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Stefanie Liedtke
Gesundheitsbezogene Manahmen
und Mglichkeiten zum Erhalt der
Erwerbsfhigkeit lterer rbeitnehmer
Anreizsysteme und Kooperationen zwischen
Sozialversicherungstrgern und Betrieben
Bielefeld, April 2007
Verffentlichungsreihe des Zentrums fr Versorgungsforschung
Fakultt fr Gesundheitswissenschaften
Universitt Bielefeld
Dr. Thomas Schott Hrsg.)
Postfach 10 01 31
33605 Bielefeld
Telefon:+49-(0)521-106-4254
E-Mail:[email protected]: http://www.uni-bielefeld.de/gesundhw/zfv/
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Editorial I
Editorial
Die Versorgungsforschung ist in Deutschland unter diesem Begriff ein rela-
tiv junges Forschungsgebiet. Entsprechend vielfltig sind auch die Definitio-nen und Deutungsversuche, was Versorgungsforschung ist und will. In Ab-
hngigkeit vom jeweiligen Professionsinteresse wird Versorgungsforschung
entweder relativ eng an die Medizin gebunden und neben der biomedizini-
schen und klinischen Forschung als dritte Sule der medizinischen Forschung
gesehen. Andere Definitionsversuche sind eher offen und stellen einen Pub-
lic Health-Bezug her. Hier wird Versorgungsforschung als Teil der Gesund-
heitssystemanalyse und der Gesundheitskonomie verortet.
In den USA kann die Versorgungsforschung - Health Services Research
(HSR) - beginnend mit dem Jahr 1928 auf eine nahezu 80-jhrige Tradition
zurckblicken. Obwohl der Begriff Health Services Research im allgemeinen
Gebrauch war, um ein breites und heterogenes Feld an Forschungsaktivit-
ten zu benennen, gab es lange Zeit keinen Konsens ber seine przise Be-
deutung. Erst 1979 wurde der Versuch einer konsensualen Definition unter-
nommen (IOM 1979), die danach einer stndigen berarbeitung und ff-
nung unterzogen wurde. Die wohl heute noch aktuellste Beschreibung von
Inhalten und Forschungsfeldern ist die der Academy for Health Services Re-
search and Health Policy:
Health Services Research is the multidisciplinary field of scientific in-
vestigation that studies how social factors, financing systems, organiza-
tional structures and processes, health technologies, and personal be-
haviours affect access to health care, the quality and cost of health care,
and ultimately our health and well-being. Its research domains are indi-
viduals, families, organizations, institutions, communities, and popula-
tions. (s.o., S. 8)
Mit dieser Definition wurde bewusst eine Ausweitung des HSR-
Erkenntnisinteresses auch auf menschliches Verhalten (personal behavior)und soziale Faktoren vorgenommen. Verhalten (wie z.B. Ernhrung, Sport,
Rauchen, der Gebrauch von Sicherungssystemen im Verkehr) und soziale
Faktoren (wie z.B. Einkommen, Bildung, Beruf, soziale Ungleichheit) haben
einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit der Gesamtbevlkerung, ein-
zelner Gruppen oder Individuen und damit auch auf den Bedarf an und Nut-
zung von Leistungen.
Eine Beschrnkung der Versorgungsforschung auf die Beforschung der
letzten Meile des Gesundheitssystems greift deshalb zu kurz, auch wenn
das Bild eingngig erscheint. Vielmehr zeigt sich, dass viele Untersuchungen
auf der Mikroebene ohne die (Partial-) Analyse des systemischen Kontextes
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Editorial II
nicht auskommen und verstehbar sind und andererseits Systemeingriffe auf
der Makro- und Mesoebene in ihren Wirkungen auf der Mikroebene stu-
diert werden mssen (Schwarz/Busse 1998, S. 390).
Zusammengefasst und darber scheint in Deutschland weitestgehend
Konsens zu herrschen geht es also bei der Versorgungsforschung um diewissenschaftliche Untersuchung der Versorgung von Einzelnen und der Be-
vlkerung mit gesundheitsrelevanten Produkten und Dienstleistungen sowie
deren Kontextfaktoren (Arbeitskreis Versorgungsforschung bei der Bun-
desrztekammer, 2004).
Mit der vorliegenden Schriftenreihe will das Zentrum fr Versorgungsfor-
schung an der Fakultt fr Gesundheitswissenschaften zur Diskussion um die
Qualitt der gesundheitlichen Versorgung in Deutschland beitragen und
insbesondere die Public Health-Perspektive strken.
Bielefeld, im Frhjahr 2007
Thomas Schott
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Inhaltsverzeichnis I
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung_________________________________________________________1
2. Theorie ___________________________________________________________4
2.1. Erwerbsbeteiligung lterer Arbeitnehmer in Deutschland ___________4
2.1.1. Erwerbsquote im EU-Vergleich ________________________4
2.1.2. Arbeitslosigkeit ______________________________________6
2.1.3. Rentenstatistik ______________________________________7
2.1.3.1. Renten wegen verminderter Erwerbsfhigkeit ___8
2.1.3.2. Frhberentungspraxis ________________________92.2. Erwerbs- und Arbeitsfhigkeit lterer Arbeitnehmer_______________12
2.2.1. Forschungserfahrungen aus Finnland __________________13
2.2.1.1. Das Haus der Arbeitsfhigkeit ________________13
2.2.1.2. Frderungsmodell der Arbeitsfhigkeit ________15
2.2.2. Praxisvorschlge zum Erhalt der Arbeitsfhigkeit________16
2.2.2.1. Innerbetriebliche Handlungspotenziale ________17
2.2.2.2. berbetriebliche Handlungspotenziale ________30
2.2.2.3. Kooperationen _____________________________36
2.3. Fragestellung der Studie _______________________________________40
3. Methodik ________________________________________________________41
3.1. Forschungsdesign und Erhebungsverfahren_______________________41
3.2. Interviewpartner ______________________________________________43
3.3. Aufbereitung und Auswertung des Interviewmaterials _____________44
4. Ergebnisse _______________________________________________________45
4.1. IG-Metall ____________________________________________________45
4.1.1. Kooperationen _____________________________________45
4.1.2. Anreizsysteme ______________________________________47
4.1.3. Demographischer Wandel und ltere Arbeitnehmer ____48
4.2. BKK-Bundesverband___________________________________________50
4.2.1. Kooperationen _____________________________________50
4.2.2. Anreizsysteme ______________________________________52
4.2.3. Demographischer Wandel und ltere Arbeitnehmer ____53
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1. Einleitung 1
1.Einleitung
Die Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf die deutsche Bevl-
kerungsstruktur sind mittlerweile hinlnglich bekannt: Sinkende Geburtenzahlen
bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung lassen die Einwohnerzahl Deutsch-
lands zahlenmig abnehmen und das Durchschnittsalter der Bevlkerung an-
steigen. Bereits fr das Jahr 2010 prognostizieren die Demographen, dass der
Anteil der ber 50-Jhrigen ber dem der unter 30-Jhrigen liegt (Rssel, Sch-
fer u. Wahse 1999). Bis 2050, so die Prognosen weiter, werden zudem die 20-
bis unter 60-Jhrigen um rund 16 Mio. abgenommen und die 60-Jhrigen um
rund 10 Mio. zugenommen haben; dabei soll die Zahl der Hochbetagten (80
Jahre) am schnellsten und strksten wachsen (Birg u. Flthmann 2002).
Die Brisanz dieser gegenlufigen Entwicklung Wachstum der Gruppe der
60-Jhrigen und Schrumpfung des Anteils der 20 bis
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1. Einleitung 2
ihr vorzeitiges Ausscheiden als unfreiwillig und verfrht bezeichnen (ebenda).
Damit eine lngere Erwerbsdauer fr Arbeitnehmer tatschlich mglich wird
und zugleich attraktiv erscheint, bedarf es nach Morschhuser (2005 u. 2003)
vor allem einer alters- und alternsgerechten Personalpolitik seitens der Betriebe.
Als Ziel wird formuliert, Gesundheit und Beschftigungsfhigkeit der Mitarbeiterber den gesamten Erwerbsverlauf hinweg zu erhalten. Insbesondere die Prog-
nosen zur Alterung der Belegschaften vor Augen,4 beinhaltet diese Strategie
nach Morschhuser u. Schmidt (2002) jedoch nicht nur Vorteile fr die Arbeit-
nehmer, sondern gleichwohl fr die Arbeitgeber. Denn wollen Unternehmen
auch zuknftig ihre Produktivitt aufrechterhalten, werden sie sich den mit dem
Wandel der Altersstruktur verbundenen Auswirkungen auf ihr Betriebsgesche-
hen stellen mssen, so ihre Auffassung. Hieran anschlieend heit es: Es gilt,
Gesundheit und Qualifikation der lteren, aber zugleich auch der heute noch
jngeren Erwerbsttigen zu erhalten und zu frdern, damit sie den Arbeitsan-
forderungen der Zukunft gewachsen sind.(Morschhuser/Schmidt (2002, 10)
Manahmen und Mglichkeiten, die Gesundheit lter werdender Arbeitneh-
mer zu frdern bzw. aufrechtzuerhalten, sind mittlerweile vielfltig bekannt und
kommuniziert: Neben der Gewhrleistung alters- und alternsgerechter Arbeits-
bedingungen bieten sich z.B. Mglichkeiten im Rahmen des Arbeits- und Ge-
sundheitsschutzes sowie der betrieblichen Gesundheitsfrderung, der Prventi-
on und der Rehabilitation.
Hinsichtlich der Durchfhrung der genannten Manahmen wird von (gesund-heits-)wissenschaftlicher Seite bereits seit lngerem eine strkere Kooperation
der zustndigen Akteure (insbesondere der Sozialversicherungen und Betriebe)
sowie eine verbesserte Koordination ihrer Leistungen gefordert. So heit es z.B.
nach Badura (2003, 41): Das Ziel gesnder lter werden erfordert () eine
bessere Verzahnung gesund erhaltender, krankheitsverhtender, behandelnder
und rehabilitativer Anstrengungen. Und auch andere Autoren weisen auf die
Notwendigkeit einer besseren Koordination der Manahmen und Zusammenar-
beit der zustndigen Akteure hin (z.B. Ahrens u. Schott 2003; Bertelsmann Stif-
tung und Hans-Bckler-Stiftung 2004; Kuhn 2004 u.a.). Im Fokus der Forderun-
gen stehen in diesem Zusammenhang sowohl die einzelnen Sozialversicherun-
gen und ihre Kooperation untereinander als auch die Schnittstelle Sozialversi-
cherung/Betrieb.
Aufbauend auf diesen Forderungen will die vorliegende Studie die Perspekti-
ve der Wissenschaft um den Blickwinkel der angesprochenen Akteure selbst
4 Fr das Jahr 2020 wird vorhergesagt, dass die 50- bis 64-Jhrigen die grte Gruppe in derErwerbsbevlkerung bilden (Richenhagen 2004).
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1. Einleitung 3
ergnzen, im Speziellen um den der Sozialversicherungen. Ziel ist, potenzielle
Ansatzpunkte zum Setzen von Anreizen aufzuzeigen, mit Hilfe derer die Sozial-
versicherungszweige zu ermutigen sind, ihre Kooperationen (sowohl unterein-
ander als auch mit den Betrieben) auszuweiten und zwar insbesondere im
Rahmen ihrer Manahmen und Mglichkeiten zum Erhalt der Erwerbsfhigkeitlterer Arbeitnehmer. Als methodisches Mittel wurde sich fr die Durchfhrung
qualitativer Experteninterviews entschieden, in denen Fragen zu den Themen-
gebieten (1) Kooperationen, (2) Anreizsysteme sowie (3) demographischer
Wandel/ltere Arbeitnehmer gestellt wurden.
Bevor nun genaue Aspekte der zu untersuchenden Fragestellung (Kapitel
2.3.), die Methodik der Studie (Kapitel 3) sowie deren Ergebnisse vorgestellt
(Kapitel 4) und diskutiert (Kapitel 5) werden, wird zunchst ein berblick ber
die Erwerbsbeteiligung lterer Arbeitnehmer in Deutschland gegeben. Neben
einem EU-Vergleich der Erwerbsquote Deutschlands sind in diesem theoreti-
schen Teil der Arbeit (Kapitel 2.1.) sowohl Informationen zur Arbeitslosigkeit
lterer enthalten als auch zum gegenwrtigen Frhberentungsgeschehen.
Der zweite Teil des Theorie-Kapitels (Kapitel 2.2.) beginnt mit Forschungser-
gebnissen zu den Determinanten der Arbeits- bzw. Erwerbsfhigkeit aus Finn-
land. Abgeschlossen wird es mit einer bersicht zu den in Deutschland verbrei-
teten Literaturempfehlungen zum Erhalt der Erwerbsfhigkeit lterer und al-
ternder Arbeitnehmer. Zum einen werden hierbei Handlungspotenziale der in-
ner- und berbetrieblichen Akteure vorgestellt, zum anderen wird der Gegen-stand der Kooperation zwischen den einzelnen Akteuren thematisiert.
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2. Theorie Erwerbsbeteiligung lterer Arbeitnehmer in Deutschland 4
2.Theorie
2.1. Erwerbsbeteiligung lterer Arbeitnehmer in Deutschland
Daten zur Erwerbsbeteiligung werden durch die so genannte Erwerbsquote
ausgedrckt und beinhalten neben den Erwerbsttigen auch die Erwerbslosen.
Letztere gehen zwar keiner Beschftigung nach, werden aber trotzdem mitge-
rechnet, da von ihnen erwartet wird, dass sie aktiv nach einer Erwerbsarbeit
suchen und fr einen Arbeitsplatz kurzfristig zur Verfgung stehen (Statistisches
Bundesamt 2004).
Im Folgenden wird zunchst gezeigt, wie sich die Erwerbsquote lterer Ar-
beitnehmer (ab 55 Jahre) in Deutschland darstellt und wie sie im europischenVergleich einzuordnen ist. Daran anschlieend wird erlutert, mit welchen Fak-
toren die hiesigen Beschftigungsverhltnisse zusammenhngen.
2.1.1. Erwerbsquote im EU-Vergleich
Die Erwerbsbeteiligung lterer Arbeitnehmer hat in Deutschland seit Beginn
der 1970er Jahre kontinuierlich abgenommen. Im Vergleich der Altersgruppen
zeigt sich, dass der groe Bruch in der Erwerbsbeteiligung ab einem Alter von
60 Jahren einsetzt: Waren laut Mikrozensus-Erhebung des Jahres 2001 bis zu
dieser Altersgrenze noch 68,5% der Mnner erwerbsttig (weitere 10% er-
werbslos), so lag die Erwerbsquote der 60-65-Jhrigen bei 31,2% (Koller, Bach
u. Brixy 2003). Und auch die von der OECD ermittelten Zahlen fr das Jahr
2003 besttigen die Tendenz: Nach ihren Berechnungen betrug die Erwerbstti-
genquote der 25-54-Jhrigen in Deutschland 78,2 %, die der 55-64-Jhrigen
dagegen nur 39% (OECD Employment Outlook 2004).
Abbildung 1 der nchsten Seite zeigt, dass die niedrige Erwerbsbeteiligung
lterer in Deutschland keine Gegebenheit ist, die sich in allen westlichen In-dustrielndern wiederfindet. Ganz im Gegenteil verdeutlicht die Gegenberstel-
lung mit den anderen EU-Staaten, dass die Bundesrepublik sowohl mit ihrer
Erwerbsttigenquote (39%) als auch mit der Erwerbsquote (43,1%) unter dem
EU-15-Durchschnitt liegt (42,3 bzw. 44,9%). Spitzenreiter ist Schweden mit
einer Erwerbsquote von 72,5%.
Besonderer Erluterung bedrfen die Zahlen Finnlands: Nehmen die Finnen
2003 mit ihrer Erwerbsttigenquote einen der vorderen Pltze ein, lag ihre
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2. Theorie Erwerbsbeteiligung lterer Arbeitnehmer in Deutschland 5
Quote in den 1990er Jahren noch deutlich niedriger. Dank zweier gro angeleg-
ter Regierungsmanahmen zur Untersttzung der Erwerbsfhigkeit und Er-
werbsttigkeit lterer5konnte jedoch die Erwerbsquote der 55-65-Jhrigen im
Zeitraum von 1996 bis 2003 von 36,2 % auf 49,9% gesteigert werden. Bei den
55-59-Jhrigen wurde die Erwerbsbeteiligung mit jetzt 64% sogar nahezu ver-doppelt. Neben den Niederlanden, die ihre Quote ebenfalls massiv gesteigert
haben (von 29,7% im Jahre 1990 auf 44,9% im Jahre 2003), ist Finnland hier-
mit das EU-Land mit dem grten Anstieg der Beschftigung lterer Arbeitneh-
mer im letzten Jahrzehnt (Schmid 2004).
Abbildung 1
Erwerbsttigenquoten und Erwerbslosenquoten bei
55 bis
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2. Theorie Erwerbsbeteiligung lterer Arbeitnehmer in Deutschland 6
2.1.2. Arbeitslosigkeit
Die hohe Arbeitslosigkeit lterer in Deutschland ist allgemein bekannt. Ihren
bis dato hchsten Wert erreichte sie mit mehr als 930.000 Arbeitslosen im Sep-
tember 1997. Seit sich gegen Ende der 1990er Jahre schlielich ein Wende-
punkt abzeichnete, sind die Zahlen bis 2002 auf 565.000 zurckgegangen und
bis zum Mrz des Jahres 2003 wieder leicht auf 592.000 gestiegen. Da dieser
Wiederanstieg jedoch in keinem Verhltnis zu dem Anstieg der Arbeitslosigkeit
insgesamt steht, sind die Anteilswerte lterer Arbeitsloser rcklufig. Im europ-
ischen Vergleich zeigt sich jedoch, dass trotz dieser absteigenden Tendenz
Deutschland berdurchschnittlich hohe Arbeitslosenquoten lterer aufweist. So
ist die Bundesrepublik das einzige Land der EU, bei dem die Arbeitslosigkeit der
ber 55-Jhrigen ber dem Durchschnitt fr alle Altersgruppen liegt (Koller,
Bach u. Brixy 2003).
Abbildung 2
ltere Arbeitslose (55 bis unter 65 Jahre) in Deutschland- Anteile an allen Arbeitslosen in Prozent -
0
5
10
15
20
25
30
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
Ost West insgesamt
Quelle: Koller, Bach u. Brixy (2003)
Der Rckgang der Arbeitslosigkeit lterer seit 1999 (siehe Abb. 2) knnte zu-
nchst die Vermutung nahe legen, die Chancen lterer htten sich auf dem
deutschen Arbeitsmarkt inzwischen verbessert. Tatschlich aber hat nurmehr
der Anteil der Zugnge abgenommen, wohingegen die Anzahl der ins Arbeitsle-
ben Rckvermittelten nicht gesteigert werden konnte. Im Gegenteil: Wer als
lterer arbeitslos geworden ist, kommt nicht schneller aus der Arbeitslosigkeit
heraus als in frheren Jahren und hat auch kaum bessere Chancen, wieder inArbeit zu kommen. (Koller, Bach u. Brixy 2003, 19)
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2. Theorie Erwerbsbeteiligung lterer Arbeitnehmer in Deutschland 7
Besondere Bercksichtigung bedarf hierbei die Gruppe von Arbeitslosen mit
gesundheitlichen Einschrnkungen, denn ihre Wiedereingliederungschancen
sind noch einmal geringer als diejenigen der gesunden Arbeitssuchenden (Cra-
mer et al. 2002; Hollederer 2003). So zitiert Urban (2004, 65) aus einem Bericht
der Hartz-Kommission: Heute zhlen Alter und die in Verbindung mit ihm ver-strkt auftretenden gesundheitlich bedingten Einschrnkungen zu den gravie-
rendsten Vermittlungshemmnissen am deutschen Arbeitsmarkt. Besttigt wird
diese Aussage durch Daten des Soziokonomischen Panels (SOEP) sowie der
Deutschen Herzkreislauf-Prventionsstudie (DHP): Eine Analyse ihrer Daten hat
ergeben, dass bei der Personengruppe, die ihre vorherige Stelle aufgrund ge-
sundheitlicher Probleme aufgegeben haben, die Stellenaufgabe nach vier Jahren
zu mehr als 50% aus dem Erwerbsleben herausfhrte. Konnten jngere Berufs-
wechsler noch zu zwei Dritteln in den Arbeitsmarkt reintegriert werden, so war
bei Personen ber 45 Jahren der weitere Erwerbsverlauf nahezu vollstndig vonder Beendigung der Erwerbskarriere gekennzeichnet (Elkeles et al. 2000).
Als Grund fr die schlechteren Reintegrationschancen vermuten Elkeles et al.
(2000) u.a. eine zu geringe Anzahl an Auffangpositionen fr Arbeitssuchende
nach einem gesundheitlich bedingten Wechsel. Nach Hollederer (2003) kommt
auerdem hinzu, dass gesundheitliche Einschrnkungen die Suchaktivitt nach
einer neuen Arbeitsstelle behindern und dies wiederum die Chancen auf eine
Wiedereingliederung weiter verschlechtert.
2.1.3. Rentenstatistik
Das gesetzlich vorgeschriebene Renteneinstiegsalter liegt in Deutschland
mittlerweile bei 65 Jahren, sowohl fr Mnner als auch fr Frauen.6Ein frheres
Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ist zwar nach wie vor mglich, jedoch stets
mit finanziellen Einbuen verbunden. So besteht fr langjhrig Versicherte
bspw. noch die Option auf einen Renteneintritt mit 62 Jahren, doch auch nur,
wenn sie hierfr einen finanziellen Abschlag von 10,8% in Kauf nehmen. Wer zu
den noch vor den Gesetzesnderungen (Ende der 1990er Jahre) gltigen Alters-grenzen aus dem Erwerbsleben austreten will, kann dies bis zum Jahre 2012 mit
Abschlgen von 3,6% pro vorgezogenem Jahr in Anspruch nehmen, danach
luft jedoch auch diese Option aus (Koller 2001).
Betrachtet man die Rentenstatistik, so zeigt sich, dass trotz der Anhebung der
Altersgrenzen nur ein geringer Teil der Beschftigten tatschlich bis zum 65.
Lebensjahr erwerbsttig ist: 2003 wiesen die Regelaltersrenten fr Gesamt-
6Bis 1999 galt fr Frauen eine Altersgrenze von 60 Jahren.
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2. Theorie Erwerbsbeteiligung lterer Arbeitnehmer in Deutschland 8
deutschland einen Anteilswert von 33,2% auf, im neuen Bundesgebiet betrug
ihr Anteil 8,9%. Der Rest der Rentenzugnge entfiel auf Rentenarten, die Per-
sonen bei vorzeitigem Austreten aus dem Erwerbsleben gewhrt werden. Hierzu
zhlen u.a.: Rentenbezug wegen verminderter Erwerbsfhigkeit7 (17,4%), Al-
tersrente fr langjhrig Versicherte (8,5%), Altersrente fr schwer behinderteMenschen (7,3%), Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Altersteilzeitarbeit
(14,5%) sowie die Altersrente fr Frauen (19,1%). In Konsequenz dessen lag das
durchschnittliche Renteneintrittsalter 2003 mit 60,7 Jahren noch immer deut-
lich unter der gesetzlich festgelegten Grenze von 65 Jahren (alte Lnder: 61,1
Jahre; neue Lnder: 59 Jahre) (VDR-Statistik).
Abbildung 3
Versichertenrenten nach Rentenarten*(Mnner und Frauen 2003)
Altersrenten fr
schwerbehinderte
Menschen
7,3%
Altersrenten wegen
Arbeitslosigkeit oder
Altersteilzeit: 14,5%
Altersrenten fr
langjhrigVersicherte
8,5%
Renten wegen
verminderter
Erwerbsfhigkeit:
17,4%
Regelaltersrenten:
33,2%
Altersrenten fr
Frauen
19,1%
Quelle: VDR-Statistik Rentenzugang, verschiedene Jahrgnge, sowie Angaben der Knappschaft
2.1.3.1. Renten wegen verminderter Erwerbsfhigkeit
Wie aus Abbildung 3 ersichtlich, waren 17,4% der Rentenzugnge des Jahres
2003 auf eine verminderte Erwerbsfhigkeit zurckzufhren. Hervorzuheben istnach Behrend (2005), dass diesbezgliche Renten zu etwa einem Drittel deshalb
gewhrt werden, weil fr gesundheitlich leistungsgeminderte Versicherte keine
entsprechenden Beschftigungsmglichkeiten am Arbeitsmarkt existieren.
Untergliedert man die Erwerbsunfhigkeitsrenten nach Krankheitsarten, weist
die VDR-Statistik fr 2003 das erste Mal psychische Erkrankungen als den hu-
figsten Grund einer krankheitsbedingten Frhberentung aus; dies sowohl bei
7frher unterteilt in Berufs- und Erwerbsunfhigkeit
(*ohne Renten wegen Todes)
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2. Theorie Erwerbsbeteiligung lterer Arbeitnehmer in Deutschland 11
zwungene Statusvernderung erlebt wird.10Unterstellt man den Arbeitnehmern
jedoch, ihre Einstellung sei allein das Produkt ihres Wunsches nach dauerhafter
Freizeit, der im Rentenalter schlielich erfllt wrde, wre dies zu kurz gegrif-
fen. So brachten die gleichen Befragungen nmlich auch zutage, dass ein Gro-
teil der lteren sich sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch im Betrieb ganz er-heblich benachteiligt oder sogar diskriminiert fhlte.11
Marstedt u. Mller (2003), die im Fehlzeitenreport der AOK einen berblick
ber Befragungen der 1990er Jahre geben, ziehen aufgrund dieser Ergebnisse
die Schlussfolgerung, dass zwar die Mehrheit der in den 90er Jahren in den Ru-
hestand getretenen Erwerbsttigen (in Deutschland) den Austritt aus dem Er-
werbsleben berwiegend positiv erlebt hat. Aufgrund der Erkenntnis, dass viele
von ihnen im hheren Alter jedoch mit gesundheitlichen Beeintrchtigungen
und Diskriminierungen im Beruf konfrontiert wurden, heit es am Ende des Bei-
trags folglich: Der Eintritt in den Ruhestand war also weniger ein hedonisti-
scher Sprung ins Reich von Freizeit und Konsum, sondern eher Flucht aus einer
Lebenssphre, die zuletzt sehr stark geprgt war durch Negativerfahrungen und
Belastungen. (Marstedt u. Mller 2003, 25)
Was die Zukunft der bisherigen Frhberentungspraxis anbetrifft, lsst sich
prognostizieren, dass es fr Betriebe aufgrund der zahlreichen nderungen im
Rentenrecht immer schwieriger wird, ltere Arbeitnehmer zugleich vorzeitig und
sozialvertrglich zu externalisieren. Ein Beispiel ist die sog. 58er Regelung:
Konnten Betriebe frher noch mit ihren 58-jhrigen Arbeitnehmern vereinba-ren, dass sie bergangsweise fr zwei Jahre als Arbeitslose (ohne Vermittlungs-
anspruch) registriert werden, um mit 60 schlielich in Rente zu gehen, haben
Arbeitslose heute genau wie alle anderen Arbeitnehmer erst mit 65 Jahren
Anspruch auf volle Rentenzahlung.
Zwar machen sich die nderungen im Rentenrecht gegenwrtig wegen vieler
Vertrauensschutzregelungen noch nicht bemerkbar, doch drfte es nach Koller
(2001) auf lange Sicht zu einem steigenden Durchschnittsalter beim Zugang zur
Altersrente kommen. Dies, verbunden mit der prognostizierten Rekrutierungs-
problematik von jungem Nachwuchs, wird auerdem dazu fhren, dass das
Durchschnittsalter der Belegschaften ansteigt, wobei konkret ab dem Jahre
10Ein Beispiel ist die Befragung im Rahmen des Eurobarometers 1993 unter dem Namen Ageand Attitudes: Befragt wurden etwa 5.200 ltere Mnner und Frauen in verschiedenen EG-Lndern ab 60 Jahren, ob sie zu dem Zeitpunkt ihres Eintritts in den Ruhestand gerne weiterge-arbeitet htten. Gaben im Durchschnitt aller Lnder etwa 60% der lteren an, dass sie wederVollzeit noch Teilzeit htten weiterarbeiten wollen, waren es in Westdeutschland 81,9% (Euro-pean Commission 1993).
11In der gleichen Studie artikulierten eine solche Benachteiligung 76% der Deutschen im Rahmenvon Stellenangeboten (D-Ost: 87%), 56% im Rahmen von Personalentwicklung und Karrierege-staltung (D-Ost: 50%) sowie weitere 64% bei der Weiterbildung (D-Ost: 63%).
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2. Theorie Erwerbs- und Arbeitsfhigkeit lterer Arbeitnehmer 13
Arbeitsfhigkeit vorgestellt. Hierauf aufbauend wird ein berblick ber Praxis-
vorschlge zur Frderung der Arbeitsfhigkeit gegeben, die sich in deutschen
Wissenschaftsmedien wiederfinden.
2.2.1. Forschungserfahrungen aus Finnland
Wie eingangs bereits erwhnt, ist Finnland neben den Niederlanden das Land
der EU mit dem grten Zuwachs in seinen Beschftigungszahlen lterer Arbeit-
nehmer der letzten Jahre. Grund ist nicht zuletzt Finnlands langjhrige wissen-
schaftliche Auseinandersetzung mit dem Phnomen der alternden Arbeitneh-
merschaft: Mit dem Wissen, ab dem Jahre 2000 eine der ltesten Erwerbsbe-
vlkerungen Europas zu haben, hat sich die finnische Forschung bereits vor 20
Jahren des Gegenstands der Arbeitsfhigkeit angenommen. Konkret sind die
Forscher (bekanntester Vertreter: Juhani Ilmarinen) der Frage nachgegangen,
wie das Arbeitspotenzial von Mitarbeitern so erhalten und entwickelt werden
kann, dass zum einen die Betriebe ihre Zukunftsaufgaben bewltigen knnen
und zum anderen die Arbeitnehmer in mglichst guter Gesundheit das Renten-
alter erreichen (Ilmarinen u. Tempel o. J.)
Begonnen 1981 mit Studien im kommunalen Sektor, wurden ber 11 Jahre
hinweg mehr als 6000 Personen im Verlaufe ihres Arbeitslebens beobachtet,
untersucht, befragt und ggf. gefrdert. Zum grten Forschungsprojekt entwi-
ckelte sich das von 1990-1996 laufende Programm FinnAge Respect for theAging unter Federfhrung des Finnish Institutes of Occupational Health
(FIOH). bergeordnetes Ziel von FinnAge war, Gesundheit, Arbeitsfhigkeit und
Wohlbefinden lterer Arbeitnehmer 45 Jahren zu frdern. Darber hinaus
wollten die Forscher theoretische Konzepte und Modelle ber das Altern und
die Arbeit entwickeln und in der Praxis testen. Insgesamt wurden im Rahmen
von FinnAge 24 Studien durchgefhrt; aufgeteilt in die Bereiche des staatlichen,
industriellen und kommunalen Sektors.15
2.2.1.1. Das Haus der Arbeitsfhigkeit
Resultierend aus der langjhrigen Forschung definierten Ilmarinen u. Tempel
(2002, 166) den Begriff der Arbeitsfhigkeit schlielich als die Summe von Fak-
toren, die eine Frau oder einen Mann in einer bestimmten Situation in die Lage
15
Eine bersicht ber die einzelnen Forschungsprojekte geben Ilmarinen u. Louhevaara (1999) in:
FinnAge Respect for the aging: Action programme to promote health, work ability and well-being of aging workers in 1990-96.
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2. Theorie Erwerbs- und Arbeitsfhigkeit lterer Arbeitnehmer 14
versetzen, eine gestellte Aufgabe erfolgreich zu bewltigen. 16Welche Faktoren
hierunter zu verstehen sind und in welchem Verhltnis diese zueinander stehen,
wurde zusammenfassend im sog. Haus der Arbeitsfhigkeitdargestellt (siehe
Abb. 4).
Das Haus verdeutlicht, dass die Ursachen von Arbeitsunfhigkeit vornehmlichin den vier Bereichen (bzw. vier Stockwerken) Gesundheit, Kompetenz,
Werte und Arbeit liegen. Zu beachten ist dabei, dass alle Bereiche einander
bedingen bzw. in einem funktionellen Zusammenhang zueinander stehen: Ist
nun die Arbeitsfhigkeit eines Arbeitnehmers beeintrchtigt, so ist bei der Su-
che nach den Ursachen dieses Bedingungsverhltnis zu bercksichtigen; wobei
zu beachten ist, dass nicht nur jeder Bereich (jedes Stockwerk) einzeln analysiert
wird, sondern ebenfalls hinterfragt werden sollte, wie sich die Kommunikation
zwischen den einzelnen Stockwerken darstellt.
Abbildung 4 Das Haus der Arbeitsfhigkeit
Verwandte Freunde
Quelle: Ilmarinen u. Tempel (2003)
Im Einzelnen werden die Zusammenhnge der Stockwerke17 von Ilmarinen
und Tempel (2003) folgendermaen beschrieben: Der 1.Stockbesteht aus dem
Faktor Gesundheit. Unterteilt in physische, psychische und soziale Gesundheit,
16Synonym wird bei dem Begriff der Arbeitsfhigkeit auch von der Arbeitsbewltigungsfhigkeit
gesprochen.17auch Faktoren der Arbeitsfhigkeit genannt
Kompetenz
Kenntnisse Fhigkeiten
Gesundheit
Funktionelle Kapazitt
Werte
Einstellungen Motivation
Arbeit
Arbeitsumgebung u. -inhalteGemeinschaft u. Organisation
Management u. Fhrung
Arbeitsunfhigkeit
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2. Theorie Erwerbs- und Arbeitsfhigkeit lterer Arbeitnehmer 15
wird sie als Voraussetzung einer gewissen Leistungsfhigkeit im Arbeitsleben
verstanden. Inwiefern dieser 1. Stock die Last der weiteren Stockwerke tragen
kann, ist den Autoren zufolge davon abhngig, ob im 2.Stock fr eine ausrei-
chende berufsspezifische Bildung des Arbeitnehmers gesorgt wird. Hierzu ge-
hrt zum einen, dass der Arbeitende im Arbeitsleben selbst ber ausreichendefachliche und soziale Kompetenzen verfgt und er zum anderen im weiteren
Verlauf des Arbeitslebens seine berufsspezifischen Kenntnisse und Fhigkeiten
weiterentwickelt.
In welchem Umfang sich die Kompetenzen und Fhigkeiten auch in Produkti-
vitt widerspiegeln, hngt dabei in entscheidendem Mae vom 3.Stock ab,
nmlich der Einstellung, dem persnlichen Konzept und der Motivation des
Mitarbeiters, sich in das Arbeitsleben einzubringen; eine Komponente, bei der
die individuellen Sichtweisen im Verhltnis zur betrieblichen Arbeitskultur von
besonderer Bedeutung sind. Dem obenauf kommt schlielich im 4.Stock die
konkret zu leistende Arbeit. Sie umfasst smtliche Aspekte der Arbeitsgestal-
tung wie physikalische, physische, psychische und organisatorische Beanspru-
chung einschlielich Management und Fhrung.
Ebenfalls bercksichtigt bei den Einflussfaktoren auf die Arbeitsfhigkeit sind
die umgebende Gesellschaft und die unmittelbar wirksamen kleineren Netzwer-
ke wie Familienverband, Verwandtschaft und Freundeskreis in der Abbildung
auerhalb des Hauses dargestellt.
2.2.1.2. Frderungsmodell der Arbeitsfhigkeit
Konkrete Anhaltspunkte zur Frderung der Arbeitsfhigkeit finden sich in ei-
nem zweiten Modell, das von der Forschergruppe um Ilmarinen entwickelt
wurde. hnlich dem Haus der Arbeitsfhigkeit, werden auch in ihm vier Dimen-
sionen beschrieben, deren Integration es ermglicht, die Arbeitsfhigkeit eines
Menschen zu verbessern oder aufrechtzuerhalten.
Wie dem Frderungsmodell (Abb. 5) zu entnehmen ist, knnen Manahmen,
die eine gute Arbeitsfhigkeit und eine gute Gesundheit im Alter sichern helfen
sollen, in vier Bereichen ansetzen: (1) dem Individuum, (2) der professionellen
Kompetenz des Mitarbeiters, (3) der Arbeitsumgebung und (4) der Fhrungsor-
ganisation. Ziel sollte sein, alle Bereiche in ein ausgewogenes Verhltnis zu
bringen. Gelingt dies, so der Hintergrund des Modells, muss in einem Unter-
nehmen kein Widerspruch bestehen zwischen guter Produktivitt und Qualitt
der Arbeit einerseits und guter Lebensqualitt und Wohlbefinden der Mitarbei-
ter andererseits (Ilmarinen u. Tempel 2002).
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2. Theorie Erwerbs- und Arbeitsfhigkeit lterer Arbeitnehmer 16
Abbildung 5 Frderungsmodell der Arbeitsfhigkeit vier Dimensionen von Manahmen unddie Konsequenzen
Steigerung derArbeitsfhigkeit
Quelle: Ilmarinen u. Tempel (2002)
2.2.2. Praxisvorschlge zum Erhalt der Arbeitsfhigkeit
Die Erkenntnisse der finnischen Forschung sind mittlerweile auch von der
deutschen Fachwelt aufgegriffen und durch eigene Praxisvorschlge zum Erhalt
der Arbeitsfhigkeit lterer Arbeitnehmer erweitert worden. Zum Groteil in
fachwissenschaftlichen Printmedien verffentlicht, haben sich darber hinaus
einige wissenschaftlich und/oder politisch organisierte Internetplattformen ge-
bildet, die sich konkret mit dem demographischen Wandel in der Arbeitswelt
beschftigen. Sie geben z.B. Hintergrundinformationen zu alternden Belegschaf-
ten und Betriebe erhalten Hilfestellungen, wie sie dem demographischen Wan-
del in ihrem Unternehmen begegnen knnen. Obendrein gibt es auf allen Web-
sites Literaturdatenbanken mit Demographie- und Arbeitswelt assoziierten wis-
senschaftlichen Publikationen sowie eine Sammlung von Best-practice-
Beispielen.
Ein Groteil der Literaturrecherche fr die folgenden Ausfhrungen hat auf
den Internetseiten der Initiativen INQA, Demotrans, Arbid und GIGA
stattgefunden sowie in den Internet-Literaturdatenbanken der Bertelsmann Stif-
tung und der Bundesanstalt fr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.
Das Individuum
(funktionelle Kapazitt, Gesundheit)
Arbeitsumgebung(Ergonomie, Hygiene,
Sicherheit)
Fhrungsorganisation(Entwicklungsmige,
psychosoziale undManagement-Themen)
Professionelle Kompetenz
Gute Arbeitsfhigkeit und Gesundheit
Gute Produktivitt undQualitt der Arbeit
Gute Lebensqualittund Wohlbefinden
Gute Ruhestandsfhigkeit, sinnvoller, erfolgreicherund produktiver dritter Lebensabschnitt
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der Vorschriften des betrieblichen Arbeitsschutzes von Seiten der Arbeitgeber:
Inhaltlich umfasst der betriebliche Arbeitsschutzsowohl technische und hygie-
nische als auch organisatorische Vorschriften, wobei das Ziel darin besteht, Le-
ben und Gesundheit der Arbeitnehmer zu schtzen, ihre Arbeitskraft zu erhalten
und die Arbeit menschengerecht zu gestalten. Gem einer bersicht von Beskeu. Hallauer (2001) stehen dabei an erster Stelle Manahmen zur technisch si-
cheren Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Arbeitsverfahren sowie der Ein-
satz nicht gesundheitsgefhrdender Arbeitsstoffe. An zweiter Stelle kommen
Manahmen, die mit Verhaltensanforderungen an die Arbeitnehmer verbunden
sind (z.B. Tragen von Atemschutzmasken) und an dritter Stelle folgen arbeits-
medizinische Voruntersuchungen, die dem frhzeitigen Erkennen arbeitsbedingt
eingetretener Gesundheitsschden dienen.
Seit 1996 sind von Seiten der Betriebe auerdem Faktoren der Arbeitsorgani-
sation, des Arbeitsinhalts sowie der psycho-sozialen Belastungen zu bercksich-
tigen; und auch eine Gefahrenbeurteilung der Arbeitsbedingungen ist von ihnen
seither vorzunehmen (Prll, Dechmann u. Georg 2003).
Zur Gewhrung einer adquaten Umsetzung aller Vorschriften sind darber
hinaus alle Arbeitgeber von mehr als einem Beschftigten dazu verpflichtet, fr
ihre Mitarbeiter eine sicherheitstechnische arbeitsmedizinische Betreuung zu
gewhrleisten. Kleinbetrieben werden in diesem Zusammenhang zwei Alternati-
ven gewhrt: Entweder, sie schlieen sich einem System externer prventions-
fachlicher Regelbetreuung an, oder sie verpflichten sich durch das sog. Unter-nehmermodell durch persnliche Weiterbildungsmanahmen eine basale
Fachkunde im Arbeitsschutz zu erwerben (ebenda).
Neben diesen vornehmlich gesetzlich vorgeschriebenen Aktivitten zur Ge-
sunderhaltung ihrer Arbeitnehmer besteht fr Betriebe zudem die Option zur
Durchfhrung von Manahmen der betrieblichen Gesundheitsfrderung. Ihre
wesentliche Aufgabe sieht Urban (2004) darin, auf dem Arbeitsschutz aufzubau-
en, ihn inhaltlich zu erweitern und ihm hinsichtlich der Partizipation der Be-
schftigten eine neue Struktur zu geben.
Gem der Luxemburger Deklaration ist die betriebliche Gesundheitsfrde-
rung (BGF) eine moderne Unternehmensstrategie und zielt darauf ab, Krank-
heiten am Arbeitsplatz vorzubeugen (), Gesundheitspotenziale zu strken und
das Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu verbessern. (Europisches Netzwerk fr
betriebliche Gesundheitsfrderung 1997) Erreicht werden kann dies nach Henke
(2002) z.B. durch eine Verknpfung von Anstzen zur Verbesserung der Ar-
beitsorganisation, zur Frderung einer aktiven Mitarbeiterbeteiligung und durch
eine Strkung der persnlichen Kompetenzen.
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Darber hinaus ist z.B. bekannt, dass auch hoher arbeitsplatzbezogener Zeit-
und Konkurrenzdruck sowie unbefriedigende Entscheidungs- und Kontrollmg-
lichkeiten ber die Arbeitsaufgabe die Hufigkeit von Herz-Kreislauf-
Erkrankungen und depressiven Strungen vergrern (Hajek 1999; Blaxter
1990). Und auch fr die sog. berufliche Gratifikationskrise also die wieder-kehrende Erfahrung eines Ungleichgewichts zwischen dem, was man leistet, und
den Belohnungen, die man fr seine Anstrengungen erhlt konnte ein erhh-
tes Risiko fr solche Erkrankungen nachgewiesen werden (Mielck 2000).
Mit diesen Zusammenhngen vor Augen wird deutlich, dass allein mit Ma-
nahmen, die auf die Beeinflussung des gesundheitsbezogenen Verhaltens der
Arbeitnehmer beschrnkt sind, wichtige Einflussfaktoren auf die Gesundheit
auer Acht gelassen werden und zwar genau diejenigen, die von den Arbeit-
nehmern selbst nicht allein beeinflussbar sind, sondern vielmehr von Seiten der
Betriebe flankiert werden mssen. Haben Unternehmen daher zum Ziel, smtli-
chen gesundheitsbezogenen Einflussfaktoren Rechnung zu tragen sowie syste-
matisch und kontinuierlich das Ziel des gesnder lter Werdens zu verfolgen,
erfordert dies nach Badura (2003) den Aufbau eines betrieblichen Gesund-
heitsmanagements:
Per Definition beinhaltet ein betriebliches Gesundheitsmanagement die
Entwicklung betrieblicher Rahmenbedingungen, betrieblicher Strukturen und
Prozesse, die die gesundheitsfrderliche Gestaltung von Arbeit und Organisati-
on und die Befhigung zum gesundheitsfrderlichen Verhalten der Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter zum Ziel haben.(Badura u. Hehlmann 2003, 19) Inhalt-
lich wird es von den Autoren verstanden als Investition in das Sozial- und Hu-
mankapital eines Unternehmens.
Investitionen in das Sozialkapital:
Investitionen in die soziale Vernetzung von Mitarbeitern, in ihre vertrauens-volle Zusammenarbeit und in unternehmensweit geteilte berzeugungen,Werte und Regeln20
Investitionen in das Humankapital:
Investitionen in die sog. weichen Faktoren unternehmerischen Erfolgs wieetwa Motivation und Leistungsbereitschaft
Die wissenschaftliche Fundierung und Entwicklung des betrieblichen Gesund-
heitsmanagements entstand im Rahmen der Sozial- und Gesundheitswissen-
20 Alternativ werden Investitionen in das Sozialkapital von den Autoren auch als Investitionen
erklrt, die der Erkenntnis Rechnung tragen, dass Merkmale sozialer Systeme wesentlichen Ein-fluss auf Wohlbefinden und Gesundheit ihrer Mitglieder und damit auch auf ihre Leistungsfhig-keit nehmen.
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schaften, wobei dem Konzept die Annahme zugrunde liegt, dass Menschen so-
ziale Wesen sind, die in ihrem Denken, Fhlen und Handelnmageblich durch
ihre soziokulturelle Umwelt beeinflusst werden.21Hierauf aufbauend vertreten
Badura u. Hehlmann (2003) die Meinung, dass insbesondere gegenseitige Un-
tersttzung, gemeinsame berzeugungen, Werte und Verhaltensregeln, Partizi-pation und eine partnerschaftliche d.h. eine von gegenseitigem Respekt und
Vertrauen geprgte Unternehmenskultur positive Auswirkungen auf die Ge-
sundheit der Mitarbeiter haben. Als konkret anzustrebende Ziele seitens einer
Unternehmensleitung werden daher formuliert:
Partizipatives Fhrungsverhalten
Groer Vorrat gemeinsamer berzeugungen, Werte und Regeln Hohe Qualitt der sozialen Beziehungen und Netzwerke sowie Gesundheitsfrderliche Arbeitsbedingungen
Neben diesen v.a. prventiven bzw. gesundheitsfrderlichen Mglichkeiten
seitens der Betriebe drften zuknftig auch ihre Bemhungen zur Rehabilitation
und Wiedereingliederung immer strker in den Vordergrund rcken. Hinter-
grund sind die eingangs erwhnten Zusammenhnge zwischen Krankenstand
und Belegschaftsalter: Da ltere Arbeitnehmer insbesondere aufgrund chroni-
scher Erkrankungen hhere Krankenstnde aufweisen (Vetter 2005 u. 2003),
ist davon auszugehen, dass mit der Erhhung des Durchschnittsalters der Beleg-
schaften die Zahl chronisch kranker Arbeitnehmer und damit verbunden auchdie Reha-Nachfrage in den Betrieben ansteigt.22
Um trotz dieser Bedarfsentwicklung einen nachhaltigen Reha-Erfolg zu si-
chern, sieht Feldes (2004) vor allem die Notwendigkeit, vorhandene Ressourcen
zu erhhen, Manahmen zielgerichteter und effektiver als bisher auf vorrangige
Problemlagen und Risikogruppen zu konzentrieren sowie potenziellen Reha-
Bedarf schnellstmglich zu eruieren. Letzteres wird auch von Zollmann u.
Schliehe (2003) untersttzt, die erlutern, dass es zur Optimierung des Reha-
Erfolges grundstzlich darauf ankommt, mglichst frh in den Krankheitsprozess
einzugreifen. Wollen Betriebe diesem Grundsatz gerecht werden, stehen sie vor
der Herausforderung, reha-bedrftige Arbeitnehmer rechtzeitig zu erkennen
und in eine Reha-Manahme einzugliedern. Schott (2003) gibt Unternehmen in
diesem Zusammenhang u.a. folgende Empfehlungen:
21Bezogen auf die Arbeitswelt bedeutet dies eine Beeinflussung durch die betriebliche Personal-und Gesundheitspolitik, durch die gelebte Unternehmenskultur, durch die wirtschaftliche Situa-tion eines Unternehmens und durch Art und Weise der am Arbeitsplatz vorherrschenden sozia-len Beziehungen.
22Feldes (2004) berichtet in diesem Zusammenhang von einer Zunahme bis 2010 um 20% undbis 2030 um 30%.
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Im Einzelnen sind die Schritte folgendermaen zu beschreiben: Grundstzlich
beginnt jedes Eingliederungsmanagement mit der Identifizierung von bedrfti-
gen Arbeitnehmern. Heit es per Gesetz, dass sptestens nach 6-wchiger Ar-
beitsunfhigkeit Handlungsbedarf angezeigt ist, verweisen die Verfasser des Ab-
laufplans darauf (hnlich wie bereits Schott 2003), dass zudem auch mit Hilfevon betrieblichen Frhwarnsystemen und arbeitsmedizinischen Vorsorgeunter-
suchungen ein Wiedereingliederungsbedarf diagnostiziert werden kann.
Hat man bei einem Arbeitnehmer Handlungsbedarf festgestellt, nimmt der
Arbeitgeber im zweiten Schritt Kontakt mit dem Betroffenen auf und klrt mit
ihm Mglichkeiten seines weiteren Einsatzes im Betrieb dies unter Bercksich-
tigung seiner eigenen Ziele und Vorstellungen. Fr alle weiteren Schritte, die
daraufhin veranlasst werden (z.B. die Einschaltung der betrieblichen Arbeitneh-
mervertretung) gilt grundstzlich, dass sie der Zustimmung des Arbeitnehmers
bedrfen.
Wurde schlielich mit dem Mitarbeiter besprochen, welche Manahmen
notwendig sind, um eine schnelle Rckkehr in den Betrieb zu erreichen, gilt es
nun, die entsprechenden Schritte einzuleiten. In Frage kommen z.B. betriebsin-
terne Manahmen (Arbeitsplatzanpassung oder Umsetzung an einen anderen
Arbeitsplatz), Untersttzungsmanahmen durch einen Rehabilitationstrger (z.B.
Zuschsse fr Arbeitshilfen im Betrieb, Kfz-Hilfen) oder auch auerbetriebliche
Manahmen der Rehabilitationstrger(z.B. medizinische Leistungen zur Rehabi-
litation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bzw. berufliche Qualifizie-rungsmanahmen) (o.A. 2005).
Arbeitsgestaltung und Arbeitsorganisation
Ein zweiter Ansatzpunkt fr Manahmen zum Erhalt der Arbeitsfhigkeit liegt
in betrieblichen Arbeitspltzen, die nur eine begrenzte Ttigkeitsdauer zulassen.
Denn nach Behrens (2001) sind die Grnde fr einen vorzeitigen Berufsaustritt
in vielen Fllen auf einen falschen Umgang mit genau diesen Arbeitspltzen zu-
rckzufhren:
Arbeitspltze mit begrenzter Ttigkeitsdauer umfassen meist Ttigkeiten mit
qualifikatorisch niedrigen, dafr aber krperlich hohen (und einseitigen) Anfor-
derungen, die von der Mehrheit der hiervon Betroffenen nur begrenzt lange
durchfhrbar ist. Verantwortlich fr die Begrenzung ist dem Autor zufolge u.a.
der mit den Ttigkeiten verbundene psycho-physische Verschlei.24
24Als zweite Komponente sieht Behrens (2001) das Veralten von Qualifikationen (siehe hierzu
auch das Handlungsfeld Weiterbildung und Qualifikation) und als dritte Komponente fhrt erEntmutigung und Rufverlust an, die z.B. bei Befrderungsstaus oder unvorhergesehenen Feh-lern entstehen knnen; hierauf wird im Folgenden kein expliziter Bezug mehr genommen.
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2.2.2.3. Kooperationen
Wie aus den vorangegangenen Kapiteln ersichtlich, besteht sowohl von in-
nerbetrieblicher als auch von berbetrieblicher Seite ein groes Handlungspo-
tenzial, wenn es darum geht, in den Erhalt der Erwerbsfhigkeit lterer Arbeit-
nehmer zu investieren. Konkret ausgerichtet auf die gesundheitsbezogene Leis-
tungsfhigkeit, reicht das Spektrum von Manahmen der Prvention und (be-
trieblichen) Gesundheitsfrderung bis hin zur Rehabilitation und beruflichen
Wiedereingliederung; im Optimalfall alles in einer (alters- und alternsadqua-
ten) betrieblichen Gesundheitspolitik integriert.
Zur Realisierung einer solchen Politik ist wie gesehen die Beteiligung der
verschiedensten inner- und berbetrieblichen Akteure notwendig,31wobei ins-
besondere eine gut funktionierende Zusammenarbeit unter diesen unerlsslich
erscheint. So empfiehlt Rosenbrock (2003, 10) z.B. den Sozialversicherungen:Anzustreben ist eine fr alle Beteiligten transparente Arbeitsteilung, in welcher
jeder Akteur seiner spezifischen Expertise und seinen spezifischen Handlungs-
mglichkeiten entsprechenden Aufgaben bernimmt und dadurch im Ergebnis
alle Aufgaben kontinuierlich sowie ohne Verdopplung und Lcken erfllt wer-
den.
Von gesetzlicher Seite gibt es bezglich der Zusammenarbeit unter den Sozi-
alversicherungstrgern konkrete Vorgaben: Sowohl fr GKV und GUV im Rah-
men ihres gemeinsamen Auftrags zur Verhtung arbeitsbedingter Gesundheits-
gefahren32 als auch fr die einzelnen Krankenkassen bei der betrieblichen Ge-
sundheitsfrderung33sowie fr die Rehabilitationstrger im Rahmen ihrer Leis-
tungen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation.34
Zur Optimierung der Schnittstelle Sozialversicherung/Betrieb wurde den Sozi-
alversicherungen zudem die gesetzliche Mglichkeit erffnet, Unternehmen mit
Bonuszahlungen zur Durchfhrung ihrer Manahmen zu motivieren bzw. nach
erfolgreicher Durchfhrung finanziell zu belohnen z.B. im Rahmen der betrieb-
lichen Gesundheitsfrderung (vgl. 65a SGB V) oder auch beim betrieblichen
Eingliederungsmanagement (vgl. 84 SGB IX).
31insbesondere der betrieblichen Fhrungskrfte und Personalverantwortlichen sowie der ber-betrieblich organisierten Sozialversicherungstrger (GUV, GKV und GRV)
32Bei der Verhtung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren arbeiten die Unfallversicherungstr-ger mit den Krankenkassen zusammen. ( 15 SGB VII)
33Im Interesse der Leistungsfhigkeit und Wirtschaftlichkeit der gesetzlichen Krankenversiche-rung arbeiten die Krankenkassen und ihre Verbnde sowohl innerhalb einer Kassenart als auchkassenbergreifend miteinander und mit allen anderen Einrichtungen des Gesundheitswesenseng zusammen. ( 4 SGB V)
34Die Rehabilitationstrger und ihre Verbnde sollen zur gemeinsamen Wahrnehmung von Auf-gaben zur Teilhabe behinderter Menschen insbesondere regionale Arbeitsgemeinschaften bil-den. (12 SGB IX)
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3. Methodik Aufbereitung und Auswertung des Interviewmaterials 44
3.3. Aufbereitung und Auswertung des Interviewmaterials
Die Aufbereitung und Auswertung des Interviewmaterials erfolgte mit Hilfe
einer zusammenfassenden qualitativen Inhaltsanalyse. Denn nach Mayring
(1995) stellt dieses Verfahren die Methode der Wahl dar, wenn es hauptsch-
lich darum geht, inhaltliche Interviewaspekte herauszufiltern.
Ziel der Inhaltsanalyse ist es, das Material so zu reduzieren (), dass die we-
sentlichen Inhalte erhalten bleiben, aber ein berschaubarer Kurztext entsteht.
(Mayring 1995, 211) Um zu diesem Kurztext zu gelangen, wurde sich metho-
disch an die von der Wissenschaft geforderten Schritte der Paraphrasierung,
Generalisierung und Bndelung bzw. Reduktion gehalten. So wurden in einem
ersten Schritt zunchst einzelne Paraphrasen in numerischer Reihenfolge nie-
dergeschrieben (Paraphrasierung). Nach anschlieender Durchsicht wurden dieeinzelnen Paraphrasen im zweiten Schritt in ein Kategorien-System41gegliedert,
um anschlieend mittels Generalisierung (dritter Schritt) auf ein hheres Abs-
traktionsniveau gebracht zu werden. Abschlieend wurden hnliche, zusam-
menhngende, bereits generalisierte Paraphrasen gebndelt und mittels Re-
duktion in einem Kurztext zusammengefasst.
Basierend auf dieser Gliederungsstruktur wurden alle fnf Interviews Schritt
fr Schritt analysiert. Findet sich im nachfolgenden Ergebnisteil eine Darstellung
der wesentlichen (fr die Studie relevanten) Interviewinhalte,42ist eine ausfhr-
liche Dokumentation der Interviews auf Wunsch beim Herausgeber erhltlich.
Hinsichtlich der Ergebnisdiskussion sei noch gesagt, dass das Ziel nicht in ei-
ner quantitativen Auswertung des Interviewmaterials bestand, sondern Gemein-
samkeiten und Unterschiede der individuellen Perspektiven herausgefiltert wer-
den sollten; liegt doch das Hauptanliegen der Studie darin, Ansatzpunkte fr
Motivationsanreize zu eruieren.
41Waren die drei Themengebiete Kooperation, Anreizsysteme sowie demographischer Wan-del und ltere Arbeitnehmer bereits erste Grundlage fr die Kategorisierung des Materials,wurden spter in den einzelnen Themengebieten nochmals Unterkategorien gebildet, die sich je nach Gesprchsverlauf unterschiedlich darstellen.
42Die Reihenfolge der Interviewprsentation entspricht der Reihenfolge ihrer Durchfhrung.
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4. Ergebnisse IG-Metall 45
4.Ergebnisse
4.1. IG-Metall
Das Interview der IG-Metall (Frankfurt) wurde mit einem Mitglied des Ar-
beitsbereichs Behindertenpolitik lterer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen
und Rehabilitationaus der Abteilung Sozialpolitik durchgefhrt.
4.1.1. Kooperationen
Die Frage nach ihren bisherigen Kooperationserfahrungen hat die IG-Metall
mit ihrer Mitgliedschaft in der INQA-Initiative beantwortet. So fhrte sie an,
dass z.B. Seminare43
im Rahmen dieser Kooperation stattfinden und auch vonder IG-Metall organisierte Workshops bereits mit mehreren anderen INQA-
Partnern gemeinsam ausgerichtet wurden.44
Nach ihrer persnlichen Beurteilung des momentanen Status quo an Koope-
rationen unter den Sozialversicherungenbefragt, hie es, dass es oft nicht ge-
ngend Zusammenarbeit unter diesen gebe. Gerade mit der Novelle des SGB IX
seien zwar klare Regelungen geschaffen worden, um bspw. Antrge fr Reha-
Leistungen zgig an die richtige Stelle zu leiten und auch Bescheide schnell zu
erteilen. Doch wrde trotzdem nach wie vor sowohl die Nahtlosigkeit als auch
die Schnelligkeit der Weiterleitung und die Zusammenarbeit unter den Akteu-
ren sehr zu wnschen brig lassen.
Grnde hierfr sah die Interviewperson vor allem darin, dass die Sozialversi-
cherungstrger sehr in ihrem Versicherungsdenken verhaftet sind und sich zu
wenig dafr interessieren, was im Vorfeld bei einem anderen Trger an Leistun-
gen erbracht wurde; seien es die GKV, die GRV oder auch die Berufsgenossen-
schaften. Da ihrer Meinung nach die Manahmen der Sozialversicherungen je-
doch miteinander korrespondieren, wre es sinnvoll, ber gemeinschaftliche
Modelle bzw. gemeinsame Finanzierungsmodalitten nachzudenken; z.B. beimGesundheitsmanagement oder bei der stufenweisen Wiedereingliederung.
Hinsichtlich der zuknftigen Entwicklung uerte man sich zuversichtlich: Be-
dingt dadurch, dass bereits einige sehr vielversprechende Projekte in der Praxis
existieren, wrde das Interesse an gemeinsamen Modellen zunehmen und sich
ein Ausbau von Kooperationen abzeichnen.
43z.B. das Seminar Runter mit dem Dauerstress44z.B. wurde der Workshop betriebliches Eingliederungsmanagement u.a. in Kooperation mit
der GKV und dem VDR durchgefhrt.
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4. Ergebnisse IG-Metall 46
Als positives Kooperationsbeispiel nannte die IG-Metall in diesem Zusam-
menhang Daimler Chrysler in Wrth. Denn hier hat die LVA-Speyer einen
Integrationsmanager eingesetzt, um ein prventives Eingliederungsmanagement
mit zu initiieren und ber eine Laufzeit von 3 Jahren zu begleiten. Selbst daran
interessiert, mit welcher Intention sich die LVA hier so stark engagiert, gab dieInterviewperson an, sie auf einer demnchst stattfindenden Tagung nach ihren
Beweggrnden zu fragen.
Einen anderen Grund fr ihre Zuversicht hinsichtlich der Entwicklung von Ko-
operationen sah die IG-Metall in dem finanziellen Druck, der zurzeit bei den
Sozialversicherungen herrscht und immer strker anwchst. Doch drfte ihrer
Ansicht nach dieser Druck nicht nur die Bereitschaft zu mehr Kooperation vo-
rantreiben, sondern auch dazu fhren, dass die Sozialversicherungen einen
Handlungsbedarf erkennen, ihre prventiven Aktivitten auszuweiten.
Knnte ein solcher Ausbau tatschlich realisiert werden, so ihre berzeugung,
profitieren davon sowohl die GKV- als auch die GRV-Trger. Als Begrndung
fhrte sie an, dass gerade die Erkrankungen in Deutschland, die in der Frhver-
rentung enden (und somit Versicherungskosten verursachen), sehr gut durch
prventive Manahmen zu vermeiden sind.
Am besten realisieren lsst sich eine gemeinsame Aktion der Sozialversiche-
rungstrger ihres Ermessens durch die Initiierung eines trgerbergreifenden
Finanzpools eines Pools, dem eine bergeordnete Aufgabe bersteht, der sich
alle Trger gegenber verpflichtet fhlen und an der sich auch alle gleicherma-en beteiligen.
Als besonders geeignet fr einen solchen Pool wurde das betriebliche Ein-
gliederungsmanagementangefhrt, da dieses Leistungen fr alle Arbeitnehmer
umfasst, die lnger als sechs Wochen arbeitsunfhig erkrankt sind und daher die
ganze Spannbreite von Prvention bis Rehabilitation abdeckt.
Generell hie es zum betrieblichen Eingliederungsmanagement, dass es ein
Gebiet ist, auf dem die unterschiedlichsten Akteure zu beteiligen sind; konkret
fr die IG-Metall wurde es zudem als zentral und wichtig eingestuft.Zu der Frage, wo die IG-Metall eine besondere Notwendigkeit zum Ausbau
von Kooperationen sieht, wurde die Schnittstelle Sozialversicherung/Betrieb
genannt. Doch gbe es auch in diesem Bereich mittlerweile erfolgversprechende
Projekte zur Verbesserung der dortigen Zusammenarbeit. Hier fhrte sie das
Beispiel von Opel Eisenach und seiner Kooperation mit einer Reha-Klinik an:
Bestandteil der Kooperation ist, fr Personen mit stationrem Reha-Bedarf ein
Arbeitsplatzprofil zu erstellen, das den Mitarbeitern zu ihrem Klink-Aufenthalt
mitgegeben wird. Als Vorteil dieser Vorgehensweise hob die IG-Metall zum
einen hervor, dass hierdurch die Klinik Rcksicht auf arbeitsplatzspezifische As-
pekte nehmen kann. Zum anderen da die Rehabilitanden nach Beendigung
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4. Ergebnisse IG-Metall 47
ihres Aufenthaltes ein weiteres Profil erstellt bekommen knnte man die ge-
wonnenen Erkenntnisse aus der Reha weiterhin in die betrieblichen Manah-
men einbeziehen; z.B. in Manahmen zur Arbeitsplatzgestaltung, in Qualifizie-
rungsmanahmen oder in berlegungen zu neuen Arbeitszeitmodellen.
4.1.2. Anreizsysteme
Das Thema Anreizsysteme wurde whrend des Interviews vorwiegend auf
Motivationsmglichkeiten fr Betriebe zur Initiierung von Gesundheitsma-
nahmen bezogen: Will man Unternehmen dafr gewinnen, sich strker fr die
Gesundheit ihrer Mitarbeiter einzusetzen, ist dies nach Meinung der IG-Metall
wahrscheinlich nur ber das Setzen finanzieller Anreizemglich. (Es muss sich
rechnen.) Da sich Investitionen in die Gesundheit von Beschftigten jedoch
tatschlich rechnen lassen, knne die Aussicht auf finanzielle Einsparungen auch
als Anreiz wirken. Gleichzeitig betonte die Interviewperson jedoch, dass eine
solche rein finanzielle Motivation seitens der Arbeitgeber den Gewerkschaften
allein nicht ausreicht. Denn als Arbeitnehmervertretung sehen sie die Unter-
nehmen generell in der Verantwortung, sich um die Gesundheit ihrer Mitarbei-
ter zu kmmern. Wunsch der IG-Metall ist demnach, dass Unternehmen ir-
gendwann einmal Manahmen zugunsten der Arbeitnehmer initiieren, ohne
vorwiegend Eigeninteressen zu verfolgen. Da man von einer solchen Einstellung
jedoch noch weit entfernt ist, knnte die Propagierung finanzieller Vorteile frein Unternehmen als Vehikel genommen werden, um nach und nach auch
andere Vorteile wie z.B. Image zu transportieren. Heute bereits Unterneh-
men ber einen Imagegewinn zu mehr (Gesundheits-) Engagement bewegen zu
wollen, sei jedoch noch zu frh.
Weiter hie es, dass Vernderungen in einem Unternehmen grundstzlich nur
dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn auch die Fhrungsebene berzeugt wer-
den konnte; ein Grund dafr, warum auch ein wichtiges Anliegen der IG-Metall
darin besteht, Fhrungskrfte fr das Thema Gesundheit im Betrieb sowohl zu
sensibilisieren als auch, darauf aufbauend, zu qualifizieren. Und auch Personal-
verantwortliche sind nach Aussage der Interviewperson wichtige Akteure, die es
fr die Umsetzung eines Vorhabens zu gewinnen gilt. Da diese in vielen Unter-
nehmen allerdings hufig nur fr kurze Zeit beschftigt sind, sei kaum eine mit-
tel- bis langfristige Planung mglich wie sie z.B. fr die Etablierung eines Ge-
sundheits- oder Eingliederungsmanagements bentigt wird. Denn fr eine er-
folgreiche Einfhrung mssten Manahmen nach ihrer Implementierung auch
fortgefhrt werden bzw. fortfhrbar sein. Kommt hingegen ein neuer Personal-
verantwortlicher, der die begonnenen Aktivitten nicht untersttzt, wrde alleswieder kippen.
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4.3. Landesversicherungsanstalt LVA) Westfalen
Das Interview mit der LVA-Westfalen wurde in der Geschftsstelle in Mnster
mit insgesamt drei Personen aus der Abteilung fr Rehabilitation durchge-
fhrt.
4.3.1. Kooperationen
Der Frage nach bestehenden Kooperationen sind die Interviewpartner der
LVA-Westfalen mit zahlreichen Beispielnennungen entgegnet, von denen hier
nur einige genannt werden sollen. So haben sie z.B. angefhrt, dass bereits seit
den 50er oder 60er Jahren halbjhrliche Treffen mit den GKV-Spitzenverbnden
in Westfalen stattfinden, um aktuelle Themen zu besprechen und dass sich
ebenfalls im Halbjahres-Rhythmus mit der LVA-Rheinprovinz und der Bundes-knappschaft zusammengesetzt wird. Darber hinaus finden laufend gemeinsame
Schulungen fr Sachbearbeiter und Reha-Fachberater im Rahmen des VDR und
BAR statt, bei denen jhrlich zahlreiche Mitarbeiter der verschiedenen Versiche-
rungszweige zusammenkommen und sich rege austauschen.
Bezglich konkreter Kooperationsvereinbarungen wurde berichtet, dass es auf
regionaler Ebene laufend kleine Vereinbarungen gibt. Als konkretes Beispiel
nannten die Interviewpartner das ehemalige Projekt Frh-Reha, das nach An-
gaben der LVA allerdings nicht sehr erfolgreich verlief. ber die Grnde wurde
whrend des Interviews nicht weiter gesprochen.
Grundstzlich hie es, dass der Wille zur Kooperation mit den Krankenkassen
und mit den anderen Trgern vorhanden sei; wobei er seine Grenzen manchmal
auch im finanziellen Bereich finden wrde. Denn bekanntlich habe jeder Trger
finanzielle Probleme und alle wrden daher darauf achten, den Rahmen ihrer
finanziellen Mglichkeiten nicht zu berreizen.
Nach ihrer Zusammenarbeit mit anderen Rehabilitationstrgern im Rahmen
der Gewhrung und Weiterleitung von Reha-Antrgen gefragt, waren sich die
Interviewpartner einig, dass insbesondere die Einfhrung des 14 SGB IX frdie Versicherten groe Vorteile mit sich gebracht habe: Frher sind die Antr-
ge bei einem Trger einfach liegen geblieben, wenn dieser nichts damit anzu-
fangen wusste. Heute geht das nicht mehr. Der muss das an einen anderen wei-
tergeben und dieser andere muss innerhalb krzester Zeit eine Entscheidung
treffen. () Frher hat man das einfach liegen gelassen; insofern ist dieses Prob-
lem weitestgehend eliminiert.
Bei der Frage, inwiefern sich der 14 SGB IX auf ihre Kooperation mit den
Krankenkassen auswirke, gab eine Person zu bedenken, dass der Paragraph ei-
nerseits die Zustndigkeiten zwar einfacher regelt und er fr den Versicherten
auch ein groer Vorteil ist. Andererseits knne er aber Kooperationen auch be-
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letzung stets eine sog. Reha-Kommission52 an einem runden Tisch zusam-
menkommen lsst, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Einschrnkend
wurde jedoch darauf hingewiesen, dass sich ein solches Beispiel aufgrund des
organisatorischen Aufwands nicht auf alle Antragssteller bertragen lasse. So
wird die LVA an diesem Projekt zwar festhalten, doch msse das eigene Enga-gement auch immer im Sinne der Verhltnismigkeit abgewogen werden. Dem
komme hinzu, dass runde Tische generell in einem frhen Reha-Stadium sinn-
voll sein knnen, diese fr die LVA in einem bereits fortgeschrittenen Stadium
hingegen nicht das Mittel der Wahl darstellen.
Dass runde Tische auerdem auch in einem frhen Reha-Stadium nicht
zwingend notwendig sind, begrndeten die Interviewpartner damit, dass sich
die LVA ohnehin bemhe, vor Ort mittels ihrer Reha-Fachberater gezielt vorzu-
gehen; z.B. indem sich mit dem Arbeitsamt oder der betrieblichen Vertrauens-
person fr Schwerbehinderte kurzgeschlossen wird. Gefragt nach der Qualitt
ihrer dortigen Arbeit wurde diese als relativ gut bezeichnet. Natrlich wrden
auch Fehler gemacht und es gbe Schludrigkeiten, doch htte dies damit zu-
tun, dass solche Dinge stets von den jeweiligen Personen abhingen.
Hinsichtlich des momentanen Verbesserungsbedarfs an Kooperationen im
Reha-Prozess wurde klar herausgestellt, dass es einen solchen nicht bei der
Schnittstelle GKV/GRV gibt, sondern bei den Schnittstellen kassenrztliche Ver-
sorgung/GRV sowie Betrieb/GRV; also bei der Einleitung der Reha. Sobald je-
mand in den Reha-Prozess integriert ist, laufe die Zusammenarbeit recht gut.Und weiter: Im Zugang zur Reha, da muss mehr passieren. Es muss einfach die
Kooperation da sein, die die vorhandenen Flle aufdeckt.
In den Betrieben wird das Problem v.a. darin gesehen, dass Arbeitnehmer mit
gesundheitlichen Problemen hufig zu lange vor sich hin dmpeln, ehe eine
Reha-Manahme eingeleitet wird. So wird sich gewnscht, rechtzeitig zu wis-
sen, bei welchen Arbeitnehmern in den einzelnen Betrieben Reha-Bedarf be-
steht (v.a. auch bei den lteren Arbeitnehmern).
hnliches gelte fr den auerbetrieblichen Bereich: Statt wie bisher Versi-cherte erst ein halbes oder dreiviertel Jahr ambulant vom Hauarzt oder Ortho-
pden behandeln zu lassen, sollten die rzte sptestens nach 6 Wochen ber
die Einleitung einer Reha-Manahme nachdenken und eine solche bei Bedarf
initiieren.
Um das Problem des Reha-Zugangs lsen zu knnen, sprich: tatschlich an
die richtigen Personen in der richtigen Zeit heranzukommen, sieht die LVA-
52 bestehend aus dem Betroffenen, aus rzten, Sozialarbeitern, Familienmitgliedern und demArbeitgeber
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4. Ergebnisse LVA-Westfalen 58
Westfalen insbesondere die Haus- und Betriebsrzte in der Verantwortung, ihr
Reha-Verstndnis zu erweitern und zuknftig strker ihrer Koordinierungsfunk-
tion zur Einleitung einer Reha-Manahme gerecht zu werden. So sollten z.B. die
Hausrzte nicht den Anspruch haben, alles persnlich zu regeln, sondern statt-
dessen ihre Patienten fr das weitere Vorgehen an eine Servicestelle verweisen.Eine weitere Problematik sieht die LVA in der beruflichen Wiedereingliede-
rung lterer Arbeitnehmer im Anschluss an eine Reha-Manahme. Hinsichtlich
des eigenen Engagements in diesem Bereich wurde angefhrt, dass die Renten-
versicherung den Fcher an Mglichkeiten in der beruflichen Rehabilitation be-
reits umfassend ausnutze; gleiches gelte fr die stufenweise Wiedereingliede-
rung und die Frh-Reha (Was getan werden kann, glaube ich, wird getan. Viel
mehr ist da nicht machbar.). Problematisch werde es jedoch und hier sei man
ganz schnell wenn ein Betrieb keine Weiterbeschftigungsmglichkeit mehr
fr seinen Arbeitnehmer sieht. So habe die Erfahrung gezeigt, dass eine lnger-
fristige Krankheit fr einen Betrieb sehr hufig ein willkommener Anlass war,
sich von seinem Arbeitnehmer zu trennen. Ist dies der Fall, stelle sich fr die
LVA letztlich immer die Frage, was sie fr den Betroffenen berhaupt noch tun
kann.
Beim Stichwort Umschulunggaben die Interviewpartner zu Bedenken, dass
eine solche in der Regel drei Jahre dauert und der ltere Arbeitnehmer danach
bei seinen Bewerbungen stets mit jungen, ebenfalls frisch ausgebildeten, Be-
rufsanfngern zusammentreffe.53
Selbst wenn die Rentenversicherung die Be-triebe bei einer Entscheidung zugunsten des lteren Bewerbers noch finanziell
untersttzt, entschieden sich die Betriebe in der Regel trotzdem fr den jnge-
ren. Wrden die Betriebe hingegen ihr (Einstellungs- und Beschftigungs-) Ver-
halten lteren Arbeitnehmern gegenber ndern, wrden auch die Mglichkei-
ten der LVA wieder anders aussehen, so die Interviewpartner.
Insbesondere die EU-Osterweiterung vor Augen wird eine solche Kehrtwende
jedoch als eher unrealistisch eingestuft. So sei eher die Bereitschaft der Betriebe
zu beobachten, neue und zum Teil kostengnstigere Arbeitnehmer einzu-
stellen, als eigene ltere Arbeitnehmer zu halten. Ob demzufolge der demogra-
phische Wandel als solcher zuknftig fr die Betriebe einen Anreiz darstellt, sich
strker fr ihre lteren Mitarbeiter zu engagieren, scheint nach Auffassung der
LVA-Vertreter eher fraglich.
Dennoch gebe es Bereiche, in denen sich mittlerweile Projekte zur Weiterbe-
schftigung lterer Arbeitnehmer entwickeln: z.B. im Handwerk sowie in einigen
53Es konkurriert immer der jngere, der seine Ausbildung gerade absolviert hat () mit demlteren Arbeitnehmer als Berufseinsteiger; der aber mit seinen Krankheiten und Beschwerden.
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4.4. Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften
Das Interview mit dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaf-
ten (HVBG) fand in Sankt Augustin statt und wurde mit einem Experten fr den
Bereich Betriebliches Eingliederungsmanagement durchgefhrt.
4.4.1. Kooperationen
Als ein Beispielbereich bestehender Kooperationen wurde von Seiten des
HVBG die betriebliche Gesundheitsfrderungangefhrt. Insbesondere vor dem
Hintergrund, dass diese als Gemeinschaftsaufgabe der GKV und GUV zu verste-
hen sei, gebe es z.B. Gemeinschaftsprojekte54 zur gemeinsamen Daten-
Evaluation bestimmter Krankheitsbilder. Ziel hierbei sei, berhufungen aufzu-decken und durch gemeinsame Aktionen bzw. Programme arbeitsbedingte Ge-
sundheitsgefahren frhzeitig zu vermeiden. Einzelne Berufsgenossenschaften
htten auerdem die eine oder andere BGF-Vereinbarung mit den Kranken-
kassen getroffen, und je nachdem, wie die Berufsgenossenschaften und die
Krankenkassen das Thema aufnehmen, werde es auch weiterhin eine Expansion
dieser Aktivitten geben.
Problematisch wurde im Bereich der betrieblichen Gesundheitsfrderung die
Krankenkassenvielfalt beurteilt. So wrden viele Unternehmer zum einen nicht
wissen, an welche Krankenversicherung sie sich wenden sollen, da ihre Mitar-
beiter verschiedenen Krankenkassen angehren. Und da sich die Kassen auf-
grund des bestehenden Wettbewerbes teilweise sehr verfeindet gegenberste-
hen, sei es fr einen Arbeitgeber zudem schwierig, bei Manahmen, die alle
Beschftigten einbeziehen sollen, auch smtliche Kassen unter einen Hut zu
bekommen.
ndern drfte sich nach Meinung des Interviewpartners hieran nur dann et-
was, wenn die Arbeitgeber direkt auf die Kassen zugehen und explizit nach ge-
meinsamen Angeboten verlangen.Als ein weiterer Bereich, dem sich die GUV immer strker widmet, und in
dem auch Kooperationen angestrebt werden, wurde das betriebliche Eingliede-
rungsmanagementgenannt insbesondere das Schulungsangebot: Werden die
Schulungen zum Eingliederungsmanagement derzeit mit dem Bundesverband
der Unfallkassen durchgefhrt, so sollen diese zuknftig auch mit anderen Part-
nern im Bildungsverbund angeboten werden. Kooperationspartner sind mo-
54insbes. mit dem Bundesverband der BKK
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4. Ergebnisse Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften 62
mentan bereits smtliche Berufsfrderungswerke in Deutschland, doch bestn-
den gute Aussichten, dass auch die GRV sich diesem Programm anschliet.
Eine weitere Mglichkeit von Kooperationen im Rahmen des Eingliede-
rungsmanagements liegt dem HVBG zufolge in der Entwicklung gemeinsamer
Anreizsysteme fr Unternehmen; sprich: Prmien und Beitragsnachlsse vonSeiten der Sozialversicherungen. Auch hier laufen bereits Verhandlungen mit
mehreren Versicherungszweigen, Ergebnisse stnden jedoch noch aus.
Grundstzlich hie es zum betrieblichen Eingliederungsmanagement, dass
dies ein Zukunftsthema sei, dessen Erfolg erstens davon abhngt, wie frh und
wie kooperativ Betriebe das Thema aufnehmen und zweitens wie sie mit den
Sozialversicherungstrgern zusammenarbeiten. Eine weitere Erfolgsgarantie be-
stehe darin, das Eingliederungsmanagement mit Manahmen der betrieblichen
Gesundheitsfrderung zu verbinden.Hinsichtlich der zuknftigen Entwicklung des Eingliederungsmanagements
wurde seitens des HVBG die Zuversicht geuert, dass das Thema immer strker
an Bedeutung gewinnen werde sowohl aufgrund der groen Anzahl ffent-
lichkeitswirksamer Kampagnen und Aktivitten als auch aufgrund der zuneh-
menden Zahl an Disability-Managern. Als weiterer Grund wurde angefhrt, dass
sowohl der diesbezgliche Druck der Arbeitgeber auf die Sozialversicherungen
ansteige als auch der des Arbeitsrechts grer werde. Denn schon jetzt wrden
z.B. weder Arbeitsgerichte noch Integrationsmter ihre Zustimmung fr krank-
heitsbedingte Kndigungen geben, wenn der Arbeitgeber nicht nachweist, dasser ein betriebliches Eingliederungsmanagement eingefhrt hat.
Um zu erreichen, dass Betriebe ein betriebliches Eingliederungsmanagement
untersttzen, sei zunchst die Erkenntnis seitens der Betriebe erforderlich, dass
ihre Aufgaben nach 84 SGB IX keine rein rechtlichen, sondern auch betriebs-
wirtschaftliche sind.55 Vorgeschlagen wurde in diesem Zusammenhang, das
Thema grundstzlich nicht nur bei Reha-Veranstaltungen zu prsentieren, son-
dern auch auf Veranstaltungen, bei denen es z.B. um Personalfhrung geht.
Denn vor dem Hintergrund, dass das Eingliederungsmanagement Arbeitgeber-verantwortung ist, wre es wichtig, gerade auch mit Personalverantwortlichen
ins Gesprch zu kommen.
Der Schlssel bestehe schlielich darin, die Gesundheitssttte Betrieb n-
her ins Auge zu fassen und Betriebsnhe aufzubauen, um einen Zugang zum
Betrieb und zu den dortigen Bedrfnissen zu bekommen. Nur so knne der Be-
trieb nach Meinung des HVBG auch Mitverantwortung fr die soziale Sicherung
55Und zwar insofern, als es auch die Wettbewerbsfhigkeit eines Unternehmens strkt, wenn essich um Mitarbeiter kmmert, die lngerfristig erkrankt sind.
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sich diesem Thema widmen.
Abschlieend wurde noch auf die Anreize eingegangen, mit denen der HVBG
im Rahmen des Disability Managements arbeitet. Angefhrt wurden erstens
das Angebot einer Hilfestellung zur Einfhrung eines Eingliederungsmanage-
ments und zweitens die Gewhrleistung von Qualitt bei den Leistungen derDisability-Manager ber das Schulungs- und Zertifizierungsangebot.
4.4.3. Demographischer Wandel und ltere Arbeitnehmer
Auf die Frage, inwiefern der demographische Wandel im HVBG bisher thema-
tisiert wird, entgegnete die Interviewperson, dass erst auf einem krzlich statt-
gefundenen Strategiegesprch die demographische Entwicklung zu einem
Hauptthema der Berufsgenossenschaften erklrt wurde. Auch in viele Schu-lungsangebote sei die Thematik bereits integriert.
Eine wichtige berlegung des HVBG sei momentan, wie Angebote im Zu-
sammenhang mit der demographischen Entwicklung transparenter und akzep-
tabler fr die Unternehmen gemacht werden knnten. Um dem nher zu kom-
men, wurde zunchst eine Bestandsaufnahme bereits bestehender Angebote fr
ltere Arbeitnehmer gemacht (z.B. ber BGF-Programme und Schulungsma-
nahmen fr Mitarbeiter im Zusammenhang mit Stress am Arbeitsplatz). Die wei-
teren berlegungen mssten nun dahin gehen, wie Arbeitsbedingungen so ver-
ndert werden knnen, dass durch Beratungsmanahmen beruflicher Stress ab-
gebaut wird und ltere Arbeitnehmer die darunter besonders leiden lnger
im Arbeitsprozess bleiben. Auch arbeitsrechtliche Modelle wie solche zur Le-
bensarbeitszeit, bei denen es darum geht, das Alter auch fr einen Betrieb rich-
tig zu nutzen, ohne ltere abzustempeln oder aus dem Arbeitsprozess raus-
zudrngen, stnden zur Diskussion.
Zur Frage nach seiner Einschtzung der Prsenz des demographischen Wan-
dels in den Unternehmen vermutete der HVBG-Vertreter, dass diese in den
Grounternehmen in jedem Fall gegeben sei. Gleichzeitig uerte er seine Beo-bachtung, dass der Begriff Demographie im Moment zu einem Modewort
geworden ist, auf das sich alle strzen. So sei das Thema nicht mehr nur in der
Fachwelt von Bedeutung, sondern es ginge auch durch die Boulevard-Presse
und mittlerweile htten sich sogar Unternehmensberatungen das Thema auf die
Fahnen geschrieben. Trotz alledem sei es natrlich wichtig, das Thema gerade
von Seiten der Sozialversicherungen anzugehen.
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4.5. AOK-Niedersachsen
Das Interview mit der AOK-Niedersachsen (Sitz in Hannover) wurde mit ei-
nem Experten fr den Bereich Betriebliches Gesundheitsmanagement des dort
ansssigen Instituts fr Gesundheitsconsulting durchgefhrt.
4.5.1. Kooperationen
Auf die Frage nach bestehenden Kooperationen antwortete die AOK-
Niedersachsen, dass es bei ihr sowohl mit der gesetzlichen Rentenversicherung
als auch mit einzelnen Berufsgenossenschaften Kooperationen gebe. Mit Erste-
rer seien sie zwar eher punktuell (z.B. in Form von Absprachen bei Zustndig-
keitsklrungen), doch bestnden auch vielfltige Rahmenvereinbarungen zwi-
schen den beiden Trgern zur Regelung ihrer Zusammenarbeit. Darber hinaus
gebe es regelmige Treffen der Mitarbeiter aus dem Rehabilitationsbereich der
AOK und ihren Ansprechpartnern aus der GRV. Gefragt nach der Qualitt der
dortigen Zusammenarbeit, entgegnete der Interviewpartner, dass ihm nichts
Negatives bekannt sei.
Auch mit der norddeutschen Metallberufsgenossenschaft existiert seit vielen
Jahren eine Rahmenvereinbarung, in der die Zusammenarbeit (wie sie durch das
SGB V und SGB VII vorgesehen ist) konkretisiert wurde. So sei an Kooperatio-nen zwar noch mehr wnschbar, doch gebe es bereits eine ganze Reihe von
Betrieben, in denen etwas gemeinsam gemacht wird; sei es in Form von Projek-
ten56oder auch gemeinsamer Datenauswertung.
Wenngleich auch die eigene Zusammenarbeit mit den Berufsgenossenschaf-
ten als gut eingestuft wurde, hie es, dass sich diese sehr stark auf Modellpro-
jekte bzw. einzelne Pilotprojekte in Betrieben beschrnkt, die bereit sind, tat-
schlich mit mehreren Partnern zusammenzuarbeiten. Mangelnde Kooperation
der Sozialversicherungstrger beruhe weniger auf fehlendem Willen oder einem
entsprechendem Wunsch, sondern resultiere eher aus mangelndem diesbezgli-
chem Kundeninteresse. Denn wenn ein Betrieb den Wunsch uert, allein mit
der Krankenversicherung zusammenarbeiten zu wollen, sei es nicht sinnvoll,
noch zwingend andere Akteure zu integrieren.
Bezglich der Notwendigkeit eines Ausbaus an Kooperationenzwischen den
einzelnen Sozialversicherungszweigen erwiderte die AOK, dass in definierten
56 Ein greres gemeinsames Projekt wurde z.B. mit der Bau-Berufsgenossenschaft Hannoverdurchgefhrt.
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4. Ergebnisse AOK-Niedersachsen 67
Feldern bereits zusammengearbeitet werde. Wolle man einen Ausbau frdern,
so hie es weiter, muss die Zusammenarbeit ber Modellprojekte weiter er-
probt werden, um den Win-Win, der bei Kooperationen hypothetisch unter-
stellt wird, praktisch zu unterfttern. Sei dies erfolgreich, knne man ber
eine Art von Multiplikatorensystem Kooperationen ausweiten. Generell sei manjedoch skeptisch, wenn etwas als dieLsung verordnet wird (Ich wrde sich
das entwickeln lassen.).
Ein weiterer Aspekt, der bei Kooperationsforderungen seiner Meinung nach
Beachtung finden sollte, ist die Hhe des entstehenden Aufwands fr die betei-
ligten Akteure. Denn die Erfahrungen seien diesbezglich nicht nur bei der
AOK nicht immer die besten. Auch gegenber Forderungen von Seiten der
Prventionsforschung nach der Grndung runder Tische wurde sich kritisch
geuert. Als Begrndung wurde angefhrt, dass sich bei diesen in der Vergan-
genheit immer die Frage gestellt habe, was sich hierdurch wirklich fr diejeni-
gen, um die es geht nmlich um die Beschftigten am Arbeitsplatz gendert
hat; so mssten besprochene Themen anschlieend auch praktisch umgesetzt
werden.
Der eigene Praxisansatz des Instituts fr Gesundheitsconsulting bestehe in
diesem Zusammenhang darin, direkt in die Betriebe hineinzugehen und dort
sowohl mit den Beschftigten als auch mit dem Management Vorgehensweisen
zu entwickeln. Und wenn sich hierbei Schnittstellen zu den Berufsgenossen-
schaften ergeben, so die AOK, dann werden diese auch genutzt, um aufkom-mende Fragestellungen gemeinsam zu errtern. (Das ist sinnvoll und das findet
auch statt.) Allerdings ginge so etwas nur ber persnliche Kontakte, die ber
viele Jahre wachsen mssen. Seien in Niedersachsen solche Strukturen zwar
aufgebaut, so gebe es allerdings auch Kassen, bei denen sich die Kontakte mit
den Unfallversicherungstrgern noch weniger gut darstellen.
Generell, hie es weiter, muss man daher stets hinterfragen, was an Angeboten
und an Netzwerkstrukturen vorhanden ist und wie diese tatschlich genutzt
werden. Nur knne man so etwas weder verordnen noch erwarten, dass sich
so etwas von heute auf morgen entwickelt.
Da sich das Institut fr Gesundheitsconsulting selbst als Serviceleister fr
Betriebe sieht, steht fr sie generell der Wille des Kunden, also der Betriebe, im
Vordergrund; und hier besonders der von den Werksleitern, Betriebsrten und
Personalleitern (Das sind die wichtigen Leute.).
Zu Forderungen speziell nach mehr Kooperation unter den Sozialversicherun-
gen uerte sich der Interviewpartner dahingehend, dass er selber nicht den
Wunsch der Kunden nach mehr Kooperationen z.B. in Form von runden Ti-
schen wahrnehme (Das ist eher eine Vorstellung von vielen Akteuren im
fachwissenschaftlichen Bereich.)
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luation und Vermarktung verhaltensprventiver Manahmen anbetrifft deut-
lich weiter.
4.5.3. Demographischer Wandel und ltere Arbeitnehmer
Auf die Frage, welchen inhaltlichen Stellenwert der demographische Wandel
in der AOK-Niedersachsen einnimmt, erwiderte die Interviewperson, dass die-
ser bei ihnen schon deshalb ein aktuelles Thema sei, weil sich die Kasse im
Bundesvergleich mit ihrer Alterspyramide bereits im Jahre 2040 befindet; das
Durchschnittsalter ihrer Versicherten also berdurchschnittlich hoch ist.
Auch das Thema ltere Arbeitnehmer werde und wurde daher v.a. im Rah-
men von Schulungen, z.B. fr Personal- oder Werksleiter, immer wieder ange-
boten. So gebe es viele Ideen, die bereits seit langem bekannt sind und vondem einen oder anderen Pilotunternehmen praktiziert werden.
Insgesamt habe die Erfahrung jedoch gezeigt, dass Unternehmen das Thema
ltere Arbeitnehmer immer interessiert aufnehmen, aber noch kaum prakti-
sche Erfahrungen vorhanden sind und wenig Bereitschaft gezeigt wird, Inhalte
umzusetzen. Aufgrund der demographischen Entwicklung, so die Interviewper-
son weiter, werde die Bereitschaft in Zukunft jedoch wachsen. Das wird sich
automatisch ergeben.
Grnde dafr, dass es heute noch relativ wenige Betriebe gibt, die tatschlich
eine systematische Reintegration von Beschftigten verfolgen, sah die AOK-
Niedersachsen u.a. in dem deutschen Sozialversicherungssystem, das mit seinen
Klauseln eher Lsungen begnstige, ltere Arbeitnehmer in die Frhverrentung
zu entlassen als solche, um sie im Betrieb zu halten. Mitverantwortlich sei au-
erdem, dass viele (auch niederschsische) Unternehmen in das osteuropi-
schen Ausland abwandern, und in Deutschland daher weder die Bereitschaft da
sei, zustzliche Arbeitskrfte einzustellen noch ltere Arbeitnehmer lnger zu
beschftigen.
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5. Diskussion Kooperationen 71
5.Diskussion
5.1. Kooperationen
Unter der Kategorie Kooperationen wurden vornehmlich Interviewaspekte
zu bisherigen Kooperationserfahrungen der Akteure, ihrer Beurteilung des Sta-
tus quo bestehender Aktivitten, zur Notwendigkeit eines Kooperationsausbaus
sowie zu persnlich wahrgenommenen Kooperationshemmnissen behandelt.
Darber hinaus gaben auch einige Interviewpartner Prognosen zur zuknftigen
Entwicklung von Kooperationen ab.
5.1.1. Kooperationserfahrungen
Bezglich der jeweiligen Kooperationserfahrungen lsst sich sagen, dass jede
Institution auf mehrere Gemeinschaftsaktivitten verweisen konnte; wobei es
sich zumeist um Kooperationen auf Bundesebene handelt, die in der vorliegen-
den Arbeit bereits vorgestellt wurden: Die IG-Metall berichtete z.B. von ihrer
Mitgliedschaft an der INQA-Initiative und der BKK-Bundesverband von der Ini-
tiative Gesundheit und Arbeit (IGA) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft fr
Rehabilitation (BAR). Der HVBG bezog sich zudem auf Gemeinschaftsprojekte