befragung von Bewerbern durch Personalfragebogen oder im Einstellungsgespräch muss
der Arbeitgeber berücksichtigen, dass er kein uferloses Fragerecht hat. Es dürfen nur solche Fra-
gen gestellt werden, an deren Beantwortung der Arbeitgeber zur Beurteilung der Eignung ein be-
rechtigtes Interesse hat, die nicht in die unantastbare Intimsphäre des Bewerbers eindringen und
keine Diskriminierung darstellen. Das Interesse des Arbeitgebers muss daher so stark sein, dass
das Interesse des Arbeitnehmers am Schutz seiner Persönlichkeit dahinter zurücktreten muss.
Überschreitet der Arbeitgeber sein Fragerecht, so wird der Bewerber für berechtigt gehalten, un-
wahr zu antworten. (Unzulässig sind u. a. Fragen nach Religions-, Gewerkschafts- oder Parteizu-
gehörigkeit, nach beabsichtigter Heirat oder Einnahme empfängnisverhütender Mittel.) Der Per-
sonalfragebogen bedarf nach § 94 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrates. Hat der Bewerber
bewusst auf berechtigte Fragen unwahre Angaben gemacht und waren diese für den Arbeitgeber
von wesentlicher Bedeutung, so kann der Arbeitgeber, wenn er mit dem betreffenden Arbeitneh-
mer einen Arbeitsvertrag geschlossen hat, diesen wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB
anfechten. Die Anfechtung bewirkt die Nichtigkeit des Vertrages in der Regel ab Anfechtungs-
zeitpunkt.
Anhand einiger Beispiele sollen die Grenzen des Fragerechts aufgezeigt werden:
a) Frage nach bestehenden Krankheiten und gesundheitlichen Schädigungen
Der Arbeitgeber hat an der Kenntnis von Krankheiten und gesundheitlichen Schädigungen des
Bewerbers nur insoweit ein berechtigtes Interesse, als eine gesundheitliche Beeinträchtigung
vorliegt, die für das konkrete Arbeitsverhältnis wesentlich ist. Dementsprechend ist der Arbeit-
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nehmer zur wahrheitsgemäßen Auskunft nur in dem Umfang verpflichtet, als die gesundheitliche
Eignung für die vertraglich vorgesehene Tätigkeit in Frage steht.
Hinsichtlich einer AIDS-Erkrankung wird man wohl sagen müssen, dass nicht nach einer HIV-
Infizierung gefragt werden darf, da hier weder eine Leistungsminderung noch üblicherweise eine
Ansteckungsgefahr besteht. Durchaus darf aber nach einer akuten HIV-Erkrankung gefragt wer-
den, da in diesem Fall mit einer alsbaldigen Arbeitsunfähigkeit zu rechnen ist.
Ungefragt muss der Bewerber eine Gesundheitsbeeinträchtigung nur dann offenbaren, wenn die-
se es ihm unmöglich macht, im Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses seiner Arbeits-
pflicht nachzukommen oder wenn von der Krankheit eine Gefahr für andere Mitarbeiter ausgeht.
b) Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichts ist die
Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft unzulässig. Die Konsequenz dieser Rechtspre-
chung ist, dass eine Bewerberin in Kenntnis der Schwangerschaft wahrheitswidrig angeben darf,
sie sei nicht schwanger. Eine Anfechtung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber wegen arg-
listiger Täuschung ist ausgeschlossen. Nach neuerer Rechtsprechung darf von dieser Beurteilung
auch dann keine Ausnahme gemacht werden, wenn für die Bewerberin ein Beschäftigungsverbot
nach dem Mutterschutzgesetz gilt oder wenn sie von vornherein für den betreffenden Arbeits-
platz nicht geeignet ist.
c) Frage nach Vorstrafen
Die Frage nach Vorstrafen ist nur zulässig, wenn und soweit die Art des zu besetzenden Arbeits-
platzes und die vorgesehene Stellung des Arbeitnehmers dies erfordern. Entscheidend ist dabei
ein objektiver Maßstab. Es ist auf den konkret zu besetzenden Arbeitsplatz abzustellen. So sind
Fragen nach Vorstrafen wegen Vermögensdelikten bei einem Buchhalter, Kassierer oder Lager-
verwalter oder nach Verkehrsdelikten bei Berufskraftfahrern als zulässig anzusehen. Als nicht
vorbestraft darf sich ein Bewerber trotz Vorstrafen dann bezeichnen, wenn die Strafe im Strafre-
gister oder im Führungszeugnis getilgt ist.
d) Frage nach Schwerbehinderteneigenschaft
Bisher wurde die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft oder ob ein Antrag auf Feststel-
lung der Schwerbehinderteneigenschaft gestellt worden ist, als zulässig betrachtet. Sie musste
also wahrheitsgemäß beantwortet werden. Beantwortete der Bewerber die Frage bewusst wahr-
heitswidrig und kam ein Arbeitsvertrag zustande, konnte der Arbeitgeber den Vertrag anfechten.
Mit Wirkung zum 01. Juli 2001 ist ein Diskriminierungsverbot für schwerbehinderte Arbeitneh-
mer geschaffen worden. Dieses Diskriminierungsverbot dürfte in der Rechtsprechung zu einer
Einschränkung des Fragerechts führen, so dass die Frage nach der Schwerbehinderung nur dann
zulässig bleibt, wenn das Fehlen einer Schwerbehinderung eine wesentliche und entscheidende
Anforderung für die berufliche Tätigkeit ist.
2. Auskunft des früheren Arbeitgebers
Die Einholung einer Auskunft beim früheren Arbeitgeber über einen Bewerber ist grundsätzlich
zulässig. Etwas anderes gilt, wenn ein Bewerber darum bittet, keine Auskunft einzuholen, etwa,
wenn er sich bei seinem derzeitigen Arbeitgeber noch in ungekündigter Stellung befindet. Der
frühere Arbeitgeber ist zur Auskunft auch berechtigt, wobei er die bei der Zeugniserteilung gel-
tenden Grundsätze (insbesondere Wahrheitspflicht und wohlwollende Rücksichtnahme auf das
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Fortkommen des Arbeitnehmers) beachten muss. Der frühere Arbeitgeber ist zur Auskunft sogar
verpflichtet, wenn sich der Bewerber auf die Auskunft beruft.
3. Ärztliche Eignungsuntersuchung
Entsprechend seiner Abschlussfreiheit kann der Arbeitgeber die Einstellung eines Bewerbers von
einer vorherigen ärztlichen Untersuchung abhängig machen. Selbstverständlich kann der Bewer-
ber eine solche Untersuchung ablehnen, muss aber dann damit rechnen, dass er nicht eingestellt
wird.
Dadurch, dass der Arbeitnehmer sich untersuchen lässt, erklärt er sich gleichzeitig damit einver-
standen, dass der Arzt dem Arbeitgeber das Untersuchungsergebnis mitteilt. Der Arzt ist aller-
dings nur in beschränktem Umfang von seiner ärztlichen Schweigepflicht entbunden. Er darf den
Arbeitgeber nicht über Einzelheiten der Untersuchung unterrichten, sondern darf ihm lediglich
Angaben über die gesundheitliche Eignung des Bewerbers für den vorgesehenen Arbeitsplatz ma-
chen. Bei jugendlichen Arbeitnehmern ist die ärztliche Untersuchung vor der Einstellung zwin-
gend durch das Jugendarbeitsschutzgesetz vorgeschrieben. Sofern eine Anstellung des Bewerbers
in der Lebensmittelbranche beabsichtigt ist, schreibt § 18 BSeuchG eine ärztliche Untersu-
chungspflicht vor.
B. Ersatz von Vorstellungskosten
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Bewerber die zur Vorstellung notwendigen Aufwendungen
zu ersetzen, wenn er ihn zur Vorstellung aufgefordert und den Ersatz dieser Aufwendungen nicht
ausdrücklich ausgeschlossen hat. Sofern der Arbeitgeber keinen Hinweis auf die Höhe der Auf-
wendungen gegeben hat, die er ersetzen will, gehören nach herrschender Auffassung zu den vom
Arbeitgeber zu ersetzenden Vorstellungskosten:
a) angemessene Reisekosten (Ersatz der Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher
Verkehrsmittel auf der kürzesten Strecke und in der Wagenklasse, die üblicherweise Be-
triebsangehörigen in vergleichbarer Stellung zugebilligt wird. - Bei der Benutzung des ei-
genen Kraftwagens ist Kilometergeld nach steuerrechtlichen Grundsätzen zu erstatten.)
b) Mehrkosten für die Verpflegung und
c) soweit erforderlich, Übernachtungskosten unter Anwendung der steuerlich anerkannten
Reisekostenpauschbeträge.
Nicht zu den vom Arbeitgeber zu erstattenden Vorstellungskosten gehört ein eventueller Ver-
dienstausfall des Bewerbers. Der Bewerber kann auch nicht etwa Abgeltung eines Urlaubstages,
den er zum Zweck der Vorstellung genommen hat, verlangen.
C. Behandlung überlassener Unterlagen
Der Arbeitgeber muss die Unterlagen, die ihm vom Bewerber im Zusammenhang mit der Bewer-
bung überlassen wurden, vertraulich behandeln. Wenn es nicht zum Abschluss eines Arbeitsver-
trages kommt, müssen die Bewerbungsunterlagen umgehend zurückgegeben werden.
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ABSCHLUSS VON ARBEITSVERTRÄGEN
A. Begriff des Arbeitsvertrages
Jedem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag zugrunde. Arbeitsvertrag ist der Vertrag, durch
den sich der Arbeitnehmer zur Leistung von Arbeit im Dienst des Arbeitgebers gegen Entgelt ver-
pflichtet. Der Arbeitsvertrag ist ein bürgerlich-rechtlicher Vertrag. Das BGB kennt allerdings nicht
den Begriff des Arbeitsvertrags. In die Vertragsformen des BGB eingeordnet, ist der Arbeitsver-
trag „Dienstvertrag“ nach § 611 BGB. (Nicht jeder Dienstvertrag muss ein Arbeitsvertrag sein.
Verträge, durch die jemand zwar Dienstleistungen zusagt, nicht aber eine Gehorsamspflicht
übernimmt, bei der von wirklicher Abhängigkeit gesprochen werden könnte, sind als sogenannte
freie oder selbständige Dienstverträge keine Arbeitsverträge.) Durch den Arbeitsvertrag wird der
Arbeitnehmer zur Leistung abhängiger Dienste, der Arbeitgeber zur Gewährung von Arbeitsver-
gütung verpflichtet.
1. Abschlussfreiheit
Ebenso wie bei sonstigen Verträgen des Privatrechts gilt auch beim Arbeitsvertrag die sogenann-
te Abschlussfreiheit. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können sich demnach frei entscheiden, ob
der Abschluss eines Arbeitsvertrags ihren Interessen entspricht. Grundsätzlich kann niemand da-
zu gezwungen werden, einen bestimmten Arbeitsvertrag abzuschließen, weder der Arbeitgeber
noch der Arbeitnehmer.
2. Inhaltsfreiheit
Kennzeichnend für bürgerlich-rechtliche Verträge ist regelmäßig die inhaltliche Gestaltungsfrei-
heit. Da auch der Arbeitsvertrag einen bürgerlich-rechtlichen Vertrag darstellt, ist vom Prinzip
her auch bei diesem davon auszugehen, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der inhaltlichen
Gestaltung frei sind. Beim Arbeitsvertrag ist dies jedoch weitgehend Theorie. Der Gesetzgeber
geht nämlich davon aus, dass beim Abschluss von Arbeitsverträgen der Arbeitgeber ein Überge-
wicht besitzt. Aus sozialen Erwägungen hält er den Arbeitnehmer für schutzbedürftig und hat ei-
ne Reihe von Schutzvorschriften erlassen von denen nicht abgewichen werden kann. Rechtstech-
nisch gesehen findet dabei eine öffentlich-rechtliche Überlagerung des an sich dem Privatrecht
zugehörigen Arbeitsrechts statt, da die Arbeitsvertragsparteien die Arbeitsschutzbestimmungen
zwingend beachten müssen und insoweit ihre Freiheit der inhaltlichen Gestaltung eingeschränkt
ist. (Beispiel: Verzicht des Arbeitnehmers in einem Arbeitsvertrag auf Urlaub oder auf Kündi-
gungsschutz oder auf Mutterschutz ist unwirksam.)
Der Arbeitgeber muss zudem bei der Gestaltung von vorformulierten, das heißt nicht im Einzel-
nen ausgehandelten Arbeitsverträgen, das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen beach-
ten. In diesem Zusammenhang können insbesondere standardisierte Vertragsstrafen-Klauseln,
Rückzahlungsvereinbarungen von Gratifikationen und Fortbildungskosten unzulässig sein. Auch
Vereinbarungen, nach denen für eine Kündigung, Mahnung oder Fristsetzung eine strengere
Form als die Schriftform gelten sollen, können unwirksam sein. An Stelle der gewählten Ge-
schäftsbedingung tritt dann die gesetzliche Bestimmung.
Die inhaltliche Gestaltungsfreiheit kann bei Arbeitsverträgen auch durch Betriebsvereinbarungen
und - bei tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen - durch tarifliche Bestimmungen eingeengt sein.
Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz kann in gewissen Situationen dazu führen, dass der Ar-
beitgeber in der Gestaltungsfreiheit beschränkt ist. So darf der Arbeitgeber einen einzelnen Ar-
11
beitnehmer oder eine Arbeitnehmergruppe nicht gegenüber anderen Arbeitnehmern oder Arbeit-
nehmergruppen in sachfremder Art und Weise schlechter stellen.
3. Formfreiheit
Der unbefristete Arbeitsvertrag ist in seiner Wirkung von keinerlei Form abhängig. Trotzdem ist
zu empfehlen, Arbeitsverträge schriftlich abzuschließen. Dies hat gegenüber der nur mündlichen
Vereinbarung den Vorteil, dass der Inhalt des Vertrages klar fixiert und spätere Auseinanderset-
zungen über getroffene Abreden vermieden werden. Der schriftlich abgeschlossene Vertrag hat
die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich. Auch ersetzt der schriftliche Arbeits-
vertrag die sonst nach dem Nachweisgesetz (vgl. Ziff. 4) notwendige schriftliche Niederlegung
und Aushändigung der wesentlichen Arbeitsbedingungen. – Anders als der unbefristete Arbeits-
vertrag bedarf der befristete Arbeitsvertrag nach § 14 Abs. 4 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und
befristete Arbeitsverträge (TzBfG) zu seiner Wirksamkeit der Schriftform.
Der Berufsausbildungsvertrag - ein spezieller Fall des Arbeitsvertrages - muss ebenfalls schrift-
lich niedergelegt werden. Auch tarifvertraglich ist vielfach vorgesehen, dass der Arbeitsvertrag
schriftlich abgefasst werden soll oder muss.
Zu beachten ist auch noch, dass zwar der Arbeitsvertrag an sich formfrei ist, dass es aber ver-
tragliche Regelungen gibt, wie z. B. die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsver-
bots, die zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürfen.
4. Schriftliche Niederlegung der Arbeitsbedingungen
Alle Arbeitgeber sind nach dem Nachweisgesetz verpflichtet, ihren Arbeitnehmern die schriftlich
fixierten, wesentlichen Arbeitsbedingungen auszuhändigen. Die Niederschrift muss vom Arbeit-
geber unterzeichnet sein. Spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses ist diese
Pflicht zu erfüllen. Bei bestehenden Arbeitsverhältnissen ist auf Verlangen des Arbeitnehmers in-
nerhalb von 2 Monaten eine entsprechende Niederschrift zu überlassen. Wenn dem Arbeitneh-
mer ein schriftlicher Arbeitsvertrag ausgehändigt wird oder in der Vergangenheit ausgehändigt
wurde und dieser die erforderlichen Angaben enthält, so entfällt die Verpflichtung zur Aushändi-
gung des Nachweises.
Die Dokumentationspflicht besteht gegenüber allen Arbeitnehmern einschließlich der leitenden
Angestellten. Ausgenommen sind die Auszubildenden, für sie gilt die Sondervorschrift des § 4 Be-
rufsbildungsgesetz. Auch sind von der Nachweispflicht Arbeitnehmer ausgenommen, die zur vo-
rübergehenden Aushilfe von höchstens einem Monat eingestellt werden.
Die Verletzung der Nachweispflicht beeinträchtigt keinesfalls die Gültigkeit des Arbeitsvertrages.
Auch sieht das Gesetz für diesen Fall kein Bußgeld vor. Allerdings kann der Arbeitnehmer den
schriftlichen Nachweis der Arbeitsbedingungen vor dem Arbeitsgericht einklagen.
Die Nachweispflicht umfasst folgende Angaben:
a) Name und Anschrift der Vertragsparteien
(Beim Arbeitnehmer sind Vor- und Zuname, beim Arbeitgeber der volle Firmenname anzuge-
ben. Dazu die jeweilige Anschrift.)
b) Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses
(Entscheidend ist der vereinbarte Beginn, nicht der Tag der tatsächlichen Arbeitsaufnahme.)
12
c) Die vorhersehbare Dauer bei befristeten Arbeitsverhältnissen
(In der Regel ist bei befristeten Arbeitsverhältnissen die kalendermäßige Bestimmung not-
wendig. In Ausnahmefällen genügt auch Zweckbestimmung. Nicht jedoch bei Vertretung in
der Elternzeit. Hier ist nach § 21 Abs. 3 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz kalendermä-
ßige Bestimmung notwendig.)
d) Arbeitsort
e) Kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit.
f) Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts einschl. der Zuschläge, Zulagen, Prämien
und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit (da-
runter fallen auch Gratifikationen, Tantiemen, Schmutzzulagen, usw.)
g) Vereinbarte Arbeitszeit (Nur Regelarbeitszeit ist anzugeben, etwa bei Flexibilisierung der
Arbeitszeit)
h) Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs
i) Kündigungsfrist
j) Hinweis auf sonstige Regelungen
k) Bei geringfügig Beschäftigten: Informationspflicht des Arbeitgebers auf möglichen Erwerb
der Stellung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers durch den gegenüber dem Arbeit-
geber erklärten Verzicht auf Versicherungsfreiheit.
13
B. ABSCHLUSS DES ARBEITSVERTRAGES
1. Zustandekommen des Arbeitsvertrages
a) Einigung über Rechte und Pflichten
Da der Arbeitsvertrag ein Vertrag ist, richtet sich das Zustandekommen des Arbeitsvertrages auch
nach allgemeinen Grundsätzen. Danach kommt ein Vertrag durch zwei inhaltlich übereinstim-
mende Willenserklärungen (Angebot und Annahme) zustande, die einen einheitlichen Rechtser-
folg herbeiführen wollen. Wichtig ist dabei, dass die Vertragspartner sich tatsächlich über alle
wesentlichen Punkte – die Art der zu erbringenden Leistung, Beginn der Tätigkeit, vereinbarte
Vergütung - geeinigt haben. Solange das nicht der Fall ist, ist ein Vertrag auch nicht zustande
gekommen.
Besondere Beachtung verdient der Abschluss von Arbeitsverträgen mit Minderjährigen. Da der
Minderjährige nur beschränkt geschäftsfähig ist, kann er im Grundsatz einen Arbeitsvertrag nur
mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters wirksam schließen. Wurde die Zustimmung vorher
erteilt, so wird der Vertrag sofort wirksam. Schließt ein Minderjähriger einen Arbeitsvertrag zu-
nächst ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, so ist der Vertrag schwebend unwirksam.
Er kann von Anfang an wirksam werden, wenn der gesetzliche Vertreter das Rechtsgeschäft ge-
nehmigt. Verweigert dieser die Zustimmung, so bleibt der Vertrag unwirksam. Der Arbeitgeber
kann, um sich Klarheit über die Wirksamkeit eines mit einem Minderjährigen geschlossenen Ver-
trags zu verschaffen, den gesetzlichen Vertreter zur Erklärung über die Genehmigung auffordern.
Wird die Genehmigung dann nicht innerhalb von zwei Wochen nach Aufforderung erklärt, so gilt
sie als verweigert.
Ein Minderjähriger kann selbst einen Arbeitsvertrag wirksam abschließen, wenn er von seinem
gesetzlichen Vertreter allgemein ermächtigt wurde, ein Arbeitsverhältnis (einer gewissen Art)
einzugehen. Hier handelt es sich um die sogenannte Arbeitsmündigkeit nach § 113 BGB. Ist diese
Ermächtigung gegeben, so ist der Minderjährige für die Eingehung, Durchführung und Beendi-
gung eines Arbeitsvertrages der gestatteten Art als voll geschäftsfähig anzusehen. Zu beachten
ist allerdings, dass ein Berufsausbildungsvertrag nie unter die Arbeitsmündigkeit fällt. Daher be-
darf es für deren Wirksamkeit immer der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters.
b) Vertragsmängel
Wie jede zivilrechtliche Vereinbarung, kann auch der Arbeitsvertrag Mängel aufweisen, die sei-
nen Bestand in Frage stellen, d. h. ihn entweder nichtig oder anfechtbar machen. Nichtigkeit des
Arbeitsvertrages kommt nur selten in Betracht. Beispiele dafür sind:
Nichtigkeit wegen fehlender Geschäftsfähigkeit, wegen Verletzung von Einstellungs-
verboten (z. B. Beschäftigung von Kindern) oder wegen Sittenwidrigkeit.
Häufiger sind die Fälle, in denen eine Anfechtungsmöglichkeit besteht und die wirk-
same Anfechtung zur Nichtigkeit führt: Anfechtung wegen arglistiger Täuschung,
wegen Drohung oder wegen Irrtums.
Sind nur einzelne Vertragsbedingungen nichtig, wird der Arbeitsvertrag im Übrigen wirksam auf-
rechterhalten. An die Stelle der unwirksamen Bestimmungen treten jedoch die gesetzlichen und
-in Ermangelung solcher- die tarifvertraglichen Bestimmungen.
14
Zu beachten ist, wenn der Arbeitnehmer schon Arbeitsleistungen erbracht hat, dass die Anfech-
tung eines Arbeitsvertrages nur Wirkung für die Zukunft hat. Ist das Arbeitsverhältnis hingegen
noch nicht in Vollzug gesetzt worden, so ist der angefochtene Arbeitsvertrag als von Anfang an
nichtig anzusehen.
c) Mitwirkung des Betriebsrates
Hinsichtlich der Mitwirkung des Betriebsrates bei der Einstellung von Arbeitskräften wird auf die
Darstellung des Betriebsverfassungsgesetzes verwiesen (vgl. S. 98 ff.).
2. Besondere Formen des Arbeitsvertrages
In der Praxis stellen unbefristete Arbeitsverhältnisse den Regelfall dar. Die Vertragsparteien kön-
nen für das Arbeitsverhältnis aber auch andere Vertragsarten vereinbaren. Hierunter fallen insbe-
sondere befristete Arbeitsverhältnisse, Probearbeitsverhältnisse, Teilzeitarbeitsverhältnisse, ge-
ringfügige Beschäftigung und Ausbildungsarbeitsverhältnisse.
a) Befristeter Arbeitsvertrag
Befristete Arbeitsverträge bergen die grundsätzliche Gefahr, dass mit ihnen die Kündigungs-
schutzbestimmungen umgangen werden können. Durch die Beendigung mit Ablauf der verein-
barten Dauer, bedarf es zur Beendigung keiner Kündigung und damit gibt es auch keinerlei Kün-
digungsschutz für den Arbeitnehmer. Um zu erreichen, dass der Kündigungsschutz nicht in unge-
rechtfertigter Weise umgangen werden kann, beschränkt das „Gesetz über Teilzeitarbeit und be-
fristete Arbeitsverträge “ (TzBfG) die Wirksamkeit befristeter Arbeitsverträge auf 2 Bereiche,
nämlich auf die Befristung aus sachlich rechtfertigendem Grund und die Befristung ohne not-
wendigen sachlichen Grund bei der Neueinstellung eines Arbeitnehmers.
aa) Befristung aus sachlich rechtfertigendem Grund nach § 14 Abs. 1 TzBfG
Befristete Arbeitsverträge werden dann als wirksam angesehen wenn die Befristung durch einen
sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Das Gesetz sieht einen sachlichen Grund u. a. dann als gege-
ben, wenn
- der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht;
- die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um dem Absol-
venten den Übergang in eine dauerhafte Beschäftigung zu erleichtern;
- der Arbeitnehmer zur Vertretung einen anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird;
- die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt (dieses Kriterium ist insbeson-
dere in der Rundfunk und Kunstbranche zu beachten);
- die Befristung zur Erprobung erfolgt;
- in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen;
- nur zeitlich begrenzte Haushaltsmittel zur Verfügung stehen;
- die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.
Die vom Gesetz genannten Gründe sind beispielhaft. Auch nicht genannte Gründe können die
Befristung eines Arbeitsvertrages sachlich rechtfertigen. Die Befristung kann grundsätzlich zeit-
oder zweckgebunden sein. Im letzteren Fall muss der Endzeitpunkt dem Arbeitnehmer mindes-
tens 2 Wochen vorher schriftlich mitgeteilt werden. Nach § 15 Abs. 3 TzBfG ist ein befristeter
Arbeitsvertrag nur dann mit der ordentlichen Kündigung kündbar, wenn dies ausdrücklich ver-
einbart oder laut entsprechendem Tarifvertrag vorgesehen ist.
15
Befristete Arbeitsverträge bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nach § 14 Abs. 4 TzBfG der Schriftform.
Wird ein befristeter Arbeitsvertrag nur mündlich abgeschlossen oder liegt kein ausreichender
Grund für die Befristung vor, so ist der Arbeitsvertrag nicht etwa unwirksam, sondern er gilt nach
§ 16 TzBfG als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Will der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der
Befristung geltend machen, so muss er innerhalb von 3 Wochen nach dem vereinbarten Ende
Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Befris-
tung nicht beendet worden ist. Andernfalls wird die Wirksamkeit der Befristung fingiert.
bb) Befristung bei Neueinstellung nach § 14 Abs. 2 TzBfG
Bei Neueinstellungen ist eine Befristung ohne sachlichen Grund möglich, wenn der Arbeitsver-
trag die Gesamtdauer von 2 Jahren nicht überschreitet. Der Arbeitsvertrag darf dabei innerhalb
des 2-jährigen Zeitraumes bis zu dreimal verlängert werden. Eine solche Befristung ist nicht
möglich, wenn mit dem betreffenden Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder ein unbe-
fristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Dabei gilt ein Ausbildungsverhältnis nicht als ein sol-
ches Arbeitsverhältnis. Dieses Verbot gilt nicht, wenn die letzte Beschäftigung mehr als drei
Jahre zurückliegt (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 6. April 2011- Az. 7 AZR 716/09).
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im November 2005 entschieden, dass die altersabhängi-
ge Befreiung von den einschränkenden Regelungen der mehrfachen Befristung im § 14 Abs. 3
TzBfG, wonach Arbeitnehmer über 52 Jahre unbegrenzt sachgrundlos befristet beschäftigt wer-
den konnten, dem europäischen Recht widerspricht (EuGH, Urteil vom 22.11.2005, C-144/04).
Diese Entscheidung hat Auswirkung auf den Abschluss neuer befristeter, aber auch bestehender
Arbeitsverträge:
(1) Abschluss neuer Verträge
Eine Befristung sollte nicht mehr auf § 14 Abs. 3 TzBfG gestützt werden, denn im Falle eines
Rechtsstreites dürfen die Arbeitsgerichte diese Regelung nicht mehr anwenden, so dass die Be-
fristung damit unwirksam wäre. Es gelten allerdings die allgemeinen Regelungen des Befris-
tungsrechts (s.o.), wonach eine Befristung ohne Sachgrund für die Gesamtdauer von bis zu zwei
Jahren möglich ist.
Seit dem 01.04.2012 gilt die neue Regelung, dass eine Befristung bis zu 5 Jahren zulässig ist,
wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr voll-
endet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens 4 Monate
beschäftigungslos iSd § 138 I 1 SGB III ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öf-
fentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem 2. oder 3. Buch des Sozialgesetzbuches
teilgenommen hat.
(2) Bereits bestehende Verträge
Sollte die Befristung bereits nach den allgemeinen Befristungsregeln (s.o.) zulässig sein, ändert
sich nichts an der Zulässigkeit der Befristungsvereinbarung. Anders sieht es hingegen aus, wenn
diese Voraussetzungen gerade nicht gegeben sind, d.h. die nunmehr unzulässige Altersbefristung
genutzt wird. Dann besteht ein unbefristeter Arbeitsvertrag, und der Arbeitgeber hat nur die
Möglichkeit dem Arbeitnehmer zu kündigen. Worauf der Arbeitgeber seine Kündigung stützen
kann und ob besondere Kündigungserleichterungen für den Arbeitgeber bestehen, ist derzeit
noch unklar. Dies wird erst durch weitere Gerichtsentscheidungen konkretisiert werden.
Auch beim befristeten Arbeitsvertrag bei Neueinstellung bis zu 2 Jahren gilt die Notwendigkeit
der Schriftform; auch sollte an die Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit gedacht werden,
da sonst während der vereinbarten Laufzeit allenfalls bei Vorliegen eines wichtigen Grundes
(dann: fristlos) gekündigt werden kann.
16
cc) Befristungen in neu gegründeten Unternehmen
Seit dem 01.01.2004 sieht das TzBfG Erleichterungen für Existenzgründer vor. In den ersten vier
Jahren nach der Gründung eines Unternehmens dürfen Arbeitnehmer befristet eingestellt wer-
den, ohne dass ein sachlicher Grund für die Befristung erforderlich ist. Bis zu dieser Gesamtdauer
ist auch eine mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig.
Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens ist die Aufnahme der Erwerbstä-
tigkeit, die nach § 138 AO der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist.
dd) Ansprüche auf Sozialleistungen bei befristeten Arbeitsverträgen
Ein Anspruch auf Sozialleistungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld besteht bei befristeten Ar-
beitsverhältnissen nur dann, wenn im Arbeitsvertrag eine Vereinbarung darüber getroffen wor-
den ist oder eine Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Tarifvertrag hervorgeht.
b) Probearbeitsvertrag
In der betrieblichen Praxis wird in vielen Fällen vor der Begründung eines Dauerarbeitsverhältnis-
ses eine Probezeit vorgeschaltet. Diese soll dem Arbeitgeber die Möglichkeit geben, die fachliche
und persönliche Eignung des Arbeitnehmers zu beurteilen. Umgekehrt kann der Arbeitnehmer
sich davon überzeugen, ob ihm die zugedachte Arbeit zusagt.
Gesetzlich vorgeschrieben ist eine Probezeit nur bei Berufsausbildungsverhältnissen (mindestens
1, höchstens 4 Monate). Vielfach ist auch tariflich eine Probezeit vorgesehen. Soweit nicht ge-
setzlich oder tariflich bestimmt, ist keinesfalls automatisch eine Probezeit im Arbeitsverhältnis
vorgeschaltet, vielmehr muss darüber eine Vereinbarung getroffen werden. Dabei bestehen für
die Vereinbarung einer Probezeit zwei grundsätzliche Möglichkeiten:
Das Probearbeitsverhältnis wird als befristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen. Es endet
dann mit dem Ablauf der vereinbarten Probezeit, wenn nicht zuvor ein anderes Arbeitsver-
hältnis (i. d. R. Dauerarbeitsverhältnis) abgeschlossen wird.
In der Praxis wird das Arbeitsverhältnis jedoch meist unbefristet abgeschlossen und verein-
bart, dass ein bestimmter Zeitraum als Probezeit gelten soll. (Wenn es nicht klar ist, welche
Möglichkeit gewollt ist, wird nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein un-
befristetes Arbeitsverhältnis angenommen.)
Gesetzliche Grenzen für die Dauer der zulässigen Probezeit gibt es - abgesehen von Berufsausbil-
dungsverhältnissen - nicht. Allerdings darf die Probezeit in der Regel nicht über 6 Monate hin-
ausgehen. Ausnahmen von diesem Grundsatz werden nur dann zugelassen, wenn die Eignung des
Arbeitnehmers wegen der besonderen Anforderungen des Arbeitsplatzes nicht innerhalb von 6
Monaten festgestellt werden kann, so z.B. bei wissenschaftlichen oder künstlerischen Berufen.
Auch die gesetzliche Regelung der Kündigungsfristen geht von einer maximalen Dauer der Pro-
bezeit von 6 Monaten aus, in der eine abgekürzte Kündigungsfrist von 2 Wochen gilt.
c) Ausbildungsverträge
Der Berufsausbildungsvertrag ist eine besondere Form des Arbeitsvertrages. Die Besonderheit
liegt vor allem darin, dass der Vertrag in erster Linie auf die Ausbildung eines Menschen in einem
Beruf und nicht auf die Erbringung einer Arbeitsleistung gerichtet ist. Wegen der Besonderheit
des Berufsausbildungsvertrages gelten dafür eine Reihe von Sonderbestimmungen. Diese sind in
verschiedenen Gesetzen, vor allem aber im Berufsbildungsgesetz, enthalten.
17
d) geringfügige Beschäftigung
Unter einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis werden solche verstanden, die dem Arbeit-
nehmer ein Bruttoarbeitsentgelt von nicht mehr als EUR 400,00 bzw. in einer Einkommensgleit-
zone von EUR 400,01 bis zu EUR 800,00, gewähren. Auch auf Arbeitsverhältnisse, die eine ge-
ringfügige Beschäftigung zum Gegenstand haben, finden die oben dargestellten Grundsätze
größtenteils Anwendung. Im Einzelnen siehe zu Fragen der geringfügigen Beschäftigung unter S.
30 ff.
C. Abgrenzung zum freien Mitarbeiter-Vertrag
Nicht selten vereinbaren Unternehmen mit Personen, die für den Betrieb tätig sind, einen „freien
Mitarbeitervertrag“. (Beispiel: Frachtfuhrunternehmen setzen ihre bisherigen Fahrer als „selb-
ständige Unternehmer“ ein.) Ziel solcher Vereinbarungen ist vielfach von arbeitsrechtlichen oder
sozialrechtlichen Konsequenzen durch die Arbeitnehmereigenschaft des Beschäftigten wegzu-
kommen, seien dies Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsgewährung, Beachtung von
Kündigungsschutzbestimmungen oder die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen. Bei Verträ-
gen über freie Mitarbeit ist jedoch zu beachten, dass es nicht im Belieben der Vertragsparteien
liegt, aus dem, was eigentlich ein Arbeitsverhältnis ist, ein freies Mitarbeiterverhältnis zu ma-
chen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt es allein auf die tatsächlich bestehenden
Gegebenheiten an. Kennzeichnend für das Arbeitsverhältnis ist die persönliche Abhängigkeit des
Mitarbeiters vom Arbeitgeber, d. h. die Eingliederung in den Betrieb und die Weisungsgebunden-
heit, die die Zeitdauer und den Ort der Ausführung umfasst. Demgegenüber sind maßgebend für
die selbständige Tätigkeit das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die ei-
gene Arbeitskraft und die Möglichkeit, frei über Arbeitsort und Arbeitszeit zu bestimmen.
Mit den zum 01. Januar 2003 in Kraft getretenen Gesetzen für moderne Dienstleistungen am Ar-
beitsmarkt, sog. „Hartz-Reform“, beurteilt sich die Frage nach der Scheinselbständigkeit zwar
auch noch nach der Weisungsgebundenheit sowie der Eingliederung des Betroffenen in die Ar-
beitsorganisation des Auftraggebers. Die frühere Vermutungsregelung, nach der eine Arbeitneh-
merstellung des Betroffenen bei Vorliegen bestimmter Kriterien vermutet wurde ist jedoch weg-
gefallen. Für die Beurteilung kommt es aber weiterhin darauf an, welche der o.g. Merkmale
überwiegen. Eine genaue Prüfung und Abwägung empfiehlt sich schon wegen der möglichen
Konsequenzen. Die unrichtige Zuordnung einer Arbeitnehmertätigkeit zur freien Mitarbeit kann
zu erheblichen Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen oder zu Entgeltzahlungsan-
sprüchen für Krankheitszeiten und zu Urlaubsnachforderungen des „Mitarbeiters“ führen.
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Indizien zur Abgrenzung:
Selbständiger
Arbeitnehmer
Nicht ständig für dieselbe Firma tätig, kann uneinge-
schränkt für mehrere Geschäftspartner tätig werden
In der Regel nur für eine Firma tätig
Frei in der Annahme der einzelnen Aufträge Arbeitgeber weist die einzelnen Arbeiten an
Kann die Arbeit in der Regel auch außerhalb des Be-
triebes leisten
Kann die Arbeit in der Regel nur im Betrieb leisten; die Tätigkeit ist
räumlich, zeitlich und organisatorisch eng mit den übrigen Abläu-
fen im Betrieb verbunden
Einsatz eigenen Kapitals u. eigener Betriebsmittel
Eigene Arbeitskraft wird eingesetzt
Bestimmt seine Arbeitszeit selbst (im Rahmen des
vereinbarten Termins für d. Vollendung d. Arbeit)
Muss die betriebsübliche oder eine besonders vereinbarte Arbeits-
zeit einhalten
Außer Auftragsinhalt und Termin für die Vollendung
der Arbeit keine Bindungen an Weisungen der Firma
Arbeitgeber bestimmt, welche Arbeiten auszuführen sind und wie
der Beschäftigte dabei vorzugehen hat; Beschäftigter arbeitet wie
andere Arbeitnehmer im Betrieb
Entscheidet selbst darüber, wie die Arbeit ausgeführt
wird
Bindung an Weisungen des Arbeitgebers überwiegt gegenüber per-
sönlicher Gestaltungsfreiheit und Initiative des Beschäftigten
Möglichkeit, bei Verhinderung Vertreter zu stellen Nur persönliche Leistungspflicht
Darf auf eigene Rechnung Arbeitnehmer beschäftigen Keine Arbeitgebereigenschaft
Trägt Verantwortung nach außen Verantwortung nach außen trägt Arbeitgeber
Berechtigung zu eigener Werbung
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DIE PFLICHTEN IM ARBEITSVERHÄLTNIS
Im Arbeitsverhältnis treffen die Arbeitsvertragspartner (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) eine Rei-
he verschiedenartigster Pflichten. Die Hauptpflichten, die sich aus § 611 BGB ergeben und die in
einem Austauschverhältnis stehen, sind die Pflicht des Arbeitnehmers zur Leistung von Arbeit
und die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung einer Arbeitsvergütung.
A. Die Hauptpflichten
1. Die Vergütungspflicht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer für die geleistete Arbeit die vereinbarte Ver-
gütung zu gewähren. Die Höhe der Vergütung kann sich auch aus einem Tarifvertrag ergeben.
Wurde über die Höhe der Vergütung keine besondere Vereinbarung getroffen und ist auch keine
tarifliche Vergütungsregelung für das Arbeitsverhältnis maßgebend, so ist nach § 612 II BGB die
übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. Nach § 614 BGB ist die Vergütung nach der Leis-
tung der Dienste zu entrichten. Dieses bedeutet, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich vorleis-
tungspflichtig ist. Wenn, wie meist, die Vergütung nach Zeitabschnitten (etwa Wochen- oder
Monatsvergütung) bemessen ist, so ist sie nach Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu zahlen
(also etwa am Ende des Monats).
2. Leistung von Arbeit durch den Arbeitnehmer
Die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung ist eine persönliche Pflicht, die nur vom
Arbeitnehmer selbst erfüllt, nicht übertragen und nicht vererbt werden kann, § 613 BGB. Die
Verpflichtung zur Arbeitsleistung wird durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers (§ 315 BGB, §
106 GewO) konkretisiert.
Die Art der Arbeitspflicht ist meist - wenigstens in Umrissen - mündlich oder schriftlich im Ar-
beitsvertrag geregelt. Eine nähere Festlegung erfolgt durch Weisungen des Arbeitgebers. Will der
Arbeitgeber es einigermaßen offen lassen, dem Arbeitnehmer auch eine andere Arbeit zuzuwei-
sen als die ursprünglich vereinbarte, so empfiehlt es sich, im Arbeitsvertrag eine sogenannte
„Umsetzungsklausel“ zu vereinbaren. Darin könnte vereinbart werden, dass dem Arbeitnehmer
auch eine andere zumutbare Arbeit im Betrieb zugewiesen werden kann, die seinen Kenntnissen
und Fähigkeiten entspricht. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass eine angebotene Umsetzung auf
einen geringwertigeren Arbeitsplatz der Zustimmung des Arbeitnehmers bedarf, weil damit die
wesentlichen Vertragsbedingungen geändert werden. Ist eine einvernehmliche Änderung der Ar-
beitsbedingungen nicht zu erzielen, bedarf es einer Änderungskündigung des bestehenden Ar-
beitsverhältnisses, mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis unter geänderten Arbeitsbedingungen
fortzusetzen. Diese hat zur Folge, dass mit dem Arbeitnehmer –im Falle seiner Abschlussbereit-
schaft- ein neuer Arbeitsvertrag zu schließen ist.
Der Umfang der Arbeitsleistung - vor allem die Dauer der Arbeitszeit - ergibt sich ebenfalls aus
der vertraglichen Vereinbarung oder ist tarifvertraglich bestimmt. Zur Frage des Umfangs der Ar-
beit gehört auch das Problem der Zulässigkeit einer Nebenbeschäftigung des Arbeitnehmers.
Nach herrschender Auffassung ist eine Nebentätigkeit grundsätzlich erlaubt, es sei denn
- die Haupttätigkeit wird beeinträchtigt
- es liegt eine Konkurrenztätigkeit vor
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- die gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen werden nicht beachtet.
Vertraglich kann die Zulässigkeit einer Nebentätigkeit von der Genehmigung des Arbeitgebers
abhängig gemacht werden. Dabei muss der Arbeitgeber die Genehmigung allerdings dann ertei-
len, wenn es sich um eine zulässige Nebentätigkeit im vorgenannten Sinne handelt.
Wann die Arbeitsleistung zu erbringen ist, richtet sich meist nach der betrieblichen Übung bzw.
der Betriebsvereinbarung. Bei der Festlegung der Dauer und der Lage der Arbeitszeit sind zahlrei-
che Arbeitsschutzvorschriften zu beachten. In gewissen Fällen tritt eine Entbindung von der Ar-
beitspflicht ein, meist aus Arbeitsschutzgründen (Beispiele: Urlaub, Krankheit, Beschäftigungs-
verbot vor und nach der Niederkunft, Elternzeit usw.).
B. Die Nebenpflichten
Das Arbeitsverhältnis erschöpft sich nicht in dem bloßen Austausch von Arbeit gegen Vergütung.
Um die Hauptverpflichtungen ranken sich diverse sogenannte Nebenpflichten. Diese Neben-
pflichten werden meist unter zwei großen Gesichtspunkten gesehen: der Fürsorgepflicht des Ar-
beitgebers und der Treuepflicht des Arbeitnehmers. Diese können als übergeordnete bestimmen-
de Pflichten angesehen werden, von denen sich eine Vielzahl von Einzelpflichten ableiten lässt.
1. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ist ein allgemeines soziales Schutzgebot, das den Arbeitge-
ber verpflichtet, auf das Wohl des Arbeitnehmers nach Möglichkeit und Zumutbarkeit Rücksicht
zu nehmen. Die Fürsorgepflicht umfasst das Arbeitsverhältnis von den ersten Vertragsverhand-
lungen an bis zur Beendigung und wirkt sogar teilweise noch darüber hinaus. Bei Verletzung oder
Nichtbeachtung dieser Schutzpflichten durch den Arbeitgeber steht dem Arbeitnehmer ein An-
spruch auf Einhaltung dieser Pflichten, bei schwereren, nicht zu behebenden Verstößen, sogar
Schadensersatzansprüche zu. Als einige wesentliche Pflichten des Arbeitgebers, die sich unter die
Fürsorgepflicht fassen lassen, sind zu nennen:
a) Fürsorge für Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers
Hierher gehört die folgende in § 618 Abs. 1 BGB niedergelegte Bestimmung: „Der Dienstberech-
tigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu be-
schaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anord-
nung oder Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben
und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.“ Neben dieser
Regelung gibt es eine Fülle von Arbeitsschutzbestimmungen und Unfallverhütungsvorschriften,
die den Arbeitgeber zur Fürsorge für Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers verpflichten. Aus
der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers wird auch abgeleitet, dass ein Arbeitnehmer einen Anspruch
auf einen rauchfreien Arbeitsplatz hat, wenn das im Einzelfall aus gesundheitlichen Gründen ge-
boten und dem Arbeitgeber zumutbar ist. Aus dieser Pflicht begründet sich auch die Pflicht des
Arbeitgebers, den Arbeitnehmer durch entsprechende Organisationsmaßnahmen vor Mobbing am
Arbeitsplatz zu schützen.
b) Fürsorge für eingebrachte Sachen
Zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gehört es auch, dass er im Rahmen der Zumutbarkeit Maß-
nahmen trifft, um die von den Arbeitnehmern berechtigterweise in den Betrieb mitgebrachten
Sachen (Fahrräder, Kleidungsstücke, evtl. Kraftfahrzeuge) vor Beschädigung oder Diebstahl zu
21
schützen. Nicht von diesem Schutz umfasst sind hingegen Gegenstände, die mit der Arbeitstätig-
keit des Arbeitnehmers nicht in Zusammenhang stehen. Hierunter fallen z.B. Schmuck des Ar-
beitnehmers oder privat genutzte technische Geräte, wie Mobiltelefone, Walkman etc..
c) Pflicht zur Gewährung von Erholungsurlaub (gesondert behandelt, S. 34 ff.).
d) Pflicht zur Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfalle (ges. behandelt, S. 38 ff.)
e) Zeugniserteilung (gesondert behandelt, S. 79 ff.)
f) Freistellung zur Arbeitssuche nach Kündigung (gesondert behandelt, S. 77 ff.))
g) Grundsatz der Gleichbehandlung
Dieser Grundsatz bedeutet, dass der Arbeitgeber in der Behandlung seiner Arbeitnehmer keine
sachfremden willkürlichen Differenzierungen vornehmen darf. (Zur Gleichbehandlung von Frauen
und Männern im Arbeitsverhältnis wird auf die gesonderte Darstellung verwiesen, S. 31 ff.).
2. Die Treuepflicht des Arbeitnehmers
Unter der Treuepflicht des Arbeitnehmers versteht man dessen Verpflichtung, sich nach besten
Kräften für die Interessen des Arbeitgebers und des Betriebs einzusetzen und Maßnahmen zu un-
terlassen, die den Arbeitgeber oder den Betrieb schädigen könnten. Die Treuepflicht des Arbeit-
nehmers ist die Kehrseite der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Der Umfang der Treuepflicht rich-
tet sich auch nach der Intensität der persönlichen Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Ar-
beitgeber und auch nach der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb. Sie ist daher bei einem lei-
tenden Angestellten größer als bei einem Hilfsarbeiter. Die einzelnen Pflichten, die sich aus der
Treuepflicht ergeben, sind zum Teil Handlungs-, zum Teil Unterlassungspflichten:
a) Wettbewerbsverbot
aa) Für kaufmännische Angestellte ist nach § 60 HGB jede Wettbewerbstätigkeit für die Dauer
des Arbeitsverhältnisses verboten. Für die anderen Arbeitnehmer gibt es keine ausdrückliche ge-
setzliche Vorschrift. Auch sie haben jedoch nach herrschender Rechtsprechung jede Tätigkeit,
durch die dem Arbeitgeber Wettbewerb gemacht wird, zu unterlassen. Sollte der Arbeitnehmer
diesem Gebot zuwiderhandeln, steht dem Arbeitgeber ein Unterlassungsanspruch gegen diesen
zu, bei schweren Verstößen sogar ein Schadensersatzanspruch.
bb) Für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht keine automatische Verpflich-
tung, Wettbewerbsbetätigungen zu unterlassen. Der Arbeitnehmer ist an der beliebigen Verwer-
tung seiner Arbeitskraft nicht gehindert. Die in einem früheren Arbeitsverhältnis erworbenen
Kenntnisse und Erfahrungen können grundsätzlich ohne Einschränkung weiterverwendet werden.
Es kann allerdings ein Wettbewerbsverbot für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
vereinbart werden. In diesem Fall muss eine schriftliche Vereinbarung erfolgen, die dem Arbeit-
nehmer auszuhändigen ist. Das Wettbewerbsverbot muss dem Schutz berechtigter geschäftlicher
Interessen des Arbeitgebers dienen und kann nicht für länger als 2 Jahre nach Ende des Arbeits-
verhältnisses vorgesehen werden. Es ist auch nur dann verbindlich, wenn sich der Arbeitgeber
verpflichtet, dem Arbeitnehmer für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für
jedes Jahr mindestens die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen beträgt. -
Eine gesetzliche Regelung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots findet sich für kaufmänni-
22
sche Angestellte in den §§ 74 ff des Handelsgesetzbuchs. Diese Regelung gilt nach der herr-
schenden Rechtsprechung entsprechend für alle Arbeitnehmer.
b) Verschwiegenheitspflicht
Diese bedeutet, dass der Arbeitnehmer keine Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse an andere wei-
tergeben darf. Geheimnisse sind Tatsachen, die nicht allgemein bekannt sind, für den Arbeitgeber
objektiv von Wichtigkeit sind und dem Arbeitnehmer als geheim zu halten erkennbar sind. Abge-
sehen von der Möglichkeit, die berufliche Erfahrung und das erworbene Wissen in einem Folge-
arbeitsverhältnis weiterverwerten zu dürfen, gilt die Verschwiegenheitspflicht auch über das En-
de des Arbeitsverhältnisses hinaus.
c) Schmiergeldannahmeverbot
Der Arbeitnehmer darf keine Geschenke oder andere Vorteile annehmen, da er sonst den Arbeit-
geber in und bei der Ausführung der Arbeit nicht mehr objektiv beraten kann. Erlaubt ist die An-
nahme gebräuchlicher Gelegenheitsgeschenke, die in keiner Beziehung zu einem pflichtwidrigen
Tun stehen. (Die Abgrenzung erfolgt im Einzelfall unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, je-
doch fallen Einladungen zu Geschäftsessen und kleinere Weihnachtsgeschenke nicht unter die
Einschränkung.) Andere Geschenke sind dem Arbeitgeber abzuliefern.
d) Schadensanzeige- und Abwendungspflicht
Sofern der Arbeitnehmer in seinem Arbeitsbereich drohende oder eingetretene Schäden (z. B.
Material- oder Maschinenschäden) entdeckt, so hat er diese abzuwenden, abzustellen oder zu
melden.
e) Als weitere Nebenpflichten können u. a. genannt werden:
Verbot kredit- und rufschädigender Äußerungen, Wahrung des Betriebsfriedens, Verpflichtung
zur Leistung von für den Betrieb dringend erforderlicher Mehrarbeit, Anzeigepflicht des Arbeit-
nehmers bei Arbeitsverhinderung; Verbot von Nebentätigkeiten.
23
TEILZEITARBEIT
Vollzeitbeschäftigung und Teilzeitbeschäftigung (Teilzeitarbeit) unterscheiden sich durch die
Dauer der Arbeitszeit. Teilzeitbeschäftigte sind solche Arbeitnehmer, deren regelmäßige Wo-
chenarbeitszeit kürzer ist als die eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Das
Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG), das seit 01.01.2001 in Kraft ist,
geht von der Gleichbehandlung der Teilzeitbeschäftigten mit den Vollzeitbeschäftigten aus. Es
verbietet eine Schlechterstellung der Teilzeitbeschäftigten, sofern nicht sachliche Gründe eine
unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Bei der Arbeitsvergütung ist darauf zu achten, dass
Teilzeitbeschäftigte Anspruch auf anteilig gleiche Vergütung wie Vollzeitbeschäftigte bei gleich-
artiger Tätigkeit haben.
Aus der Gleichbehandlung von Voll- und Teilzeitbeschäftigten ergibt sich auch die Gleichbehand-
lung bei der Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle, bei der Feiertagsbezahlung, beim
Urlaub sowie bei Kündigungsfristen und beim Kündigungsschutz.
1. Stellenausschreibung (§ 7 TzBfG)
Bei Ausschreibung eines Arbeitsplatzes muss dieser auch als Teilzeitarbeitsplatz ausgeschrieben
werden, wenn sich der Arbeitsplatz hierfür eignet. Das Auswahlermessen des Arbeitgebers wird
durch diese Bestimmung nicht eingeschränkt. Trotz gleichzeitiger Ausschreibung als Teilzeitar-
beitsplatz kann die Stelle mit einer Vollzeitkraft besetzt werden.
2. Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit (§ 8 TzBfG)
Jeder Arbeitnehmer kann eine Verringerung der Arbeitszeit verlangen, wenn
— das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate bestanden hat,
— der Arbeitgeber ausschließlich der Auszubildenden mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt
und
— der begehrte Umfang der Verringerung spätestens 3 Monate vor ihrem gewünschten Be-
ginn von dem Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht wird. Dabei soll
die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angegeben werden.
Der Arbeitgeber hat mit dem Arbeitnehmer die gewünschte Verringerung der Arbeitszeit mit dem
Ziel zu erörtern, zu einer Vereinbarung zu gelangen. Der Arbeitgeber muss dem Wunsch des Ar-
beitnehmers nach Verringerung der Arbeitszeit zustimmen, soweit nicht betriebliche Gründe ent-
gegenstehen. Ein entgegenstehender betrieblicher Grund liegt etwa dann vor, wenn die Verringe-
rung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesent-
lich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Will der Arbeitgeber wegen eines
entgegenstehenden Grundes die Verringerung der Arbeitszeit ablehnen, so muss er dies dem Ar-
beitnehmer spätestens einen Monat vor Beginn der gewünschten Veränderung schriftlich mittei-
len, sonst wird die Arbeitszeit entsprechend dem Wunsch des Arbeitnehmers verringert.
Teilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Ablehnung rechtzeitig mit, bleibt es zunächst bei der
bisherigen Arbeitszeitregelung. Der Arbeitnehmer müsste in diesem Fall ggf. die Zustimmung zur
Arbeitszeitverringerung vor dem Arbeitsgericht erstreiten, wenn er einen ausreichenden entge-
genstehenden betrieblichen Grund verneint.
24
Der Arbeitnehmer kann eine erneute Verringerung seiner Arbeitszeit frühestens nach dem Ablauf
von 2 Jahren verlangen.
Beantragen teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer eine Verlängerung der Arbeitszeit, so muss der Ar-
beitgeber sie bei der Besetzung von freien Arbeitsplätzen berücksichtigen.
25
GERINGFÜGIGE BESCHÄFTIGUNG
Geringfügige Beschäftigung liegt vor, wenn das Arbeitsentgelt eine gesetzliche Geringfügigkeits-
grenze bei einer bestimmten Wochenarbeitszeit nicht überschreitet. Da auch das geringfügige
Beschäftigungsverhältnis ein ordentliches Arbeitsverhältnis darstellt, finden auf dieses alle Rege-
lungen Anwendungen, die auch auf Arbeitsverhältnisse oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze an-
wendbar sind. Hierunter fallen bspw. die Bestimmungen zum Urlaub, zur Krankheit, zur Arbeits-
zeit, zum Kündigungsschutz und zum Mutterschutz.
Die Einkommensgrenze bei den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen wird ab dem
01.01.2013 von EUR 400,00 auf EUR 450,00 monatlich angehoben. Von diesem Arbeitsentgelt
muss der Arbeitnehmer keine Steuern und Sozialabgaben abführen. Dieses gilt auch dann, wenn
die geringfügige Beschäftigung neben einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit (jedoch nicht
beim selben Arbeitgeber) ausgeübt wird. Der Arbeitgeber muss für den Arbeitnehmer jedoch 15%
Rentenversicherungsbeiträge leisten und diesen über die Möglichkeit aufklären, dass der Arbeit-
nehmer durch freiwillige Zahlung auf den vollen Rentenversicherungssatz aufstocken kann. Ab
2013 wird der Beitragssatz zur Rentenversicherung von 19,6 % auf 18,9 % abgesenkt.
Ab 01.01.2013 besteht nunmehr grundsätzlich eine Rentenversicherungspflicht, wobei den Ar-
beitnehmern aber ein Befreiungsrecht eingeräumt wird. Darüber hinaus trifft den Arbeitgeber
die Pflicht, pauschal 11% des Arbeitsentgelts an die gesetzliche Krankenversicherung des gering-
fügig Beschäftigten sowie eine 2%ige Pauschalsteuer, die Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag
gemäß § 40a EStG beinhaltet, an die Bundesknappschaft abzuführen(Infos und Formulare unter
www.minijobzentrale.de).
Auf Grund der neuen Geringfügigkeitsgrenzen wurden zum Schutz der Beschäftigten Übergangs-
regeln eingeführt.
Beschäftigte, die bisher zwischen EUR 400,01 und EUR 450,00 verdient haben, können, sofern
nicht bereits eine Familienversicherung besteht, bis Ende 2014 weiterhin in der gesetzlichen
Krankenversicherung pflichtversichert bleiben. Diese Beschäftigten bleiben zudem auch über den
31.12.2012 hinaus rentenversicherungspflichtig und können erst ab dem 31.12.2014 einen Be-
freiungsantrag stellen.
Übt der Mitarbeiter mehrere geringfügige Beschäftigungen gleichzeitig aus und übersteigt das
Gesamteinkommen die EURO 450,00 Grenze nicht, bleibt es bei der Sozialversicherungsfreiheit.
Wir die Grenze von EURO 450,00 jedoch überschritten, werden alle Beschäftigungsverhältnisse
sozialversicherungspflichtig.
Die Beschäftigungsverhältnisse mit einem Monatsentgelt von EUR 450,01 bis zu EUR 850,00 be-
finden sich in einer Einkommensgleitzone (bis zum 31.12.2012 galt dies für Monatsentgelte von
EUR 400,01 bis zu EUR 800,00). Bei Beschäftigungsverhältnissen, die sich innerhalb dieses Rah-
mens bewegen, besteht eine volle Sozialversicherungspflicht. Der Arbeitgeberanteil zur Sozial-
versicherung wird dadurch auf den vollen Beitrag von 21% angehoben. Der Anteil des Arbeit-
nehmers klettert von ca. 4% bei einer Tätigkeit mit einem Arbeitsentgelt von EUR 450,01 auf den
vollen Beitrag von ca. 21% bei EUR 850,00 an. Der Arbeitnehmer hat sein Einkommen dann indi-
viduell zu versteuern.
Auch hier gibt es Übergangsregelungen. Für Beschäftigte, die vor dem 1. Januar 2013 in der
Gleitzone über 400 bis 450 Euro beschäftigt waren, gilt die frühere Gleitzonenregelung bis zum
31. Dezember 2014 weiter. Für Mitarbeiter, die vor dem 1. Januar 2013 ein Arbeitsentgelt ober-
halb der Gleitzone von 800 bis 850 Euro erzielten, bleibt es bei der Anwendung des bis dahin
geltenden Rechts. Sie können jedoch bis zum 31. Dezember 2014 die Anwendung der neuen
Gleitzonenregelung wählen.
26
Die Einkommensgleitzone gilt nicht uneingeschränkt. Ausgenommen sind:
Personen, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind, vgl. §§ 344
Abs. 4 SGB III, 226 Abs.4 SGB V, 163 Abs. 10 SGB VI;
Beschäftigte, für deren Beitragsberechnung fiktive Arbeitsentgelte zu-
grunde gelegt werden (z.B. bei der Beschäftigung bei behinderten
Menschen);
in Fällen der Arbeitsteilzeit oder sonstiger Vereinbarungen über flexib-
le Arbeitszeiten, in denen das reduzierte Arbeitsentgelt innerhalb der
Gleitzone liegt;
Arbeitnehmer, deren Arbeitsentgelt nur wegen Kurzarbeit oder im
Baugewerbe wegen schlechten Wetters innerhalb der Gleitzone liegt.
Bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen für haushaltsnahe Dienstleistungen trifft den Ar-
beitgeber bei geringfügig Beschäftigten eine Abgabepflicht von jeweils pauschal 5% für Renten-
und Krankenversicherung sowie eine 2%ige Pauschalsteuer. Für dieses Beschäftigungsverhältnis
kann der Arbeitgeber, sofern er den Arbeitnehmer in seinem privaten Haushalt beschäftigt, pro
Jahr 10% (maximal EUR 510,00) seiner Aufwendungen von seiner Steuerschuld abziehen. Nimmt
der Arbeitgeber jedoch eine voll sozialversicherungspflichtige haushaltsnahe Dienstleistung in
Anspruch, kann der Arbeitgeber 12% seiner Aufwendungen von der Steuerschuld abziehen. Ein
noch höherer Abzug von 20% seiner Aufwendungen kann der Arbeitgeber geltend machen, wenn
er den Arbeitnehmer durch eine Vermittlungsagentur oder ein Vermittlungsunternehmen vermit-
telt bekommen hat.
27
GLEICHBEHANDLUNG VON FRAUEN UND MÄNNERN IM ARBEITSVERHÄLTNIS
Der Grundsatz der Gleichbehandlung von Frauen und Männern bestimmt heute auch das Arbeits-
recht. Die Rechtsprechung der Gerichte, vor allem auch des Europäischen Gerichtshofs, zeigt
deutlich, wie dieser Grundsatz mehr und mehr den rechtlichen Inhalt der Arbeitsverhältnisse be-
einflusst. Spezielle gesetzliche Regelungen wollen der Gefahr der Diskriminierung aus Gründen
des Geschlechts im Arbeitsleben entgegenwirken.
Es gilt bei allen Regelungen des Arbeitsverhältnisses zu prüfen, ob der Gleichbehandlungsgrund-
satz beachtet wird, keine Diskriminierung wegen des Geschlechts vorliegt und den Frauen gleiche
Chancen im Beruf eingeräumt werden. Auf einige besondere Probleme und Regelungen wird im
Folgenden hingewiesen:
Bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses ist schon bei der Stellenausschreibung auf ge-
schlechtsneutrales Verhalten zu achten. Ein Arbeitsplatz darf nach § 11 AGG nicht nur für Män-
ner oder nur für Frauen ausgeschrieben werden, es sei denn, ein bestimmtes Geschlecht ist un-
verzichtbare Voraussetzung für die Tätigkeit. Auch müssen die Stellenausschreibungen genau
formuliert und alle entscheidenden Kriterien genannt werden. Die Ablehnung einer Frau darf
nicht mit Fakten begründet werden, die in der Stellenausschreibung nicht genannt wurden.
§ 2 AGG enthält ein Benachteiligungsverbot bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses. Danach
darf der Arbeitgeber Bewerber oder Mitarbeiter nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligen.
Eine unterschiedliche Behandlung ist nur dann erlaubt, wenn ein bestimmtes Geschlecht wegen
der Art der vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit unverzichtbare Voraussetzung ist. Von der
Rechtsprechung anerkannte Tätigkeiten sind z.B. der Bergbau unter Tage, der Justizvollzugs-
dienst, die Tätigkeit in Frauenhäusern oder eine Tätigkeit in Ländern außerhalb der EU, in denen
ein anderes Rollenverständnis besteht. Die Beweislast liegt jeweils beim Arbeitgeber. Beim Ver-
stoß gegen das Benachteiligungsverbot kann der benachteiligte Bewerber eine angemessene Ent-
schädigung in Geld verlangen; ein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses besteht
nicht. Wäre ein Bewerber auch ohne Benachteiligung bei der Auswahl nicht eingestellt worden,
so ist der Entschädigungsanspruch auf höchstens drei Monatsverdienste beschränkt.
Nicht nur bei der Begründung, sondern in allen Bereichen und allen Stadien eines Arbeitsverhält-
nisses ist, wie eine Vielzahl von Urteilen zeigt, auf Gleichbehandlung zu achten. So etwa beim
Arbeitsentgelt, bei Voll- und Teilzeitbeschäftigung, beim beruflichen Aufstieg, bei der betriebli-
chen Altersversorgung, bei Gratifikationen oder bei den Kündigungsfristen. Der Arbeitgeber ist
ausdrücklich verpflichtet, die Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu schüt-
zen. Zur sexuellen Belästigung gehört auch das sichtbare Anbringen von pornographischen Dar-
stellungen, die von den Betroffenen erkennbar abgelehnt werden. Ergreift der Arbeitgeber keine
oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen, um die sexuelle Belästigung zu unterbinden, so
können die belästigten Beschäftigten ihre Arbeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts einstellen,
soweit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist.
28
URLAUBSRECHT
Als Rechtsgrundlage für den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers kommen gesetzliche Regelun-
gen, Tarifverträge und auch vertragliche Vereinbarungen in Betracht. Die wichtigste gesetzliche
Grundlage des Urlaubsrechts bildet das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Daneben sind Sonderbe-
stimmungen zu beachten wie etwa im Jugendarbeitsschutzgesetz oder im Schwerbehinderten-
recht. Den gesetzlichen Regelungen gehen teilweise tarifliche Bestimmungen oder Einzelverein-
barungen vor. Gewisse gesetzliche Bestimmungen sind zwingend, etwa der Mindesturlaub von
24 Werktagen oder die Regelung, dass das Urlaubsjahr das Kalenderjahr sein muss.
1. Urlaubsdauer
Nach § 3 des Bundesurlaubsgesetzes beträgt die Mindesturlaubsdauer 24 Werktage. Da das Ge-
setz als Urlaubstage alle Werktage einschließlich des Samstags - auch wenn dieser arbeitsfrei ist
- zählt, bedeutet diese Regelung einen Urlaubsanspruch von 4 Wochen. Beträgt die Anzahl der
Arbeitstage weniger als 6 pro Woche, was insbesondere dann der Fall ist, wenn der Samstag ar-
beitsfrei ist, so stimmen Werktage einerseits und Arbeits- bzw. Urlaubstage andererseits nicht
mehr überein. In diesem Fall muss nach einer vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Formel ei-
ne Umrechnung der Werktage in Arbeits- bzw. Urlaubstage erfolgen. Dies geschieht dadurch,
dass die Anzahl der Werktage, die dem Arbeitnehmer als Urlaubstage zustehen, durch die Anzahl
der Werktage einer Woche (montags bis samstags = 6) dividiert und sodann mit der Anzahl der
für den Arbeitnehmer individuell maßgeblichen Arbeitstage multipliziert wird. 24 Werktage ent-
sprechen so in der Fünftagewoche 20 Urlaubstagen.
Auch Teilzeitbeschäftigte haben unabhängig von der Höhe ihres Arbeitsentgelts Anspruch auf
bezahlten Erholungsurlaub. Arbeiten sie nur an einzelnen Tagen der Woche, so ist der Urlaubsan-
spruch von 24 Werktagen nach dem Bundesurlaubsgesetz wie vorstehend dargestellt umzurech-
nen. Arbeitet der Teilzeitbeschäftigte z. B. an zwei Tagen in der Woche, so stehen ihm umge-
rechnet 8 Urlaubstage zu.
Die Tarifverträge sehen überwiegend einen höheren Urlaubsanspruch vor. In den Branchen, in
denen üblicherweise nur an 5 Wochentagen gearbeitet wird, ist in den Tarifverträgen meist die
Berechnung des Urlaubs nach Arbeitstagen vorgesehen. Dabei wird allerdings in der Regel vorge-
schrieben - um Ungerechtigkeiten zu vermeiden - dass auch dann 5 Arbeitstage pro Woche zu
rechnen sind, wenn die Arbeitszeit auf mehr oder weniger als 5 Tage in der Woche verteilt ist,
bzw. sich der Urlaubsanspruch entsprechend erhöht oder vermindert.
Das Jugendarbeitsschutzgesetz sieht in § 19 für jugendliche Arbeitnehmer eine längere Urlaubs-
dauer vor. Der Jugendlichenurlaub beträgt
mindestens 30 Werktage, wenn der Jugendliche zu Beginn des
Kalenderjahres noch nicht 16 ist;
mindestens 27 Werktage, wenn der Jugendliche zu Beginn des
Kalenderjahres noch nicht 17 ist;
mindestens 25 Werktage, wenn der Jugendliche zu Beginn des
Kalenderjahres noch nicht 18 ist.
Nach § 125 SGB IX erhalten Schwerbehinderte - nicht Gleichgestellte - einen bezahlten Zusatz-
urlaub von 5 Arbeitstagen (berechnet auf der Basis von 5 Arbeitstagen in der Kalenderwoche).
29
2. Wartezeit
Den vollen Urlaubsanspruch erwirbt der Arbeitnehmer gem. § 4 BUrlG nach einer Wartezeit von 6
Monaten. Maßgebend ist die rechtliche Dauer des Arbeitsverhältnisses, so dass auch die Zeit ei-
ner längeren Krankheit auf die Wartezeit anzurechnen ist.
3. Urlaub im Ein- und Austrittsjahr
Erfüllt ein Arbeitnehmer die Wartezeit nicht, weil er etwa vor Ablauf von 6 Monaten wieder aus
dem Arbeitsverhältnis ausscheidet oder erst nach dem 1. Juli in den Betrieb eintritt, so erhält er
ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses.
Diese Zwölftelung gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer zwar die Wartezeit erfüllt hat, aber in
der ersten Jahreshälfte wieder aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet (Ausscheiden bis 30.06.,
vgl. § 5 BUrlG).
Beispiele: Tritt der Arbeitnehmer am 01.09. in ein Unternehmen ein, so erwirbt er für die Zeit
vom 01.09. bis 31.12. einen Urlaubsanspruch in Höhe von 4/12 des Jahresurlaubs. Bei Eintritt am
01.07. entsteht der volle Urlaubsanspruch; der Arbeitnehmer muss sich allerdings anrechnen las-
sen, was er bei einem früheren Arbeitgeber evtl. schon an Urlaub gehabt hat. Bei Bestehen des
Arbeitsverhältnisses vom 01.01. bis 30.06. ist trotz sechsmonatiger Dauer des Arbeitsverhältnis-
ses nur ein Anspruch auf 6/12 des Jahresurlaubs gegeben, da der Arbeitnehmer in der ersten
Hälfte des Kalenderjahres ausscheidet.
Sofern sich bei der Berechnung des Teilurlaubs Bruchteile von Urlaubstagen ergeben, sind Bruch-
teile von mindestens einem halben Tag auf volle Tage aufzurunden; geringere Bruchteile sind
entsprechend ihrem Umfang dem Arbeitnehmer durch Befreiung von der Arbeitspflicht zu ge-
währen.
4. Urlaubsgewährung
Den Zeitpunkt des Urlaubs bestimmt der Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts nach pflicht-
gemäßem Ermessen. Allerdings ist er in seiner Entscheidung nicht völlig frei. Vielmehr muss er
die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer nach Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse und sozial
vorrangiger Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer berücksichtigen, vgl. § 7 BUrlG. Zu den be-
trieblichen Belangen, die den Urlaubswünschen des Arbeitnehmers entgegenstehen können, ge-
hört es etwa, wenn in einem Unternehmen Betriebsferien gemacht werden oder saisonale Eng-
pässe bestehen. Soweit in einem Unternehmen ein Betriebsrat besteht, sind dessen Mitbestim-
mungsrechte bei der Festlegung des Urlaubs zu beachten. Der Betriebsrat hat bei der Aufstellung
allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans mitzubestimmen, außerdem auch bei der
Festsetzung von Einzelurlaubszeiten, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Ar-
beitnehmern kein Einverständnis erzielt wird.
Urlaub darf nicht eigenmächtig genommen werden. Eigenmächtiger Urlaubsantritt kann als be-
harrliche Arbeitsverweigerung anzusehen sein und stellt eine Verletzung der Arbeitsvertrags-
pflicht dar. Ein solches Verhalten des Arbeitnehmers kann zur Folge haben, dass der Arbeitgeber
nach den jeweiligen Umständen zu einer ordentlichen bzw. fristlosen Kündigung berechtigt ist
und Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitnehmer geltend machen kann.
30
Bei der Gewährung des Urlaubs ist darauf zu achten, dass dieser zusammenhängend zu gewäh-
ren ist, wenn nicht dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe
eine Teilung notwendig machen. Auf alle Fälle muss ein Urlaubsteil mindestens 12 aufeinander-
folgende Werktage umfassen, sofern ein Urlaubsanspruch in dieser Höhe besteht (vgl. § 7 II
BUrlG).
5. Übertragbarkeit des Urlaubs
Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung
des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur zulässig, wenn dringende betriebliche oder in
der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss
der Urlaub in den ersten 3 Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen wer-
den (vgl. § 7 III BUrlG), sonst erlischt er. Gewährt ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Urlaub
nicht vor Ablauf des Übertragungszeitraums, obwohl der Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch gel-
tend macht, so tritt an dessen Stelle nach Zeitablauf ein Urlaubsanspruch in gleicher Höhe im
neuen Urlaubsjahr.
6. Widerruf zugesagten Urlaubs
Der Arbeitgeber kann zugesagten Urlaub nur bei Eintritt unvorhersehbarer besonders dringender
Erfordernisse widerrufen. Er ist allerdings dann verpflichtet, dem Arbeitnehmer den diesem durch
den Widerruf entstehenden materiellen Schaden zu ersetzen.
7. Erkrankung während des Urlaubs
Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nach-
gewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Urlaub nicht angerechnet (vgl. § 9 BurlG).
8. Urlaubsanspruch bei längerer Krankheit
Auch bei längerer Krankheit während des Urlaubsjahres wird der Urlaubsanspruch nicht beein-
trächtigt. Er besteht selbst dann, wenn der Arbeitnehmer das ganze Jahr krank war. Allerdings
kann der Urlaub aus dem abgelaufenen Urlaubsjahr dann erlöschen, wenn der Arbeitnehmer über
den 31.03. des folgenden Jahres hinaus krank ist und dadurch den Urlaub nicht geltend machen
kann.
9. Urlaubsabgeltung
Es ist grundsätzlich unzulässig, den Urlaub abzugelten. Dies folgt schon aus dem Grundgedanken
des Urlaubs, d. h. der Freistellung von der Arbeit zum Zweck der Erholung von der geleisteten Ar-
beit und für die Arbeitsleistung in der Zukunft. Nur dann, wenn der Urlaub wegen Beendigung
des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, ist er abzugelten
(vgl. § 7 IV BUrlG). Der Abgeltungsanspruch besteht auch bei fristloser Kündigung. Der Abgel-
tungsanspruch setzt allerdings immer voraus, dass der Urlaubsanspruch noch erfüllt werden
könnte, wenn das Arbeitsverhältnis weiter bestünde.
31
10. Erwerbsarbeit während des Urlaubs
Erwerbsarbeit während des Urlaubs ist gem. § 8 BUrlG verboten, sofern diese dem Urlaubszweck
widerspricht. (Eine nicht dem Urlaubszweck widersprechende Arbeit könnte beispielsweise sein,
wenn ein Arbeitnehmer in einem Freibad bei der Aufsicht mithilft.) Bei urlaubswidriger Tätigkeit
kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen Vertragsverletzung abmahnen. Eine Nebentätig-
keit, die auch neben der hauptberuflichen Tätigkeit zulässig ist, unterfällt nicht diesem Verbot
(vgl. zur Nebenbeschäftigung S. 23). Auch Gefälligkeitstätigkeiten, Aus- und Weiterbildungs-
maßnahmen oder Renovierungsarbeiten im und am eigenen Haus sind zulässig.
11. Urlaubsentgelt
Das Urlaubsentgelt bemisst sich gem. § 11 BUrlG nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst,
das der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat. Zu-
sätzlich für Überstunden gezahlter Arbeitsverdienst wird dabei nicht berücksichtigt. Bei Ver-
diensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur (z. B. bei Tariflohnerhöhungen, die während
des Berechnungszeitraums oder des Urlaubs eintreten) ist von dem erhöhten Verdienst auszuge-
hen. Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder
unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit eintreten, bleiben für die Berechnung des Urlaubsentgelts
außer Betracht.
12. Zusätzliches Urlaubsgeld
Ein gesetzlicher Anspruch auf ein zusätzliches Urlaubsgeld besteht nicht. Häufig wird jedoch
aufgrund tarifvertraglicher oder arbeitsvertraglicher Regelung ein zusätzliches Urlaubsgeld ge-
währt. Höhe und Bedingungen richten sich nach der bestehenden Regelung.
13. Urlaubsquittung
Der Arbeitgeber ist nach § 6 II BUrlG verpflichtet, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem
Arbeitnehmer eine Bescheinigung über den im laufenden Kalenderjahr gewährten oder abgegol-
tenen Urlaub auszuhändigen. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, zu verhindern, dass der Ar-
beitnehmer Doppelurlaubsansprüche gegen seinen früheren und jetzigen Arbeitgeber geltend
machen kann.
14. Arbeitsverhinderung (sog. Sonderurlaub)
Von dem allgemeinen Urlaubsanspruch, der allein der Erholung des Arbeitnehmers dient, sind
andere Befreiungsgründe von der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers abzugrenzen. Dem Arbeit-
nehmer kann aufgrund persönlicher Sondersituationen einen gesetzlichen Anspruch auf kurzfris-
tige Dienstbefreiungen –Sonderurlaub- zustehen. Solche Befreiungen von der Arbeitspflicht
kommen insbesondere in Betracht:
1) aus persönlichen Gründen des Arbeitnehmers gemäß § 616 BGB:
- Hierunter fallen z.B. Hochzeit, Todesfall, Kindesgeburt oder die Wahrnehmung staats-
bürgerlicher Pflichten;
32
2) bei Erkrankung des Kindes:
- In erster Linie hat sich der Arbeitnehmer zu bemühen, die Pflege und Betreuung sei-
nes Kindes durch andere Personen sicherzustellen. Ist jedoch niemand zu finden, der
die Betreuung übernehmen könnte oder handelt es sich um eine schwerwiegende
Krankheit, so kann die erwerbstätige Mutter (oder der Vater) zu Hause bleiben. An
bis zu 5 Tagen pro Jahr wird das Arbeitsentgelt dabei weiter bezahlt. Diese Leis-
tungspflicht kann jedoch durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag ausgeschlossen wer-
den. Ist diese Pflicht wirksam ausgeschlossen worden, steht sowohl der Mutter als
auch dem Vater für jedes Kind, das wegen seiner Krankheit nicht allein sein kann,
jeweils ein 10-tägiger Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber zu. Daneben
sieht der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen ein sog. Kinder-
krankengeld vor, sofern das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
3) Freizeit zur Stellensuche;
4) Mutterschaftsurlaub und Elternzeit (siehe hierzu S. 46);
5) aus tarifvertraglichen Regelungen.
33
KRANKHEIT IM ARBEITSRECHT
Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist durch das Entgeltfortzahlungsgesetz geregelt. Auch
Aushilfskräfte, Teilzeit- und geringfügig Beschäftigte sowie Auszubildende werden hiervon er-
fasst.
1. Grundsatz der Entgeltfortzahlung
Wird ein Arbeitnehmer schuldlos durch Arbeitsunfähigkeit an der Arbeitsleistung verhindert, so
hat er nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) Anspruch auf Entgeltfortzahlung bis zur
Dauer von 6 Wochen. Ein Ausschluss des Fortzahlungsanspruchs durch Vereinbarung ist nicht
möglich. Der Fortzahlungsanspruch entsteht erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des
Beschäftigungsverhältnisses.
2. Unverschuldete Krankheit
Der arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer kann von seinem Arbeitgeber die Fortzahlung nur
dann verlangen, wenn ihn an der Krankheit kein Verschulden trifft. Ein Verschulden, das vom Ar-
beitgeber bewiesen werden muss, ist nur dann anzunehmen, wenn es sich um ein vorsätzliches
oder „grob fahrlässiges“ Verhalten handelt. Dabei wird grobe Fahrlässigkeit dann angenommen,
wenn der Arbeitnehmer sich die Krankheit durch ein unverständliches, leichtfertiges oder gegen
die guten Sitten verstoßendes Verhalten zugezogen hat. Es genügt also nicht jede leicht fahrläs-
sige Herbeiführung der Arbeitsunfähigkeit, die erfahrungsgemäß jedem einmal unterlaufen kann.
(Beispiele aus der Rechtsprechung für Verschulden: grober oder leichtfertiger Verstoß gegen Un-
fallverhütungsvorschriften, schwerer Verstoß gegen die Verkehrsordnung - insbesondere Ver-
kehrsunfall infolge Trunkenheits- oder Sportunfall bei besonders großem Verletzungsrisiko, sog.
Risikosportarten, wie z.B. Kickboxen und Bungee-Jumping.)
3. Dauer der Entgeltfortzahlung und Fortsetzungskrankheit
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit, längstens bis
zur Dauer von 6 Wochen. Grundsätzlich begründet jede Erkrankung des Arbeitnehmers den
sechswöchigen Entgeltfortzahlungsanspruch neu, sofern die einzelnen Erkrankungen verschieden
sind, nicht auf derselben Ursache beruhen und der Arbeitnehmer zwischen den Erkrankungen ar-
beitsfähig war. Etwas anderes gilt, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb von 12 Monaten - gerech-
net seit dem Beginn der ersten Erkrankung - wiederholt an derselben Krankheit (Fortsetzungs-
krankheit) erkrankt. Dann werden die Arbeitsunfähigkeitszeiten zusammengerechnet, bis die An-
spruchszeit von 6 Wochen verbraucht ist. Dieses gilt jedoch nicht, wenn der Arbeitnehmer zwi-
schen den einzelnen Erkrankungen mehr als 6 Monate arbeitsfähig war oder seit Beginn der ers-
ten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.
Dann entsteht der 6-wöchige Fortzahlungsanspruch neu.
Die gesetzlichen Krankenkassen sind verpflichtet, dem Arbeitgeber auf Nachfrage mitzuteilen, ob
die Fortdauer einer Arbeitsunfähigkeit oder eine erneute Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers
auf derselben Krankheit beruhen. Dieselbe Krankheit liegt vor, wenn sie durch das gleiche Grund-
leiden hervorgerufen wird.
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4. Verursachung durch einen Dritten
Der Fortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber besteht auch dann, wenn
ein Dritter - etwa bei einem Verkehrsunfall - die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers verur-
sacht hat. Allerdings geht in diesem Fall der Schadensersatzanspruch, den der Arbeitnehmer ge-
gen den Dritten hat, kraft Gesetzes auf den Arbeitgeber in der Höhe über, in der dieser dem Ar-
beitnehmer Entgeltfortzahlung geleistet hat (vgl. § 6 EntgFG). Der Arbeitnehmer hat dem Arbeit-
geber unverzüglich die zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlichen Anga-
ben zu machen.
5. Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts
Für die Dauer der Krankheit ist dem Arbeitnehmer nach § 4 EntgFG das ihm bei der für ihn maß-
gebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Das zusätzlich für
Überstunden bezahlte Arbeitsentgelt gehört nicht zur fortzuzahlenden Arbeitsvergütung. Ausge-
nommen sind außerdem Leistungen für Aufwendungen des Arbeitnehmers, soweit der Anspruch
auf sie bei Arbeitsunfähigkeit davon abhängig ist, dass dem Arbeitnehmer entsprechende Auf-
wendungen tatsächlich entstanden sind, und dem Arbeitnehmer solche Aufwendungen während
der Arbeitsunfähigkeit nicht entstehen (z. B. Fahrkosten). Durch Tarifvertrag kann eine abwei-
chende Bemessungsgrundlage für das fortzuzahlende Arbeitsentgelt festgelegt werden, so etwa,
dass es sich - wie beim Urlaub - aus Werten der abgelaufenen Vergütungsperiode errechnet.
Für Arbeitnehmer in Betrieben, die in der Regel nicht mehr als 30 Arbeitnehmer beschäftigen,
gibt es eine Ausgleichsregelung nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (vgl. § 1 AAG). Für diese
Arbeitnehmer erstattet die Krankenkasse des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber 80 % des fortge-
zahlten Arbeitsentgelts, wobei die dafür erforderlichen Mittel durch eine Umlage von den am
Ausgleich beteiligten Arbeitgebern aufgebracht werden müssen.
6. Anzeige- und Nachweispflichten
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussicht-
liche Dauer unverzüglich mitzuteilen (vgl. § 5 EntgFG). Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes
Zögern. Der Arbeitnehmer hat daher den Arbeitgeber in der Regel am ersten Tag der Arbeitsunfä-
higkeit zu benachrichtigen. Tritt die Arbeitsunfähigkeit während eines Auslandsaufenthaltes auf,
so muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, deren voraussichtliche Dauer
und die Adresse am Aufenthaltsort in der schnellstmöglichen Art der Übermittlung mitteilen (z.
B. Telefon oder Telefax). Die durch die Mitteilung entstehenden Kosten muss der Arbeitgeber tra-
gen. Ist der Arbeitnehmer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, so muss er im Falle des Aus-
landsaufenthalts auch dieser die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüg-
lich anzeigen. Kehrt ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer in das Inland zurück, so ist er
verpflichtet, dem Arbeitgeber und der Krankenkasse seine Rückkehr unverzüglich anzuzeigen.
Wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Kalendertage dauert, so muss der Arbeitnehmer eine
ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche
Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorlegen (§ 5 EntgFG). Allerdings ist der
Arbeitgeber berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung auch schon früher - also etwa
schon ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit - zu verlangen. Dabei kann die Verpflichtung
durch den Arbeitsvertrag, durch Betriebsvereinbarung oder durch Verlangen im Einzelfall be-
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gründet werden. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der ärztlichen Bescheinigung ange-
geben, so ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen.
Sofern der Arbeitnehmer seiner Anzeige- oder Nachweispflicht schuldhaft nicht nachkommt, so
ist der Arbeitgeber berechtigt, die Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu verweigern. Dasselbe gilt,
wenn der Arbeitnehmer den ihm im Falle des Auslandsaufenthalts obliegenden Verpflichtungen
nicht nachkommt. Die Verweigerung ist jedoch meist nicht endgültig. Erfüllt der Arbeitnehmer,
wenn auch verspätet seine Pflichten, so ist das Arbeitsentgelt vom Beginn der Arbeitsunfähigkeit
an zu zahlen.
Durch Vorlage der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erbringt der Arbeitnehmer i. d. R.
den notwendigen Beweis für seine Arbeitsunfähigkeit. Dieser Beweis ist jedoch nicht unwiderleg-
lich. Liegen beweisbare Tatsachen vor, die darauf hindeuten, dass die ärztliche Bescheinigung
falsch ist (Beispiele: angekündigte Krankheit, Arbeit in einem anderen Betrieb oder Attest ohne
Untersuchung), dann muss der Arbeitnehmer ggf. auf andere Weise beweisen, dass er tatsächlich
arbeitsunfähig ist bzw. war.
7. Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit
Jeder Arbeitgeber kann, wenn Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers bestehen,
verlangen, dass die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes
zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Das Gesetz vermutet das Bestehen von Zweifeln,
wenn Versicherte auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der
Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von
ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
8. Kündigung während Krankheit
Das Beschäftigungsverhältnis kann grundsätzlich auch während einer Krankheit des Arbeitneh-
mers gekündigt werden. Endet das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung, so endet auch die
Pflicht des Arbeitgebers, dem erkrankten Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Nur
dann, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt oder
dem Arbeitnehmer einen Grund zur außerordentlichen Kündigung gibt, bleibt der Anspruch auf
Fortzahlung des Arbeitsentgelts über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus bis zur maximalen
Dauer von 6 Wochen bestehen.
9. Freistellung zum Arztbesuch
Ein Anspruch auf bezahlte Freistellung zum Arztbesuch lässt sich i. d. R. nicht aus dem Entgelt-
fortzahlungsgesetz ableiten, weil in diesem Fall u. U. keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Ein sol-
cher Anspruch wird aber auf der Grundlage von § 616 BGB bejaht, sofern es dem Arbeitnehmer
entweder nicht möglich oder nicht zumutbar ist, außerhalb der Arbeitszeit zum Arzt zu gehen.
(Beispiele: Der Arbeitnehmer wird morgens nüchtern zur Blutentnahme bestellt oder der Arbeit-
nehmer hat starke Zahnschmerzen).
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10. Freistellung bei Erkrankung von Kindern
Die bei einer Krankenkasse Versicherten haben nach § 45 des 5. Buchs des Sozialgesetzbuchs An-
spruch auf Krankengeld, wenn es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, dass sie zur Beauf-
sichtigung, Betreuung oder Pflege ihres erkrankten Kindes der Arbeit fernbleiben, eine andere in
ihrem Haushalt lebende Person das Kind nicht beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann und
das Kind das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer
(Mutter oder Vater) für die Dauer des Anspruchs von der Arbeitsleistung freistellen. Er ist nach
der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sogar zur Fortzahlung der Vergütung für die frei-
gestellte Arbeitszeit verpflichtet, wenn dieser Anspruch nicht durch Tarifvertrag oder Arbeitsver-
trag abbedungen ist. Liegt ein tarifvertraglicher oder arbeitsvertraglicher Ausschluss vor, dann ist
der Arbeitgeber von der Fortzahlung der Arbeitsvergütung befreit und die erwähnte Verpflich-
tung der Krankenkasse zur Krankengeldzahlung tritt ein.
Der Anspruch auf Freistellung besteht für jedes Kind längstens für 10 Arbeitstage; bei Alleiner-
ziehenden sogar 20 Arbeitstage. Der Gesamtanspruch (bei mehreren Kindern) ist auf 25 Arbeits-
tage, bei Alleinerziehenden auf 50 Arbeitstage begrenzt.
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GRATIFIKATIONEN
In zahlreichen Arbeitsverhältnissen werden - vielfach im Zusammenhang mit gewissen Anlässen
(z. B. Weihnachten oder Dienstjubiläum) - Sonderzuwendungen = Gratifikationen gewährt. Sie
können einerseits Belohnung für geleistete Arbeit oder gezeigte Betriebstreue sein, sie können
aber auch als Anreiz für weitere Dienstleistung und zukünftige Betriebstreue gezahlt werden.
Gesetzlich ist das Gratifikationsrecht nicht geregelt. Es besteht weder ein gesetzlicher Anspruch
auf eine Gratifikation noch regelt das Gesetz die bei der Gewährung von Gratifikationen auftre-
tenden Rechtsfragen, wie etwa die Frage des Rechtsanspruchs bei mehrfacher Gewährung, die
Frage der Rückzahlung bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis oder die Frage der Zulässigkeit
unterschiedlicher Gratifikationszahlungen.
1. Anspruch auf Gratifikation
Ein Rechtsanspruch auf Gewährung einer Gratifikation kann sich aus folgenden rechtlichen Ge-
sichtspunkten ergeben
a) aus einer tariflichen Regelung, die auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet,
b) aus einer Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat,
c) aus einer einzelvertraglichen Vereinbarung,
d) aus mehrfacher vorbehaltloser Gewährung (sog. betriebliche Übung),
e) aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Die herrschende Rechtsprechung geht davon aus, dass nach dreimaliger ununterbrochener Zah-
lung ein Rechtsanspruch auf die Gratifikation entsteht, wenn nicht der Bindungswille durch aus-
drücklichen Vorbehalt ausgeschlossen wurde, etwa durch die Erklärung:
„Bei der Gratifikation handelt es sich um eine freiwillige Leistung, auf die auch bei mehr-
facher Gewährung kein Rechtsanspruch besteht“ bzw. „die jederzeit widerruflich ist“.
Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer die Gratifikation nicht wegen seines Geschlechts oder
deshalb verweigern, weil der Arbeitnehmer Teilzeit beschäftigt ist, wenn er die Gratifikation ver-
gleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern gewährt hat.
2. Höhe der Gratifikation
Die Höhe der Gratifikation ergibt sich aus der maßgebenden tariflichen, betrieblichen oder ein-
zelvertraglichen Regelung. Teilweise strittig ist, ob bei freiwillig gezahlten Gratifikationen eine
unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer, etwa nach Dauer der Betriebszugehörigkeit,
nach Angestellten und Arbeitern, nach Familienstand, nach Leistung und vor allem nach Fehlzei-
ten möglich ist. Die Rechtsprechung steht auf dem grundsätzlichen Standpunkt, dass eine unter-
schiedliche Behandlung dann zulässig sein kann, wenn dafür ein sachlich rechtfertigender Grund
gegeben ist. So hat das Bundesarbeitsgericht in Entscheidungen den allgemeinen Ausschluss von
Teilzeitbeschäftigten von der freiwilligen Weihnachtsgratifikation oder die generelle Ungleichbe-
handlung von Angestellten und Arbeitern bei Gratifikationszahlungen als in der Regel sachlich
nicht gerechtfertigt und daher unzulässig beurteilt. Andererseits werden gewisse Abstufungen
nach Betriebszugehörigkeit, Familienstand oder Kinderzahl für zulässig gehalten.
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3. Kürzung der Gratifikation wegen Krankheitszeiten
Eine Vereinbarung über die Kürzung von Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufen-
den Arbeitsentgelt erbringt (Sondervergütungen), für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge
Krankheit ist gem. § 4 a EntgFG zulässig. Die Kürzung darf für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit
infolge Krankheit ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag
entfällt, nicht überschreiten. (Rechenbeispiel: Bei einem Jahreseinkommen von EUR 30.000,00
und angenommenen 250 Arbeitstagen würde der maximale Kürzungsbetrag pro Krankheitstag
EUR 30,00 betragen.)
4. Ausschluss des Gratifikationsanspruchs
Sehr differenziert ist die rechtliche Betrachtung bei der Frage, ob ein ausscheidender Arbeitneh-
mer noch Anspruch auf eine (Weihnachts-) Gratifikation hat. Dabei ist von Bedeutung, ob die
Gratifikation nur für vergangene oder auch für zukünftige Betriebstreue gewährt wird und vor
allem, ob für die Gewährung der Gratifikation ein Stichtag bestimmt ist. So kann etwa festgelegt
werden, dass nur derjenige Anspruch auf die Gratifikation hat, der zu einem bestimmten Zeit-
punkt, etwa dem 30.11. des Jahres, noch im ungekündigten Arbeitsverhältnis steht. (Selbst bei
einem betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmer lässt die Rechtsprechung die Anwendung einer
solchen Ausschlussklausel zu.) Besteht allerdings keine Stichtagsregelung, so kommt in der Regel
eine Kürzung des Gratifikationsanspruchs bei ausscheidenden Arbeitnehmern nicht in Betracht.
Sollte mit der Gratifikation die erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers honoriert werden,
dann hat der Arbeitnehmer auch bei einem früheren Ausscheiden aus dem Betrieb einen An-
spruch auf anteilige Auszahlung.
5. Kürzung der Gratifikation für die Zeit der Elternzeit
Eine weitere Frage ist, ob für die Zeiten der Elternzeit eine Gratifikation/Sonderzahlung gekürzt
oder ausgeschlossen werden kann. Klarheit besteht dann, wenn eine ausdrückliche tarifliche oder
einzelvertragliche Regelung besteht, etwa in der Weise, dass die Sonderzahlung für jeden Monat
der Elternzeit um ein Zwölftel gekürzt wird. Ohne ausdrückliche Regelung kommt es nach der
Rechtsprechung auf die Zweckbestimmung der Sonderzahlung an. Wenn diese reinen Entgelt-
charakter hat (soll ausschließlich erbrachte Arbeitsleistung honorieren), so hat der/die Elternzeit
in Anspruch nehmende Arbeitnehmer/in nur Anspruch auf Sonderzahlung entsprechend der Zeit
der erbrachten Arbeitsleistung. Anders ist es, wenn die Zuwendung ausschließlich oder teilweise
eine Belohnung für die Betriebstreue darstellen soll. Hier darf nach der Rechtsprechung des Bun-
desarbeitsgerichts keine Kürzung erfolgen. In diesen Fällen kann es also nur bei einer entspre-
chenden vertraglichen Regelung zu einer Kürzung der Sonderzahlung oder zu einem Wegfall
kommen.
6. Rückforderung der Gratifikation
Eine Rückforderung der Gratifikation wegen Kündigung des Arbeitnehmers alsbald nach Erhalt
der Gratifikation kommt allenfalls dann in Betracht, wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitneh-
mer eine entsprechende Vereinbarung getroffen wurde. Ohne eine eindeutig gefasste Rückzah-
lungsvereinbarung hat der Arbeitgeber auf keinen Fall einen Anspruch auf Zurückzahlung der
Gratifikation.
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Für die Vereinbarung von Rückzahlungsvorbehalten hat das Bundesarbeitsgericht gewisse
Rechtsgrundsätze aufgestellt:
a) Rückzahlungsklauseln sind unzulässig bei Gratifikationen bis zu EUR 100,00;
b) bei Gratifikationen über EUR 100,00, aber weniger als einem Monatsgehalt, kann eine
Rückzahlungsvereinbarung für den Fall getroffen werden, dass der Arbeitnehmer aufgrund
eigener Kündigung vor dem 31. März des folgenden Jahres ausscheidet;
c) bei einer Weihnachtsgratifikation in Höhe von mindestens einem Monatsgehalt ist es dem
Arbeitnehmer zuzumuten, den Betrieb erst nach dem 31. März des kommenden Jahres zum
nächstmöglichen Kündigungstermin zu verlassen.
Muss der Arbeitnehmer aufgrund einer zulässigen Rückzahlungsklausel die Weihnachtsgratifika-
tion zurückzahlen, so muss er die gesamte Gratifikation zurückgewähren und darf nicht etwa ei-
nen rückzahlungsfreien Betrag von EUR 100,00 (vgl. a)) zurückbehalten.
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SCHADENSHAFTUNG DES ARBEITNEHMERS IM ARBEITSVERHÄLTNIS
Nicht selten geschieht es, dass der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis dem Arbeitgeber einen
Schaden zufügt (Kellnerin zerbricht Gläser, Facharbeiter beschädigt ein wertvolles Werkstück,
LKW-Fahrer verursacht einen Schaden am LKW oder der Ladung). Dabei taucht die Frage auf, ob
und ggf. wie der Arbeitnehmer für den angerichteten Schaden haftet.
1. Grundsätze der Haftung
Nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen ist von einer Schadenshaftung auszugehen, wenn der
Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, die Vertragsverletzung zu vertreten
hat und dem Arbeitgeber hieraus ein Schaden entsteht. Gleichwohl ist seit Jahrzehnten umstrit-
ten, inwieweit die Haftung des Arbeitnehmers einzuschränken ist. Man braucht nur daran zu
denken, dass es Arbeiten gibt, die als besonders schadensträchtig anzusehen sind, so dass oft
auch bei geringfügiger Sorgfaltsverletzung hohe Schäden entstehen können. Nach der neuesten
Rechtsprechung gelten für die Haftung des Arbeitnehmers nach dem Grad seines Verschuldens
zu beurteilende Grundsätze:
a) eine Haftung des Arbeitnehmers für den vollen Schaden kommt in Betracht, wenn er den
Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat;
b) eine Teilung des Schadens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommt in Betracht,
wenn der Schaden vom Arbeitnehmer durch normale (mittlere) Fahrlässigkeit verursacht
wurde;
c) der Arbeitnehmer haftet nicht, wenn er den Schaden leicht fahrlässig verursacht hat.
Wenn eine Teilung des Schadens in Betracht kommt, (vgl. oben b)), sind die Gesamtumstände
von Schadensanlass und Schadensfolgen nach Billigkeit und Zumutbarkeitsgründen zu gewichten
und gegeneinander abzuwägen. Zu berücksichtigende Umstände sind dabei u. a.
— Maß (Grad) des Verschuldens des Arbeitnehmers;
— Gefahrgeneigtheit der Arbeit;
— Höhe des Schadens;
— durch Versicherung abdeckbares Risiko;
— Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb;
— Höhe des Arbeitsentgelts;
— persönliche Verhältnisse des Arbeitnehmers, also etwa Dauer der Betriebszugehörig-
keit Lebensalter, Familienverhältnisse, bisheriges Verhalten.
Für Schäden, die der Arbeitnehmer Dritten zufügt, haftet aus Gründen seiner Fürsorgepflicht
grundsätzlich der Arbeitgeber, wenn
- der Schaden im Rahmen der Tätigkeit des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber eintritt und
- der Arbeitnehmer bei Verursachung nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat.
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2. Durchsetzung des Anspruchs
Zum einen besteht für den Arbeitgeber die Möglichkeit, seinen Anspruch vom Nettoauszahlungs-
betrag des laufenden Arbeitsentgeltes, abzüglich aller Steuern und Abgaben des Arbeitnehmers,
abzuziehen. Hierbei muss er jedoch beachten, dass er nicht Beträge einbehält, die unter die
Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO fallen. Zum anderen kann der Arbeitgeber seinen Anspruch
gesondert gegenüber dem Arbeitnehmer geltend machen und gegebenenfalls gerichtlich durch-
setzen.
3. Sonderfall: Haftung für Waren- oder Kassenfehlbestände (sog. Mankohaftung)
Insbesondere im Einzelhandel stellt sich die Frage, wie der Arbeitgeber mit Fehlbeträgen in der
Kasse oder Fehlbeständen im Warenlager umzugehen hat. Für die Frage der Haftung des Arbeit-
nehmers ist hier entscheidend, ob die Parteien eine Abrede für einen solchen Fall (sog. Mankoab-
rede) im Arbeitsvertrag getroffen haben.
Liegt dem Arbeitsvertrag eine solche Vereinbarung nicht zugrunde, haftet der Arbeitnehmer dem
Arbeitgeber verschuldensabhängig nach den oben dargestellten Grundsätzen.
Ist eine solche vereinbart worden, kommt eine verschuldensunabhängige Haftung des Arbeit-
nehmers in Betracht, wenn
- der Arbeitnehmer den alleinigen, unbeobachteten und kontrollierten Zugriff auf die ihm
anvertrauten Gegenstände oder Kassenbeträge hat,
- dem Arbeitnehmer ein angemessener finanzieller Ausgleich für das erhöhte Risiko der
Haftung (sog. Mankogeld) gezahlt wird und
- die Mankoabrede hinsichtlich des Umfangs der Haftung klar und eindeutig gefasst ist.
Selbst für den Fall der verschuldensunabhängigen Haftung ist zu beachten, dass die Haftungs-
summe nicht das gezahlte Mankogeld übersteigen darf.
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ARBEITSZEITRECHT
A. Arbeitszeitschutz
1. Geltungsbereich des Arbeitszeitgesetzes
Der allgemeine Arbeitszeitschutz, der die Höchstarbeitszeit, die Mindestruhepausen, die Min-
destruhezeiten, die Nachtarbeitsbeschränkung und die Zulässigkeit von Sonn- und Feiertagsar-
beit regelt, ist durch das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) zwingend vorgegeben. Das ArbZG gilt für alle
Arbeitnehmer in allen Beschäftigungsbereichen; auch für im Haushalt beschäftigte Arbeitneh-
mer. Frauen und Männer werden gleich behandelt. Ausgenommene Personen sind u. a. Leitende
Angestellte i. S. des § 5 Abs. 3 BetrVG. Ausnahmen gibt es auch für Bäckereien und Konditoreien
sowie in der Luftfahrt und in der Binnenschifffahrt.
Neben dem Arbeitszeitgesetz gibt es eine Reihe von besonderen Arbeitszeitschutzregelungen. In
diesem Zusammenhang ist beispielsweise bei minderjährigen Beschäftigten das Jugendarbeits-
schutzgesetz, bei werdenden oder stillenden Müttern des Mutterschutzgesetz und bei schwerbe-
hinderten Arbeitnehmern das Sozialgesetzbuch IX zu beachten.
2. Arbeitszeit
Das Arbeitszeitgesetz regelt die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit. Die Regelung des zeitli-
chen Umfangs, in dem die Arbeitnehmer individuell zur Arbeitsleistung verpflichtet sind, erfolgt
durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung und Arbeitsvertrag.
Die zulässige werktägliche Arbeitszeit ist nach § 3 ArbZG auf 8 Stunden festgelegt, was einer
Wochenstundenzahl von 48 Stunden entspricht. Die tägliche Arbeitszeit darf auf 10 Stunden
verlängert werden, wenn die Verlängerung innerhalb eines Ausgleichszeitraums von 6 Monaten
bzw. 24 Wochen (durch Tarifvertrag kann auch ein längerer Ausgleichszeitraum vorgesehen wer-
den) auf durchschnittlich 8 Stunden pro Werktag ausgeglichen wird. Danach ergibt sich eine
höchstzulässige wöchentliche Arbeitszeit von 60 Stunden (6 Werktage x 10 Stunden). Die über
48 Stunden (6 Werktage x 8 Stunden) hinausgehenden Arbeitsstunden müssen innerhalb des ge-
nannten Ausgleichszeitraums von 6 Monaten so ausgeglichen werden, dass sich pro Werktag
durchschnittlich nicht mehr als 8 Stunden Arbeitszeit ergeben. Urlaubs- und Krankheitstage so-
wie Tage sonstiger Arbeitsbefreiung kommen als Ausgleichstage nicht in Betracht. Sie sind mit
der Regelarbeitszeit von 8 Stunden anzusetzen. Nur Arbeitsstunden, die über die Regelarbeitszeit
von 8 Stunden täglich, bzw. 6 x 8 Stunden = 48 Stunden wöchentlich hinausgehen, müssen auf-
grund des Arbeitszeitgesetzes ausgeglichen werden. Wie der Ausgleich zwischen der vereinbarten
Wochenarbeitszeit und der nach dem ArbZG bis 48 Stunden zulässigen Wochenarbeitszeit er-
folgt, bleibt der Regelung durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag überlas-
sen.
Der Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer länger als 10 Stunden beschäftigt, handelt ordnungs-
widrig (Geldbuße bis zu EUR 15.000,00) und kann sich bei vorsätzlicher Begehung sogar strafbar
machen. Arbeitszeiten, die der Arbeitnehmer bei mehreren Arbeitgebern ableistet, sind zusam-
menzurechnen. Für Notfälle und andere außergewöhnliche Fälle (z. B. drohenden Verderb von
Lebensmitteln oder Gefahr des Misslingens des Arbeitsergebnisses oder unaufschiebbare Vor-
und Abschlussarbeiten) sieht das ArbZG Ausnahmeregelungen vor.
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3. Ruhepausen
Die Mindestdauer der Ruhepausen (Arbeitsunterbrechungen, die innerhalb der Arbeitszeit liegen)
beträgt nach § 4 ArbZG bei einer Arbeitszeit von mehr als 6 bis zu 9 Stunden 30 Minuten und bei
mehr als 9 Stunden 45 Minuten. Die Ruhepausen können in Zeitabschnitte von mindestens 15
Minuten aufgeteilt werden. Ruhepausen zählen nicht zur Arbeitszeit. Arbeitsunterbrechungen
von weniger als 15 Minuten sind keine Ruhepausen i. S. des ArbZG und werden daher auf die Ar-
beitszeit angerechnet. Länger als 6 Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ru-
hepause beschäftigt werden.
In Schicht- und Verkehrsbetrieben kann durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung die gesetz-
liche Mindestruhepause auf Kurzpausen mit angemessener Dauer reduziert werden.
4. Ruhezeit
Die Arbeitnehmer müssen nach § 5 ArbZG nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine Ruhe-
zeit von mindestens 11 Stunden haben. Für einige Betriebe, wie etwa Gaststätten und Beherber-
gungsbetriebe, Verkehrsbetriebe oder Krankenpflegeanstalten gibt es Sonderregelungen. Hier
kann die Ruhezeit um bis zu einer Stunde verkürzt werden, wenn diese Verkürzung innerhalb ei-
nes Kalendermonats oder innerhalb von 4 Wochen durch Verlängerung einer anderen Ruhezeit
auf mindestens 12 Stunden ausgeglichen wird.
5. Nacht- und Schichtarbeit
Für Nacht- und Schichtarbeit sieht § 6 ArbZG eine Reihe von Sonderregelungen vor. Dabei gilt
als Nachtzeit die Zeit von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr und als Nachtarbeit jede Arbeit, die mehr als 2
Stunden im Zeitraum zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr liegt. Als Nachtarbeitnehmer gelten sol-
che Arbeitnehmer, deren Schicht normalerweise mit mehr als 2 Stunden im Zeitraum zwischen
23.00 Uhr und 6.00 Uhr liegt oder die an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr Nachtarbeit ver-
richten.
Auf folgende Besonderheiten im Bereich der Nachtarbeit wird hingewiesen:
a) Wenn die werktägliche Arbeitszeit des Nachtarbeitnehmers 8 Stunden überschreitet, muss
der Ausgleich innerhalb eines Zeitraums von 1 Monat bzw. 4 Wochen erfolgen.
b) Nachtarbeitnehmer haben das Recht, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in re-
gelmäßigen Zeitabständen von nicht weniger als 3 Jahren auf Kosten des Arbeitgebers ar-
beitsmedizinisch untersuchen zu lassen.
c) Nachtarbeitnehmer können die Umsetzung auf einen Tagesarbeitsplatz verlangen, wenn
nach arbeitsmedizinischer Feststellung weitere Nachtarbeit ihre Gesundheit gefährdet oder
wenn sie ein Kind unter 12 Jahren oder einen schwerpflegebedürftigen Angehörigen ver-
sorgen müssen.
d) Die in der Nachtarbeit geleisteten Arbeitsstunden sind dem Arbeitnehmer gesondert zu
vergüten. Dieses kann der Arbeitgeber entweder durch die Gewährung zusätzlicher bezahl-
ter freier Tage oder durch einen angemessenen Zuschlag auf den Bruttoarbeitslohn des Ar-
beitnehmers erfüllen. Besteht für den Ausgleich der Nachtarbeit eine tarifvertragliche Re-
gelung, so geht diese vor.
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6. Sonn- und Feiertagsruhe
An Sonn- und Feiertagen dürfen nach § 9 ArbZG Arbeitnehmer grundsätzlich nicht in der Zeit
von 0 Uhr bis 24.00 Uhr beschäftigt werden. In mehrschichtigen Betrieben mit regelmäßiger Tag-
und Nachtschicht kann Beginn oder Ende der betrieblichen Sonn- und Feiertagsruhe um bis zu 6
Stunden vor- oder zurückverlegt werden, für Kraftfahrer und Beifahrer um bis zu 2 Stunden vor-
verlegt werden, wobei in allen Fällen aber eine beschäftigungsfreie Zeit von 24 Stunden einzu-
halten ist.
Von dem Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit gibt es eine Reihe von Ausnahmen (16 Ausnah-
metatbestände) für Bereiche, in denen für Arbeiten an Sonn- und Feiertagen ein besonderes Be-
dürfnis besteht (Gaststätten, Verkehrsbetriebe, Messen, Krankenhäuser usw.). Rechtsgrundlage
für die Ausnahmen vom Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen ist § 10 ArbZG. Ob ein
Ausnahmetatbestand eine Tätigkeit auch an einem Sonn- oder Feiertag zulässt, kann der Arbeit-
geber im Zweifel bei seinem zuständigen Gewerbeaufsichtsamt feststellen lassen.
B. Überzeitarbeit und deren Vergütung
Von der Frage der nach dem Arbeitszeitgesetz allgemein zulässigen Arbeitszeit ist die Frage zu
trennen, inwieweit und in welchem Umfang von einem einzelnen Arbeitnehmer im Einzelfall
Überzeitarbeit (Überstunden), d. h. über die tarifliche, betriebliche oder einzelvertragliche Ar-
beitszeit hinausgehende Mehrarbeitszeit verlangt werden kann.
Eine Verpflichtung zur Leistung von Überzeitarbeit ergibt sich in der Regel aus dem Arbeitsver-
trag oder aus einem - auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden - Tarifvertrag. Auch wenn eine
ausdrückliche Regelung nicht besteht, kann sich eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Leis-
tung von Überzeit- oder Mehrarbeit ergeben, und zwar aus der besonderen Lage des Betriebs und
aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers. Lehnt der Arbeitnehmer die Ableistung zulässig ange-
ordneter Überstunden ab, so kann im Einzelfall nach vorheriger Abmahnung sogar eine Kündi-
gung des Arbeitnehmers gerechtfertigt sein.
Das Verlangen von Überstunden ist allgemein durch folgende Gesichtspunkte eingeschränkt:
a) nur gesetzlich zulässige Mehrarbeit kann verlangt werden;
b) die Überzeitarbeit muss für den Betrieb dringend erforderlich sein;
c) die Überzeitarbeit muss dem Arbeitnehmer zumutbar sein (Dies ist z. B. nicht gegeben,
wenn der Arbeitnehmer nach Ende der normalen Arbeitszeit noch eine kranke Frau und
Kinder versorgen muss oder die berufstätige Frau ihr Kind nur für die Zeit der normalen Ar-
beitszeit untergebracht hat.);
d) die Überzeitarbeit sollte möglichst frühzeitig angekündigt sein.
Bei der Anordnung von Überzeitarbeit hat der Betriebsrat nach § 87 BetrVG ein Mitbestim-
mungsrecht, wenn dadurch die betriebsübliche Arbeitszeit vorübergehend verlängert wird. Dies
ist gegeben, wenn für den ganzen Betrieb, Betriebsteile, Betriebsabteilungen oder für eine nach
abstrakten Merkmalen abgegrenzte Gruppe von Arbeitnehmern Mehrarbeit verlangt wird. Die Zu-
stimmung des Betriebsrats ist nicht erforderlich, wenn nur einzelne bestimmte Arbeitnehmer von
der Festlegung von Überstunden betroffen sind.
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Soweit auf Weisung des Arbeitgebers Überzeitarbeit zu leisten ist, ist diese auch zu vergüten. Auf
alle Fälle ist für die zusätzliche Arbeitszeit die Grundvergütung zu gewähren. Bei Lohnempfän-
gern ist die Grundvergütung der gezahlte Stundenlohn. Bei Gehaltsempfängern ergibt sich die
Grundvergütung aus dem Monatsgehalt, geteilt durch die Zahl der regelmäßigen monatlichen
Arbeitsstunden. (Den Teilungsfaktor kann man errechnen aus wöchentlicher Arbeitszeit mal 52
geteilt durch 12. Dadurch ergibt sich bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden ein Tei-
lungsfaktor von 173,33. Durch diesen Teilungsfaktor ist die monatliche Grundvergütung zu divi-
dieren.) Außer der Grundvergütung sind evtl. noch Zuschläge zu zahlen. Ob und in welcher Höhe
Überstundenzuschläge zu vergüten sind, kann sich aus dem Arbeitsvertrag oder aus einem auf
das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifvertrag ergeben. Es besteht aber auch die Möglichkeit,
Überzeitarbeit durch die Vereinbarung eines Freizeitausgleichs zu kompensieren.
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MUTTERSCHUTZ, ELTERNGELD, ELTERNZEIT, PFLEGEZEIT
Mit dem Mutterschutzgesetz sollen erwerbstätige Frauen kurz vor der Entbindung und in der
Stillzeit vor zu hohen körperlichen Belastungen, die sie und das Kind gefährden könnten, ge-
schützt werden. Zudem erhält das Mutterschutzgesetz besondere Kündigungsschutzvorschriften
und Bestimmungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes während der Zeit kurz vor und nach der
Entbindung. Mütter haben einen Anspruch auf 14 Wochen Mutterschutz. Dieser Anspruch setzt
sich aus sechs Wochen vor dem errechneten Termin für die Entbindung und acht Wochen nach
der Entbindung zusammen.
1. Geltungsbereich
Das Mutterschutzgesetz gilt für alle Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen. Dabei ist es
gleichgültig, ob sie in Betrieben der Privatwirtschaft, der freien Berufe, des öffentlichen Dienstes
oder im Haushalt beschäftigt sind. Es ist nicht entscheidend, ob eine Frau verheiratet oder ledig
ist; auch die Staatsangehörigkeit ist unwesentlich. Das Mutterschutzgesetz gilt auch für Auszu-
bildende und Heimarbeiterinnen.
2. Arbeitsplatzgestaltung
Bei der Errichtung und Unterhaltung des Arbeitsplatzes sind nach § 2 MuSchG vom Arbeitgeber
die erforderlichen Vorkehrungen und Maßnahmen zum Schutze von Leben und Gesundheit der
werdenden oder stillenden Mutter zu treffen. (Beispielsweise darf die Beschäftigung nur in Räu-
men mit genügend Licht und Luft erfolgen.) Im Einzelnen ist noch bestimmt, dass werdenden o-
der stillenden Müttern, die mit Arbeiten beschäftigt werden, bei denen sie ständig gehen oder
stehen müssen, eine Sitzgelegenheit zum kurzen Ausruhen bereitzustellen ist. Für diejenigen, die
ständig sitzen müssen, ist Gelegenheit zu kurzen Unterbrechungen der Arbeit zu geben. Außer-
dem kann die Aufsichtsbehörde (Gewerbeaufsichtsamt) anordnen, welche Vorkehrungen im ein-
zelnen Fall zu treffen sind.
3. Beschäftigungsverbote
a) Das individuelle Beschäftigungsverbot
Unter dem individuellen Beschäftigungsverbot versteht man das Verbot des § 3 Abs. 1 MuSchG,
einzelne Schwangere zu beschäftigen, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit
von Mutter und Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist (Beispiel: Gefahr einer Fehl-
geburt bei Weiterbeschäftigung). Das individuelle Beschäftigungsverbot kann auch partiell, also
etwa für bestimmte Arbeiten, ausgesprochen werden. Notwendig ist stets das Vorliegen eines
ärztlichen Attests. Auch für die Zeit nach der Entbindung gibt es ein individuelles Beschäfti-
gungsverbot. Danach dürfen Frauen bis zum Ablauf des 4. Monats nach der Niederkunft nicht zu
einer ihre Leistungsfähigkeit übersteigenden Arbeit herangezogen werden, sofern sie aufgrund
ärztlichen Zeugnisses nicht voll leistungsfähig sind.
b) Generelles Beschäftigungsverbot (§ 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG)
Als generelles Beschäftigungsverbot ist zunächst das Verbot, Frauen in den letzten 6 Wochen vor
der Niederkunft zu beschäftigen, zu nennen. Dieses Verbot ist vom Arbeitgeber ohne weiteres zu
beachten. Der Arbeitgeber muss von sich aus den Fristbeginn feststellen, sofern er überhaupt
Kenntnis von der Schwangerschaft hat. Das Beschäftigungsverbot ist allerdings für die Arbeit-
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nehmerin selbst nicht zwingend. Sie kann auf den Schutz verzichten und sich freiwillig bereit er-
klären, auch in der 6-Wochen-Frist zu arbeiten. Der Verzicht kann aber jederzeit widerrufen wer-
den. Nach der Entbindung dürfen Frauen bis zum Ablauf von 8 Wochen, bei Früh- oder Mehr-
lingsgeburten bis zum Ablauf von 12 Wochen, nicht beschäftigt werden. Die 12-Wochen-Frist
verlängert sich um den Zeitraum, der von der 6-Wochen-Frist vor der Niederkunft wegen der
Frühgeburt nicht in Anspruch genommen wurde. (Eine Frühgeburt ist anzunehmen, wenn das
Kind ein Geburtsgewicht unter 2 500 Gramm hat oder wenn das Kind trotz höheren Körperge-
wichts nicht voll ausgebildet ist.) Auf das Beschäftigungsverbot nach der Entbindung kann nicht
verzichtet werden.
c) Weitere Beschäftigungsverbote
Zur Ergänzung des individuellen Beschäftigungsverbots gibt es gem. §§ 4 u. 8 MuSchG noch wei-
tere Beschäftigungsverbote. Es handelt sich dabei um generelle Verbote für bestimmte Arbeiten
zugunsten werdender Mütter. In einer Generalklausel ist bestimmt, dass die Beschäftigung wer-
dender Mütter mit schweren körperlichen Arbeiten verboten ist; ebenso mit solchen Arbeiten, bei
denen sie schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder Strahlen, von
Staub, Gasen oder Dämpfen, Hitze, Kälte oder Nässe, von Erschütterungen oder Lärm ausgesetzt
sind. Daneben gibt es für werdende Mütter einzelne Beschäftigungsverbote. Als Beispiele seien
genannt:
Verbot der Beschäftigung mit Arbeiten, bei denen regelmäßig Lasten von mehr als 5 kg, bzw.
gelegentlich 10 kg, von Hand gehoben werden müssen;
Verbot der Beschäftigung der Schwangeren mit Arbeiten, bei denen sie sich häufig erheblich
strecken oder beugen muss oder bei denen sie dauernd hocken oder sich gebückt halten
muss;
Verbot der Beschäftigung mit Arbeiten, bei denen eine erhöhte Unfallgefahr gegeben ist
(Fensterputzen, Arbeiten auf Leitern);
Verbot der Beschäftigung mit Akkord- und Fließbandarbeit (Möglichkeit der Ausnahmege-
nehmigung durch die Aufsichtsbehörde, wenn die Gesundheit von Mutter und Kind nicht ge-
fährdet ist);
nach Ablauf des 5. Monats der Schwangerschaft darf die Schwangere nicht mehr mit Arbei-
ten beschäftigt werden, bei denen sie ständig stehen muss.
Die vorgenannten Beschäftigungsverbote gelten im Wesentlichen auch für stillende Mütter.
Werdende und stillende Mütter dürfen nicht mit Mehrarbeiten, die 8 ½ Stunden täglich über-
schreiten, beschäftigt werden. Außerdem besteht ein grundsätzliches Verbot der Beschäftigung
zur Nachtzeit zwischen 20 Uhr und 6 Uhr und an Feiertagen. Hiervon kann im Gaststätten- und
Beherbergungsgewerbe zugunsten einer Nachtarbeitszeit bis 22 Uhr in den ersten 4 Monaten der
Schwangerschaft ausnahmsweise abgewichen werden.
4. Arbeitsentgelt bei Beschäftigungsverboten
Die Arbeitnehmerin, die wegen Beschäftigungsverbots oder -beschränkung teilweise oder völlig
mit der Arbeit aussetzen muss, hat nach § 11 MuSchG Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Er-
satz des Verdienstausfalls. (Maßgebend für die Errechnung des Verdienstausfalls ist der Durch-
schnittsverdienst der letzten 13 Wochen vor Beginn des Monats, in dem die Schwangerschaft
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eingetreten ist.) In Betrieben mit nicht mehr als 20 Beschäftigten erhält der Arbeitgeber die von
ihm zu zahlenden Beträge von der Krankenkasse voll ersetzt. Soweit ein Anspruch auf Mutter-
schaftsgeld während der generellen Schutzfrist (6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Nieder-
kunft) besteht, ist der Arbeitgeber von der Zahlungspflicht befreit. Ein Anspruch auf Mutter-
schaftsgeld besteht nach § 13 MuSchG bei allen Frauen, die in der gesetzlichen Krankenversiche-
rung pflichtversichert oder freiwillig versichert sind. Das Mutterschaftsgeld ist jedoch auf höchs-
tens EUR 13,00 je Kalendertag begrenzt. Überschreitet das durchschnittliche Nettoarbeitsentgelt
der Arbeitnehmerin den Betrag von EUR 13,00 je Kalendertag, so muss der Arbeitgeber einen Zu-
schuss in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem Mutterschaftsgeld und dem um die ge-
setzlichen Abzüge verminderten kalendertäglichen Arbeitsentgelt leisten, vgl. § 14 MuSchG.
Auch hier erstattet die Krankenkasse des Arbeitnehmers den vom Arbeitgeber gezahlten Zu-
schuss, wenn in dem Betrieb des Arbeitgebers regelmäßig nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ohne
Berücksichtigung der Auszubildenden beschäftigt sind.
Frauen, die nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung sind, haben ebenfalls einen
Anspruch auf Mutterschaftsgeld zu denselben Bedingungen, wenn sie bei Beginn der vorgeburtli-
chen Mutterschutzfrist in einem Arbeitsverhältnis stehen. Die Arbeitnehmerin muss das Mutter-
schaftsgeld jedoch gesondert beim Bundesversicherungsamt beantragen und es ist in der Ge-
samthöhe auf EUR 210,00 begrenzt.
5. Mitteilungspflicht der werdenden Mütter
Die Arbeitnehmerin soll ihren Arbeitgeber von ihrer Schwangerschaft in Kenntnis setzen, sobald
ihr dieser Zustand bekannt ist, vgl. § 5 MuSchG. Eine Mitteilungspflicht ist allerdings entgegen
der weitläufigen Meinung hierin nicht zu sehen. Der Arbeitgeber kann daher keine Rechte daraus
herleiten, wenn die Schwangere dieser Mitteilungspflicht nicht oder nicht rechtzeitig nach-
kommt. Der Arbeitgeber darf seine Kenntnis von der Schwangerschaft Dritten nicht unbefugt
weitergeben. Befugt bzw. geboten ist die Weitergabe an Personen, die die Arbeitseinteilung der
Betriebsabteilung der werdenden Mutter vornehmen und nach § 80 BetrVG an den Betriebsrat.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, wenn er von der Arbeitnehmerin über die Schwangerschaft in-
formiert wird, die Aufsichtsbehörde (Gewerbeaufsichtsamt) zu unterrichten, damit diese die Ein-
haltung der mutterschutzrechtlichen Vorschriften überwachen kann. Der Arbeitgeber hat die
Möglichkeit, die Angabe der Arbeitnehmerin über die Schwangerschaft dadurch nachzuprüfen,
dass er ein Zeugnis eines Arztes oder einer Hebamme verlangt. Er kann auch ein Attest über den
voraussichtlichen Termin der Niederkunft verlangen.
6. Kündigungsschutz
Die Kündigung durch den Arbeitgeber ist nach § 9 MuSchG unzulässig während der Schwanger-
schaft und bis zum Ablauf von 4 Monaten nach der Entbindung, wenn ihm Schwangerschaft
bzw. Entbindung bekannt war oder innerhalb von 2 Wochen nach Zugang der Kündigung mitge-
teilt wird. Die 2-Wochen-Frist ist nur dann eingehalten, wenn der Arbeitgeber von der Arbeit-
nehmerin über die Schwangerschaft informiert wird. Die Information von dritter Seite ist nicht
genügend. - Nimmt die Mutter Elternzeit in Anspruch, so gilt ein verlängerter Kündigungsschutz
(s. Elternzeit).
Das Kündigungsverbot gilt auch bei außerordentlicher Kündigung. Nur in besonderen Fällen be-
steht die Möglichkeit der Zulässigkeitserklärung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch
49
das Staatliche Amt für Arbeitsschutz. Das Mutterschutzgesetz beschränkt nur die Möglichkeit
der Kündigung von Seiten des Arbeitgebers. Die Kündigungsmöglichkeit der Arbeitnehmerin ist
nicht eingeschränkt. Der Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz gilt logischerweise
dann nicht, wenn das Arbeitsverhältnis durch Zeitablauf endigt (Beispiel: Ausbildungsverhältnis
oder zeitlich befristetes Arbeitsverhältnis), weil hier keine Kündigung vorliegt.
Für den Kammerbezirk sind die Arbeitsschutzdezernate der Bezirksregierung Detmold zuständig
(Bezirksregierung Detmold, Leopoldstr. 13-15, 32756 Detmold, Tel. 05231 71-0).
7. Elterngeld
Das Elterngeld wird an Väter und Mütter für maximal 14 Monate gezahlt. Die Höhe des Elternge-
ldes berechnet sich durch das durchschnittliche monatliche Erwerbseinkommen vor Geburt des
Kindes. Bei einem Voreinkommen zwischen EUR 1.000,00 und EUR 1.200,00 ersetzt das Eltern-
geld das nach der Geburt wegfallende Einkommen zu 67 Prozent. Lag der Verdienst unter EUR
1.000,00, steigt die Ersatzrate schrittweise auf 100 Prozent; lag der Verdienst über EUR 1.200,00,
sinkt die Höhe des Elterngeldes auf bis zu 65 Prozent. Bei Anspruchsberechtigung beträgt das El-
terngeld mindestens EUR 300,00 und höchstens EUR 1.800,00 monatlich (siehe § 2 BEEG). Bei
Mehrlingsgeburten erhöht sich der Betrag um EUR 300,00 für jedes weitere Kind. Familien mit
weiteren kleinen Kindern erhalten einen Zuschlag von 10 Prozent des bisher zustehenden Eltern-
geldes, mindestens jedoch EUR 75,00.
Voraussetzungen für das Elterngeld ist, dass mindestens ein Elternteil selbst das Neugeborene
betreut und dabei höchstens 30 Stunden in der Woche arbeitet, so etwa auch Studierende, Haus-
frauen und –männer, sowie Eltern, die wegen der Betreuung älterer Kinder zuvor nicht gearbeitet
haben. Ein Elternteil kann dabei mindestens zwei und höchstens zwölf Monate für sich in An-
spruch nehmen, zwei weitere Monate gibt es, wenn sich der Partner an der Betreuung des Kindes
beteiligt und den Eltern mindestens zwei Monate Erwerbseinkommen wegfällt. Alleinerziehende,
die das Elterngeld zum Ausgleich des wegfallenden Erwerbseinkommens beziehen, können auf-
grund des fehlenden Partners die vollen 14 Monate Elterngeld in Anspruch nehmen.
Der Elterngeldanspruch entfällt für Elternpaare, die im Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes
gemeinsam ein zu versteuerndes Einkommen von mehr als EUR 500.000,00 hatten; beziehungs-
weise EUR 250.000,00 bei Alleinerziehenden.
Für das Elterngeld sind in Nordrhein-Westfalen die Elterngeldstellen bei den Kreisen und kreis-
freien Städten zuständig.
8. Elternzeit
Nach der Geburt oder nach der Mutterschutzfrist besteht Anspruch auf Elternzeit bis zur Vollen-
dung des 3. Lebensjahres des Kindes. Die Elternzeit kann, wenn beide Ehegatten erwerbstätig
sind von einem Ehegatten in Anspruch genommen werden oder auch von beiden Elternteilen
gemeinsam und gleichzeitig. Seit der Gesetzesänderung aus dem Jahre 2009 ist nun auch eine
Elternzeit für Großeltern vorgesehen, vgl. § 15 Abs. 1a BEEG. Voraussetzung dafür ist, dass sie
mit dem Enkelkind in einem Haushalt leben, dieses selbst betreuen und erziehen und ein Eltern-
teil des Kindes entweder minderjährig ist oder sich zur Zeit der Geburt des Kindes in einer Aus-
bildung befindet. Die Großeltern haben nur einen Anspruch auf Elternzeit, wenn die Eltern diese
nicht beanspruchen.
50
Ein Anteil der Elternzeit von bis zu 12 Monaten kann mit Zustimmung des Arbeitgebers auf die
Zeit bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres des Kindes übertragen werden. Wenn die Elternzeit
unmittelbar nach der Geburt des Kindes oder nach der Mutterschutzfrist beginnen soll, muss
der/die Arbeitnehmer/in ihn spätestens sieben Wochen vor Beginn schriftlich beim Arbeitgeber
anmelden und gleichzeitig erklären, für welche Zeiten innerhalb der ersten zwei Jahre er/sie die
Elternzeit nehmen möchte. Bei dringenden Gründen gilt ausnahmsweise eine angemessene kür-
zere Frist.
Der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis höchstens acht Wochen vor Beginn der Elternzeit
kündigen; ab dem Zeitpunkt, an dem Elternzeit verlangt worden ist und während der Elternzeit
darf der Arbeitgeber nach § 18 BEEG das Arbeitsverhältnis nicht kündigen. Nur in besonderen
Fällen kann das zuständige Arbeitsschutzdezernat der Bezirksregierung Detmold ausnahmsweise
die Kündigung für zulässig erklären. Der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin, der/die Eltern-
zeit in Anspruch nimmt, kann das Arbeitsverhältnis nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist
von 3 Monaten zum Ende der Elternzeit kündigen, vgl. § 19 BEEG.
Der Arbeitgeber kann den Erholungsurlaub nach § 17 BEEG für jeden vollen Kalendermonat der
Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Hat der/die Arbeitnehmer/in den ihm/ihr zustehenden Urlaub
vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten, so hat der Arbeitgeber den
Resturlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren. Endet
das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit oder setzt der/die Arbeitnehmer/in im Anschluss an
die Elternzeit das Arbeitsverhältnis nicht fort, so hat der Arbeitgeber den noch nicht gewährten
Urlaub abzugelten.
9. Teilzeitarbeit während der Elternzeit
Während der Elternzeit kann die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer unter den Voraussetzun-
gen des § 15 BEEG von ihrem/seinem Arbeitgeber verlangen, mit einer verringerten Arbeitszeit
beschäftigt zu werden:
— der Arbeitgeber beschäftigt in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer (ohne Auszubildende);
— das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers besteht länger als 6 Monate;
— die regelmäßige Arbeitszeit soll für mindestens zwei Monate auf zwischen 15 und 30 Wo-
chenstunden verringert werden;
— dem Anspruch stehen keine dringenden betrieblichen Gründe entgegen;
— der Anspruch wurde dem Arbeitgeber 7 Wochen vor Beginn der Tätigkeit schriftlich mitge-
teilt.
Stimmt der Arbeitgeber dem Verlangen der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers binnen vier
Wochen schriftlich nicht zu, so kann der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht auf eine entspre-
chende Vertragsänderung klagen. Der Arbeitnehmer darf seine Arbeitszeit nicht eigenmächtig re-
duzieren.
Während der Dauer der Elternzeit kann die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer zweimal eine
Reduzierung der Arbeitszeit verlangen. Jede Reduzierung muss mindestens zwei Monate dauern.
Der Umfang der Reduzierung kann unterschiedlich sein. Im Übrigen kann während der Dauer der
Elternzeit mit dem bisherigen oder einem anderen Arbeitgeber Teilzeitarbeit vereinbart werden.
Die vereinbarte Arbeitszeit darf für jeden Elternteil 30 Stunden in der Woche nicht übersteigen.
Eine Erwerbstätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber oder als Selbständiger bedarf der Zustim-
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mung des bisherigen Arbeitgebers. Dieser kann die anderweitige Erwerbstätigkeit nur aus drin-
genden betrieblichen Gründen innerhalb von 4 Wochen schriftlich ablehnen.
10. Pflegezeit
Mit dem 2008 in Kraft getretenen Pflegezeitgesetz (PflegeZG) soll Arbeitnehmern die Möglich-
keit eröffnet werden, pflegebedürftige nahe Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen.
In einer akuten Pflegesituation eines nahen Angehörigen hat der Beschäftigte nach § 2 PflegeZG
das Recht, der Arbeit bis zu zehn Arbeitstagen fernzubleiben bzw. sich teilweise freistellen zu
lassen, wobei ihm grundsätzlich kein Anspruch auf Zahlung der Vergütung zusteht. Er muss sei-
nem Arbeitgeber die Verhinderung unverzüglich mitteilen und ggf. eine ärztliche Bescheinigung
über die Pflegebedürftigkeit nachreichen.
Die vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung zur Pflege naher Angehöriger
(Pflegezeit) kann höchstens sechs Monate betragen. Sie muss dem Arbeitgeber spätestens zehn
Tage vor Beginn angezeigt und durch die Pflegekasse oder den Medizinischen Dienst der Kran-
kenkassen bestätigt werden. Dieser Anspruch gilt nicht für Beschäftigte, die in einem Betrieb mit
weniger als sechszehn Arbeitnehmern angestellt sind, vgl. §§ 3, 4 PflegeZG.
In beiden Fällen darf dem Arbeitnehmer gemäß § 5 PflegeZG in dem Zeitraum zwischen Ankün-
digung und Beendigung der Pflege nicht gekündigt werden. Nur in besonderen Fällen kann das
Arbeitsschutzdezernat der Bezirksregierung Detmold eine ausgesprochene Kündigung aus-
nahmsweise für zulässig erklären.
Beschäftigt der Arbeitgeber aufgrund des wegen in Anspruch genommener Pflegezeit ausfallen-
den Arbeitnehmers einen Vertreter, liegt hierin ein sachlicher Grund für die Befristung des Ar-
beitsverhältnisses. Endet die Pflegezeit vorzeitig, kann der Arbeitgeber dem Vertreter mit zwei-
wöchiger Frist kündigen; Kündigungsschutzvorschriften sind in diesen Fällen nicht anzuwenden
(§ 6 PflegeZG).
Nahe Angehörige im Sinne des PflegeZG sind ausschließlich: Großeltern, Eltern, Schwiegereltern,
Ehegatten, Lebenspartner, Partner in einer eheähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Kinder,
Adoptiv- und Pflegekinder, Kinder des Ehegatten oder Lebenspartners (auch Adoptiv- und Pflege-
kinder), Schwiegerkinder und Enkelkinder.
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SCHWERBEHINDERTENRECHT
1. Schutzbereich
Unter den Schutzbereich des neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe
behinderter Menschen) fallen nach § 68 ff SGB IX vor allem die Schwerbehinderten. Als Schwer-
behinderte gelten alle Personen mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 50 (§ 2 SGB IX).
Die Feststellung der Behinderung erfolgt durch die Versorgungsämter. Behinderung ist die Aus-
wirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidri-
gen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht. Das SGB IX gilt außerdem für soge-
nannte Gleichgestellte. Dies sind Personen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50,
aber mindestens 30, die von der Bundesagentur für Arbeit auf Antrag gleichgestellt werden.
Gleichgestellte werden, abgesehen vom Zusatzurlaub, rechtlich wie Schwerbehinderte behandelt.
2. Beschäftigungspflicht
Private und öffentliche Arbeitgeber mit mindestens 20 regelmäßigen Arbeitsplätzen sind nach §
71 SGB IX verpflichtet, mindestens 5 % der Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten zu besetzen.
Schwerbehinderte Auszubildende bleiben bei der Berechnung der Zahl der Arbeitsplätze unbe-
rücksichtigt. Beschäftigte schwerbehinderte Auszubildende werden auf zwei oder drei Pflicht-
plätze angerechnet. Die Verpflichtung besteht auch für solche Betriebe, die aufgrund ihrer be-
trieblichen Struktur Schwerbehinderte gar nicht beschäftigen können. Ergeben sich bei der Be-
rechnung der Pflichtplätze Bruchteile, so ist ab 0,5 auf- sonst abzurunden.
3. Ausgleichsabgabe
Für jeden unbesetzten Pflichtplatz muss nach § 77 Abs. 2 SGB IX der Arbeitgeber monatlich eine
Ausgleichsabgabe von 105 Euro bei einer Beschäftigungsquote ab 3 % bis unter 5 %, von 180
Euro bei einer Beschäftigungsquote ab 2 % bis unter 3 % und von 260 Euro bei einer Beschäfti-
gungsquote unter 2 % zahlen. Ein Erlass oder eine Herabsetzung der Ausgleichsabgabe in Härte-
fällen ist nicht möglich. Für Kleinbetriebe gelten Sonderregelungen: Arbeitgeber mit bis zu 39
Arbeitsplätzen zahlen monatlich 105 Euro, mit bis zu 59 Arbeitsplätzen 105 Euro bzw. 180 Euro
pro unbesetztem Pflichtplatz (und jeweils weniger als ein Schwerbehinderter).
Beschäftigungsquote von 3 % bis weniger als Pflichtsatz von 5 % 105 €
Beschäftigungsquote von 2 % bis weniger als 3 % 180 €
Beschäftigungsquote von weniger als 2 % 260 €
4. Zusatzurlaub
Schwerbehinderte haben nach § 125 SGB IX Anspruch auf bezahlten Zusatzurlaub von 5 Arbeits-
tagen. Dieser Zusatzurlaub erhöht bzw. verringert sich entsprechend, wenn der schwerbehinderte
Arbeitnehmer regelmäßig an mehr oder weniger als fünf Tagen in der Woche arbeitet. Gleichge-
stellten steht dieser Anspruch nicht zu. Der Zusatzurlaub teilt das rechtliche Schicksal des
Grundurlaubs. So kann der Schwerbehinderte nur dann Zusatzurlaub beanspruchen, wenn er ei-
nen Anspruch auf den Grundurlaub hat.
53
5. Arbeitsentgelt
Bei der Bemessung des Arbeitsentgelts dürfen Leistungen, die wegen der Behinderung bezogen
werden, nicht berücksichtigt werden, vgl. § 123 SGB IX.
6. Kündigungsschutz
Der Arbeitgeber muss bei Schwerbehinderten und Gleichgestellten eine Kündigungsfrist von
mindestens 4 Wochen einhalten. Die Kündigung darf nach § 85 SGB IX grundsätzlich erst dann
ausgesprochen werden, wenn das Integrationsamt der Kündigung vorher zugestimmt hat. Dies
gilt auch für außerordentliche (fristlose) Kündigungen. Von diesem generellen Zustimmungser-
fordernis gibt es allerdings folgende Ausnahmen:
das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ohne Unterbre-
chungen noch nicht länger als sechs Monate besteht,
die Beschäftigung nicht in erster Linie dem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Be-
weggründe karikativer oder religiöser Art bestimmt ist, sich in geistlichen öffentlich-
rechtlichen Religionsgemeinschaften befindet oder zur Heilung, Wiedergewöhnung oder
Erziehung erfolgt,
es sich um eine Teilnahme an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem SGB III handelt,
es sich um eine Arbeitsstelle handelt, in welche man nach ständiger Übung gewählt wird,
das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet wurde, und die schwerbehinderte Person
das 58. Lebensjahr vollendet hat und einen Anspruch auf Abfindung, Entschädigung o-
der ähnliche Leistung aufgrund eines Sozialplans hat,
einen Anspruch auf Knappschaftsausgleichsleistung nach dem SGB VI oder auf Anpas-
sungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus hat,
sofern der Arbeitgeber ihr/ihm die Kündigungsabsicht rechtzeitig mitgeteilt hat und sie/er
der beabsichtigten Kündigung bis zu deren Ausspruch nicht widersprechen,
Entlassungen aus Witterungsgründen, wenn die Wiederaufnahme der Arbeit gewährleistet
ist,
das Arbeitsverhältnis wurde vom Arbeitgeber gekündigt, befand sich innerhalb einer Probe-
zeit von maximal sechs Monaten (ohne Unterbrechungen gerechnet) und innerhalb von
vier Tagen dem Integrationsamt mitgeteilt,
die Schwerbehinderteneigenschaft ist zum Zeitpunkt der Kündigung nicht nachgewiesen.
(Der Nachweis ist indes immer erbracht, wenn die Schwerbehinderung offensichtlich ist
oder ein Feststellungsbescheid nach § 69 Abs. 1 SGB IX vorliegt.).
Der Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen greift also dann nicht ein, wenn
die Schwerbehinderteneigenschaft des Arbeitnehmers im Zeitpunkt der Kündigung weder festge-
stellt war, noch der Arbeitnehmer einen Antrag auf Erteilung eines entsprechenden Bescheids
gestellt hatte, der später zur Anerkennung führt.
In allen anderen Fällen, die eine Zustimmung des Integrationsamtes erfordern, holt die Behörde
vor ihrer Entscheidung eine Stellungnahme des Betriebs- oder Personalrates und der Schwerbe-
hindertenvertretung ein und hört den schwerbehinderten Menschen an.
Der Kündigungsschutz wurde darüber hinaus bei Stilllegung, Auflösung oder Insolvenz des Be-
triebes gelockert. Das Integrationsamt erteilt seine Zustimmung zu einer Kündigung eines
schwerbehinderten Arbeitnehmers aufgrund einer dauerhaften Einstellung oder Auflösung des
54
Betriebs, wenn zwischen dem Tag der Kündigung und dem Tage der letzten Gehalts- oder Lohn-
zahlung drei Monate liegen. Ebenso erteilt das Integrationsamt seine Zustimmung zu einer Kün-
digung, insofern die Anzahl der weiterhin beschäftigten schwerbehinderten Arbeitnehmer zur Er-
füllung der Beschäftigungspflicht § 71 SGB IX (s.o.) ausreicht. Dies gilt nicht, wenn eine Weiter-
beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz desselben Betriebes oder derselben Dienststelle
desselben Arbeitgebers mit Einverständnis des schwerbehinderten Menschen möglich und für
den Arbeitgeber zumutbar ist.
Des Weiteren wird die Zustimmung zur Kündigung grundsätzlich erteilt, wenn den schwerbehin-
derten Menschen ein anderer angemessener und zumutbarer Arbeitsplatz gesichert ist.
Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers bereits eröffnet und ist die Kün-
digung dem schwerbehinderten Mitarbeiten ausgesprochen worden, wird das Integrationsamt
diesen zustimmen, falls:
in einem Interessenausgleich (§ 125 InsO) der schwerbehinderte Mensch als einer der zu
entlassenen Arbeitnehmer namentlich genannt ist,
die Schwerbehindertenvertretung beim Zustandekommen des Interessenausgleichs betei-
ligt worden ist,
die Gesamtzahl der schwerbehinderten Menschen, die nach dem Interessenausgleich bei
dem Arbeitgeber verbleiben sollen, zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht (§ 71 SGB IX)
ausreicht und
im Interessenausgleich nicht vorgesehen ist, mehr Arbeitnehmer aus der Gruppe der
schwerbehinderten Arbeitnehmer im Verhältnis zur Gruppe der übrigen Arbeitnehmer zu
entlassen
Haben Sie insgesamt 5 schwerbehinderte Arbeitnehmer und 10 übrige Arbeitnehmer ange-
stellt und im Interessenausgleich vereinbart, dass 3 schwerbehinderte und 5 übrige Arbeit-
nehmer gekündigt werden sollen, so würden im Verhältnis mehr schwerbehinderte Mitarbei-
ter als Übrige gekündigt werden. Dies hätte zur Folge, dass das Integrationsamt den Kündi-
gungen nicht zustimmen würde!
7. Neubesetzung freier Arbeitsplätze
Bei der Neubesetzung freier Arbeitsplätze muss der Arbeitgeber nach § 81 SGB IX prüfen, ob
Schwerbehinderte beschäftigt werden können. Bewerbungen von Schwerbehinderten sind mit
dem Vertrauensmann (soweit vorhanden) zu erörtern und mit seiner Stellungnahme dem Be-
triebsrat mitzuteilen.
8. Vertrauensperson
Nach § 94 SGB IX werden in allen Betrieben, in denen wenigstens 5 Schwerbehinderte regelmä-
ßig beschäftigt sind, von den Schwerbehinderten eine Vertrauensperson und sein Stellvertreter
gewählt. Wählen die Schwerbehinderten nicht von sich aus, so kann die Hauptfürsorgestelle die
Wahl vorbereiten, d. h. zu einer Versammlung der Schwerbehinderten zum Zwecke der Wahl ei-
nes Wahlvorstandes einladen.
Der Arbeitgeber hat nach § 95 Abs. 2 SGB IX der Vertrauensperson in allen Angelegenheiten, die
einen einzelnen Schwerbehinderten oder die Schwerbehinderten als Gruppe berühren, rechtzeitig
55
und umfassend zu informieren und vor einer Entscheidung zu hören. Die getroffene Entscheidung
ist der Vertrauensperson unverzüglich mitzuteilen. Versäumt der Arbeitgeber diese Pflichten, so
sind seine Maßnahmen trotzdem wirksam, aber er kann mit einer Geldbuße belegt werden.
Die Vertrauensperson hat nach § 95 Abs. 4 SGB IX das Recht, an allen Sitzungen des Betriebsrats
beratend teilzunehmen. Gegen Beschlüsse des Betriebsrats kann er ein aufschiebendes Veto ein-
legen, wenn die Interessen der Schwerbehinderten erheblich beeinträchtigt werden. Zudem hat
die Vertrauensperson das Recht, einmal im Jahr eine Versammlung der Schwerbehinderten wäh-
rend der bezahlten Arbeitszeit durchzuführen.
Die persönliche Rechtsstellung einer Vertrauensperson entspricht der eines Betriebsratsmitglie-
des; so hat er z. B. Anspruch auf Freistellung zur Wahrnehmung der ihm obliegenden Aufgaben
und hat absoluten Schutz gegen ordentliche Kündigungen, vgl. § 96 SGB IX.
9. Verstöße gegen das Schwerbehindertenrecht
Werden die Vorschriften des Schwerbehindertenrechts durch den Arbeitgeber vorsätzlich oder
fahrlässig nicht beachtet, so kann dieses eine Ordnungswidrigkeit darstellen. Dem Arbeitgeber
kann dann ein Bußgeld bis zu einer Höhe von 10.000 € auferlegt werden, z.B. wenn er seiner Be-
schäftigungs- oder Prüfungspflicht nicht nachkommt.
10. Adressen der für den Kammerbezirk zuständigen Behörden
Amt für soziale Leistungen – Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL)
Sozialamt – Neues Rathaus Integrationsamt
Niederwall 23 Von-Vincke-Str. 23-25
33602 Bielefeld 48143 Münster
Tel. 0521 51–6806 Tel. 0251 591-3740
Fax 0521 51-2594 Fax 0251 591-6818
http://www.bielefeld.de/de/rv/ds_
stadtverwaltung/zdjsw/zdbup/fsst.html/ www.lwl.org/LWL/Soziales/integrationsamt/
56
KÜNDIGUNG, KÜNDIGUNGSSCHUTZ, ZEUGNIS
A. Vorbemerkung
Die Grundlage eines Beschäftigungsverhältnisses ist der Arbeitsvertrag, durch den sich der Ar-
beitnehmer dem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet, für diesen gegen Entgelt Arbeit zu leisten.
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, den Arbeitsvertrag für eine bestimmte Zeit einzugehen
oder aber ihn für unbestimmte Zeit abzuschließen. In der Praxis werden Arbeitsverhältnisse meist
auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Während ein auf bestimmte Zeit abgeschlossener Vertrag
mit Zeitablauf endigt, ist für ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossenes Arbeitsverhältnis kein
fester Beendigungszeitpunkt vorgesehen. Das Gesetz gibt jedoch in diesem Fall den Vertragspart-
nern die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis durch Kündigung zu beenden, d. h. sich von dem Ver-
trag durch einseitige Erklärung loszusagen und den Vertrag aufzulösen. Eine Kündigung ist bei
jedem auf unbestimmte Dauer eingegangenen Beschäftigungsverhältnis grundsätzlich möglich.
B. Kündigung und Aufhebungsvertrag
1. Rechtsnatur der Kündigung
Die Kündigung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft. Das bedeutet, dass ihre Wirkung nicht davon
abhängig ist, dass sie von dem anderen Vertragspartner angenommen wird. Sie kann daher auch
gegen den Willen der anderen Partei ausgesprochen werden, ohne dass dies ihre Wirksamkeit be-
einträchtigt. (Von der Kündigung zu unterscheiden ist die Auflösung des Arbeitsverhältnisses im
beiderseitigen Einvernehmen, d. h. der Auflösungsvertrag. Wenn ein beiderseitiges Einvernehmen
über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erzielt wird, dann ist dies eine vertragliche
zweiseitige Vereinbarung; für eine Kündigung ist in diesem Fall kein Raum.)
Die Kündigung wird dann wirksam, wenn sie der anderen Vertragspartei zugeht. Erst mit dem
Zugang der Kündigungserklärung fängt die Kündigungsfrist zu laufen an. Bei der Frage, ob die
Kündigungsfrist eingehalten ist, kommt es daher entscheidend darauf an, wann die Kündigungs-
erklärung der anderen Vertragspartei zugegangen ist. Unter Anwesenden ist die Kündigung be-
reits mit Erklärung zugegangen. Unter Abwesenden (z. B. Kündigungsbrief) ist die Kündigung erst
zugegangen, wenn sie im Empfangsbereich des Kündigungsempfängers ist, d. h. dieser nach dem
regelmäßigen Lauf der Dinge von ihr Kenntnis nehmen konnte. Tatsächliche Kenntnisnahme ist
nicht Wirksamkeitsvoraussetzung. Dem Absender der Kündigung obliegt die Beweislast für den
Zugang. Bei Kündigung durch Brief empfiehlt sich deshalb die Übergabe oder der Einwurf in den
Briefkasten durch einen Boten. Bei Kündigung durch eingeschriebenen Brief sollte das „Einwurf-
Einschreiben“ gewählt werden. Auch bei Urlaubsabwesenheit oder Krankheit ist das Kündigungs-
schreiben mit dem Einwurf in den Briefkasten des Empfängers zugegangen, selbst bei Kenntnis
des Arbeitgebers von der urlaubsbedingten Abwesenheit des Empfängers und selbst bei der
Kenntnis der Urlaubsanschrift.
2. Der Aufhebungsvertrag
Außer durch Kündigung kann das Arbeitsverhältnis auch durch einen Aufhebungsvertrag beendet
werden. Im Gegensatz zur Kündigung ist der Aufhebungsvertrag ein zweiseitiges Rechtsgeschäft,
das nur dann wirksam wird, wenn beide Parteien sich einig sind. Arbeitgeber und Arbeitnehmer
57
müssen also volle Übereinstimmung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erzielen. Durch
den Abschluss eines Aufhebungsvertrages vermeidet der Arbeitgeber das Risiko der Kündigungs-
schutzklage durch den Arbeitnehmer. Andererseits sind etliche Vorteile gegenüber einer Kündi-
gung sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer verbunden:
a) Vorteile für den Arbeitgeber:
keine Angabe eines Kündigungsgrundes erforderlich
keine Einhaltung gesetzlicher, tarifvertraglicher oder einzelvertraglicher Kündigungsfristen
kein allgemeiner und besonderer Kündigungsschutz wie Mutterschutz und bei schwerbe-
hinderten Menschen
Kündigungsschutz ist ausgeschlossen, weshalb auch die Gefahr einer Kündigungsschutz-
klage des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber ausgeschlossen ist
keine Anhörung des Betriebsrates erforderlich
b) Vorteile für den Arbeitnehmer:
Abkürzung der Kündigungsfristen
keine Möglichkeit der verhaltensbedingten oder außerordentlichen (fristlosen) Kündigung
Vereinbarung einer Abfindung ist möglich, wobei seit dem 01.01.2006 Abfindungen zu ver-
steuern sind!
Trotz dieser zahlreichen Vorteile birgt ein Aufhebungsvertrag für den Arbeitnehmer jedoch auch
mögliche Nachteile beim Bezug von Arbeitslosengeld. Für den Arbeitgeber besteht deshalb die
Pflicht, den Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass dieser verpflichtet ist, sich bei Beendigung
des Arbeitsverhältnisses bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden und eigene Aktivitä-
ten bei der Suche nach einer neuen Anstellung anzustrengen hat. Denn Personen, deren Arbeits-
oder Ausbildungsverhältnis endet, sind gem. § 38 I SGB III verpflichtet, sich spätestens drei Mo-
nate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Lie-
gen zwischen Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeits- oder Aus-
bildungsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach
Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig
davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht wird. Des Weite-
ren besteht gem. § 2 V SGB III die Notwendigkeit eigener Aktivitäten bei der Suche nach einer
anderen Beschäftigung. Erfolgt die Arbeitssuchendmeldung nicht rechtzeitig, tritt gem. § 144
Abs. 1 Nr. 7, Abs. 6 SGB III eine Sperrzeit von einer Woche ein. Bei Unterlassen des Hinweises be-
steht jedoch nach der Rechtsprechung des BAG keine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers!
Da diese strengen Fristen bestehen, empfiehlt es sich, der Hinweispflicht schon im Aufhebungs-
vertrag nachzukommen.
Aufhebungsverträge bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Der schriftliche Aufhebungs-
vertrag muss von beiden Parteien unterzeichnet sein.
Ein unangemessener Druck auf den Mitarbeiter durch den Arbeitgeber, einen Aufhebungsvertrag
abzuschließen, berechtigt den Arbeitnehmer zur Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung.
Eine Anfechtungsmöglichkeit wird insbesondere dann bejaht, wenn der Arbeitgeber den Mitar-
beiter dadurch zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages bewegt, dass er ihm droht, sonst frist-
los oder ordentlich zu kündigen, obwohl ein verständig denkender Arbeitgeber eine solche Kün-
digung nicht in Erwägung ziehen würde, weil ein ausreichender Grund dafür nicht ersichtlich ist.
58
C. Inhalt und Form der Kündigung
Ein bestimmter Inhalt der Kündigung ist nicht vorgeschrieben. Insbesondere müssen in der Kün-
digungserklärung nicht etwa die Worte „Kündigung“ oder „ich kündige“ enthalten sein. Aus dem
Inhalt der Erklärung muss sich jedoch eindeutig der Wille des Kündigenden ergeben, das Be-
schäftigungsverhältnis zu beenden. Außerdem muss erkennbar sein, zu welchem Zeitpunkt das
Arbeitsverhältnis beendet werden soll. Jede Unklarheit geht zu Lasten des Kündigenden. Für die
Kündigung ist nach § 623 BGB Schriftform vorgeschrieben. Der Schriftform ist nur genügt, wenn
der Kündigende das Kündigungsschreiben eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet.
Ein Telefax genügt dem gesetzlichen Schrifterfordernis nicht, da es sich nur um eine Telekopie
handelt. Ebenso wenig die Übermittlung in elektronischer Form (z.B. E-Mail). Eine mündliche
Kündigung ist von vornherein unwirksam. Die Notwendigkeit der Schriftform ist selbstverständ-
lich bei allen Arten der Kündigung zu beachten: ordentliche Kündigung, außerordentliche Kündi-
gung und Änderungskündigung.
D. Mitbestimmung bei Kündigungen
Der Betriebsrat - sofern vorhanden - ist nach § 102 BetrVG vor jeder Kündigung zu hören. Eine
ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Der Arbeitgeber hat
den Betriebsrat über die Person des zu Kündigenden, über die Art der Kündigung und umfassend
über die Kündigungsgründe (bei betriebsbedingter Kündigung auch über die soziale Auswahl) zu
informieren. Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er dies
schriftlich unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schrift-
lich mitzuteilen, andernfalls gilt seine Zustimmung als erteilt. Der Betriebsrat soll vorher den be-
troffenen Arbeitnehmer hören. Die Kündigung darf vom Arbeitgeber erst nach Eingang der Stel-
lungnahme des Betriebsrats bzw. nach Ablauf der Wochenfrist ausgesprochen werden. Bei einer
außerordentlichen Kündigung muss der Betriebsrat auch gehört werden. Dabei muss der Be-
triebsrat Bedenken unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Tagen, schriftlich aussprechen.
Ein Widerspruchsrecht hat der Betriebsrat bei ordentlichen Kündigungen nur in den in § 102 III
BetrVG genannten Fällen:
1. Nichtbeachtung oder nicht ausreichende Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte bei der
Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers;
2. Verstoß gegen eine Auswahlrichtlinie (soweit eine solche besteht);
3. Weiterbeschäftigungsmöglichkeit an einem anderen Arbeitsplatz des Unternehmens oder
nach Umschulung/Fortbildung zumutbar;
4. Weiterbeschäftigungsmöglichkeit unter geänderten Vertragsbedingungen, mit denen der
Arbeitnehmer einverstanden ist.
Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen und mit Gründen versehen sein. Kündigt der Arbeitge-
ber trotz des Widerspruchs des Betriebsrats, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine
Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten. (Über die Auswirkungen des Wider-
spruchs des Betriebsrats für den Kündigungsschutz vgl. dort S.70).
59
E. Die ordentliche Kündigung
Als „ordentliche Kündigung“ bezeichnet man die im Normalfall vorgesehene Kündigung, die bei
auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Arbeitsverhältnissen den Vertragspartnern das Recht gibt,
das Vertragsverhältnis wieder aufzuheben. Sie ist die natürliche Folge der unbestimmten Dauer
des Arbeitsverhältnisses. Damit sich aber gerade in dem Normalfall der Lösung des Arbeitsver-
hältnisses der andere Vertragspartner auf die bevorstehende Beendigung des Arbeitsverhältnisses
einstellen kann und so vor unangemessenen Nachteilen bewahrt bleibt, erfordert die ordentliche
Kündigung die Einhaltung bestimmter Kündigungsfristen.
Das Gesetz bestimmt in § 622 BGB die Kündigungsfristen. Von diesen kann allerdings durch Ta-
rifvertrag abgewichen werden. Einzelvertraglich können längere als die gesetzlich bestimmten
Kündigungsfristen vorgesehen werden.
1. Gesetzliche Kündigungsfristen
Die gesetzliche Kündigungsfrist für Arbeiter und Angestellte beträgt vier Wochen zum 15. oder
zum Ende eines Kalendermonats.
Wenn eine Probezeit bis höchstens 6 Monate vereinbart wurde, gilt abweichend eine Kündi-
gungsfrist von 2 Wochen ohne bestimmtes Enddatum. Bei längerer Betriebszugehörigkeit gelten
für die Kündigung von Angestellten und Arbeitern durch den Arbeitgeber verlängerte Kündi-
gungsfristen.
Diese betragen
nach 2-jähriger Betriebszugehörigkeit 1 Monat
nach 5-jähriger Betriebszugehörigkeit 2 Monate
nach 8-jähriger Betriebszugehörigkeit 3 Monate
nach 10-jähriger Betriebszugehörigkeit 4 Monate
nach 12-jähriger Betriebszugehörigkeit 5 Monate
nach 15-jähriger Betriebszugehörigkeit 6 Monate
nach 20-jähriger Betriebszugehörigkeit 7 Monate
jeweils zum Ende des Kalendermonats.
Gemäß § 622 Abs. 2 BGB wurden bislang für die Berechnung der Dauer der Betriebszugehörigkeit
nur die Jahre, die nach Vollendung des 25. Lebensjahres zurückgelegt wurden, gerechnet. Diese
Gesetzesnorm wurde mit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für europarechts-
widrig erklärt (EuGH, Urteil vom 19.01.2010, C-555/07). Bis zur Klärung bzw. Abänderung durch
den deutschen Gesetzgeber wird diese Norm nicht länger angewendet.
Dagegen bleibt es für die Kündigung von Seiten des Arbeitnehmers unabhängig von der Betriebs-
zugehörigkeit bei der regelmäßigen Kündigungsfrist von 4 Wochen zum Monatsende oder zum
15. eines Monats.
Eine Besonderheit gilt bei Betrieben mit nicht mehr als 20 Arbeitnehmern (beachte: Teilzeitbe-
schäftigte zählen lediglich anteilig) die Grundkündigungsfrist für die ersten zwei Jahre des Be-
stehens des Arbeitsverhältnisses einzelvertraglich auf vier Wochen verkürzt werden. Anschlie-
ßend greifen die gesetzlich gestaffelten Kündigungsfristen
60
2. Tarifliche Kündigungsfristen
Tarifverträge können Kündigungsfristen vorsehen, die von den gesetzlichen abweichen. Dabei
sind auch kürzere Kündigungsfristen möglich. Unterschiedliche tarifliche Kündigungsfristen für
verschiedene Arten von Arbeitsverhältnissen - auch von Angestellten- und Arbeiterverhältnissen
- sind wohl dann grundsätzlich als rechtlich zulässig anzusehen, wenn die verschiedenen Kündi-
gungsfristen aus sachlich rechtfertigenden Gründen so bestimmt wurden.
3. Einzelvertragliche Kündigungsfristen
Im Arbeitsvertrag können zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jederzeit längere als die ge-
setzlichen oder tariflichen Kündigungsfristen vereinbart werden (Beispiel: 6 Wochen zum Quar-
talsende). Kürzere Kündigungsfristen sind in der Regel unwirksam; an ihre Stelle treten ggf. die
gesetzlichen Kündigungsfristen. Zu beachten ist allerdings, dass nichttarifgebundene Arbeitsver-
tragspartner im sachlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages die Anwendung der tariflichen
Kündigungsfristen (auch von kürzeren als den gesetzlichen) vereinbaren können.
Arbeitgeber, die regelmäßig nicht mehr als 20 Arbeitnehmer -ausschließlich der im Betrieb täti-
gen Auszubildenden- beschäftigen, können abweichend von der gesetzlichen Regelung eine Kün-
digungsfrist von vier Wochen kalendertäglich, d. h. ohne das Enddatum 15. oder Monatsende
vereinbaren. Bei der Feststellung der Anzahl der Beschäftigten sind teilzeitbeschäftigte Arbeit-
nehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5
und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die verlängerten Kündigungsfristen
bei längerer Betriebszugehörigkeit bleiben unberührt.
Eine beliebige Kündigungsfrist (also auch kürzer als vier Wochen) kann dann vereinbart werden,
wenn es sich um ein Arbeitsverhältnis zur vorübergehenden Aushilfe für nicht länger als drei
Monate handelt.
F. Die außerordentliche (fristlose) Kündigung
Während die ordentliche Kündigung die Einhaltung bestimmter Kündigungsfristen erfordert, löst
die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis in der Regel mit sofortiger Wirkung auf.
Die vereinbarten oder gesetzlichen Kündigungsfristen brauchen nicht eingehalten zu werden. Die
außerordentliche Kündigung ist jedoch nur in Ausnahmefällen zulässig, und zwar wenn ein wich-
tiger Grund für sie gegeben ist (§ 626 BGB). Ein wichtiger Grund ist anzunehmen, wenn Tatsa-
chen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeits-
verhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des
Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Eine Beschränkung der außerordentlichen
Kündigung ist grundsätzlich nicht möglich. Das Recht auf fristlose Kündigung ist unabdingbar.
Es muss stets im Einzelfall geprüft werden, ob die genannten Voraussetzungen für eine außeror-
dentliche Kündigung erfüllt sind. Es gibt keine absoluten Kündigungsgründe. Auch bei schweren
Verfehlungen muss eine entsprechende Prüfung und Abwägung stattfinden. Es kann auch nicht
vereinbart werden, dass bestimmte Tatbestände oder Vorfälle auf alle Fälle zur fristlosen Kündi-
gung berechtigen sollen. Als mögliche Kündigungsgründe, für eine solche außerordentliche Kün-
digung können in Ausnahmefällen in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe, z.B. eine
dauernde Erkrankung, in dem Betrieb des Arbeitgebers liegende Gründe, z.B. Stilllegung, Konkurs
61
oder verhaltensbedingte Gründe, z.B. Straftaten gegenüber dem Arbeitgeber, eigenmächtiger Ur-
laubsantritt, Arbeitsverweigerung, in Betracht kommen. Ob vor einer fristlosen Kündigung eine
Abmahnung wegen einer Verfehlung im gleichen oder ähnlichen Verhaltensbereich vorangehen
muss, richtet sich nach Art und Schwere der Verfehlung (vgl. zur Abmahnung bei verhaltensbe-
dingter Kündigung Seite 71 f).
Auch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ist der Ausspruch einer fristlosen Kündigung nicht
zeitlich unbeschränkt möglich. Dem Vertragspartner kann es nicht zugemutet werden, lange in
Ungewissheit zu bleiben, ob ihm fristlos gekündigt wird oder nicht. Die Kündigung kann daher
nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündi-
gungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der
Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich
mitteilen. Darüber hinaus kann man sagen, dass eine Verwirkung des Rechts zur fristlosen Kündi-
gung immer dann anzunehmen ist, wenn der Berechtigte in einem Falle schweigt, in dem er hät-
te reden müssen. Das bedeutet, dass im Einzelfall nach Treu und Glauben genau abzuwägen ist,
ob das Recht zur fristlosen Kündigung verwirkt ist.
Die außerordentliche Kündigung braucht nicht unbedingt als fristlose Kündigung ausgesprochen
zu werden. Sie bleibt, auch wenn eine kurze Frist eingeräumt wird, eine außerordentliche Kündi-
gung. Der Kündigende muss jedoch, um die Vorteile, die eine außerordentliche Kündigung bietet
(z. B. hinsichtlich des Kündigungsschutzes), zu wahren, ausdrücklich darauf hinweisen, dass es
sich trotz der Einhaltung einer Frist um eine außerordentliche Kündigung handelt und die Ein-
räumung einer Frist lediglich ein Entgegenkommen bedeutet.
G. Die Änderungskündigung
Will der Arbeitgeber die Bedingungen des mit einem Arbeitnehmer bestehenden Arbeitsvertrags
ändern, so kann er dies in der Regel nicht einseitig bewirken, sondern er braucht dazu die Zu-
stimmung des Arbeitnehmers. Lässt sich eine einvernehmliche Vertragsänderung nicht erreichen,
so kann der Arbeitgeber an eine Änderungskündigung denken (vgl. § 2 Kündigungsschutzgesetz).
Bei einer Änderungskündigung muss der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigen und im Zu-
sammenhang mit der Kündigung anbieten, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen
fortzusetzen. Die Änderungskündigung ist eine echte Kündigung, bei der die Kündigungsfrist ein-
zuhalten und ggf. der Betriebsrat anzuhören ist. Sie enthält gleichzeitig das Angebot an den Ar-
beitnehmer, das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist zu geänderten Bedingungen
fortzusetzen.
Schlägt der Arbeitnehmer das mit der Änderungskündigung gemachte Änderungsangebot aus
oder reagiert er auf die Änderungskündigung nicht, so endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der
Kündigungsfrist.
Da es sich bei der Änderungskündigung um eine echte Kündigung handelt, kann der Arbeitneh-
mer, wenn er die angebotene Vertragsänderung ablehnt, das normale Kündigungsschutzverfah-
ren beschreiten. Das Arbeitsgericht muss in diesem Fall über die soziale Rechtfertigung der Kün-
digung entscheiden. Entweder besteht dann das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen
weiter oder es ist mit Ablauf der Kündigungsfrist beendet.
Um das Risiko für den Arbeitnehmer auszuschließen, dass er das Änderungsangebot ausschlägt
und dann im Kündigungsschutzverfahren festgestellt wird, dass die Kündigung sozial gerechtfer-
tigt war und er damit seinen Arbeitsplatz verliert, bietet § 2 des KSchG die Möglichkeit, das vom
62
Arbeitgeber gemachte Änderungsangebot unter dem Vorbehalt anzunehmen, dass die Kündigung
nicht sozial ungerechtfertigt ist. Dazu muss er die Kündigungsschutzklage erheben. Der Arbeit-
nehmer erreicht damit, dass das Arbeitsverhältnis auf alle Fälle fortbesteht: Zu den alten oder
neuen Bedingungen, je nachdem, ob das Arbeitsgericht die Änderungskündigung für sozial ge-
rechtfertigt hält oder nicht.
H. Kündigungsschutz
1. Der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz
Der Kündigungsschutz beruht weitgehend auf dem sog. Kündigungsschutzgesetz. Zweck dieses
Gesetzes ist, sozial ungerechtfertigte Kündigungen zu verhindern. Hier haben sich die Vorausset-
zungen für nach dem 31. Dezember 2003 begründete Arbeitsverhältnisse geändert: Für die bis zu
diesem Zeitpunkt bereits begründeten Arbeitsverhältnisse findet das Gesetz weiterhin Anwen-
dung auf Arbeitsverhältnisse in Betrieben oder Unternehmen, die länger als sechs Monate ohne
Unterbrechung bestanden haben und in denen in der Regel mehr als 5 Arbeitnehmer ausschließ-
lich der Auszubildenden beschäftigt worden sind. Auf ab dem 01. Januar 2004 begründete Ar-
beitsverhältnisse ist nunmehr das Kündigungsschutzgesetz erst anwendbar, wenn mehr als 10
Arbeitnehmer ohne Unterbrechung länger als sechs Monate im Betrieb beschäftigt sind.
Haben Sie also bereits vor dem 1. Januar 2004 mehr als 5 aber weniger als 10 Arbeitnehmer be-
schäftigt und stellen Sie nun neue Mitarbeiter ein, ohne dabei die Höchstgrenze von 10 Mitarbei-
tern zu überschreiten, so behält jeder Mitarbeiter, der schon vor dem 01.01.2002 beschäftigt ge-
wesen ist und Kündigungsschutz genossen hat, diesen Status bei. Neu eingestellte Arbeitnehmer
müssen allerdings auf den gesetzlichen Kündigungsschutz verzichten. Wird die Höchstgrenze von
10 Mitarbeitern überschritten, unterliegen alle Mitarbeiter dem Kündigungsschutz.
Bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl werden Teilzeitkräfte entsprechend der Dauer ihrer Ar-
beitszeit anteilig berücksichtigt. So sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßi-
gen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30
Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Voraussetzung dafür, dass das Kündigungsschutzgesetz auf
einen Arbeitnehmer Anwendung findet, ist außerdem, dass dessen Arbeitsverhältnis länger als 6
Monate ohne Unterbrechung in demselben Betrieb oder Unternehmen bestanden hat.
a) Soziale Rechtfertigung der Kündigung; Abmahnung
Durch das Kündigungsschutzgesetz soll, wie erwähnt, eine sozial ungerechtfertigte Kündigung
verhindert werden. Eine solche ist daher unwirksam. Sozial ungerechtfertigt ist eine Kündigung
dann, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers lie-
gen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeit-
nehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung
außerdem, wenn
1. die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 BetrVG verstößt,
2. der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz des Betriebes weiterbeschäftigt werden
kann,
3. die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbil-
dungsmaßnahmen möglich ist,
63
4. eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen mög-
lich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat
und der Betriebsrat der Kündigung fristgerecht und schriftlich widersprochen hat.
aa) Personenbedingte Gründe
Personenbedingte Gründe zur Kündigung sind solche, die auf den persönlichen Eigenschaften
und Fähigkeiten des Arbeitnehmers beruhen. Hierzu zählen etwa mangelnde körperliche oder
geistige Eignung; evtl. auch Erkrankungen, die die Verwendbarkeit des Arbeitnehmers für die Tä-
tigkeit beim Arbeitgeber erheblich einschränken oder sogar aufheben. Auch erhebliche krank-
heitsbedingte Fehlzeiten, darunter auch solche wegen einer Suchtkrankheit des Arbeitnehmers,
können unter gewissen Voraussetzungen eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen. Die
Vollendung des 65. Lebensjahres oder die Berechtigung, Altersruhegeld vor Vollendung des 65.
Lebensjahres zu beantragen, sind keine Gründe zur personenbedingten Kündigung.
bb) Verhaltensbedingte Gründe
Verhaltensbedingte Gründe zur Kündigung können vor allem Arbeitsvertragspflichtverletzungen
sein, aber auch andere Umstände, die das Arbeitsverhältnis berühren und die einen verständig
denkenden Arbeitgeber veranlassen würden, eine Kündigung auszusprechen (Beispiele: ständiges
Zuspätkommen, unzulässige Nebentätigkeiten, Beleidigung von Vorgesetzten oder Kollegen, Stö-
rung des Betriebsfriedens usw.).
Die herrschende Rechtsprechung verlangt vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung
im Regelfall eine vorherige Abmahnung (Eine Abmahnung ist entbehrlich bei groben Störungen
im Vertrauensbereich und bei schweren Verfehlungen). Durch die Abmahnung wird dem Arbeit-
nehmer, der seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hat, verdeutlicht, dass er im Falle einer
weiteren derartigen Verletzung mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechnen hat. Die
Abmahnung erfüllt folgende Funktionen:
dem Arbeitnehmer werden einzelne, ihm vorgeworfene Verfehlungen benannt (Dokumenta-
tionsfunktion);
dem Arbeitnehmer wird gesagt, dass die geschilderten Verfehlungen als Verletzung arbeits-
rechtlicher Pflichten angesehen werden (Hinweisfunktion);
der Arbeitnehmer wird zu pflichtgemäßem Verhalten für die Zukunft aufgefordert (Ermah-
nungsfunktion);
dem Arbeitnehmer wird klargemacht, dass er mit gewissen Rechtsfolgen, d. h. in der Regel
mit der Kündigung zu rechnen hat, wenn er sein Verhalten nicht ändert (Androhungsfunkti-
on).
Dementsprechend werden an die Abfassung einer ordnungsgemäßen Abmahnung folgende An-
forderungen gestellt:
1. Die Abmahnung sollte als solche gekennzeichnet werden.
2. Die Abmahnung muss das beanstandete Fehlverhalten deutlich bezeichnen mit genauer
Nennung der zeitlich fixierbaren Tatsachen (keine allgemeinen Behauptungen oder Wert-
urteile).
64
3. Es ist darauf hinzuweisen, dass durch das Fehlverhalten die Verpflichtungen aus dem Ar-
beitsvertrag verletzt wurden.
4. Der Arbeitnehmer ist zur Aufgabe bzw. Änderung des Fehlverhaltens aufzufordern.
5. Für den Fall erneuten Fehlverhaltens sind Konsequenzen für den Fortbestand des Arbeits-
verhältnisses (Kündigung) anzudrohen.
Zur Wirksamkeit der Abmahnung ist ihr Zugang und die Kenntnis des Empfängers von ihrem In-
halt erforderlich. Die Abmahnung wird zu den Personalakten genommen. Schriftform ist nicht
zwingend, aber zur Beweiserleichterung empfehlenswert. Die Wirkungsdauer einer Abmahnung
hängt vom Einzelfall ab. Wird ein vertragswidriges Verhalten durch den Arbeitgeber abgemahnt,
so kann dieses nicht mehr Grund für eine Kündigung sein (Die Abmahnung verbraucht den Kün-
digungsgrund). Der Abmahnende braucht nicht kündigungsberechtigt zu sein; es genügt, dass er
im speziellen Fall als Vorgesetzter, z.B. der Abteilungsleiter des Arbeitnehmers, anzusehen ist.
Für den späteren Fall einer verhaltensbedingten Kündigung kann der Arbeitgeber sich nur dann
auf die Abmahnung berufen, wenn das abgemahnte Verhalten und das erneute Fehlverhalten
gleichartige Verstöße darstellen (im vergleichbaren Verhaltensbereich liegen).
Die Wirkung der Abmahnung kann verfallen bzw. kann der Arbeitgeber sein Recht auf Abmah-
nung verwirken, wenn er nach Kenntnis von dem zur Abmahnung berechtigenden Verhalten des
Arbeitnehmers zu lange wartet. So muss der Arbeitnehmer bereits 6 Monate nach dem Pflicht-
verstoß nicht mehr mit einer Abmahnung seitens des Arbeitgebers rechnen.
Von der Abmahnung zu unterscheiden sind weniger gravierende Maßnahmen wie Ermahnungen,
Beanstandungen, Vorhaltungen, Zurechtweisungen, Belehrungen, Rügen, Tadel, Kritik usw., bei
denen die Androhung der Kündigung für den Fall weiteren Verstoßes fehlt.
cc) Dringendes betriebliches Erfordernis
Als dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung wird z. B. ein erheblicher Auftrags-
rückgang angesehen. Betriebsumstellungen werden nach der Rechtsprechung nicht immer als ein
betriebsnotwendiger Grund angesehen. Es wird verlangt, dass dem Arbeitnehmer bei Betriebsum-
stellungen Zeit zum Einarbeiten gegeben wird. Rationalisierungsmaßnahmen werden teilweise
als dringende betriebliche Erfordernisse anerkannt. Allerdings dann nicht, wenn die Maßnahmen
dem Betrieb keine oder nur unwesentliche Vorteile bringen, der Arbeitnehmer hingegen durch die
Kündigung schwer belastet würde.
Auch eine aus betrieblichen Erfordernissen erfolgende Kündigung gilt dann als nicht sozial ge-
rechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale
Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt. Hier gilt seit dem 1. Januar 2004
aufgrund des Gesetzes zu den Reformen am Arbeitsmarkt eine ausdrückliche Regelung, welche
Kriterien der Arbeitgeber bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen hat:
a) die Dauer der Betriebszugehörigkeit,
b) das Lebensalter,
c) die Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers,
d) die evtl. Schwerbehinderung des Arbeitnehmers
Die Neuregelung sieht weiterhin vor, dass solche Arbeitnehmer nicht in die Sozialauswahl einzu-
beziehen sind, deren Weiterbeschäftigung , insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten
und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im be-
65
rechtigten betrieblichen Interesse liegt. Bis zum 31.12.03 galt, dass betriebstechnische, wirt-
schaftliche oder sonstige berechtigte betriebliche Bedürfnisse die Weiterbeschäftigung einzelner
Arbeitnehmer bedingen und damit der Sozialauswahl entgegenstehen können. Dem Arbeitneh-
mer sind auf sein Verlangen die Gründe anzugeben, die zu seiner sozialen Auswahl bei der Kün-
digung geführt haben.
Neu ist seit dem 01.01.04 auch § 1a KSchG, der für betriebsbedingte Kündigungen die Möglich-
keit von Abfindungszahlungen vorsieht. Danach hat der Arbeitnehmer einen Abfindungsan-
spruch, der mit dem Ablauf der Kündigungsfrist entsteht, wenn er nicht bis zum Ablauf der drei-
wöchigen Klagefrist schriftlich Klage auf Feststellung vor dem Arbeitsgericht erhebt, dass das
Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Voraussetzung des Abfindungsan-
spruchs ist es, dass
a) die Kündigung auf dringende betriebliche Gründe gestützt ist und
b) der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in der Kündigungserklärung darauf hingewiesen hat,
dass die Kündigung betriebsbedingt erfolgt ist und er bei verstreichen lassen der Klage-
frist die Abfindung beanspruchen kann.
Die Höhe des Abfindungsanspruchs beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens
des Arbeitsverhältnisses. Dabei gilt als Monatsverdienst, was der Arbeitnehmer bei der für ihn
maßgeblichen, regelmäßigen Arbeitszeit in dem das Arbeitsverhältnis endenden Monats, an Geld
und Sachbezügen zusteht. Bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist ein Zeitraum
von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden.
Hinweis: bei einer außerordentlichen Kündigung sieht das Kündigungsschutzgesetz keinen Kün-
digungsschutz vor.
b) Rechte des Arbeitnehmers aus dem Kündigungsschutzgesetz
Ist der Arbeitnehmer der Auffassung, dass eine Kündigung sozial nicht gerechtfertigt und daher
unwirksam sei, so kann er diese Unwirksamkeit durch Klage vor dem Arbeitsgericht geltend ma-
chen. Er hat allerdings auch die Möglichkeit, zunächst den Betriebsrat anzurufen, d. h. er kann
binnen einer Woche nach Kündigung, die er für sozial ungerechtfertigt hält, Einspruch beim Be-
triebsrat einlegen (§ 3 KSchG). Hält dieser den Einspruch für begründet, so hat er zu versuchen,
eine Verständigung mit dem Arbeitgeber herbeizuführen. Der Betriebsrat hat außerdem das
Recht, schriftlich Stellung zu nehmen. Damit ist jedoch die Möglichkeit der Einflussnahme des
Betriebsrats erschöpft. Eine Entscheidung darüber, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist,
steht dem Betriebsrat nicht zu.
Die Möglichkeit, wegen einer sozial nicht gerechtfertigten Kündigung das Arbeitsgericht anzuru-
fen, steht dem Arbeitnehmer nur innerhalb drei Wochen nach Zugang der Kündigung offen (§ 4
KSchG). Diese einheitliche Klagefrist gilt auch für Kündigungen aus anderen Gründen (bspw. feh-
lende Betriebsratsanhörung). Die 3-Wochen-Frist ist eine Ausschlussfrist und kann nicht verlän-
gert werden. Reicht der Arbeitnehmer z. B. erst vier Wochen nach Kündigung die Feststellungs-
klage mit dem Antrag, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ein, so
ist die Rechtsfolge, dass die Kündigung als von Anfang an wirksam gilt, da die vorgeschriebene
Frist nicht eingehalten wurde. Nach § 5 KSchG ist die Klage nachträglich zuzulassen, wenn ein
Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zumutbaren Sorgfalt verhin-
dert war, die Klage innerhalb der 3-Wochen-Frist zu erheben.
Hat der Betriebsrat der Kündigung aus einem der im Betriebsverfassungsgesetz genannten Grün-
de widersprochen, so muss der Arbeitgeber, wenn er trotzdem kündigt, dem Arbeitnehmer mit
66
der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuleiten. Wenn der Arbeitneh-
mer darauf Kündigungsschutzklage erhebt, so muss der Arbeitgeber diesen bis zum Abschluss des
Kündigungsschutz-Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen, so-
fern nicht das Arbeitsgericht den Arbeitgeber auf seinen Antrag von dieser Verpflichtung entbin-
det. Eine Entbindung ist u. a. möglich, wenn die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung zu einer
unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder der Widerspruch
des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war (§ 102 BetrVG).
Ist die Klage rechtzeitig eingereicht und gibt das Arbeitsgericht der Klage des Arbeitnehmers
statt, so lautet das Urteil dahingehend, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst ist. Das Ar-
beitsgericht kann aber, wenn es die Kündigung für sozial ungerechtfertigt hält, auch die Auflö-
sung des Arbeitsverhältnisses erklären, jedoch nur auf Antrag des Arbeitnehmers, wenn diesem
die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. In diesem Fall besteht für das Ge-
richt die Möglichkeit, den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen
(§ 9 KSchG). Auch auf Antrag des Arbeitgebers hat das Gericht auf Auflösung des Arbeitsverhält-
nisses und Zahlung einer Abfindung zu erkennen, wenn der Arbeitgeber die Auflösung des Ar-
beitsverhältnisses aus Gründen verlangt, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusam-
menarbeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht erwarten lassen und er dies beweisen
kann. Der Höchstbetrag der Abfindung, auf den das Arbeitsgericht erkennen kann, beträgt im Re-
gelfall bis zu 12 Monatsverdiensten. Hat der Arbeitnehmer das 50. Lebensjahr vollendet und hat
das Arbeitsverhältnis mindestens 15 Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu 15 Monatsver-
diensten, hat ein Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis min-
destens 20 Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu 18 Monatsverdiensten festzusetzen (§ 10
KSchG).
Hat der Arbeitnehmer aufgrund der Kündigung nicht mehr gearbeitet und stellt das Gericht auf-
grund des Verfahrens fest, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt war und daher das Ar-
beitsverhältnis nicht aufgelöst wurde, so hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Zeit nach
der Entlassung das Arbeitsentgelt bis zur Wiedereinstellung zu zahlen. Der Arbeitnehmer muss
sich allerdings dabei anderweitige Verdienste und Leistungen (z. B. Fürsorge) anrechnen lassen.
Er muss sich auch das anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht bös-
willig unterlassen hätte, eine andere Arbeit anzunehmen (§ 11 KSchG).
Für diejenigen Arbeitnehmer, auf die das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet (z. B.
wenn der Arbeitnehmer in einem Kleinbetrieb beschäftigt ist oder noch keine 6 Monate in dem-
selben Betrieb arbeitet), besteht ein Kündigungsschutz lediglich unter dem Gesichtspunkt des
Verstoßes gegen die guten Sitten. Sittenwidrig kann eine Kündigung dann sein, wenn besondere
Umstände, insbesondere verwerfliche Beweggründe (z. B. Rachsucht), die Kündigung als Verstoß
gegen die guten Sitten erscheinen lassen.
2. Besondere Kündigungsschutzbestimmungen
a) Kündigungsschutz im Rahmen der Betriebsverfassung
Für Betriebsratsmitglieder besteht ein besonderer Kündigungsschutz nach § 15 KSchG. Einem Be-
triebsratsmitglied kann mit der ordentlichen Kündigung während der Dauer seiner Amtszeit und
bis ein Jahr nach deren Ende nicht gekündigt werden. Für die außerordentliche Kündigung ist die
Zustimmung des Betriebsrats notwendig. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, so kann
das Arbeitsgericht sie auf Antrag des Arbeitgebers ersetzen.
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Kündigungsschutz haben auch die Mitglieder des Wahlvorstandes (für die Wahl des Betriebsrats)
sowie die Wahlbewerber zum Betriebsrat, und zwar von der Aufstellung an bis 6 Monate nach
Bekanntgabe des Wahlergebnisses.
b) Kündigungsschutz bei Massenentlassungen
Eine „Massenentlassung“ ist dann anzunehmen, wenn innerhalb von 30 Kalendertagen
in Betrieben mit mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeit-
nehmer entlassen werden sollen,
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10
v. H. der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25
Arbeitnehmer entlassen werden sollen,
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeit-
nehmer entlassen werden sollen.
Bei Massenentlassungen im vorgenannten Sinn ist der Arbeitgeber verpflichtet, der Agentur für
Arbeit unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats schriftlich Anzeige zu erstatten. Die
Entlassungen werden vor Ablauf eines Monats nur wirksam, wenn die Landesagentur für Arbeit
zustimmt. Die Landesagentur kann im Einzelfall bestimmen, dass die Entlassungen nicht vor Ab-
lauf von längstens 2 Monaten nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit wirksam
werden (§§ 17 ff KSchG).
c) Kündigungsschutz für länger beschäftigte Angestellte und Arbeiter
Bei längerer Betriebszugehörigkeit muss der Arbeitgeber bei der Kündigung von Angestellten und
Arbeitern zwingend verlängerte Kündigungsfristen beachten. Die Arbeitnehmer werden dadurch
vor kurzfristiger Kündigung geschützt. Zur Dauer der verlängerten Kündigungsfristen wird auf die
Darstellung in E. „Die ordentliche Kündigung“ verwiesen.
d) Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen
Nach § 85 SGB IX bedarf die Kündigung (auch eine außerordentliche) eines schwerbehinderten
Menschen, dessen Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate besteht, erst dann ausgesprochen wer-
den, wenn das Integrationsamt vorher zugestimmt hat. Die Kündigungsfrist für Schwerbehinder-
te beträgt gem. § 86 SGB IX mindestens 4 Wochen. Bei der außerordentlichen Kündigung kann
die Zustimmung des Integrationsamtes nur innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Ar-
beitgebers von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen beantragt werden.
e) Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz
Ein weiterer Fall eines besonderen Kündigungsschutzes ist der der werdenden Mutter nach dem
Mutterschutzgesetz. Nach § 9 des Mutterschutzgesetzes ist die Kündigung einer erwerbstätigen
Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von 4 Monaten nach der Niederkunft un-
zulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft (oder die Nieder-
kunft) bekannt war oder innerhalb zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Ei-
ne gegen eine Mutter in der fraglichen Zeit ausgesprochene Kündigung ist nichtig. Daneben be-
steht das Verbot der Kündigung für die Zeit der Elternzeit.
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I. Folgen der Kündigung
1. Pflicht, Zeit zur Stellungssuche zu gewähren
Nach Kündigung eines dauernden Dienstverhältnisses muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer
auf dessen Verlangen eine angemessene Zeit zum Aufsuchen eines anderen Dienstverhältnisses
gewähren (§ 629 BGB). Während der fraglichen Zeit ist die Vergütung weiter zu zahlen. Gleich-
gültig ist, wer gekündigt hat.
2. Hinweispflicht des Arbeitgebers
Für den Arbeitgeber besteht die Pflicht, den Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass dieser ver-
pflichtet ist, sich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Agentur für Arbeit arbeitssu-
chend zu melden und eigene Aktivitäten bei der Suche nach einer neuen Anstellung anzustren-
gen hat. Denn Personen, deren Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis endet, sind gem. § 38 SGB III
verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für
Arbeit arbeitssuchend zu melden. Liegen zwischen Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der
Beendigung des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Mel-
dung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Die
Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ge-
richtlich geltend gemacht wird. Des Weiteren besteht gem. § 2 Abs. 5 Nr. 2 SGB III die Notwen-
digkeit eigener Aktivitäten bei der Suche nach einer anderen Beschäftigung. Erfolgt die Arbeits-
suchendmeldung nicht rechtzeitig, tritt eine Sperrzeit von einer Woche ein. Bei Unterlassen des
Hinweises besteht jedoch nach der Rechtsprechung des BAG keine Schadensersatzpflicht des Ar-
beitgebers!
Da diese strengen Fristen bestehen, empfiehlt es sich, der Hinweispflicht schon im Kündigungs-
schreiben nachzukommen. Kündigt der Arbeitnehmer, sollte ein Schreiben vorgelegt werden, des-
sen Erhalt man sich für spätere Beweiszwecke, quittieren lassen sollte.
3. Restlicher Jahresurlaub
Der etwa noch restliche Jahresurlaub muss nach § 7 Abs. 4 BUrlG während der Kündigungsfrist
nach Möglichkeit in Natur gewährt werden. Wenn dies aus dringenden betrieblichen Gründen
nicht möglich ist (Aufarbeiten, Abschlussrechnung usw.), ebenso bei fristloser Entlassung, ist der
restliche Urlaub in Geld zu vergüten.
4. Rückzahlung von Fortbildungskosten
Nicht selten kommt es vor, dass ein Arbeitgeber für einen Mitarbeiter Fortbildungskosten über-
nimmt oder sich maßgeblich an solchen Kosten beteiligt. Aus verständlichen Gründen ist er dazu
meist nur bereit, wenn er damit rechnen kann, dass der Arbeitnehmer nach Beendigung der Aus-
bildung noch eine längere Zeit bei ihm bleibt.
Um dem Arbeitgeber die erforderliche Sicherheit zu geben, kommt es in Betracht, eine Rückzah-
lungsvereinbarung zu treffen, die vorsieht, dass der Mitarbeiter die vom Arbeitgeber gezahlten
69
Ausbildungskosten ganz oder teilweise zurückzahlen muss, wenn er vor Ablauf bestimmter Fris-
ten das Arbeitsverhältnis beendet.
Bei der Vereinbarung von Rückzahlungsklauseln muss allerdings beachtet werden, dass
der Arbeitnehmer nicht unangemessen gebunden wird;
die Rückzahlung nach Treu und Glauben zumutbar ist und
der Arbeitgeber ein begründetes und zu billigendes Interesse an der Rückzahlung der Fort-
bildungskosten hat.
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze gilt für den Inhalt von Rückzahlungsklau-
seln folgendes:
dem Arbeitnehmer muss mit der Fortbildung ein geldwerter Vorteil zufließen, der den
Marktwert seiner Arbeitskraft erhöht. Betriebsbezogene Bildungsmaßnahmen und Anpas-
sung der Kenntnisse an neuere betriebliche Gegebenheiten reichen dazu in der Regel nicht
aus;
die Rückzahlungsvereinbarung ist unwirksam, wenn die Fortbildung vor allem im Interesse
des Arbeitgebers liegt, weil sie etwa zur Einarbeitung für einen konkreten Arbeitsplatz not-
wendig ist. (Dabei ist es unerheblich, wenn in die Vereinbarung die Klausel aufgenommen
wird: „der Erwerb der Kenntnisse liegt ausschließlich im Interesse des Arbeitnehmers“);
die Dauer der Bindung muss zumutbar sein. Im Regelfall ist davon auszugehen, dass, je län-
ger die Lehrgangsdauer ist, umso länger die Bleibefrist, bis zu der eine Rückzahlung in Be-
tracht kommt, gewählt werden kann. Eine Faustregel besagt, dass bei einer Vollzeitlehr-
gangsdauer bis zu zwei Monaten höchstens eine einjährige Bindungsdauer vereinbart wer-
den kann. Eine Lehrgangsdauer von 2 - 6 Monaten rechtfertigt eine Bindung bis zu 2 Jahren
und eine Lehrgangsdauer von 6 - 12 Monaten rechtfertigt eine längere Bindung bis zu 3
Jahren. Im Einzelfall kann auch bei kürzerer Ausbildungsdauer eine verhältnismäßig lange
Bindung gerechtfertigt sein, wenn etwa der Arbeitgeber besonders hohe Mittel aufwendet
und die Teilnahme an der Fortbildung dem Arbeitnehmer besondere Vorteile bringt. Eine
übermäßig lange Bindung des Arbeitnehmers ist unzulässig. Die Rechtsprechung geht von
einer Höchstdauer von 3 Jahren aus. Eine längere Bindung dürfte allenfalls in Betracht
kommen, wenn die Fortbildung und die aufgewandten Mittel erheblich sind;
die Rückzahlungspflicht muss sich in vertretbaren Grenzen halten. In der Praxis wird daher
eine laufende Minderung der Rückzahlungsverpflichtung für richtig gehalten, z. B. eine mo-
natliche Minderung um 1/36 oder eine jährliche Minderung um ein Drittel bei 3jähriger Bin-
dung;
in Berufsausbildungsverhältnissen sind Rückzahlungsklauseln nach § 12 Berufsbildungsge-
setz unzulässig.
5. Zurückhaltung der Arbeitspapiere
Der Arbeitgeber hat grundsätzlich kein Recht zur Zurückhaltung der Arbeitspapiere, selbst wenn
er noch Forderungen gegen den Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis hat. Hält der Arbeitge-
ber entgegen seiner Verpflichtung zur Herausgabe der Arbeitspapiere diese zurück, so kann er
70
sich, wenn dem Arbeitnehmer aus der Zurückhaltung der Arbeitspapiere ein Schaden entsteht,
schadensersatzpflichtig machen.
Zudem trifft den Arbeitgeber die Pflicht, alle durch ihn zu erstellenden Arbeitspapiere anzuferti-
gen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Hierunter fallen insbesondere:
- Arbeitsbescheinigung,
- Urlaubsbescheinigung,
- Krankenkassenbescheinigung,
- Lohnsteuerbescheinigung,
- Lohnsteuerkarte,
- Sozialversicherungsausweis,
- Vorausbescheinigung über Arbeitsentgelt für Bezug der Altersrente,
- Zeugnis.
6. Pflicht zur Zeugniserteilung
Bei Beendigung eines dauernden Dienstverhältnisses hat der Arbeitgeber die Pflicht, dem Arbeit-
nehmer auf dessen Verlangen hin ein schriftliches Zeugnis über das Dienstverhältnis zu erteilen.
Es kann nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses begehrt werden. Grundsätzlich hat sich das
Zeugnis auf Angaben über Art und Dauer der Beschäftigung zu beschränken. Auf ausdrückliches
Verlangen des Arbeitnehmers ist das Zeugnis auch auf die Leistungen und die Führung im Dienst
auszudehnen. Auch dieses sog. erweiterte oder qualifizierte Zeugnis darf jedoch keine Beurtei-
lung des außerdienstlichen Verhaltens des ausgeschiedenen Arbeitnehmers enthalten. Das Zeug-
nis darf auch keine unrichtigen Angaben zugunsten des Arbeitnehmers enthalten (Schönfärbe-
rei), denn dies könnte Schadensersatzansprüche des getäuschten neuen Arbeitgebers nach sich
ziehen. Ebenso darf das Zeugnis natürlich auch keine unrichtigen Angaben zuungunsten des Ar-
beitnehmers enthalten. Der Wortlaut des Zeugnisses steht im Ermessen des Arbeitgebers. Der Ar-
beitnehmer hat keinen Anspruch auf eine von ihm gewünschte bestimmte Formulierung. Die Ab-
fassung muss aus der Sicht des wohlwollenden verständigen Arbeitgebers erfolgen. Einmalige
Vorfälle oder Umstände, die für Führung oder Leistung des Arbeitnehmers nicht charakteristisch
sind, gehören nicht in das Zeugnis. Das Zeugnis muss alle wesentlichen Tatsachen und Bewer-
tungen enthalten, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind und an
denen ein künftiger Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse haben kann.
Anspruch auf ein sog. Zwischenzeugnis besteht in Ausnahmefällen, etwa wenn vom Arbeitgeber
eine Kündigung in Aussicht gestellt wird, wenn es für Fortbildungskurse benötigt wird oder der
Vorgesetzte wechselt.
Das Rationalisierungs-Kuratorium der Deutschen Wirtschaft (RKW) hat folgende Beispiele für die
kurze Beurteilung der Leistung von Arbeitnehmern im Zeugnis gegeben:
„Er/Sie hat die ihm/ihr übertragenen Arbeiten stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt„
- sehr gut -
„Er/Sie hat die ihm/ihr übertragenen Arbeiten stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt“
- gut -
„Er/Sie hat die ihm/ihr übertragenen Arbeiten zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt“
- befriedigend -
71
„Er/Sie hat die ihm/ihr übertragenen Arbeiten zu unserer Zufriedenheit erledigt“
- ausreichend -
„Er/Sie hat die ihm/ihr übertragenen Arbeiten im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit
erledigt“ - mangelhaft -
„Er/Sie hat sich bemüht, die ihm/ihr übertragenen Arbeiten zu unserer Zufriedenheit zu erledi-
gen“ - völlig ungenügend -
„Er/Sie hat unseren Erwartungen entsprochen“
- schlecht -
„Er/Sie hat unseren Erwartungen in jeder Hinsicht entsprochen“
- befriedigend -
„Er/Sie hat unseren Erwartungen in jeder Hinsicht und bester Weise entsprochen“
- sehr gut -
J. Betriebsübergang
Geht der Rechtsträger eines Betriebes oder eines Betriebsteiles von einem früheren Inhaber auf
einen Erwerber über, spricht man von einem Betriebsübergang bzw. einer Betriebsnachfolge, so-
fern hierdurch eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität
übernommen und mit dem bisher verfolgten Zweck weitergeführt wird. Hierbei ist unerheblich,
ob sich der Wechsel zwischen natürlichen oder juristischen Personen vollzieht und, ob der Wech-
sel im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (z.B. Erbfall) oder mittels Einzelrechtsnachfolge (z.B.
Kauf) eintritt. Voraussetzung ist, dass eine Änderung in der Person desjenigen erfolgt, der über
die arbeitsrechtliche Organisations- und Leitungsmacht verfügt, der also die wesentlichen Auf-
gabenbereiche kontrolliert.
Wann ein Betriebsübergang vorliegt, ist anhand des Einzelfalls zu beurteilen. Ein Betriebsüber-
gang liegt nicht bereits dann vor, wenn eine zuvor von dem früheren Inhaber ausgeübte be-
stimmte Tätigkeit durch einen neuen Auftragnehmer fortgeführt wird. Stellt der Erwerber Be-
schäftigte des früheren Inhabers neu ein, übernimmt er jedoch keine weiteren Betriebsmittel und
organisiert er den Arbeitsablauf neu, ist hierin kein Betriebsübergang, sondern eine sog. Funkti-
onsnachfolge zu sehen.
Für einen Betriebsübergang spricht:
- die Ähnlichkeit der betrieblichen Tätigkeit;
- die Übernahme eines Personalbestandes – hierbei kommt es darauf an, dass ein nach
Zahl und Sachkunde wesentlicher Teil der Belegschaft von dem Erwerber übernommen
wird;
- die Nutzung bereits vorhandener Betriebsmittel.
Der EuGH entwickelte ein 7-Punkte Katalog zur Feststellung eines Betriebsübergangs:
Art des Unternehmens
72
Der etwaige Übergang der materiellen Aktiva
Der Wert der immateriellen Aktiva
Die etwaige Übernahme der Arbeitnehmer
Die etwaige Übernahme der Kundschaft
Der Grad der Ähnlichkeit der Tätigkeit nach und vor der Übernahme
Dauer der eventuellen Unterbrechung der Geschäftstätigkeit
Kein Betriebsübergang, sondern eine Betriebsstilllegung liegt vor, wenn der frühere Inhaber seine
bisherige wirtschaftliche Tätigkeit in der Absicht einstellt, den Betriebszweck dauernd oder für
eine ihrer Dauer nach unbestimmte – wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeit- nicht weiterzuver-
folgen. Wird der Betrieb wieder aufgenommen legt die Rechtsprechung je nach Art des Betriebes
für die Vermutung einer Betriebsstilllegung unterschiedliche Zeitspannen zugrunde, z.B. bei einer
Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit von 9 Monaten bei einem Modefachgeschäft oder bei
einer Unterbrechung von 3 Monaten bei einer Kindertagesstätte. Während den früheren Inhaber
bzw. den Erwerber bei einem Betriebsübergang gemäß § 613a BGB weitgehende Informations-
und Aufklärungspflichten treffen (hierzu vertiefend s. u.), sieht das Gesetz solche Vorgaben nicht
im Falle der Betriebsstilllegung oder der Funktionsnachfolge vor.
Sofern der Erwerber einen Großteil der Betriebsmittel weiter nutzt bzw. einen wesentlichen Teil
des Personalbestandes übernimmt - je mehr also der Betrieb des Erwerbers in seinen Betriebs-
mitteln und seinem Personal dem Betrieb des früheren Inhabers ähnelt - wird man von einem
Betriebsübergang und nicht von einer Betriebsstilllegung oder Funktionsnachfolge auszugehen
haben. Mit dem Betriebsübergang geht die Arbeitgeberstellung des früheren Inhabers ohne Be-
endigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer insgesamt auf den Erwerber über.
Wichtig: Der Übergang des Betriebes oder eines Betriebsteiles an einen anderen Inhaber stellt
weder für den Erwerber noch für den früheren Inhaber einen Kündigungsgrund für eine Kündi-
gung der/des Arbeitnehmer(s) dar, wenn das Motiv der Kündigung wesentlich durch den Betrieb-
sübergang bedingt ist. Dies ist immer dann der Fall, wenn es neben dem Betriebsübergang keinen
sachlich rechtfertigenden Grund für eine Kündigung gibt (siehe: Abschnitt „Kündigung, Kündi-
gungsschutz, Zeugnis“). Eine gegenüber dem Arbeitnehmer ausgesprochene Kündigung allein
wegen des Übergangs des Betriebes oder des Betriebsteiles ist daher nach § 613a BGB nichtig.
Den Unternehmer bzw. den Unternehmensnachfolger treffen im Falle des Betriebsübergangs zu-
dem weitgehende Aufklärungs- und Informationspflichten gegenüber den Arbeitnehmern. Ge-
mäß § 613a Abs. 5,6 BGB trifft den Unternehmer bzw. dessen Nachfolger vor Übergang des Be-
triebes die Pflicht zur schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers über:
1. den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs;
2. den Grund für den Übergang;
3. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer;
4. die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.
Nach erfolgtem Zugang der Unterrichtung kann der Arbeitnehmer diesem Übergang innerhalb
eines Monats schriftlich widersprechen.
Verletzt der Unternehmer bzw. Unternehmensnachfolger diese ihm obliegende Pflicht, beginnt
die Frist für die Einlegung des Widerspruchs erst zu laufen, wenn die Unterrichtung ordnungs-
gemäß nachgeholt worden ist. Der Unternehmer läuft damit Gefahr, dass der Arbeitnehmer dem
Übergang unbefristet widersprechen kann.
73
TARIFRECHT
Rechtliche Grundlage des Tarifrechts ist das Tarifvertragsgesetz.
A. Tarifvertragswesen
1. Begriff des Tarifvertrags (§ 1 TVG)
Der Tarifvertrag ist ein schriftlicher Vertrag zwischen einer oder mehreren Gewerkschaften einer-
seits und einem oder mehreren Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden andererseits. Er regelt
die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien (schuldrechtlicher Teil) und kann Rechtsnor-
men enthalten, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie
betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen (normativer Teil).
2. Tarifvertragsparteien (§ 2 TVG)
Tariffähig, d. h. fähig Partei eines Tarifvertrages zu sein, sind
auf Arbeitgeberseite
einzelne Arbeitgeber oder Vereinigungen von Arbeitgebern (Arbeitgeberverbände) oder
Zusammenschlüsse von Vereinigungen von Arbeitgebern (Spitzenorganisationen),
auf Arbeitnehmerseite
nur Gewerkschaften oder Zusammenschlüsse von Gewerkschaften.
3. Tarifvertragsabschluss
Der Abschluss eines Tarifvertrags vollzieht sich nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Ge-
setzbuchs. Die Tarifvertragsparteien sind bei den Verhandlungen völlig frei. Es besteht auch kein
Rechtsanspruch einer Tarifvertragspartei auf Aufnahme von Tarifvertragsverhandlungen. Die Ta-
rifvertragsparteien haben nur die Möglichkeit, bei Weigerung der anderen Parteien zur Verhand-
lung, diese durch Arbeitskampf zu erreichen.
4. Form des Tarifvertrags
Hinsichtlich der Form des Tarifvertrags ist vorgeschrieben, dass dieser in einer von allen Tarifver-
tragsparteien unterschriebenen Urkunde niedergelegt sein muss. Dies soll der Klarheit und der
Vermeidung von Zweifeln über den Wortlaut der Abmachungen dienen.
5. Einsichtnahme in Tarifverträge
Der abgeschlossene Tarifvertrag muss dem Bundesarbeitsministerium übersandt werden. Beim
Bundesarbeitsministerium wird ein Tarifarchiv und ein Tarifregister geführt, die von jedermann
eingesehen werden können. Auch schriftliche Auskünfte werden erteilt. Auskünfte gibt in Nord-
rhein-Westfalen das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales –Tarifregister- Fürstenwall
25, 40219 Düsseldorf, Telefax: 0211/855-4297, E-Mail: [email protected] bzw. die
74
Homepage des Tarifregisters http://www.tarifregister.nrw.de. Die Arbeitgeber müssen die in ih-
rem Betrieb anzuwendenden Tarifverträge an geeigneter Stelle auslegen, damit die Arbeitnehmer
ungehindert Einsicht nehmen können.
6. Tarifgebundenheit (§§ 3 - 5 TVG)
Bindung an abgeschlossene Tarifverträge besteht nur, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer Mit-
glieder der Tarifvertragsparteien sind. In der Praxis werden allerdings sehr häufig auch auf die
Arbeitsverhältnisse nicht tarifgebundener Parteien die Tarifnormen angewandt, und zwar entwe-
der, weil die Geltung der Rechtsnormen eines Tarifvertrags einzelvertraglich zwischen den nicht
tarifgebundenen Parteien vereinbart wurde oder weil die unmittelbare Geltung des Tarifvertrags
auch auf die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch einen behördlichen Akt
(Allgemeinverbindlichkeitserklärung) bewirkt wurde. Ein Tarifvertrag kann auf Antrag einer Tarif-
vertragspartei für allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn
a) die tarifgebundenen Arbeitgeber wenigstens 50 % der unter den Geltungsbereich des Ta-
rifvertrags fallenden Arbeitnehmer beschäftigen,
b) die Allgemeinverbindlichkeitserklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint.
B. Tarifvertrag
Der Tarifvertrag kann zwei Teile umfassen:
den schuldrechtlichen Teil und den normativen Teil.
1. Schuldrechtlicher Teil des Tarifvertrages
Im schuldrechtlichen Teil des Tarifvertrags sind die Rechte und Pflichten, die den Tarifvertrags-
parteien obliegen, geregelt, die keine Auswirkungen auf die tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse
haben. Vor allem sind es zwei Pflichten, die durch den schuldrechtlichen Teil des Tarifvertrags
begründet werden: die Friedenspflicht und die Einwirkungspflicht. Die Friedenspflicht verbietet
den Tarifvertragsparteien, während der Geltungsdauer des Tarifvertrags einen Arbeitskampf zu
veranstalten. Die Einwirkungspflicht ist die gegenseitige Verpflichtung der Tarifvertragsparteien,
auf ihre Verbandsmitglieder im Sinne der Wahrung der Tariftreue einzuwirken. Die Tarifvertrags-
parteien müssen dafür sorgen, dass die tarifgemäßen Abreden auch tatsächlich durchgeführt
werden.
Zum schuldrechtlichen Teil gehören auch Regelungen über die Kündigung des Tarifvertrags.
2. Normativer Teil des Tarifvertrages
Der normative Teil des Tarifvertrags enthält Bestimmungen, die wie Gesetzesnormen auf die Ar-
beitsverhältnisse der tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber einwirken und sie inhaltlich
gestalten, indem sie z. B. Lohn- und Urlaubsregelungen, Kündigungsfristen usw. festsetzen.
75
a) Geltungsbereich der Tarifnormen
aa) Räumlicher Geltungsbereich
Der Tarifvertrag ist nur in dem räumlichen Bereich anzuwenden, für den er abgeschlossen wor-
den ist. Für die Anwendung des Tarifvertrags im Einzelfall ist erforderlich, dass der für das Ar-
beitsverhältnis maßgebliche Ort, also regelmäßig die Betriebsstätte des Arbeitgebers, im Tarifge-
biet liegt.
bb) Sachlicher Geltungsbereich
Sachlich gilt der Tarifvertrag für die Betriebe des Wirtschaftszweiges, für den der Tarifvertrag
abgeschlossen wurde. Ob ein Betrieb dem von dem Tarifvertrag erfassten Wirtschaftszweig an-
gehört, wird im Zweifel von der überwiegenden Betriebstätigkeit bestimmt, die dem ganzen Be-
trieb das Gepräge gibt. (Ein in einer chemischen Fabrik beschäftigter Schreiner untersteht also
dem Tarifvertrag der chemischen Industrie.)
cc) Persönlicher Geltungsbereich
Die Tarifnormen erfassen, wie bereits erwähnt, grundsätzlich nur die Arbeitsverhältnisse der ta-
rifgebundenen Arbeitgeber mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern. Tarifgebundenheit besteht,
wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer Mitglieder des Arbeitgeberverbandes bzw. der Gewerkschaft
sind, die den Tarifvertrag abgeschlossen haben. Die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Ar-
beitnehmer können auch nicht durch Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien dem Tarifvertrag
unterstellt werden. Dies ist nur durch eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung des Tarifvertrags
möglich. Allerdings können die Arbeitsvertragspartner vereinbaren, dass Tarifvertragsnormen
auch für dieses Arbeitsverhältnis gelten sollen. Eine echte Tarifgebundenheit wird aber auf diese
Weise nicht erreicht.
dd) Zeitlicher Geltungsbereich
Die Tarifvertragsnormen gelten zeitlich so lange wie der Tarifvertrag. Allerdings bestimmt das Ta-
rifvertragsgesetz, um den Anschluss an eine neue Tarifregelung sicherzustellen, dass die Tarifver-
tragsnormen noch so lange weitergelten, bis sie durch eine neue Abmachung ersetzt sind.
b) Rechtliche Wirkung der Tarifvertragsnormen
Die tariflichen Inhaltsnormen sind unabdingbar. Sie gelten unmittelbar und zwingend zwischen
den beiderseits Tarifgebundenen. Sie sind für den Inhalt der Arbeitsverhältnisse auch dann maß-
gebend, wenn die tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien unzulässiger Weise etwas anderes, für
den Arbeitnehmer Ungünstigeres, vereinbaren. In diesem Fall tritt an die Stelle der unwirksamen
Vereinbarung die entsprechende Bestimmung des Tarifvertrags. Das Arbeitsverhältnis erhält stets
unabhängig vom Willen der Arbeitsvertragsparteien automatisch einen tarifgemäßen Inhalt.
c) Das Günstigkeitsprinzip
Im Tarifrecht gilt ebenso wie im übrigen Arbeitsrecht das sogenannte Günstigkeitsprinzip. Dieses
besagt, dass, wenn mehrere das Arbeitsverhältnis gestaltende Normen verschiedenen Ranges ne-
beneinander bestehen, derjenigen der Vorzug gebührt, die für den Arbeitnehmer günstiger ist. Für
die Unabdingbarkeit der Tarifnormen bedeutet das Günstigkeitsprinzip, dass die Tarifnormen als
soziale Schutznormen nur einseitig zwingend sind. Von den Tarifnormen abweichende Vereinba-
rungen sind durchaus zulässig, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger sind.
Das Günstigkeitsprinzip ist ein zwingender Rechtssatz. Die Tarifpartner können nicht festlegen,
dass die Tarifnorm (z. B. ein bestimmter Tariflohn) nicht nur Mindestbedingung, sondern auch
Höchstbedingung sein soll. Daher kann ein am Tarifabschluss beteiligter Arbeitgeberverband sei-
ne Mitglieder auch nicht anweisen, die mit der Gewerkschaft vereinbarten tariflichen Arbeitsbe-
dingungen als Höchstsätze zu behandeln.
76
d) Übertarifliche Löhne und Tariflohnerhöhungen
Da die Tarifnormen nur Mindestbedingungen enthalten, können die Parteien des Arbeitsvertrags
Löhne und Gehälter vereinbaren, die über den tariflichen Lohn- bzw. Gehaltssätzen liegen. Grün-
de für die Gewährung übertariflichen Lohns bzw. Gehalts können sein: Arbeitskräftemangel,
überdurchschnittliche Leistung, besondere Arbeitsfunktionen des Arbeitnehmers, persönliche
Verhältnisse des Arbeitnehmers, insbesondere des Familienstandes usw. Bei einer Lohnerhöhung
tritt im Falle übertariflicher Bezahlung regelmäßig die Frage auf, ob der Arbeitnehmer einen
übertariflichen Lohn verlangen kann, der ebenso weit über den Sätzen des neuen Tarifvertrags
liegt, wie er vorher über den Sätzen des alten Tarifvertrags gelegen hat. Für die Beantwortung
dieser Frage ist entscheidend, welchen Inhalt die Lohnvereinbarung hat. Folgende Möglichkeiten
sind dabei denkbar:
1. Der übertarifliche Lohn soll nur bis zum Inkrafttreten eines neuen Tarifvertrags gezahlt
werden.
2. Der übertarifliche Lohn soll sich im Fall einer Tariflohnerhöhung um den Unterschiedsbe-
trag zwischen dem alten und dem neuen Tariflohn ermäßigen. Der übertarifliche Lohn wird
also von dem neuen Tariflohn „aufgesogen“.
3. Ein bestimmter übertariflicher Lohn soll zum jeweiligen Tariflohn hinzukommen.
4. Der übertarifliche Lohnbestandteil soll sich im gleichen Maß erhöhen wie der tarifliche
Lohn.
Wenn es an einer entsprechenden Vereinbarung der Arbeitsvertragspartner fehlt, ist deren mut-
maßlicher Wille zu ermitteln. Nach herrschender Rechtsprechung führt eine Tariflohnerhöhung
im Zweifel nicht dazu, dass die bisherige übertarifliche Lohnspanne auch den neuen Tarifsätzen
hinzugeschlagen wird. Dieser Leitsatz der Rechtsprechung gilt allerdings dann nicht, wenn es
sich aus dem Grund, aus dem die übertarifliche Entlohnung gewährt worden ist, ergibt, dass der
Arbeitnehmer nicht nur zu einem bestimmten Tariflohn, sondern zu dem jeweils geltenden Tarif-
lohn einen dauernden und bestimmten Lohnvorsprung erhalten sollte.
Wenn in Zeiten der Vollbeschäftigung und des Arbeitskräftemangels übertarifliche Löhne ge-
währt werden, um überhaupt Arbeitskräfte zu bekommen, ist die übertarifliche Entlohnung im
Zweifel nicht für alle Zeit zusätzlich zu dem jeweils geltenden Tariflohn gewollt. Denn es handelt
sich dabei weder um echte vertragliche Leistungs- oder Funktionszulagen, noch werden solche
übertariflichen Löhne aus sozialen Erwägungen gewährt. Die übertarifliche Entlohnung bleibt al-
so in diesen Fällen zwingend nur insoweit bestehen, als der neue Tariflohn die bisherige überta-
rifliche Entlohnung nicht erreicht. Anders ist es, wenn die vertragliche Zulage ein zusätzliches
Entgelt für die besonderen Leistungen und Fähigkeiten des einzelnen Arbeitnehmers (z. B. beson-
dere Berufsausbildung, besondere Zuverlässigkeit) darstellt. In diesem Fall ist davon auszugehen,
dass eine solche Leistungszulage im Zweifel zu dem jeweiligen Tariflohn hinzutreten soll. Denn
bei diesen Leistungszulagen ist die Differenz zwischen dem Tariflohn und dem effektiven Ein-
kommen durch die persönliche Leistung des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Auch bei vertraglichen
Zulagen wegen gefahrvoller, staubiger oder schmutziger Arbeit ist die Annahme gerechtfertigt,
dass solche Zulagen im Zweifel zu dem jeweiligen Tariflohn gewollt sind.
77
BETRIEBSVERFASSUNGSRECHT
A. Einführung
Das grundlegende Gesetz zur Regelung der Mitspracherechte der Arbeitnehmer in den Betrieben
der Privatwirtschaft ist das Betriebsverfassungsgesetz.
Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) gilt grundsätzlich für alle Betriebe der Privatwirtschaft,
also nicht nur für Industriebetriebe, sondern auch für Betriebe des Handels oder des Handwerks
sowie für Dienstleistungsbetriebe. (Das Mitspracherecht der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst
regelt das Personalvertretungsgesetz des Bundes bzw. der Länder.)
Das Vorliegen eines Betriebes wird nach der Neufassung vermutet, wenn Arbeitsmittel und Ar-
beitnehmer tatsächlich einheitlich eingesetzt werden.
Räumlich gilt das BetrVG im ganzen Bundesgebiet. Auf Betriebe deutscher Firmen im Ausland ist
es nicht anwendbar, dagegen für Niederlassungen ausländischer Unternehmen im Bundesgebiet.
Persönlich gilt das BetrVG für alle Arbeitnehmer. Als Arbeitnehmer i. S. des BetrVG sind Ange-
stellte, Arbeiter, Auszubildende und Heimarbeiter, die in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten,
anzusehen. Nicht Arbeitnehmer i. S. des BetrVG sind Geschäftsführer einer GmbH, Vorstandsmit-
glieder einer AG oder Gesellschafter einer OHG. Außerdem findet das BetrVG keine Anwendung
auf leitende Angestellte. Wer leitender Angestellter ist, bestimmt § 5 Abs. 3, 4 BetrVG.
B. Organe der Betriebsverfassung
Das innerbetriebliche Mitspracherecht steht eigentlich den Arbeitnehmern des einzelnen Betrie-
bes zu. Diese sind in ihrer Gesamtheit aber zur sachgerechten Ausübung des Mitspracherechts
nicht in der Lage. Das Gesetz sieht deshalb ein Vertretungsorgan vor, das die Rechte der Arbeit-
nehmer wahrnehmen soll. Dies ist der Betriebsrat. Weitere Organe sind:
- die Jugend- und Auszubildendenvertretung;
- die Betriebsversammlung;
- der Wirtschaftsausschuss;
- die Einigungsstelle.
Das hauptsächliche Mitspracherecht liegt in der Hand des Betriebsrats; die übrigen Organe ha-
ben nur zusätzliche und unterstützende Aufgaben.
1. Der Betriebsrat
Die Errichtung von Betriebsräten ist in Betrieben mit in der Regel mindestens 5 ständigen wahl-
berechtigten Arbeitnehmern, von denen 3 wählbar sein müssen, vorgesehen. Es besteht aber we-
der von Seiten der Arbeitnehmerschaft noch von Seiten des Arbeitgebers eine Verpflichtung, et-
was zur Bildung eines Betriebsrats zu tun.
78
a) Wahlverfahren
Die Initiative liegt in erster Linie bei den Arbeitnehmern des Betriebes. Sie können durch Einberu-
fung einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes die Bildung eines Betriebsrates
in Gang bringen. Neu ist das zweistufige Wahlverfahren. Auf einer ersten Wahlversammlung wird
ein Wahlvorstand gewählt. Eine Woche später wird auf einer zweiten Wahlversammlung der Be-
triebsrat gewählt (geheim und unmittelbar). Dieses Verfahren gilt für Betriebe mit 5 bis 50 Ar-
beitnehmern (§ 14 a BetrVG). In Betrieben mit 51-100 Arbeitnehmern können Wahlvorstand und
Arbeitgeber aber ebenfalls das zweistufige Verfahren vereinbaren.
Dabei ist bedeutsam, dass die Mitglieder des Wahlvorstandes und die Wahlbewerber zum Be-
triebsrat (BR) Kündigungsschutz genießen, und zwar von der Aufstellung an bis 6 Monate nach
Bekanntgabe des Wahlergebnisses (§ 15 Abs. 1 KschG). Ein besonderer Kündigungsschutz gilt
auch für bis zu 3 Arbeitnehmer, die zur Wahl eines Betriebes einladen oder die Bestellung eines
Wahlvorstandes beantragen (§ 15 Abs. 3a KSchG). Die Initiative zur Bildung eines BR kann au-
ßerdem von einer Gewerkschaft, die mindestens 1 Mitglied im Betrieb hat, ausgehen. Auch sie
kann eine Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes einberufen.
b) Wahlberechtigung (aktives Wahlrecht)
Wahlberechtigt für die Wahl des BR sind gem. § 7 BetrVG alle Arbeitnehmer des Betriebes, die
das 18. Lebensjahr vollendet haben. Sie müssen am Wahltag dem Betrieb angehören. Auch Teil-
zeitbeschäftigte sind wahlberechtigt, es sei denn, die arbeitstägliche Leistung wäre ganz gering-
fügig und ohne Bedeutung. Zudem sind nach der Neufassung auch Leiharbeitnehmer wahlbe-
rechtigt, die länger als 3 Monate im Betrieb eingesetzt werden.
c) Wählbarkeit (passives Wahlrecht)
Wählbar zum BR sind gem. § 8 BetrVG die Arbeitnehmer des Betriebs, die das 18. Lebensjahr
vollendet haben und 6 Monate dem Betrieb angehören. Betriebsfremde Personen sind nicht
wählbar.
d) Größe des Betriebsrats
Die Größe des BR hängt gem. § 9 BetrVG von der Zahl der im Betrieb beschäftigten (wahlberech-
tigten) Arbeitnehmer ab. In Betrieben mit 5 bis 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern besteht der
BR aus einer Person. Die Schwellenwerte für die Betriebsratsgröße wurden durch die Neufassung
für Betriebe mit mehr als 100 Mitarbeitern herabgesenkt. Es gelten folgende Werte:
21 - 50 Arbeitnehmer 3 BR-Mitglieder
51 - 100 ‘’ 5 ‘’
101 - 200 ‘’ 7 ‘’
201 - 400 ‘’ 9 ‘’
401 - 700 ‘’ 11 ‘’
usw.
e) Zusammensetzung des Betriebsrats
Bei der Zusammensetzung des BR sollen gem. § 15 BetrVG die verschiedenen Betriebsabteilungen
und Beschäftigungsarten nach Möglichkeit berücksichtigt werden. Das Geschlecht, das im Be-
trieb in der Minderheit ist, muss künftig mindestens entsprechend seinem Anteil in der Beleg-
schaft im Betriebsrat vertreten sein.
79
f) Wahl des Betriebsrats
Der BR ist alle 4 Jahre in einem festen zeitlichen Rhythmus in der Zeit vom 1. März bis 31. Mai
neu zu wählen. Dabei ist zunächst ein Wahlvorstand zu bestellen.
Besteht in einem Betrieb noch kein BR, so können gem. § 17 BetrVG drei wahlberechtigte Arbeit-
nehmer oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft eine Betriebsversammlung zur Wahl eines
Wahlvorstandes einberufen. Künftig kann auch ein bestehender Konzern- oder Gesamtbetriebsrat
einen Wahlvorstand bestellen, wenn in einem Betrieb eines Unternehmens oder eines Konzerns
kein Betriebsrat besteht. Kommt es trotz Einberufung nicht zu einer Betriebsversammlung oder
wird kein Wahlvorstand gewählt, so bestellt das Arbeitsgericht auf Antrag einen Wahlvorstand.
Der gewählte oder bestellte Wahlvorstand hat die Wahl des BR durchzuführen, vgl. § 18 BetrVG.
Besteht in einem Betrieb schon ein BR, so hat der alte BR gem. § 16 BetrVG spätestens 10 Wo-
chen vor Ablauf seiner Amtszeit einen Wahlausschuss zu bestellen. Auch in diesem Fall haben die
Arbeitnehmer und die im Betrieb vertretene Gewerkschaft ein Erzwingungsrecht über das Ar-
beitsgericht.
g) Amtszeit des Betriebsrats
Die Amtszeit dauert im Normalfall 4 Jahre, vgl. § 21 BetrVG. Bei grober Pflichtverletzung kann
das Arbeitsgericht den BR vorzeitig auflösen bzw. einzelne Mitglieder ausschließen. Sofern ein
einzelnes Mitglied durch Tod, Ausschluss, Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder Niederlegung
des Amtes ausscheidet, so rückt ein Ersatzmitglied nach.
h) Rechtsstellung der Betriebsratsmitglieder (§§ 37 und 38 BetrVG)
Die Betriebsratsmitglieder sind ehrenamtlich tätig. Sie dürfen bei Ausübung ihrer Tätigkeit nicht
gestört oder behindert werden. Auch dürfen sie wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder
begünstigt werden. Sie sollen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unabhängig sein. Der Unabhän-
gigkeit dient:
aa) Kündigungsschutz
Betriebsratsmitgliedern kann während ihrer Amtszeit und bis zu einem Jahr nach Beendigung mit
der ordentlichen Kündigung nicht gekündigt werden. Für die außerordentliche Kündigung ist die
Zustimmung des BR notwendig, die auf Antrag durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts er-
setzt werden kann (§ 15 KSchG, § 103 BetrVG). Des Weiteren besteht ein besonderer Schutz vor
einer Versetzung, wenn diese zum Verlust des Mandats oder der Wählbarkeit führen würde (103
Abs. 3 BetrVG).
bb) Freistellung
Die Mitglieder des BR sind von der beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts
freizustellen, soweit es zur ordnungsmäßigen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. In
Betrieben mit in der Regel 300 Beschäftigten und mehr ist mindestens 1 Betriebsratsmitglied
völlig von der Arbeit freizustellen. Die Zahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder wächst
mit der Arbeitnehmerzahl, vgl. § 38 BetrVG..
cc) Arbeitsentgeltgarantie
Das Arbeitsentgelt darf bis 1 Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer sein als das Ar-
beitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer, vgl. § 37 Abs. 4 BetrVG.
80
dd) Beschäftigung mit gleichwertigen Arbeiten
Soweit nicht zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen, dürfen Mitglieder eines
Betriebsrates bis 1 Jahr nach Beendigung der Amtszeit nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden,
die den Tätigkeiten vergleichbarer Arbeitnehmer gleichwertig sind.
ee) Freistellung zu Schulungsveranstaltungen
Gemäß § 37 Abs. 6 und 7 BetrVG sind die Mitglieder des Betriebsrates für die Teilnahme an
Schulungs- und Bildungsveranstaltungen freizustellen, soweit diese Veranstaltungen Kenntnisse
vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Daneben hat ein Mitglied des Be-
triebsrates zum Besuch solcher Veranstaltungen, die von dem Ministerium für Wirtschaft und
Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen als geeignet anerkannt sind, einen Anspruch auf bezahlte
Freistellung von seiner regelmäßigen Arbeitszeit für die Dauer von insgesamt drei Wochen
i) Geheimhaltungspflicht
Die Mitglieder des BR sind gem. § 79 BetrVG verpflichtet, über Betriebs- und Geschäftsgeheim-
nisse Stillschweigen zu bewahren, wenn diese Angaben vom Arbeitgeber ausdrücklich als ge-
heimhaltungsbedürftig bezeichnet wurden.
j) Geschäftsführung des Betriebsrats
aa) Betriebsratsvorsitzender
Der BR wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und dessen Stellvertreter, vgl. § 26 BetrVG.
bb) Betriebsratssitzungen
Der Betriebsratsvorsitzende beruft nach pflichtgemäßem Ermessen Betriebsratssitzungen ein. Ein
Viertel der Betriebsratsmitglieder oder der Arbeitgeber kann die Einberufung einer Sitzung ver-
langen, vgl. § 29 BetrVG. Darüber hinaus können in Betrieben mit mehr als 100 Mitarbeitern
nach Maßgabe einer mit dem Arbeitgeber zu treffenden Rahmenvereinbarung Aufgaben auf Ar-
beitsgruppen übertragen werden.
cc) Sprechstunden
Der BR kann während der Arbeitszeit Sprechstunden abhalten. Zeit und Ort der Sprechstunden
sind mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren. Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet
die Einigungsstelle. Für die versäumte Arbeitszeit darf das Arbeitsentgelt nicht gemindert wer-
den, vgl. § 39 BetrVG.
dd) Kosten und Sachaufwand
Kosten und Sachaufwand des BR trägt gem. § 40 BetrVG der Arbeitgeber. Der Arbeitgeber muss
Räume, sachliche Mittel (Schreibmaschine, Schreibpapier, Aktenordner, arbeitsrechtliche Litera-
tur, Informations- und Kommunikationstechnik, usw.) im erforderlichen Umfang zur Verfügung
stellen. Zusätzlich muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat sachkundige Arbeitnehmer als Aus-
kunftspersonen zur Verfügung stellen (§ 80 Abs. 2 BetrVG).
k) Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat
Arbeitgeber und BR sollen vertrauensvoll zusammenarbeiten. Zwischen Arbeitgeber und BR soll
ein partnerschaftliches Verhältnis bestehen. Diese Grundsatzbestimmung ist bei allen Rechten
und Pflichten des Arbeitgebers und des BR zu beachten, vgl. § 2 BetrVG.
81
2. Die Betriebsversammlung
Der BR muss in jedem Vierteljahr eine Betriebsversammlung einberufen. Dabei muss der BR je-
weils einen Tätigkeitsbericht erstatten. In jedem Kalenderhalbjahr kann noch eine weitere Be-
triebsversammlung durchgeführt werden. Außerordentliche Betriebsversammlungen sind auf Ver-
langen des Arbeitgebers oder 1/4 der wahlberechtigten Arbeitnehmer einzuberufen. 1 x im Jahr
hat der Arbeitgeber über das Personal- und Sozialwesen und über die Wirtschaftslage und die
Entwicklung des Betriebs zu berichten.
Die Betriebsversammlung muss i. d. R. während der Arbeitszeit stattfinden. Die Teilnahme an der
Betriebsversammlung ist nicht Pflicht. Die Zeit der Teilnahme ist wie Arbeitszeit zu vergüten.
3. Jugend- und Auszubildendenvertretung (§§ 60 ff BetrVG)
In Betrieben mit mindestens 5 Arbeitnehmern unter 18 Jahren oder Auszubildenden unter 25
Jahren kann eine Jugendvertretung gewählt werden. Die Jugend- und Auszubildendenvertretung
hat keine eigenen durchsetzbaren Mitbestimmungsrechte. Sie kann nur über den BR, an dessen
Sitzungen sie teilweises oder vollzähliges Teilnahmerecht hat und bei dessen Beschlüssen - so-
weit sie überwiegend jugendliche Arbeitnehmer betreffen - sie Stimmrecht hat, ihre Anliegen
durchsetzen.
Die Jugend- und Auszubildendenvertretung hat u. a. folgende Aufgaben:
a) den Jugendlichen und Auszubildenden dienende Maßnahmen zu beantragen;
b) darüber zu wachen, dass die zugunsten der jugendlichen Arbeitnehmer und der Auszubil-
denden geltenden Gesetze und Tarife durchgeführt werden;
c) Anregungen jugendlicher Arbeitnehmer und Auszubildender entgegenzunehmen und evtl.
beim BR auf Erledigung hinzuwirken.
Auch die Jugend- und Auszubildendenvertretung wird durch Neuregelungen gestärkt. So gilt das
vereinfachte Wahlverfahren auch für die Jugend- und Auszubildendenvertretungen, die ebenfalls
entsprechend vergrößert werden. In Betrieben mit mehr als 100 Arbeitnehmern erhält die Ju-
gend- und Auszubildendenvertretung das Recht, eigene Ausschüsse zu bilden. Sie kann auch die
Übernahme von Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis beim Betriebsrat beantragen.
4. Der Wirtschaftsausschuss (§§ 106 ff BetrVG)
In allen Unternehmen mit mehr als 100 ständig beschäftigten Arbeitnehmern kann der BR einen
Wirtschaftsausschuss bilden. Der Wirtschaftsausschuss hat die Aufgabe, wirtschaftliche Angele-
genheiten (welche, ist im Gesetz im Einzelnen bestimmt, vgl. § 106 Abs. 2 BetrVG) zu beraten
und den BR zu unterrichten. Der Wirtschaftsausschuss soll 1 x monatlich zusammentreten. An
den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses hat der Unternehmer oder sein Vertreter teilzuneh-
men.
82
5. Die Einigungsstelle (§ 76 BetrVG)
Die Einigungsstelle dient der Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber
und BR. Sie ist arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen vorgeschaltet bzw. soll arbeitsgericht-
liche Auseinandersetzungen ganz ersetzen.
Die Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Zahl von Beisitzern des Arbeitgebers und des BR.
Kommt eine Einigung über die Zahl der Beisitzer nicht zustande, so bestimmt sie das Arbeitsge-
richt. Die Beisitzer müssen sich auf einen unparteiischen Vorsitzenden einigen. Bei Nichteinigung
bestellt ihn das Arbeitsgericht.
Das BetrVG schreibt in insgesamt 29 Fällen vor, dass die Einigungsstelle verbindlich entscheidet,
wenn Arbeitgeber und Betriebsrat über eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit keine Eini-
gung erzielen. (Beispiel: wenn Arbeitgeber und BR keine Einigung erzielen über Zeit und Ort der
Sprechstunden des BR.)
Im sog. freiwilligen Einigungsstellenverfahren wird die Einigungsstelle tätig, wenn beide Seiten
es beantragen und sich im Voraus dem Spruch unterwerfen.
6. Stellung der Gewerkschaft im Betrieb
Die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften haben eine Reihe von Rechten im Betrieb. Einige
Rechte seien genannt:
Teilnahmerecht an BR-Sitzungen unter bestimmten Voraussetzungen, vgl. § 31 BetrVG,
Teilnahmerecht an den Betriebsversammlungen, vgl. § 46 BetrVG,
Rechte zur eventuellen Erzwingung der Wahl eines BR, vgl. § 17 BetrVG,
Recht zur Einreichung von Wahlvorschlägen in betriebsratslosen Betrieben, § 14 BetrVG,
Antrag auf Auflösung des BR unter bestimmten Voraussetzungen, vgl. § 23 BetrVG,
Recht zur Wahlanfechtung, § 19 BetrVG.
Daneben ist in § 2 BetrVG verankert, dass die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ein Zu-
gangsrecht zum Betrieb haben. Für das Zugangsrecht ist allerdings Voraussetzung, dass
a) der Gewerkschaftsvertreter Aufgaben oder Befugnisse wahrnehmen will, die ihm nach dem
BetrVG zugewiesen sind;
b) der Arbeitgeber rechtzeitig unterrichtet wird.
C. Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer im Betrieb
Die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer im Betrieb nach dem BetrVG sind außerordentlich um-
fangreich. Sie können in diesem Rahmen nur teilweise dargestellt werden. Grundsätzlich ist da-
rauf hinzuweisen, dass die Mitspracherechte je nach dem Ausmaß der Befugnisse des BR einge-
teilt werden in Mitwirkungsrechte und Mitbestimmungsrechte.
Mitwirkungsrechte
Von Mitwirkungsrechten spricht man, wenn der BR zwar bei betrieblichen oder unternehmeri-
schen Vorgängen oder Entscheidungen beteiligt wird, aber keine Möglichkeit besitzt, eine eigene
83
Auffassung durchzusetzen oder eine Entscheidung zu erzwingen. Beispiele für Mitwirkungsrechte
sind: Unterrichtung, Anhörung, Mitberatung, Antragsrechte usw.
Mitbestimmungsrechte
Von Mitbestimmungsrechten spricht man dann, wenn die Ansicht des BR das gleiche Gewicht
hat wie die des Arbeitgebers, also eine Angelegenheit nicht vom Arbeitgeber allein, sondern nur
mit Zustimmung des BR entschieden werden kann. Für den Fall, dass bei mitbestimmungspflich-
tigen Angelegenheiten eine Einigung zwischen Arbeitgeber und BR nicht erzielt werden kann, ist
in der Regel die Anrufung der Einigungsstelle vorgesehen, die dann verbindlich entscheidet. - Die
Einigung zwischen Arbeitgeber und BR erfolgt in den meisten Fällen durch eine sog. Betriebsver-
einbarung, die im Bereich des Betriebes als „betriebliches Recht“ gilt.
Bei den Beteiligungsrechten der Arbeitnehmer kann man im Wesentlichen folgende Bereiche un-
terscheiden:
1. Allgemeine Aufgaben des Betriebsrats
2. Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten
3. Mitbestimmung bei der Berufsbildung
4. Mitsprache bei der Personalplanung
5. Mitbestimmung und Mitwirkung bei personellen Einzelmaßnahmen
6. Beteiligung bei Kündigungen
7. Mitsprache bei der Gestaltung des Arbeitsablaufs und der Arbeitsplätze
8. Mitwirkung und Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten
Zu diesen einzelnen Beteiligungsbereichen sollen die folgenden Bemerkungen Anhaltspunkte ge-
ben:
1. Allgemeine Aufgaben des Betriebsrats (§ 80 BetrVG)
Zu den allgemeinen Aufgaben gehören u. a. die Überwachung der zugunsten der Arbeitnehmer
erlassenen Rechtsvorschriften (Arbeitszeitgesetz, Mutterschutzgesetz, Jugendarbeitsschutzgesetz
usw.), das Beantragen von Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen und die
Förderung der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer im Betrieb. Der betriebliche Umweltschutz
sowie die Beschäftigungsförderung und -sicherung sind als Aufgaben des Betriebsrates im Zuge
der Neuregelung hinzugekommen. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, muss der BR vom Un-
ternehmer umfassend unterrichtet werden, wobei ihm auf Verlangen die erforderlichen Unterla-
gen zur Verfügung zu stellen sind. Die Unterrichtungspflicht erstreckt sich auch auf die Beschäf-
tigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen (§ 80 Abs. 2
BetrVG).
2. Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten
Der Schwerpunkt der Mitspracherechte der Arbeitnehmer liegt im Bereich der sozialen Angele-
genheiten. Hier bestehen umfassende Mitbestimmungsrechte, bei denen die Entscheidung vom
Arbeitgeber und Betriebsrat nur gemeinsam getroffen werden kann. Von den im Gesetz, d. h. in §
87 BetrVG, vorgesehenen 13 Fällen seien einige herausgegriffen:
84
a) Mitbestimmung bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer
im Betrieb (Anwesenheitskontrolle, Krankmeldungsregelung, Vorschriften über das Abstel-
len von Kraftfahrzeugen, Regelungen über Betriebsbußen usw.)
b) Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der
Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage (mitbestimmungspflichtig ist nur die Lage der
Arbeitszeit, nicht dagegen ihre Dauer)
c) Vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit (etwa Ein-
führung von Kurzarbeit)
d) Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte (zur „Art“ der Auszahlung gehört die
Frage der bargeldlosen Lohn- und Gehaltszahlung)
e) Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans
f) Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das
Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen
g) Form, Ausgestaltung und Verwaltung von betrieblichen Sozialeinrichtungen.
h) bei der Durchführung von Gruppenarbeit
3. Mitbestimmung bei der Berufsbildung (§§ 96 ff BetrVG)
a) Förderung der Berufsbildung
Auf dem Gebiet der Berufsbildung hat der Arbeitgeber zunächst im Zusammenhang mit der Per-
sonalplanung die Verpflichtung, den BR über Maßnahmen der Berufsbildung anhand von Unter-
lagen zu unterrichten. Außerdem ist der BR neben dem Arbeitgeber allgemein verpflichtet, die
Berufsbildung zu fördern. Der BR hat zu diesem Zweck ein Beratungs- und Vorschlagsrecht. Die
Förderung soll in Zusammenarbeit mit den für die Berufsbildung und für die Förderung der Be-
rufsbildung zuständigen Stellen (Industrie- und Handelskammern und deren Berufsbildungsaus-
schüsse, Handwerkskammern, Berufs- und Fachschulen und Arbeitsamt) erfolgen.
b) Maßnahmen der Berufsbildung
Die Einführung betrieblicher Berufsbildungsmaßnahmen ist mit dem BR zu beraten (etwa die
Maßnahmen auf dem Gebiet der betrieblichen Berufsfortbildung und Umschulung). Darüber hin-
aus hat der Arbeitgeber mit dem BR über die Errichtung und Ausstattung betrieblicher Einrich-
tungen zur Berufsbildung zu beraten. Hierunter fällt z. B. die Schaffung und Ausstattung einer
Lehrwerkstatt, einer „Lehrecke“, eines Unterrichtsraumes oder die Änderung solcher Einrichtun-
gen.
Bei der Durchführung der Berufsbildung hat der BR ein echtes Mitbestimmungsrecht. Allerdings
besteht dies nur insoweit, als nicht gesetzliche oder tarifliche Regelungen die Berufsbildung er-
fassen. Insbesondere sind die Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes vorrangig, z. B. hinsichtlich
Abschluss und Gestaltung der Ausbildungsverträge oder Verantwortlichkeit des ausbildenden Ar-
beitgebers für die ordnungsmäßige Berufsausbildung. Auch ist zu beachten, dass sich das Mitbe-
stimmungsrecht nur auf die allgemeine Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen und nicht
auf Einzelmaßnahmen auf dem Gebiet der Berufsbildung erstreckt.
85
Einigen sich Arbeitgeber und BR nicht über die Durchführung von Berufsbildungsmaßnahmen, so
entscheidet die Einigungsstelle verbindlich.
c) Bestellung und Abberufung von Ausbildern
Dem BR ist ein weitgehendes Mitbestimmungsrecht bei der Bestellung und Abberufung des Aus-
bildungspersonals eingeräumt. Der BR kann der Bestellung eines mit der betrieblichen Berufs-
ausbildung beauftragten Ausbilders widersprechen oder dessen Abberufung verlangen, wenn die-
ser die persönliche oder fachliche, insbes. die berufs- oder arbeitspädagogische Eignung i. S. des
Berufsbildungsgesetzes nicht besitzt oder seine Aufgaben vernachlässigt. (Die Voraussetzungen
der persönlichen und fachlichen Eignung sind in §§ 28 ff Berufsbildungsgesetz umrissen.) Einigen
sich Arbeitgeber und BR nicht über die Bestellung oder Abberufung eines Ausbilders, so kann der
BR das Arbeitsgericht anrufen.
d) Auswahl der Teilnehmer an Berufsbildungsmaßnahmen
Führt der Arbeitgeber betriebliche Maßnahmen der Berufsbildung durch, so kann der BR Vor-
schläge für die Teilnahme von Arbeitnehmern machen. Der BR kann verlangen, dass die Auswahl
der Teilnehmer mit ihm abgestimmt wird. Kommt eine Einigung über die Auswahl nicht zustande,
so entscheidet die Einigungsstelle verbindlich. Außerbetriebliche Berufsbildungsmaßnahmen
sind, was ihre Einrichtung und Ausgestaltung angeht, der Mitbestimmung des BR entzogen. So-
fern aber der Arbeitgeber für solche außerbetriebliche Berufsbildungsmaßnahmen Arbeitnehmer
freistellt oder Kosten hierfür übernimmt, so kann der BR - wie bei betrieblichen Berufsbildungs-
maßnahmen - Vorschläge für die Teilnahme von Arbeitnehmern machen. Der Arbeitgeber kann
somit durch den BR nicht gezwungen werden, überhaupt Arbeitnehmer für außerbetriebliche Be-
rufsbildungsmaßnahmen freizustellen. Entschließt er sich jedoch zur Freistellung, so hat der BR
ein Vorschlagsrecht hinsichtlich der Auswahl der Teilnehmer.
e) Mitbestimmung bei sonstigen Bildungsmaßnahmen
Führt der Arbeitgeber sonstige Bildungsmaßnahmen im Betrieb durch, z. B. Kurse in Erster Hilfe
oder kulturelle Veranstaltungen, so hat auch hier der BR bei der Durchführung mitzubestimmen.
Er kann Vorschläge für die Auswahl der Teilnehmer machen und der Bestellung der Referenten
widersprechen oder deren Abberufung verlangen.
4. Mitbestimmung bei der Personalplanung (§ 92 BetrVG)
Der Arbeitgeber hat die Pflicht, den BR über die Personalplanung, insbesondere über den gegen-
wärtigen und künftigen Personalbedarf sowie die sich daraus ergebenden personellen Maßnah-
men zu unterrichten. Die Unterrichtung hat „anhand von Unterlagen“ zu erfolgen. (Die Unterla-
gen müssen nicht zur Verfügung gestellt werden.) Die Unterrichtung muss rechtzeitig und um-
fassend erfolgen. Über Art und Umfang der erforderlichen personellen Maßnahmen muss der Ar-
beitgeber mit dem Betriebsrat beraten.
Der BR kann seinerseits Vorschläge für die Personalplanung machen, die Durchführung dieser
Vorschläge aber nicht erzwingen.
Wenn der BR es verlangt, muss eine innerbetriebliche Ausschreibung der Arbeitsplätze, die be-
setzt werden sollen, vor ihrer Besetzung innerhalb des Betriebes erfolgen. Der Arbeitgeber kann
selbstverständlich die Arbeitsplätze außerdem außerhalb des Betriebs ausschreiben. Er ist auch
nicht verpflichtet, bei der Besetzung der Arbeitsplätze die Bewerber aus dem Betrieb zu berück-
sichtigen. Ihm bleibt die freie Entscheidung über die Stellenbesetzung. Sofern in einem Unter-
nehmen Personalfragebögen verwendet werden, müssen sich Arbeitgeber und BR über deren In-
86
halt verständigen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Fragen auf die Gegenstände und
den Umfang beschränkt bleiben, für die ein berechtigtes Auskunftsbedürfnis des Arbeitgebers be-
steht. Auch die persönlichen Angaben in schriftlichen Arbeitsverträgen bedürfen der Zustimmung
des BR.
5. Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen (§§ 99 ff BetrVG)
In Unternehmen mit i. d. R. mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber
den BR vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten
und ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen (§ 99 BetrVG). Der Arbeitgeber hat
außerdem Auskunft über die Auswirkung der geplanten Maßnahme zu geben und muss die Zu-
stimmung des BR zu der geplanten Maßnahme einholen. Will der BR die Zustimmung verwei-
gern, so muss er dies innerhalb einer Woche nach Unterrichtung schriftlich und unter Angabe
von Gründen mitteilen, sonst gilt die Zustimmung als erteilt. Die Zustimmung kann der BR nur
aus bestimmten, im Gesetz abschließend aufgezählten Gründen verweigern. Nach § 99 Abs. 2 Nr.
3 BetrVG kann der Betriebsrat bei unbefristeten Einstellungen seine Zustimmung verweigern,
wenn der Arbeitgeber dabei gleich geeignete Bewerber, die im Betrieb befristet beschäftigt sind,
nicht berücksichtigt. Weiterhin kann der Betriebsrat die Zustimmung verweigern, wenn ein Ar-
beitnehmer sich ausländerfeindlich betätigt (§ 99 Abs. 2 Nr. 6 BetrVG).
Verweigert der BR seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht die Ersetzung
der Zustimmung beantragen. Stellt der Arbeitgeber ohne Zustimmung des BR und ohne Erset-
zung durch das Arbeitsgericht den Arbeitnehmer ein, so kann der BR beim Arbeitsgericht bean-
tragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die Einstellung aufzuheben (§ 101 BetrVG). Kommt der Ar-
beitgeber der Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht nach, so ist auf Antrag des BR vom Arbeits-
gericht zu erkennen, dass der Arbeitgeber zur Aufhebung der Maßnahme durch Zwangsgeld an-
zuhalten sei.
Häufig wird es vorkommen, dass die personelle Maßnahme aus betrieblichen Gründen dringend
erforderlich ist und die Wochenfrist für die Äußerung des BR nicht abgewartet werden kann (et-
wa weil der Arbeitsplatz nicht mehr länger unbesetzt bleiben kann). In diesem Fall kann der Ar-
beitgeber die personelle Maßnahme vorläufig durchführen (§ 100 BetrVG). Er muss davon aber
dann den BR unverzüglich unterrichten. Bestreitet daraufhin der BR, dass die Maßnahme drin-
gend erforderlich war, so hat der Arbeitgeber innerhalb von 3 Tagen das Arbeitsgericht anzurufen
und zu beantragen, die Zustimmung des BR zu ersetzen und festzustellen, dass die Maßnahme
aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
Wird dieser Antrag nicht gestellt, so darf der Arbeitgeber die personelle Maßnahme nicht mehr
aufrechterhalten. Bei einem ablehnenden Bescheid des Gerichts endet die vorläufige personelle
Maßnahme 2 Wochen nach Rechtskraft des Urteils.
6. Beteiligung bei Kündigungen (§ 102 BetrVG)
Zu der Beteiligung des BR bei Kündigungen wird auf die Behandlung des Kündigungsrechts (S. 65
ff.) verwiesen.
87
7. Mitbestimmung bei der Gestaltung des Arbeitsablaufs und der Arbeitsplätze (§§ 90, 91
BetrVG)
Der BR hat hinsichtlich der Gestaltung der Arbeitsplätze und des Arbeitsablaufs, zu der auch alle
betrieblichen Bauvorhaben sowie die technologische Gestaltung der Anlagen und Arbeitsverfah-
ren gehören, ein Informations- und Beratungsrecht, das schon im Planungsstadium wirksam
wird. Wenn die Arbeitnehmer durch Änderungen der Arbeitsplätze, „die den gesicherten arbeits-
wissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensicht-
lich widersprechen“, in besonderer Weise belastet werden, kann der BR angemessene Maßnah-
men zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich der Belastung verlangen. Kommen BR und
Arbeitgeber nicht zu einer Einigung, entscheidet die Einigungsstelle.
8. Mitwirkung und Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten (§§ 106 ff BetrVG)
Bei den Mitwirkungsrechten in wirtschaftlichen Angelegenheiten sind 2 Hauptgebiete zu unter-
scheiden:
a) Unterrichtung in wirtschaftlichen Angelegenheiten
b) Mitwirkung bei Betriebsänderungen.
zu a) Unterrichtung in wirtschaftlichen Angelegenheiten
Die Unterrichtung erfolgt über den sog. Wirtschaftsausschuss und ist daher nur für Betriebe mit
i. d. R. mehr als 100 ständig beschäftigten Arbeitnehmern von Interesse. Der Unternehmer hat
den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten
des Unternehmens (sind im Einzelnen im Gesetz aufgeführt, § 106 Abs. 3 BetrVG) zu unterrich-
ten. Der Unternehmer ist außerdem verpflichtet, mit dem Wirtschaftsausschuss wirtschaftliche
Angelegenheiten zu beraten. Der Wirtschaftsausschuss muss seinerseits den BR über die Ergeb-
nisse seiner Gespräche mit dem Unternehmer unterrichten.
zu b) Mitwirkung bei Betriebsänderungen (§§ 111 ff BetrVG)
Der BR hat in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern bei gewis-
sen Betriebsänderungen (z. B. Stilllegung des Betriebes, Verlegung des Betriebes, Zusammen-
schluss mit anderen Betrieben oder grundlegenden Änderungen der Betriebsorganisation, des Be-
triebszwecks oder der Betriebsanlagen) Mitwirkungsrechte, wenn diese Betriebsänderungen er-
hebliche Nachteile für die Belegschaft haben können. Als solche erheblichen Nachteile kommen
in Betracht: Verlust des Arbeitsplatzes, geringerer Lohn, ungünstigere Arbeitszeit usw.
Sofern die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt sind, muss der Unternehmer den BR rechtzeitig
und umfassend informieren und die geplanten Betriebsänderungen mit ihm beraten. Künftig
kann der Betriebsrat darüber hinaus in Betrieben mit mehr als 300 Arbeitnehmern bei Betriebs-
änderungen (§ 111 BetrVG) einen Berater hinzuziehen, ohne dass es einer vorherigen Vereinba-
rung mit dem Arbeitgeber bedarf. Außerdem soll zwischen Unternehmer und BR ein Interessen-
ausgleich über die geplante Betriebsänderung gefunden werden (etwa Einigung über das Ausmaß
und den Zeitpunkt der Einführung einer Automatisierung gewisser Betriebsteile).
Schließlich müssen sich Unternehmer und BR noch über den Ausgleich oder die Milderung der
wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern durch die geplante Betriebsänderung entste-
hen, in einem Sozialplan einigen. Hierbei besteht ein echtes Mitbestimmungsrecht des BR mit
der Möglichkeit der Anrufung der Einigungsstelle.
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STICHWORTVERZEICHNIS
A
Abmahnung 63
Abschluss des Arbeitsvertrages 13
Abschlussfreiheit d. Arbeitsvertrages 10
Anbahnung von Arbeitsverhältnissen 7
Änderungskündigung 61
Arbeitgeber, Fürsorgepflicht 20
Arbeitgeber, Vergütungspflicht 19
Arbeitnehmer, Leistungspflicht 19
Arbeitnehmer, Treuepflicht 21
Arbeitsbedingungen 11
Arbeitsentgelt bei Beschäftigungsverboten im Mutterschutz
47
Arbeitsentgelt bei Krankheit 33
Arbeitsentgelt Schwerbehinderte 53
Arbeitsplatzgestaltung im Mutterschutz 46
Arbeitsverhinderung 31
Arbeitszeitgesetz 42
Arbeitszeitschutz 42
Ärztliche Eignungsuntersuchung 9
Aufgaben des Betriebsrats 83
Aufhebungsvertrag 56
Ausbildungsvertrag 16
Auskunft des früheren Arbeitgebers 8
B
Befristung 14
Behandlung überlassener Unterlagen 9
Betriebsrat 77
Betriebsrat - Aufgaben 83
Betriebsrat - Beteiligung bei Kündigungen 86
Betriebsrat - Geschäftsführung 80
Betriebsrat - Größe 78
Betriebsrat - Kündigung 65
Betriebsrat - Mitbestimmung bei der Berufsbildung 84
Betriebsrat - Mitbestimmung bei der Gestaltung des
Arbeitsablaufs und der Arbeitsplätze 87
Betriebsrat - Mitbestimmung bei Personalplanung 85
Betriebsrat - Mitbestimmung bei personellen
Einzelmaßnahmen 86
Betriebsrat - Mitbestimmung in soz. Angelegenheiten 83
Betriebsrat - Mitwirkung und Mitbestimmung in
wirtschaftlichen Angelegenheiten 87
Betriebsrat - Rechtsstellung der Betriebsratsmitglieder 79
Betriebsrat - Wahl 78
Betriebsübergang, Kündigung 72
Betriebsverfassungsgesetz 77
Betriebsverfassungsrecht, Beteiligungsrechte der
Arbeitnehmer im Betrieb 82
Betriebsverfassungsrecht, Einigungsstelle 82
Betriebsverfassungsrecht, Gewerkschaft 82
Betriebsverfassungsrecht, Jugend- und
Auszubildendenvertretung 81
Betriebsverfassungsrecht, Wirtschaftsausschuss 81
Betriebsversammlung 81
E
Elternzeit Siehe Mutterschutz
Entgeltfortzahlung bei Krankheit 33
Entgeltfortzahlung, Dauer 33
Entgeltfortzahlung, Fortsetzungskrankheit 33
Entgeltfortzahlung, Grundsatz 33
Entgeltfortzahlung, Höhe 34
Entgeltfortzahlung, unverschuldete Krankheit 33
Ersatz von Vorstellungskosten 9
F
Feiertagsarbeit 44
Formfreiheit d. Arbeitsvertrages 11
Fortsetzungskrankheit 33
Fragerecht des Arbeitgebers 7
Freier Mitarbeiter 17
Freistellung bei Erkrankung der Kinder 36
Freistellung zum Arztbesuch 35
Freistellung zur Stellungssuche 68
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers 20
G
Geringfügige Beschäftigung 25
Gleichbehandlungsgrundsatz 27
Gratifikation, Anspruch 37
Gratifikation, Ausschluss 38
Gratifikation, Höhe 37
Gratifikation, Kürzung wg. Krankheit 38
Gratifikation, Rückforderung 38
I
Inhaltsfreiheit d. Arbeitsvertrages 10
K
Krankheit 33
Krankheit im Urlaub 30
Krankheit, Anzeigepflicht 34
Krankheit, Frage nach bestehenden Krankheiten 7
Krankheit, Kündigung 35
Krankheit, Urlaubsanspruch 30
Krankheit, Verursachung durch Dritte 34
Krankheit, Zweifel an Arbeitsunfähigkeit 35
Kündigung 56
Kündigung im Krankheitsfalle 35
Kündigung, Abmahnung 61
Kündigung, Änderungskündigung 61
Kündigung, Arbeitspapiere 69
Kündigung, Aufhebungsvertrag 56
Kündigung, außerordentliche 60
Kündigung, besondere Kündigungsschutzbestimmungen 66
Kündigung, Betriebsübergang 71
Kündigung, Folgen 68
Kündigung, Form 58
Kündigung, Fortbildungskosten 68
Kündigung, fristlos 60
Kündigung, Hinweispflicht des Arbeitgebers 68
Kündigung, Inhalt 58
Kündigung, Jahresurlaub 68
Kündigung, Mitbestimmung Betriebsrat 86
Kündigung, ordentliche 59
Kündigung, Rechtsnatur 56
Kündigung, Stellungssuche 68
Kündigung, Zeugnis 70
Kündigungsfrist 59
Kündigungsfristen, tarifliche 60
Kündigungsschutz im Mutterschutz 67
Kündigungsschutz, Schwerbehinderte 67
Kündigungsschutzgesetz 62
M
Mankohaftung 41
Mitarbeiterauswahl 7
Mitbestimmungsrecht im Betriebsrat 82
Mutterschutz, Arbeitsentgelt bei Beschäftigungsverbot 47
Mutterschutz, Arbeitsplatzgestaltung 46
Mutterschutz, Beschäftigungsverbot 46
Mutterschutz, Elterngeld 49
Mutterschutz, Elternzeit 49
Mutterschutz, Frage nach Schwangerschaft 8
Mutterschutz, Geltungsbereich 46
Mutterschutz, Kündigungsschutz 48
Mutterschutz, Mitteilungspflicht 48
Mutterschutz, Nachtarbeit 47
Mutterschutz, Teilzeitarbeit 50
N
Nachtarbeit 43
Neubesetzung freier Arbeitsplätze m. Schwerbehinderten54
P
Personalfragebogen 7
Probearbeitsvertrag 16
Probezeit 16
R
Ruhepause 43
Ruhezeit 43
S
Schadenshaftung, Durchsetzung 41
Schadenshaftung, Grundsatz 40
Schichtarbeit 43
Schwangerschaft Siehe Mutterschutz
Schwerbehinderte, Adressen zuständige Behörden 55
Schwerbehinderte, Arbeitsentgelt 53
Schwerbehinderte, Ausgleichsabgabe 52
Schwerbehinderte, Beschäftigungspflicht 52
Schwerbehinderte, Kündigungsschutz 53
Schwerbehinderte, Neubesetzung freier Arbeitsplätze 54
Schwerbehinderte, Schutzbereich 52
Schwerbehinderte, Vertrauensperson 54
Schwerbehinderte, Zusatzurlaub 52
Schwerbehindertenrecht, Verstöße gegen 55
Sonderurlaub 31
Sonn- und Feiertagsarbeit 44
T
Tarifrecht 73
Tarifvertrag, Abschluss 73
Tarifvertrag, Begriff 73
Tarifvertrag, Einsichtnahme 74
Tarifvertrag, Form 73
Tarifvertrag, normativer Teil 74
Tarifvertrag, schuldrechtlicher Teil 74
Tarifvertrag, Tarifgebundenheit 74
Tarifvertragsparteien 73
Teilzeitarbeit, Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit 23
Teilzeitarbeit, Mutterschutz 50
Teilzeitarbeit, Stellenausschreibung 23
Treuepflicht des Arbeitnehmers 21
U
Überstunden 44
Überzeitarbeit und Vergütung 44
Urlaub im Ein- und Austrittsjahr 29
Urlaub, Abgeltung 30
Urlaub, Arbeitsverhinderung 31
Urlaub, Dauer 28
Urlaub, Entgelt 31
Urlaub, Erkrankung im 30
Urlaub, Gewährung 29
Urlaub, Quittung 31
Urlaub, Sonderurlaub 31
Urlaub, Übertragbarkeit 30
Urlaub, Wartezeit 29
Urlaub, Widerruf 30
Urlaub, zusätzliches Urlaubsgeld 31
Urlaub, Zusatzurlaub für Schwerbehinderte 52
Urlaubsanspruch bei längerer Krankheit 30
V
Vergütungspflicht des Arbeitgebers 19
Vertrauensperson Siehe Schwerbehinderte
Vorstellungsgespräch 7
Vorstellungskosten, Ersatz von 9
Z
Zeugnis Siehe Kündigung
Zustandekommen des Arbeitsvertrages 13