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SCHWERPUNKT: WIE DIE SCHNELLER-SCHULEN GEWALT BEGEGNEN AUS DER SCHNELLER-ARBEIT: EHRENAMTLICHE UNRUHESTÄNDLER ISSN 0947-5435 E 12344 MAGAZIN ÜBER CHRISTLICHES LEBEN IM NAHEN OSTEN 2/2005

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SCHWERPUNKT: WIE DIE SCHNELLER-SCHULEN GEWALT BEGEGNENAUS DER SCHNELLER-ARBEIT: EHRENAMTLICHE UNRUHESTÄNDLER

ISSN 0947-5435 E 12344

MAGAZIN ÜBER CHRISTLICHES LEBEN IM NAHEN OSTEN2/200

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Vision von Frieden und VersöhnungEin Appell aus Jerusalem an Christen in aller Welt 4

Wenn Kinder bei jeder Handbewegung zusammenzuckenInterview mit Musa Al Munaizel, pädagogischer Berater der TSS 7

Würde und HeimatDirektor Hanna Mansour zum Auftrag der TSS 9

Lächeln trotz Schlägen?Eine Mutter erzählt 10

Politik beherrscht wieder den Alltag der KinderWie die JLSS auf die Ängste von Schülerinnen und Schüler eingeht 12

„Die Hoffnung ist größer als die Angst“Interview mit Habib Badr, dem leitenden Pfarrer der NEC 14

Nachrichten aus den Schneller-Schulen 17

Ehrenamtliche UnruheständlerSenioren helfen den Schneller-Schulen 20

EVS-PersönlichesZum Tod von Werner Honold 23

„Wir haben das Recht, Euch immer wieder zu erinnern“Armenische Christen gedenken des Genozids an ihrem Volk vor 90 Jahren 24

Nachrichten 26

Medien 29

Briefe an die Redaktion 30

INHALT

SCHWERPUNKT: HEILENDE ANTWORTEN AUF GEWALT 6

CHRISTEN UND DER NAHE OSTEN 24

Titelbild: Jungen aus der Johann-Ludwig-Schneller-Schule Foto: EMS/Katja Buck

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Liebe Leserinnen und Leser,

das Schneller-Magazin erscheint nicht nur in neuemGewand, es erscheint nun auch auf Englisch. Damitist es zu einer besonderen Verbindung zu unserenPartnern im Nahen Osten geworden. Wir schreibennicht mehr nur über andere und wir geben ihrerStimme nicht nur Raum. Vielmehr schreiben wirjetzt in ihrer Gegenwart. Mit der englischen Aus-gabe ist das Schneller-Magazin nun auch vielen Men-schen im Nahen Osten zugänglich. Es ist nicht mehrnur ein Magazin über Menschen im Nahen Osten,sondern auch mit und für Menschen dort.

In dieser Ausgabe steht das Thema Gewalt imMittelpunkt, das in unserer Wahrnehmung des Na-hen Ostens stark präsent ist. Fast täglich lesen wirMeldungen über Bombenanschläge im Irak. Aus dem

Libanon hören wir von Bombeanschlägen und großen Demonstrationen, die demAttentat auf den ehemaligen Premierminister Rafik Hariri folgten. Oft kommt dabeidie Befürchtung durch, es könne zu weiterer Gewalt kommen.

In dieser Ausgabe wollen wir Ihnen mehr zeigen: dass Gewalt auch andere Gesich-ter hat, zum Beispiel in Form von Gewalt gegen Kinder – ein Thema, das wir auchaus unserer Gesellschaft kennen. Diese Ausgabe möchte aber auch zeigen, wie Men-schen im Nahen Osten mit diesen Gewalterfahrungen umgehen, was sie ihnen ent-gegensetzen und wie sie versuchen andere Wege zu gehen. Die Schneller-Schulensind dafür ein lebendiges Beispiel.

Sie sehen, in vieler Hinsicht versuchen die Schulen und auch wir vom EVS, neueWege zu gehen. Dabei sind wir darauf angewiesen Ihre Meinung zu wissen. Wir freuenuns über Ihre Zuschriften.

In der Berichterstattung sind wir nicht „schneller“ als die Massenmedien. Aber Sieerfahren bei uns mehr, nicht nur über „Schneller“. Das hoffen wir von der Redaktionjedenfalls. Wir wünschen beim Lesen viel Spaß und viele Anstöße!

Im Namen des Redaktionsteams grüßt SieIhr

EDITORIAL

Andreas Maurer (EVS-Geschäftsführer und Nahostreferent im EMS)

Jerusalem ist für Juden, Christen und Muslime eine Stadt des Friedens.

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AUFRUF AN ALLE KIRCHEN

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VISION VONFRIEDEN UND VERSÖHNUNG

„Wir schreiben Ihnen als Bischöfe pa-lästinensischer Christen, weil wir vonder dramatischen Situation der Christenim Land des Heiligen Einzigen sehr be-troffen sind. Im Vergleich zu vor zehnJahren stellt unsere Gemeinschaft nurnoch weniger als zwei Prozent der Be-völkerung dar und nimmt in alarmie-rendem Ausmaß weiter ab.

Viele palästinensische Christen ver-lassen das Land infolge des andauern-den Konfliktes.Wir sind eine christlicheGemeinschaft von Katholiken, Grie-chisch-Orthodoxen, Orientalisch-Or-

„Wenn darum ein Glied leidet, dann leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle anderen mit.“

Mit diesem Satz aus dem erstenKorintherbrief haben sich MichelSabbah, der Lateinische Patriarchvon Jerusalem, Bischof Riah AbuEl-Assal von der BischöflichenKirche in Jerusalem und demMittleren Osten, sowie MunibYounan, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanienund im Heiligen Land, anKirchenführer in aller Welt gewendet.

Anstelle einer Besinnung veröf-fentlichen wir diesen Aufruf inleicht gekürzter Fassung.

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thodoxen, Anglikanern und Lutheranern.Trotz Spannungen und historischer Ver-schiedenheiten ist unsere Gemeinschaftin ihrer Identität als Christen und Paläs-tinenser vereinigt.

Die illegale israelische Besatzung hates für Christen, ja, für das ganze palästi-nensische Volk, von dem wir ein integra-ler Teil sind, unmöglich gemacht, inWürde, Freiheit und Sicherheit zu leben.Die Trennungsmauer zerteilt unsere Ge-meinschaft in viele Teile und macht esunmöglich, ein normales Familienleben,wirtschaftliche und menschliche Bezie-hungen aufrecht zu erhalten. Die inter-nationale Gemeinschaft und die Weltkir-che müssen darauf bestehen, dass beideParteien, Palästinenser und Israelis, ihreVerpflichtungen dem internationalenRecht entsprechend erfüllen.

Als christliche Kirchen haben wir im-mer auf die Anwendung von Gewalt ver-zichtet. Wir fühlen uns einem gewalt-freien Kampf für Frieden, Gerechtigkeitund Versöhnung verpflichtet. Wir ver-künden eine Vision, die erlauben wird,dass sich Frieden und Gerechtigkeit in ei-nem Geist der Versöhnung treffen.

Für Israel wünschen wir Sicherheit undfür die Palästinenser Freiheit und Ge-rechtigkeit. Deshalb plädieren wir für eine„Zwei-Staatenlösung“, bei der Israel undPalästina als Gleichberechtigte in Friedenleben. Wir glauben daran, dass Jerusalemfür Muslime, Juden und Christen eineStadt des Friedens ist. Wir sind davonüberzeugt, dass Jerusalem als Hauptstadtfür Palästina und Israel dienen sollte.

Wir fordern beide Seiten auf, GottesAngesicht im anderen zu erkennen unddie Menschlichkeit des anderen zu ak-zeptieren. Haben wir erst die uns ge-meinsame Menschenwürde und die füralle gleichen Rechte anerkannt, werdenFrieden und Gerechtigkeit Wirklichkeit.

Wir rufen Sie auf: Unterstützen Sie diein der Gemeinde gründende Erziehungdurch christliche Schulen und Bildungs-einrichtungen. Helfen Sie mit, die Aus-wanderung der Christen zu stoppen. Hel-fen Sie mit, preiswerte Wohnungen zuschaffen. Eine Wohnung ist ein sozialesRecht und kein Luxus. Stärken Sie christ-liche soziale Institutionen. Diese Organi-sationen kümmern sich um Nöte in derpalästinensischen Gesellschaft, unabhän-gig von Religion, Geschlecht oder politi-scher Gesinnung.

Wir vertrauen darauf, dass Sie uns dieHand reichen. Ein gerechter Frieden wirddie Präsenz und das Zeugnis der palästi-nensischen Christen garantieren, die dielebendigen Steine in Seinem Lande sind.

Wir sind davon überzeugt, dass die Kir-chen mehr tun können und mehr tunmüssen, um ihre Aufgabe gegenüber demHeiligen Land zu erkennen und ihre Re-gierungen, ihre Völker und die interna-tionale Gemeinschaft zu sensibilisieren.Wir bitten sehr um Ihre Hilfe, damit Ge-rechtigkeit siegt, damit die palästinensi-sche christliche Gemeinde im HeiligenLand wieder blüht und gestärkt wird undsie ihre Mission in der Kraft der Auferste-hung erfüllen kann.

Beten Sie für uns und beten und ar-beiten Sie für den Frieden in Jerusalem!“

FÜR „ZWEI-STAATENLÖSUNG“

DAMIT GERECHTIGKEIT SIEGT

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SCHWERPUNKT: HEILENDE ANTWORTEN AUF GEWALT

Gewalt hat viele Gesichter. Sie kann verletzen, zerstören, sie macht Angst.Völker bekriegen sich, Terroristen töten Unschuldige, Eltern schlagen ihreKinder, Jugendliche prügeln sich, Mehrheiten unterdrücken Minderheiten.Egal wie Gewalt sich letztendlich äußert: sie verletzt immer die menschli-che Würde. Viele Kinder an den Schneller-Schulen haben das bereits leid-voll erfahren müssen. Niemand kann diese Verletzungen ungeschehen ma-chen. Die Verantwortlichen an den Schulen versuchen aber, denGewalterfahrungen Heilendes entgegenzusetzen.

„Wenn Liebe nicht jeden Tag erneuert wird, stirbt sie täglich.“ Was auf einer Tafel im Schulhofder Johann-Ludwig-Schneller-Schule steht, prägt die gesamte Arbeit der Schneller-Schulen.

ANTWORTEN AUF GEWALT

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Herr Al Munaizel, seit einigen Monatenbieten Sie für die Erzieher und LehrerFortbildungen an, bei denen es um denUmgang mit Gewalt geht. Warum istdies ein Thema für die TSS?Ganz einfach deswegen, weil viele derKinder und Jugendlichen, die hier leben,selbst bereits Gewalt erlitten haben.

Wie viele Kinder an der TSS sind traumatisiert?Ich gehe davon aus, dass etwa 75 Pro-zent, wenn nicht fast alle, in ihren Fami-lien Gewalt erfahren haben.

Was heißt das: Sie haben Gewalt erfah-ren? Fängt Gewalt schon bei einem klei-nen Klaps auf den Hintern an?Nein, das meine ich nicht, wenn ich vonGewalt rede. Gewalt an Kindern heißt,dass Erwachsene ihnen so stark weh tun,dass die Kinder neben den körperlichenVerletzungen auch psychische Schädendavontragen. Diese Gewalt verletzt dieKinder in ihrer Würde und beeinträch-tigt nachhaltig ihre gesamte Entwicklung.

Heißt das, dass mehr als drei Viertel allerKinder und Jugendlichen an der TSS sol-che Erfahrungen bereits gemacht haben?

WENN KINDER BEI JEDER HANDBEWEGUNG ZUSAMMENZUCKEN

An der Theodor-Schneller-Schule (TSS)in Amman leben viele Kinder, die vonihren Eltern oder Verwandten geschla-gen wurden. Für die Schule bedeutetdies eine besondere Herausforderung.Über die Situation traumatisierter Kin-der und den Umgang mit Gewalt hatKatja Dorothea Buck mit Musa Al Mu-naizel, dem pädagogischen Berater derTSS, gesprochen.

Ja, das heißt es leider. Sehr viele wurdenund werden von ihren Eltern oder Ange-hörigen geschlagen.

Wie kommt es dazu, dass Eltern ihreKinder so brutal schlagen?Das hat vor allem zwei Gründe. Zum ei-nen ist es kulturell bedingt. In Jordanienist Gewalt leider ein sehr übliches Erzie-hungsmittel. Dann spielt aber auch si-cher die Armut eine Rolle. Wer sozial be-nachteiligt ist und ständig ums täglicheÜberleben kämpfen muss, neigt eher

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„Das Wichtigste ist, dass die Kinder zu den Er-ziehern Vertrauen fassen“, sagt Al Munaizel.

Es muss für die Erzieher hart sein, denganzen Tag für 20 Kinder verantwortlichzu sein, die zum Großteil traumatisiertsind. Was können Erzieher tun?Das wichtigste ist, dass sie das Vertrauender Kinder gewinnen. Manchmal ist essehr schwer, an sie überhaupt heranzu-kommen. Ein Junge kam beispielsweisevor zwei Jahren zu uns. Er war zu Hausevon seinen Eltern brutal geschlagen undgefesselt worden. Oft wurde er einge-schlossen. Als er zu uns kam, konnte erdie ersten zwei Monate nur unter demBett schlafen aus Angst, es könne ihm je-mand im Schlaf etwas antun. Sobald derErzieher nur eine Bewegung auf ihn zu-machte, duckte er sich weg und wich aus.Dieser Junge ist leider kein Einzelfall.

Um was geht es bei den Workshops, dieSie für die Erzieher und Lehrer anbieten?Es geht zurzeit bei uns um genau diesesThema: Ursachen von Gewalt und Agres-sionen, wie gehen wir mit Gewalt undAgressionen um? Das heißt zum einen,wie gehen wir mit Kindern um, die Ge-walterfahrungen gemacht haben. Und

dazu, seine Frustrationen und Demüti-gungen an anderen auszulassen. Meisttrifft es die Schwächsten, und das sindeben die Kinder.

In der TSS leben die Kinder und Jugend-lichen in Wohngruppen mit einem Er-zieher zusammen. Wie wirken sich sol-che traumatischen Erfahrungen auf dieGruppe aus?Viele haben Schwierigkeiten, sich in dieGemeinschaft einzufügen. Sie habennichts anderes gelernt, als Konflikte mitGewalt auszutragen. Wenn sie miteinan-der streiten, ist es oft nicht mehr weit zueiner Schlägerei. Diese Kinder habennicht gelernt, Konflikte mit friedlichenMitteln auszutragen. Aber wo hätten siees auch lernen sollen? Die Medien unddie Eltern bieten ihnen keine Lösungs-wege. Was bei traumatisierten Kindernauch auffällt, ist, dass sie in der Schulemassive Konzentrationsschwierigkeitenhaben. Ihre Leistungen sind sehrschlecht. Das ist ein Umstand, dem dieLehrer im Unterricht Rechnung tragenmüssen.

Gewalt verletztdie Würde undbeeinträchtigtdie Kindernachhaltig inihrer Entwick-lung, auch inden schulischenLeistungen.

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SCHWERPUNKT: HEILENDE ANTWORTEN AUF GEWALT

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„Die Theodor-Schneller-Schule ist einOrt, wo traumatisierte Kinder Sicher-heit finden können. Wir hören ihnenzu und respektieren ihre Würde. Mittraumatisierten Kindern zu arbeitenbedeutet für uns, dass diese Kinderunsere Hilfe brauchen. Wir wollen ih-nen helfen, ihre Traumata zu über-winden. Aber wir wollen sie nicht inWatte packen. Das wäre der falscheWeg. Wir können die Realität nichtverändern und wir wollen die Kinderauch nicht von ihren Familien tren-nen. Die TSS kann keine Alternativefür ihre Familie sein. Die TSS kannihnen ein Heim geben, aber sie kannnicht die Familie ersetzen. Die Kin-der sollen ihren Hintergrund nichtvergessen, auch wenn er brutal ist.Sie müssen lernen, mit ihrer Vergan-genheit umzugehen. Wir wollen siebefähigen, sich selbst zu verteidigen.Sie müssen ihre Rechte und auch ihreWürde kennen lernen.“

Hanna Mansour, Direktor der TSS

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Musa Al Munaizel istpädagogischer Berater

an der TSS.

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zum anderen heißt das auch, was tun wir,wenn Kinder gegenüber anderen Kinderngewalttätig werden?

Wie groß ist das Interesse an diesem Thema?Es ist sehr groß. Die Erzieher finden, dasswir unbedingt an diesem Thema dran-bleiben müssen. Mittlerweile hat sichauch außerhalb der Schule herumgespro-chen, dass wir so etwas anbieten. Vonvielen Einrichtungen haben wir Anfra-gen bekommen, an diesen Workshopsteilnehmen zu können. Leider haben wirnicht die Kapazitäten, um die Fortbil-dungen auch für andere zu öffnen. Ander derzeitigen Seminarreihe nehmenallerdings auch zwei bis vier Mitarbeitereines SOS-Kinderdorfes teil. Wir würdengerne noch mit mehr Institutionen zu-sammenarbeiten.

Binden Sie bei Ihrer Arbeit auch die Eltern ein?Elternarbeit ist ein zentraler Punkt, denwir demnächst angehen wollen. Ich binüberzeugt davon, dass wir einige von ih-nen für dieses Thema sensibilisieren kön-nen. Wir arbeiten darauf hin, dass die TSSin Jordanien bekannt wird als eine Ein-richtung, die sich diesem heiklen Themastellt und Konzepte für den richtigen Umgang mit Gewalt und Agressionen an-bietet.

WÜRDE UND HEIMAT

SCHWERPUNKT: HEILENDE ANTWORTEN AUF GEWALT

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Chaos ist Amals Reich. Hier lebt sie mitihren Kindern. Dem Vater bleibt die Leere.Es ist eiskalt in der Wohnung. Als wir an-kommen, zupft Amal mich am Ärmel undzieht mich in das kleine Zimmer. Sofortbeginnt sie zu erzählen – von ihren Kin-dern, von ihrem Mann und von denSchlägen. Amal trägt ein schwarzes Kleid.Sie ist Muslimin, Anfang 30. Unter demKopftuch lugt eine schwarze Spitzenbortehervor. Sie lächelt, während sie schnellund leise ihre Lebensgeschichte erzählt.

Es ist, als hätte ein Regisseur ein Büh-nenbild für eine Familientragödie

schaffen wollen: Schlafzimmer, Wohn-zimmer, Küche und Bad sind komplettleer geräumt. Die gesamte Habe der Fa-milie stapelt sich im kleinsten Zimmerder Wohnung: Kissen über Kisten, De-cken über Matratzen, Polster über Kof-fern, unter einem Berg von Decken, Klei-dern und Geschirr verschwindet einKlapptisch, an der Tür stehen zwei Blu-mentöpfe. In der Ecke ein Gasherd. Das

Wenn Väter brutal werden, leiden meist nicht nur die Kinder darunter. Oft sindes die Mütter, die zuerst geschlagen werden, wie das Schicksal von Amal* belegt.Sie hat vier Kinder. Ihre drei Söhne gehen in die TSS.

Gewalt trenntund lässt die Vi-sion von einemLeben in Frie-den unerreich-bar erscheinen.

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LÄCHELNTROTZSCHLÄGEN?

„Er schlägt mich. Er schlägt auch die Kin-der.“ Sie krempelt ihren Ärmel hoch undblickt schnell aus dem Fenster. Ist ihrMann dort vielleicht? An der Innenseiteihres Handgelenks ist eine etwa fünf Zen-timeter lange, wulstige Narbe. „Mein gan-zer Körper sieht so aus“, sagt sie und streiftschnell den Ärmel wieder runter. „Er hatmich auch schon an den Haaren auf dieStraße geschleift und vor allen Leutenverschlagen.“ Immer gehe es um Geld.Er sei spielsüchtig. Amal weiß, dass derBesuch aus Deutschland nicht helfenkann und lächelt trotzdem. Wie starkmuss eine Frau sein, um ein solches Le-ben zu ertragen?

Sie steht auf, holt unter einem Pol-sterstapel ihre Handtasche hervor. Zwi-schen den Seiten ihres Passes hat sie zweiHochzeitsfotos verwahrt. Auf einem istsie mit ihrer Großmutter zu sehen. Dannzeigt sie ein anderes Bild von sich alsBraut. Den Bräutigam hat sie abgerissen.Schließlich fingert sie noch ein Foto vonihren vier Kindern hervor: Ahmad, Ab-delatif, Hassan und die kleine Nadia.

Amal ist als eine von fünf Töchtern ei-nes Palästinensers und einer Ägypterinin Zarqa’ bei Amman aufgewachsen.„Zarqa’ ist so schön. Die Menschen sindso nett dort“, sagt sie. „Ich bin in dieSchule gegangen, habe mit 18 Jahren dasAbitur gemacht.“ Und danach? Sie zucktmit den Schultern und lächelt. „Wir sindfünf Mädchen und mussten verheiratetwerden“, sagt sie und macht mit der Handeine wegwerfende Geste. „Ich kannte ihnvorher nicht. Vom ersten Tag an hat ermich geschlagen.“

Amal hatte keine Reichtümer vom Le-ben erwartet. Sie habe davon geträumt,ihre Kinder liebevoll aufziehen zu dür-fen. „Ich hätte ihnen gerne ein schönes

Zuhause gegeben. Mit hübschen Vorhän-gen vor den Fenstern“, sagt sie und zeich-net mit ihren Händen imagniäre Gardi-nen in die Luft.

Sie holt den Kaffee vom Herd in derEcke. Geschmeidig bewegt sie sich durchdas Chaos im Zimmer. Sie gießt den leichtgesüßten Kaffee in eine kleine Tasse. Sieselbst trinkt Wasser. „Ich habe Angst. Vorallem um die Kinder“, sagt sie. „Als meineTochter gerade eine Woche alt war, hater mich und das Baby geschlagen.“ DieNarbe an ihrem Handgelenk habe er ihram ersten Tag im Ramadan beigefügt. Erhabe sie gefesselt und gewürgt, immerwieder auf sie eingeschlagen und ihrschließlich einen Schlüssel ins Handge-lenk gerammt. „Ich liebe meinen Mannnicht. Ich habe ihn nie geliebt. Und seitich mit Nadia schwanger war, habe ichnicht mehr mit ihm geschlafen.“

Derweil sitzt ihr Mann im Wohnzim-mer nebenan und erzählt dem Erzieherder TSS, wo die drei Söhne unter der Wo-che im Internat leben, dass seine Frau ihnbetrüge. Sie würde sich ihm seit mehr alsdrei Jahren verweigern. Sie würde auf dieStraße gehen und es mit anderen Män-nern für Geld machen. Und überhaupt:das Geld. Immer wolle sie Geld von ihm.Und dabei habe er doch keines. AmalsMann ist seit Jahren arbeitslos.

Vor längerer Zeit schon hat Amal dieScheidung eingereicht. Das Verfahrenläuft noch. Nach muslimischem Recht istes nicht einfach für eine Frau, sich vonihrem Mann scheiden zu lassen. Dass einMann seine Frau schlägt, ist noch keinGrund für eine Scheidung. Amal wartet.

Katja Dorothea Buck

*Alle Namen wurden geändert.

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Ein politischer Sturm hat den Libanonerfasst. Demonstrationen für und gegenden syrischen Einfluss im Libanon habenin den vergangenen Wochen mehr alszwei Drittel der gesamten Bevölkerungdes Landes auf die Straßen gebracht. Men-schen aus allen gesellschaftlichen Schich-ten und Gruppierungen haben sich beiden Märschen durch Beirut beteiligt.

Syrien hat mittlerweile seine Truppenabzuziehen und hat versprochen, sichkünftig weitestgehend aus der libanesi-schen Politik herauszuhalten. Die Groß-

demonstrationen sind bisher gewaltfreiverlaufen. Allerdings verunsichern nachwie vor Bombenanschläge und Bomben-drohungen die Bevölkerung.

„Neulich explodierte eine Autobombein einem ruhigen Wohngebiet ganz inder Nähe von unserem Haus“, schreibtRima Nasrallah Van Saane von der Na-tional Evangelical Church Beirut (NEC),welche die Trägerschaft der JLSS innehat.„Es folgten viele Bombenwarnungen, diesich aber alle als Falschmeldung erwie-sen.“ Die Menschen seien sehr verunsi-

Das Attentat auf den ehemaligen Premierminister Rafik Hariri am 14. Februar2005 hat den Libanon verändert. Die Kinder und Jugendlichen an der Johann-Ludwig-Schneller-Schule (JLSS) beunruhigt diese neue Situation. Die Schule ver-sucht, die Ängste und Sorgen so gut wie möglich aufzufangen.

Beirut im Frühjahr 2005: Viele Menschen im Libanon hoffen auf die Rückkehr von Demokratie.

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POLITIK BEHERRSCHT WIEDER DEN ALLTAG DER KINDER

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chert. Viele hätten Angst, dass alte Feind-schaften zwischen pro- und antisyrischenGruppen wieder wach würden. Und je-der frage sich, wer der nächste sei, aufden ein Anschlag verübt werde. „Was der-zeit bei uns passiert, beherrscht alle un-sere Gedanken und Gespräche“, schreibtRima Nasrallah Van Saane.

Die veränderte Lage ist auch an derJLSS zu spüren. „Die Kinder nehmen andem politischen Geschehen teil“, schreibtAnselm Kreh, der Ausbildungsleiter derJLSS. „Alte Fragen, wie Religion, Herkunft,ob man für oder gegen Syrien ist, werdengestellt und beschäftigen die Kinder.“

Für die Mitarbeitenden an der JLSS istes nicht leicht, die Sorgen der Schülerin-nen und Schüler aufzufangen. IzdeharKassis, die Frau des Schuldirektors, die ander JLSS Religion unterrichtet, hat bei ei-ner Abendandacht die allgemeine Unsi-cherheit thematisiert. Sie malte ein Bildund erzählte den Kindern und Jugend-lichen dazu Folgendes: „Auf dem Bildsieht man einen Stein, hinter dem etwassitzt. Man sieht nur den Schwanz odereinen Schatten. Alle sprechen darüberund meinen zu wissen, was es ist, obwohlkeiner es richtig sieht und nur vermutenkann. Nur wenn wir den Stein wegtun

oder dahinter schauen, sehen wir, was esist und wissen, ob wir es mit einem Feindoder mit einem Freund zu tun haben.“

In speziellen Seminaren werden dieMitarbeitenden der JLSS nun geschult,wie sie die Sorgen und Ängste der Kinderbesser wahrnehmen und auffangen kön-nen. Riad Kassis, der Schuldirektor,schreibt: „Danke an alle, die für uns be-ten und uns unterstützen.“

Die NEC, Trägerkirche der Schneller-Schule im Libanon, ist von der derzeiti-gen Situation in besonderer Weise be-troffen. Bei dem Attentat am 14. Februaran der Corniche von Beirut, bei dem ne-ben Rafik Hariri noch acht weitere Men-schen den Tod fanden, wurde auch dasNEC-Mitglied Basil Fleihan schwerstver-letzt. Mehr als acht Wochen rang der 42-Jährige mit dem Tod, bis er am 18. Aprilschließlich in einem Pariser Krankenhausseinen schweren Verbrennungen erlag.Fleihan war der einzige protestantischeAbgeordnete im libanesischen Parlament.Bis zum Rücktritt Hariris im Oktober 2004war er Handels- und Wirtschaftsminister.

Das Schicksal Fleihans, der seine Frauund zwei Kinder im Alter von drei undfünf Jahren hinterlässt, hat unzähligeMenschen in aller Welt bewegt. Tausende

Banner auf demGelände der JLSS.Bei einem Ge-denkgottesdienstAnfang April ha-ben die Men-schen an derSchule noch fürdie Genesungvon Basil Fleihangebetet.

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„DIE HOFFNUNG IST GRÖSSER ALS DIE ANGST“

Das Attentat vom 14. Februar hat denLibanon verändert. Was bedeutet dieseneue Situation für die Christinnen undChristen im Land?Der 14. Februar hat nicht nur für dieChristen viel verändert. Alle sind davonbetroffen. Unter den Opfern des Atten-tats waren Christen und Muslime. DieseBarbarei und diese unverfrorene Gewalthaben uns alle gleichermaßen geschockt.In unserer Trauer und Wut sind wir ver-eint – und das ist irgendwie auch gut.

gedachten seiner bei Mahnwachen, Pro-zessionen und in Gottesdiensten unteranderem in New York, Washington undLondon.

Auch den Kindern und Jugendlichenan der Johann-Ludwig-Schneller-Schulewar Basil Fleihan bekannt. Anfang Aprilhaben sie noch in einem Gottesdienst fürseine Genesung gebetet. „Das war sehrbewegend“, schreibt Susanne Kreh, öku-menische Mitarbeiterin an der JLSS. Ne-ben den Schülerinnen und Schülern seienauch Politiker aller Parteien und unter-schiedlichen Ranges gekommen. „DieSchneller-Schule glich an jenem Abendeinem militärisch bewachten Sicherheits-gelände.“

Nach dem Gottesdienst zogen die Kin-der und Jugendlichen mit Kerzen auf denSportplatz der Schule für eine Gedenk-minute. Auf dem Platz war mit Kerzender Schriftzug „Lord, heal Basil, Amen“(„Herr, heile Basil, Amen“) aufgestellt.„Am meisten bewegte mich, als Schülerunserer Schule am Ende der Veranstal-tung spontan mit ihren Kerzen zum Zaungingen, wo die Soldaten standen und sichmit ihnen durch den Zaun unterhielten“,schreibt Susanne Kreh.

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Riad Kassis, der Di-rektor der JLSS, imGespräch mit zweiKindern. Die Verant-wortlichen an derSchule nehmen dieSorgen und Ängsteder Kinder ernst.

Seit einigen Monaten ist der Libanonwieder in den internationalen Schlag-zeilen. Nach dem tödlichen Attentatauf den Ex-Premierminister Rafik Ha-riri am 14. Februar ist die politische Zu-kunft des Landes offen. Über die Situ-ation der Christen und über ihre Rollein Zeiten der Unsicherheit hat Katja Do-rothea Buck mit Habib Badr, dem Lei-tenden Pfarrer der National Evangeli-cal Church (NEC) in Beirut, gesprochen.

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Wie meinen Sie das?Vielleicht ist es Ironie des Schicksals, aberdas Attentat hat das Land geeint. Chris-ten und Muslime verurteilen gleicherma-ßen diesen feigen Mord. Die schweigendeMehrheit hat sich endlich dazu ent-schlossen zu sprechen und ist gegen dasautoritäre Regime aufgestanden. So gese-hen hat der Tod von Rafik Hariri, BasilFleihan und den anderen Opfern des At-tentats auch etwas Heilendes für dieseLand. Wir dürfen wieder hoffen, dass sichetwas zum Besseren verändert.

Würden Sie dann sagen, dass trotz derUnsicherheit die Hoffnung größer ist alsdie Angst?Natürlich bleiben Ängste, aber die Hoff-nung überwiegt. Wir hoffen vor allem,dass die Demokratie wieder zurück-kommt, dass bei den Wahlen endlich wie-der das Volk entscheiden kann.

Mit Basil Fleihan, der am 18. Aprilseinen schweren Verletzungen er-legen ist, hat die NEC ein promi-nentes Mitglied verloren. Was be-deutet sein Tod für die Kirche?Es ist ein sehr großer Verlust für unsalle. Ich persönlich habe einen gu-ten Freund verloren. Basil hat sichfür die Kirche eingesetzt, wo erkonnte. Die Gemeinde kümmertsich jetzt um die Hinterbliebenen.Das Tragische an seinem Tod ist,dass wir jemanden verloren haben,der seinen christlichen Glauben inaller Öffentlichkeit gelebt hat. Unddafür wurde er von allen Seiten ge-schätzt. Basil war aufrichtig und be-scheiden, er half, wo er helfenkonnte und gab, was er gebenkonnte. Er hat die evangelischenTugenden und Werte auf großartigeWeise verkörpert. Er war ein leuch-tendes Vorbild.

Habib Badr ist leitender Pfarrerder NEC in Beirut.

Welche Rolle kann eine Kirche wie dieNEC im heutigen Libanon spielen?Wir fühlen uns verpflichtet, die Werte,die auch Basil verkörpert hat, zu lehrenund zu predigen. Zugespitzt formuliertsehen wir unsere Aufgabe darin, dafür zusorgen, dass noch mehr Leute wie er ausunseren Reihen hervorgehen. Wir brau-chen mehr denn je Friedensstifter, die ge-gen Gewalt sind. Viele in unserem Landsind nicht in der Lage, mit anderen Mei-nungen oder Ideen umzugehen. Unter-schiede werden bekämpft, müssen ausdem Weg geräumt werden. Rafik Haririund Basil Fleihan mussten sterben, weilsie einen anderen Libanon wollten als dieMachthaber. Wir müssen endlich lernen,dass wir trotz unserer Unterschiede fried-lich zusammenleben können. Und dafürbraucht es Menschen wie Basil.

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DIE SCHNELLER-SCHULEN

Die Schneller-Schulenim Libanon und in Jordanien

An der Johann-Ludwig-Schneller-Schuleim Libanon und an der Theodor-Schnel-ler-Schule in Jordanien leben christlicheund muslimische Kinder zusammen. Diemeisten kommen aus Familien, die sichaus finanziellen oder gesundheitlichenGründen nicht um sie kümmern kön-nen. Viele Kinder sind Waisen. Alschristliche Einrichtungen möchten dieSchneller-Schulen den Kindern und Ju-gendlichen eine Perspektive für die Zu-kunft geben. An den Schulen bekom-men sie eine solide Schulausbildung.Manche lernen anschließend noch einHandwerk in den Werkstätten.

Beide Einrichtungen stehen in derTradition des Syrischen Waisenhauses,das der schwäbische Lehrer Johann Lud-wig Schneller 1860 in Jerusalem grün-dete. Er nahm Waisenkinder auf, ohne

nach ihrer Religion zu fragen. Seine Ar-beit stand unter dem Motto: „Damit siein Ehren ihr Brot verdienen“. Nach derSchließung des Syrischen Waisenhauses1945 führten die beiden Schneller-Schu-len diese Aufgabe fort.

Heute betreuen sie zusammen rund700 Kinder und Jugendliche im Altervon vier bis 22 Jahren. Etwas wenigerals die Hälfte lebt im Internat, die an-dere Hälfte sind Tagesschüler. Der Anteilvon Muslimen und Christen ist etwagleich groß. Toleranz wird an denSchneller-Schulen groß geschrieben. Imalltäglichen Miteinander lernen die Kin-der, die Religion des jeweils anderen zurespektieren.

Die Johann-Ludwig-Schneller-Schule imLibanon (links) und die Theodor-Schneller-Schule in Jordanien (oben)

ERZIEHUNG ZUM FRIEDEN

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AUS DEN SCHNELLER-SCHULEN

Jedes Jahr verlassen etwa 45 Jugendliche die Johann-Ludwig-Schneller-Schule(JLSS) mit einer abgeschlossenen Handwerksausbildung. Damit sie schnell ei-nen gute Arbeitsplatz finden, sucht die Schule nach immer neuen Wegen, demGesellenbrief der JLSS zu landesweitem Ansehen zu verhelfen. Neben der Koope-ration mit international renommierten Firmen setzt sie auch auf die Weiterent-wicklung der Ausbildungsgänge und ist damit Vorreiterin im Libanon.

Die Zusammenarbeit mit einer Einrich-tung wie der JLSS ist für große Unterneh-men durchaus interessant. Für den Be-reich der Autowerkstatt konnte einVorvertrag mit Bosch abgeschlossen wer-den, mit dem Ziel, ab März 2006 einenBosch Car Service zu eröffnen. Ein Mit-arbeiter der Schule war bereits bei einerSchulung im Bosch Center in Beirut.

Gemeinsam mit der Firma Festo in Ess-lingen lotet die Schule außerdem Mög-lichkeiten aus, ein Schulungszentrum fürPneumatik aufzubauen. Im kommendenJahr wollen Festo und die JLSS Kurse an-bieten, bei denen auch Lehrlinge undLehrer anderer Schulen mitmachen kön-nen. Von den Kooperationen erhofft sichdie JLSS für ihre Lehrlinge noch bessereChancen auf dem Arbeitsmarkt.

Neben der theoretischen Ausbildungspielt in den Werkstätten der JLSS daspraktische Training eine immer wichti-

gere Rolle. Auf diese Weise lernen dieLehrlinge nicht nur ihr Handwerk bes-ser. Sie können so auch konkret etwas fürihre Schule tun. Mit vielen kleinen undgroßen Reparaturen tragen sie zur Erhal-tung der Gebäude bei.

Dies gilt besonders für die Lehrlingein der Elektro-Werkstatt. Gemeinsam mitihren Ausbildern kümmern sie sich umdie Erneuerung der elektrischen Anlagen.Nach 40 Jahren hat beispielsweise dieHermann-Schneller-Halle eine völligneue Installation bekommen.

Eine Ausbildung im Elektrobereichkönnte auch für die Mädchen an der JLSSinteressant werden, wenn sie einmal dasLehrlingsalter erreicht haben. Im Liba-non ist es durchaus üblich, dass Frauenden Beruf der Elektrikerin ergreifen.

Einen weiteren Ausbildungsgang willdie JLSS künftig im Küchenbereich an-bieten. Mit der Erneuerung des Küchen-

PIONIEREIN SACHEN AUSBILDUNG

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Neues aus dem Werkstattbereich der JLSS

In der Autowerk-statt der JLSS

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AUS DEN SCHNELLER-SCHULEN

Die Frage nach dem richtigen Umgangmit Gewalt wird für eine internationaleSchülergruppe aus Jordanien und dem Li-banon bei einem Besuch in DeutschlandThema sein. Ende Mai kommen auf Ein-ladung der Evangelischen Schülerinnen-und Schülerarbeit Baden (ESB) vier Ju-gendliche aus der Johann-Ludwig-Schnel-ler-Schule und sechs Jugendliche aus derTheodor-Schneller-Schule nach Deutsch-land.

Zusammen mit sieben deutschen Ju-gendlichen nehmen sie an einem mehr-tägigen Seminar zum Thema Gewaltprä-vention teil. Dabei geht es unter anderemum die Frage, wie die jungen MenschenGewalt definieren und wie sie ihr begeg-

nen können. Mit Methoden aus der Er-lebnispädagogik sollen die Jugendlichenim Alter von 15 bis 20 Jahren lernen, imTeam zusammenzuarbeiten. „Es wird si-cher spannend sein, wie unterschiedlichdie Jugendlichen Gewalt definieren“, sagtKerstin Sommer, Landesjugendreferentinder Evangelischen Kirche in Baden.Schließlich hingen solche Definitionenauch von der jeweiligen kulturellen Prä-gung ab.

Die Jugendlichen aus den drei Ländernkennen sich bereits von einem Sommer-camp, das die ESB vergangenes Jahr ander Theodor-Schneller-Schule in Ammanveranstaltet hat.

TEAMGEISTSTATT EINZELKÄMPFER

für technische Zusammenarbeit (GTZ)sucht nach Wegen, das duale System imLibanon einzuführen. Die JLSS sieht indieser Ausbildungsart ebenfalls eine Mög-lichkeit, den Jugendlichen mehr Chan-cen auf dem Arbeitsmarkt zu eröffnen.

Anselm Kreh, Ausbildungsleiter an der JLSS

und Wäschereibereichs, die zum Groß-teil durch Spenden aus Deutschland fi-nanziert wird, wird dies nun möglich.

Mit einem Schwerpunkt im prakti-schen Bereich ist die JLSS in der Hand-werksausbildung Vorreiterin. Das so ge-nannte duale System – die Ausbildung inTheorie und Praxis – ist im Libanon nochrelativ wenig bekannt. Die Gesellschaft

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In der Gruppe machtvieles mehr Spaß.

Vogelsangstraße 62 | 70197 Stuttgart | 0711/63678-39www.ems-online.org

Der Evangelische Verein für die Schneller-Schulen e.V. (EVS) unterstützt und be-gleitet die Arbeit der Johann-Ludwig-Schneller-Schule im Libanon und der Theo-

dor-Schneller-Schule in Jordanien. Seine besondere Aufgabe besteht darin, in denSchneller-Schulen bedürftigen Kindern Erziehung sowie eine schulische und berufli-che Ausbildung zu ermöglichen. Der Verein arbeitet partnerschaftlich mit den beidenörtlichen Trägerkirchen zusammen: der Nationalen Evangelischen Kirche von Beirutund der Bischöflichen Kirche in Jerusalem und dem Mittleren Osten. Beide Kirchensowie der EVS sind Gründungsmitglieder des Evangelischen Missionswerks in Süd-westdeutschland (EMS). Der EVS versteht seine Arbeit als Teil der weltweiten ökume-nischen Beziehungen der Mitglieder und Partnerkirchen des EMS.

Der EVS informiert in seinen Publikationen und Veranstaltungen über Kirchenund Christen im Nahen Osten. Das Schneller-Magazin erscheint vier Mal im Jahr undkann kostenlos beim EMS abonniert werden. Referenten für Vorträge zu Themen rundum die Arbeit der Schulen vermittelt das Nahostreferat im EMS.

Wenn Sie Mitglied im EVS werden wollen, schicken wir Ihnen gerne eine Bei-trittserklärung zu. Der jährliche Mindestbeitrag beträgt für natürliche Personen 25Euro, für juristische Personen 50 Euro. Mit einer Spende für die Schneller-Schulenunterstützen Sie eine als mildtätig anerkannte diakonische Arbeit.

WERDEN SIE MITGLIED IM EVS!

2020

Der Zufall wollte es, dass Arno Krauß sichmit dem so genannten „Schneller-Virus“infizierte. 1981 war der Ingenieur aus Fell-bach bei Stuttgart dienstlich in Polenunterwegs, als infolge des Gewerk-schaftsaufstands plötzlich der Kriegszu-stand über das Land verhängt wurde.Krauß saß mehrere Wochen fest, litt wiedie Polen Hunger – und langweilte sich.

In einem Antiquariat fand er ein Buchauf Deutsch. Ludwig Schneller, der Sohndes Gründers des Syrischen Waisenhau-ses in Jerusalem, hatte es geschrieben.Krauß las das Buch und war fasziniert.„In dieser Situation war es für mich un-

gemein tröstlich“, sagt er rückblickend.Zurück in Deutschland begann er aufFlohmärkten und in Archiven nach wei-teren Büchern und Schriften über das Sy-rische Waisenhaus und die FamilieSchneller zu suchen.

Seit einigen Jahren ist Arno Krauß imRuhestand – zum Glück, könnte man fastsagen. Denn seither widmet er sich vollund ganz seiner Leidenschaft, der Schnel-ler-Historie. Niemand kennt sich besserin der Geschichte des Syrischen Waisen-hauses aus wie er. Und keiner kann sospannend erzählen von Johann LudwigSchneller und seiner Frau Magdalena, wie

Die Arbeit für die Schneller-Schulen wäre ohne Ehrenamtliche kaum denkbar.Die Johann-Ludwig-Schneller-Schule bekommt immer wieder Besuch von Men-schen, die ihr Wissen und Können der Einrichtung für einige Wochen zur Verfü-gung stellen. Manche lässt der „Schneller-Virus“ nicht mehr los und die Arbeitfür die Schneller-Schulen wird zur Lebensaufgabe.

AUS DER SCHNELLER-ARBEIT

EHRENAMTLICHE UNRUHESTÄNDLERSchreinermeister Theo Lorenz hat seinen Kollegen im Libanon geholfen.

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sie vor 150 Jahren nach Jerusalem auf-brachen und dort den Grundstein für eineder größten sozialen Einrichtungen imarabischen Raum legten. Krauß nennt Na-men und Daten mit einer Leichtigkeit,als habe er stets einen wohlgeordnetenKarteikasten bei sich.

Er hält Vorträge über die Schneller-Ge-schichte, schreibt Bücher und Artikel überdas Syrische Waisenhaus und sammeltSpenden für die Schneller-Schulen in Jor-danien und im Libanon. Alles ehrenamt-lich. „Es ist ja eigentlich keine große Sa-che“, sagt er bescheiden. „Ich habe es jagut gehabt mit meiner Frau und den Kin-dern. Früher hatte ich einfach keine Zeit.Wenn ich jetzt irgendwie helfen kann,dann ist das doch gut.“

In seinem Engagement für die Schnel-ler-Schulen ist Arno Krauß nicht allein.Im Herbst 2003 ist er mit seiner Frau Ma-rion und einer Gruppe Gleichgesinnteran die Johann-Ludwig-Schneller-Schuleim Libanon (JLSS) gefahren. Krauß undzwei weitere Helfer brachten Ordnung indie Bestände der Schulbibliothek. Die an-deren fünf Freiwilligen aus Deutschlandgriffen zu Pinsel, Hammer und Säge, stri-chen Klassenräume und repariertenDachrinnen. Die Flugkosten hatten sieselbst übernommen.

Zupackende, engagierte Ruheständleraus Deutschland sind an der JLSS glück-licherweise keine Seltenheit. Teilweiseübernimmt der Senior Expert Service (SES)die Reise- und Versicherungskosten. Ver-gangenes Jahr beispielsweise hat sich derHeizungsbaumeister Karl Joas aus Hei-denheim auf den Weg in die Bekaa-Ebenegemacht. Mehrere Tage lang hat er in-tensiv die veraltete Heizungsanlage derSchule untersucht. Zurück im heimischenHeidenheim arbeitete er zusammen mit

seinem Schwiegersohn an einem Konzeptfür die Sanierung der Anlage.

Oder Theo Lorenz. Der 71-jährigeSchreinermeister aus Fellbach war im ver-gangenen Herbst drei Wochen an derSchule. Der Ausbau des Mädchenwohn-heims war früher fertig geworden als er-wartet – zu früh für die Schreiner, die mitder Herstellung der Betten, Tische undSchränke für die Mädchen noch nicht soweit waren. Lorenz flog kurzfristig in denLibanon, um seinen libanesischen Kolle-gen zu helfen.

Ein Forstdirektor im Ruhestand hatauch schon Station in der JLSS gemacht.Hans Wendel aus Heilbronn kam zusam-men mit seiner Frau für einige Wochenin den Libanon, um den Baumbestand

Bäckermeister Werner Haag vor dem Schneller-Emblem aus Hefeteig

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der Schule unter die Lupe zu nehmen.Morsche und kaputte Bäume werden nunnach und nach gefällt.

Werner Haag hingegen wird in die Ge-schichte der Schule als der Mensch ein-gehen, der den Libanesen die schwäbi-sche Brezel brachte. Vor anderthalbJahren kam der ehemalige Bäcker aus

AUS DER SCHNELLER-ARBEIT

Mit einer Torte hat sich die JLSS bei Marionund Arno Krauß für ihre Hilfe bedankt.

Giengen an der Brenz zum ersten Mal inden Libanon. Die Schulbäckerei sollte aufVordermann gebracht werden. Haag op-timierte die Arbeitsabläufe, vereinfachtedas Sortiment und begann mit der Pla-nung eines Anbaus. Bei einem Ausflugnach Tyros brach er sich leider den Armund musste wieder zurück nach Deutsch-land. Dieser Zwischenfall konnte ihn inseinem Einsatz für die Schule nicht brem-sen. Auch er war mittlerweile mit dem„Schneller-Virus“ infiziert. Im November2003 war er wieder in der JLSS, stellte diePlanungen für den Erweiterungsbau fer-tig und half ganz nebenbei bei der Weihn-achtsbäckerei. Sein Christstollen wurdezur Legende.

Doch nicht nur der. Als im Juni ver-gangenen Jahres die neue Bäckerei ein-geweiht wurde, konnte Werner Haag denGästen frische Laugenbrezeln anbieten.Tagelang hatte er mit seinen beiden liba-nesischen Kollegen das Brezelschlingengeübt. Die Mühe hat sich gelohnt. Bre-zeln sind bei den Kunden der Schneller-Bäckerei mittlerweile so beliebt, dass sieselbst noch altbacken Käufer finden.

Katja Dorothea Buck

Jetzt hat die JLSSauch Hefezopf und

Brezeln im Angebot.

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Anfang Februar haben wir Abschiednehmen müssen von unserem lang-

jährigen Vorsitzenden des EvangelischenVereins für die Schneller-Schulen, Wer-ner Honold. Er starb im Alter von 78 Jah-ren. Von 1972 an bis 1996 war er Mit-glied in unserem Vorstand für dieSchneller-Schulen. In den letzten neunJahren im Vereinsvorstand war er Vorsit-zender. In all den Jahren hat er diese eh-renamtliche Tätigkeit sehr ernst genom-men und sich immer engagiert eingesetztfür die beiden Schulen im Libanon undin Jordanien.

Besonders wichtig war für ihn die so-lide und fundierte Vorstandsarbeit – unddie war gerade in diesen Jahren nicht im-mer einfach. Nach der Integration unse-res Werks in das Evangelische Missions-werk in Stuttgart 1972 mussten Wege derZusammenarbeit gefunden werden, esmusste eine neue Satzung ausgearbeitetwerden und die Finanzen sowie der Haus-

halt mussten neu geregelt werden. Alldies war sehr zeitaufwändig, benötigteviele Gespräche und Sitzungen. Bei Wer-ner Honold spürte man, dass er mit Leibund Seele bei dieser Arbeit war, die oftweit über ein normales Ehrenamt hin-ausging. Wir vom Vorstand für die Schnel-ler-Schulen sind ihm dafür sehr dankbar,dass er Ziele und Vorstellungen verwirk-lichen konnte, die heute für unsere Vor-standsarbeit eine gute Basis sind.

Werner Honold war nicht nur eine Per-son, die mit Satzungen und Haushaltsplänen umgehen konnte, er war auch undvor allem Theologe und Seelsorger. Michpersönlich beeindruckten immer wiederseine Andachten und Bibelauslegungenin den Sitzungen, die praxisbezogen undlebensnah Hilfestellungen gaben für dieArbeit im Vorstand.

Es war eine segensreiche Arbeit, dieWerner Honold die langen Jahre für diebeiden Schulen im Libanon und in Jor-danien leistete. Wir vom Vorstand desEvangelischen Vereins für die Schneller-Schulen und die Geschäftsstelle des Evan-gelischen Missionswerks in Südwest-deutschland sind ihm in großer Dankbarkeit verpflichtet und verbunden.

Wir danken Gott für alles, was WernerHonold für die Schulen getan hat. Die Er-innerung an ihn wird mit der Schneller-Arbeit verbunden bleiben.

Pfarrer Klaus Schmid, Vorsitzender des EVS

Werner Honold,EVS-Vorsitzendervon 1987 bis 1996

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ZUM TOD VON WERNER HONOLD

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Antelias/Libanon (ACC). „Als der Sohneines Volkes, das die grausame Erfahrungeines Genozids machen musste, und alsein geistlicher Führer, der einem Volkdient, das einen Genozid überlebt hat,fordere ich Gerechtigkeit“, sagte SeineHeiligkeit Aram I. vor mehreren tausendArmeniern, die aus aller Welt nach DeirZor gekommen waren. 1915 waren dortmehr als eine Million Armenier auf ei-nem Todesmarsch umgekommen. Es seieine Tatsache, dass der Völkermord an

Patriarch Aram I bei der Taufe eines Säuglings am Euphrat

den Armeniern sorgfältig geplant und sys-tematisch von der osmanischen Türkeiausgeführt wurde, sagte der Patriarch.„Die Überreste, die in dieser Kirche undin der Kapelle nicht weit von hier liegen,sowie die hunderttausende von Überres-ten, die im Sand dieser Wüste gefundenwurden, bezeugen das Massaker, das andiesem Ort vom osmanischen Militär be-gangen wurde.“ Aram I. hob hervor, wiewichtig es sei, dass die Armenier dem Erbeder Toten über 90 Jahre hinweg treu ge-

CHRISTEN UND DER NAHE OSTEN

Bei einer Gedenkfeier im syrischen Deir Zor zum 90. Jahrestag des Beginns desVölkermords an armenischen und syrischen Christen hat der Patriarch von Kili-ken, Aram I., deutliche Worte gefunden. Er forderte von der Türkei, den Geno-zid an seinem Volk endlich anzuerkennen.

„WIR HABEN DAS RECHT, EUCH IMMER WIEDER ZU ERINNERN“

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blieben seien. „Keiner kann die Wahrheitverstecken, keiner kann das kollektiveGedächtnis eines Volkes ausblenden, kei-ner kann Gerechtigkeit verleugnen,“sagte er und dankte allen Nationen, Staa-ten, Kirchen und internationalen Orga-nisationen, die den Genozid an den Ar-meniern offiziell anerkannt haben. „JederVersuch, eine Nation zu vernichten, istein Völkermord. Und Genozid ist ein Ver-brechen gegen die Menschlichkeit.“ Dieinternationale Gemeinschaft und be-sonders die Vereinten Nationen dürftennicht schweigen zu diesem Verbrechen.

Die Türkei hingegen leugne weiterhinmit allen politischen und diplomatischenMitteln den Genozid. „Wir betrachtendie Türkei nicht als Feind“, sagte er. Na-tionen müssten auf der Basis des gegen-seitigen Respekts und im gegenseitigenVertrauen zusammenleben können. Erstelle ein solches Zusammenleben aberin Frage, solange den Armeniern Gerech-tigkeit vorenthalten werde und ihre fun-damentalen Menschenrechte verletztwürden. „Haben wir nicht das Recht unddie Pflicht, als die Kinder eines Volkes,das einen Genozid erleiden musste, Ge-rechtigkeit für unsere Märtyrer zu for-dern? Haben wir nicht das Recht, die Tür-kei, das türkische Volk, die türkischeRegierung und besonders die türkischeJugend immer wieder daran zu erinnern,dass ihre Vorfahren einen Genozid an un-seren Vorfahren verübt haben und dasssie darum eines Tages die Pflicht habenwerden, dies gebührend anzuerkennen?“,fragte er. Die Türkei, die Mitglied der Ver-einten Nationen und ein Anwärter aufdie Mitgliedschaft in der EuropäischenUnion sei, müsse den Völkermord aner-kennen und das armenische Volk ent-schädigen. „Dies ist der Weg zu Gerech-tigkeit und Versöhnung.”

Bei der Gedenkfeier hatte der Patriarcheinen kleinen Jungen und ein kleinesMädchen in den Wassern des Euphrat ge-tauft als Zeichen für die Auferstehung desarmenischen Volkes. „1915 wurde dieserFluss das Symbol für den Tod unseres Vol-kes. Tausende Kinder wurden hier getö-tet, noch bevor sie getauft worden wa-ren“, sagte er.

Seine Heiligkeit Aram I in der Wüste bei Deir Zor

Das Armenische Patriarchat von Kilikienist eines von zwei Patriarchaten der Armenisch-orthodoxen Kirche. Es ist fürdie armenischen Gemeinden im NahenOsten, Europa sowie Nord- und Süd-Amerika zuständig. Es hat seinen Sitz in Antelias (Libanon).

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CHRISTEN UND DER NAHE OSTEN

alog an sich, die Bewahrung der Schöp-fung und das Eintreten für Gerechtigkeitseien eine religiöse Pflicht.

Menschliches Leben und Würde leite-ten sich von Gott ab und müssten des-wegen verteidigt werden. Mitleid, Frie-den, Gleichheit und gegenseitiger Respektseien die Grundlagen guter Beziehungenzwischen Menschen, heißt es in dem Pa-

„DEUTSCHE IM HEILIGEN LAND“

Historische Aufnahme des Syrischen Waisenhausesin Jerusalem

KONSENS ÜBER DIALOG ZWISCHEN CHRISTEN UND MUSLIMEN

Stuttgart/Jerusalem (ems).Zahlreiche historische Fotosaus dem Nachlass von Her-mann Schneller, dem Enkeldes Gründers des SyrischenWaisenhauses, sind im Aprilund im Mai in der Himmel-fahrtskirche der Kaiserin-Auguste-Victoria-Stiftung inJerusalem gezeigt worden.Die Ausstellung „Deutscheim Heiligen Land“ geht aufden Beitrag deutscher Sied-ler und Missionare zum kul-turellen Wandel in PalästinaAnfang des 20. Jahrhundertsein. Fotos vom Leben im Sy-rischen Waisenhaus spielendabei eine große Rolle. DieAusstellung war vor andert-halb Jahren im Landes-kirchlichen Archiv in Stutt-gart unter dem Namen„Württemberg in Palästina“zu sehen.

Kairo (mecc). Der Mittelöstliche Kirchen-rat (MECC) hat zusammen mit dem Inter-nationalen Islamischen Dialogforum Mit-te März bei einer Konferenz in Kairo einegemeinsame Erklärung zum interreligiö-sen Dialog verabschiedet.

Darin definieren sie in zehn Punktendie Grundvoraussetzungen für einenfruchtbaren Dialog. Der interreligiöse Di-

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pier. Die gemeinsame Erklärung hältebenfalls fest, dass sich die Familie aufeiner Ehe zwischen Mann und Fraugründe und dass religiöse soziale Min-derheiten respektiert werden müssten.

Die Konferenz stand unter der Schirm-herrschaft des koptischen Papstes Sche-nuda III. und des Scheichs der Al Azharin Kairo. Unter den Teilnehmenden wa-ren Theologen beider Religionen ausSaudi-Arabien, Ägypten, Jordanien, Su-dan, Deutschland, USA und England. ImMittelöstlichen Kirchenrat sind allechristlichen Kirchen im Nahen Osten ver-treten. Weitere Informationen finden Sieunter www.mec-churches.org.

Berlin/Amman (epd). Führende arabischeGelehrte und Intellektuelle haben in ei-ner von der UN unterstützten Studienachdrücklich zu Reformen in ihren Län-dern aufgerufen. Es drohe eine Katastro-phe, wenn nicht bald Meinungs- und Ver-

ARABISCHE INTELLEKTUELLERUFEN ZU REFORMEN AUF

DER EVS AUF DEM KIRCHENTAG IN HANNOVERDer Evangelische Verein für die Schnel-ler-Schulen (EVS) wird beim DeutschenEvangelischen Kirchentag vom 25. bis29. Mai in Hannover mit einem Standvertreten sein. Auf dem Messegeländefinden Sie den EVS auf dem Markt derMöglichkeiten in Halle 6, Stand A 05,

wo Vereinsmitglieder über die Arbeit anden Schulen informieren und Produkteaus der Schneller-Arbeit verkaufen. Eine Gruppe von Schülern aus den bei-den Schulen in Amman und im Libanonwird voraussichtlich auch am Stand ver-treten sein.

sammlungsfreiheit in der arabischen Weltgewährt werde, sagte Nader Fergany,Hauptautor des „Arabischen Berichts überdie menschliche Entwicklung 2004“. DieAutoren machen zwar einige Fortschrittein der arabischen Welt aus. So hätten beiParlamentswahlen in Oman erstmalsFrauen kandidieren und wählen dürfen.In Ägypten und Katar seien zudem Men-schenrechtskommissionen gebildet wor-den. Dennoch sei das Tempo des Fort-schritts überall enttäuschend langsam.Dafür seien Despotismus und wirtschaft-liche Unterentwicklung verantwortlich,aber auch „Freiheitsverletzungen“ durchnicht-arabische Staaten.

Das Scheitern der Demokratie in meh-reren arabischen Staaten habe keinesfallseinen kulturellen Ursprung, betonte Ferg-any. Besonders problematisch sei, dass inder ganzen Region die Exekutive alleMacht an sich reiße. Die Regierungen be-schnitten weiterhin Freiheiten undGrundrechte der Bevölkerung. Wenn dieAraber jetzt nicht selbst Maßnahmen füreinen Wandel ergriffen, würden Welt-mächte einschreiten und das Problemvon außen lösen, so die Autoren.

Der Magdalena-Schneller-Weinhingegen ist ein reiner Char-donnay. Er wächst auf 1400 Me-ter Höhe und wird in jungen Ei-chenfässern ausgebaut. ChateauKsara hat erst vor wenigen Jah-ren die Chardonnay-Traube im

Libanon eingeführt. „Der be-ste Chardonnay gedeiht auf

dem Weinberg, den wirvon der Johann-Ludwig-Schneller-Schule gepach-tet haben“, sagt CharlesGhostine, Manager beiChateau Ksara.

Dieser hochwertigeWeißwein mit seinemausgeprägt fruchtigenAroma und seiner golde-nen Farbe ist beim Pra-ger Weinforum mit einerGoldmedaille ausge-zeichnet worden. Er istseinen Preis wert.

Bei Weinliebhabern sind die sogenannten Schneller-Weine

mittlerweile bekannt. Unter demNamen Johann-Ludwig-Schnel-ler-Wein (rot) und Magdalena-Schneller-Wein (weiß) bie-tet der Evangelische Vereinfür die Schneller-Schulen(EVS) zwei Spitzenweineder traditionsreichen undgrößten Weinbaugesell-schaft im Libanon, Cha-teau Ksara, an.

DerJohann-Ludwig-Schneller-Wein ist ein Cuvée aus Ca-bernet-Sauvignon, Syrahund Carignan. Er verbindetfruchtige Aromen mit de-nen von Holz und Vanille.Auf der internationalenWeinmesse des französi-schen Önologen-Verbandserhielt der Wein aus dieserGegend mehrfach eineGoldmedaille.

Magdalena-Schneller-WeinChardonnay, Jahrgang 20021 Flasche 12,90 Euro6er-Gebinde 75,00 Euro

Johann-Ludwig-Schneller-Wein Cuvée-Rot, Jahrgang 20011 Flasche 7,20 Euro6er-Gebinde 42,50 Euro

Johann Ludwig undMagdalena Schneller haben 1860 das Syri-sche Waisenhaus in Jerusalem gegründet.

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DIE SCHNELLER-WEINE

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Gesichter der VergangenheitMit „Gesichter des Orients – 10.000 JahreKunst und Kultur aus Jordanien“ hat derMainzer Philipp-von-Zabern-Verlag ei-nen wissenschaftlich fundierten Über-blick über die Kunst und Kultur Jorda-niens vorgelegt. Der aufwändig gestalteteBildband stellt viele der rund 700 Expo-nate vor, die in der gleichnamigen Aus-stellung derzeit in Bonn zu sehen sind.

„Gesichter des Orients“ beschäftigtsich mit der kulturgeschichtlichen Ver-gangenheit Jordaniens vom frühen Neo-lithikum bis in die islamische Zeit. Seiteiniger Zeit rücken die Vorzüge Jorda-niens angesichts der schwelenden Kon-flikte im Nahen Osten immer wieder inden Hintergrund. Dabei zeichnetsich das Land östlich des Jordansdurch politische Stabilität und einwertvolles historisches und kulturel-les Erbe aus. Das Gebiet um den Jor-dan ist schließlich die Wiege von Ju-dentum, Christentum, und Islam.

Wie die Ausstellung geht der Be-gleitband einerseits chronologisch, an-dererseits aber auch thematisch vor. Erbehandelt Geologie, Innovationen inder Jungsteinzeit wie die Sesshaftwer-dung, die Bildung erster bronzezeitlicherStädte und die Entwicklung des König-reichs Jordanien. Ein weiterer Schwer-

MEDIEN

Gesichter desOrients – 10.000Jahre Kunst undKultur aus Jorda-nien; Philipp vonZabern Verlag,2004 Mainz, 280Seiten, Euro 44,90

punkt ist das orientalische Christentum,das nach der Spätantike vom Islam abge-löst wurde. Besonders interessant ist dasKapitel über die Nabatäer-Stadt Petra, diewährend der hellenistisch-römischenEpoche entstand. Zentral ist der Abschnittüber die Statuen aus ‘Ain Ghazal, die derAusstellung ihren Namen geben. Die Fi-guren stammen aus dem frühen siebtenJahrtausend v. Chr. und stehen für einenweit entwickelten Ahnenkult. Die Figu-ren ziehen noch heute mit ihren aus-drucksstarken Gesichtern den Betrachterin ihren Bann.

„Gesichter des Orients“ ist schön undabwechselnd gestaltet sowie wissen-schaftlich fundiert. Gleichzeitig findetman auf jeder Seite anschauliche Illus-trationen. Leider hat der Verlag derzeitLieferschwierigkeiten. Die Ausstellung„Gesichter des Orients – 10.000 JahreKunst und Kultur aus Jordanien“ lohntaber allemal einen Besuch. Bis zum 21.August 2005 ist sie in der Kunst- und Aus-stellungshalle in Bonn zu sehen.

Stefanie Magin

MahmoutTurkmanizakiraENJA Records, München,Euro 17,50

Freiheit und VerfremdungUnerwartetes begegnet einem beim Hö-ren der CD „zakira“ von Mahmoud Turk-mani. Schnell wird klar: Hier versucht ei-

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MEDIEN

„Vielen Dank für das Magazin2005/1. Gut. Aber war das früherenicht so gut? Der Inhalt macht es!Mit dem Umweltschutz nur nichtübertreiben. Unsereiner hier kann esnicht mehr hören. Da sind manchevöllig meschugge.“

G. Witzke, Eisenach

„Vielen Dank für die Übersendungdes neuen, sehr gelungenen Schnel-ler-Magazins. Ich habe die Nachrich-ten der Schneller-Schule immer mitInteresse gelesen und die gute Arbeit,die in den Schulen geleistet wird,sehr bewundert. Die neue Aufma-chung spricht auch mehr Menschenan, die nicht unbedingt zum kirch-lichen Umfeld gehören - und Schwie-rigkeiten haben mit allem, was Mis-sion angeht. Ich hoffe, dass dieSpendenbereitschaft einen neuenSchub bekommt und sich alle IhreVorhaben verwirklichen lassen.“

Ursula Ott, Kassel

„Ich freue mich über das neue Ge-sicht des Magazins, insbesondre auchdarüber, dass Sie den Fokus Nahostschärfen wollen. Die erste Ausgabeist Ihnen gelungen. Ich bin ge-spannt, wie es weitergeht undmöchte Sie ermutigen auf dem einge-schlagenen Weg.“

Hansjörg Sick, Karlsruhe

BRIEFE AN DIE REDAKTION

ner Neues, versucht zu erweitern undGrenzen auszuweiten.

Mahmoud Turkmani, geboren im Li-banon, verließ das Land 1984, um in Mos-kau Gitarre zu studieren. Seit 1989 lebter in der Schweiz, unterrichtet und kom-poniert. Sein Interesse gilt der Kammer-musik, insbesondere der arabischen. Dieaber verfremdet er bewusst, um ihr soNeues zu entlocken. Das zeigt sich schonan der Instrumentierung. Neben den ara-bischen Instrumenten Oud (Laute), Qa-nun (Kastenzitter), Nay (Flöte), verschie-denen Trommeln und Gesang, setztTurkmani einen Bass, ein Cello und dieGitarre ein.

Sein Stoff sind auf dieser CD vertonteLiebesgedichte, die teils schon seit lan-gem überliefert und interpretiert werden.Turkmani reflektiert selber, dass er sichmit seinem Tun auf der Grenze zwischenInterpretation und Komposition bewegt:„Meine Lesart der alten arabischen Mu-sik, hier die musikalische Form der Mu-washahat (Liebesgedichte), sucht nichtnach einer neuen expressiven Deutung,sondern macht systematisch von denFreiheiten Gebrauch, welche sich Inter-preten normalerweise auf intuitive Weisezubilligen.“

Das Ergebnis ist nicht in allen Stückenleicht eingänglich. Es lohnt aber, sich dar-auf einzulassen. Schade nur, dass dem Be-gleitheft die Texte der Liebesgedichtenicht beigefügt sind.

Andreas Maurer

Einige Leserinnen und Leser habenuns zu dem im März erschienenenSchneller-Magazin 2005/1 geschrie-ben, was wir im Folgenden in Auszü-gen abdrucken. Der Inhalt der Briefegibt lediglich die Meinung der Unter-zeichnenden wieder.

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Dank

Mit herzlichem Dank bestätigen wirden Eingang von Gaben unbekannterSpenderinnen und Spender und vonSpendenden, die keinen Einzeldankwünschen, sowie derjenigen, derenNamen leider unleserlich waren.

EVS-INTERN

IMPRESSUM

120. Jahrgang, Heft 2, Juni 2005

Herausgeber: Evangelischer Ver-ein für die Schneller-Schulen e.V.im Evangelischen Missionswerkin Südwestdeutschland e.V.

Redaktion: Ulrich Bubeck, KatjaDorothea Buck (verantw.), An-dreas Maurer, Birte Petersen

Gestaltung: Steffen Grashoff, Julia Theilmann

Übersetzung: Gudrun Drees, Johanna Hagen

Anschrift: Vogelsangstraße 62,70197 StuttgartTel.: 0711/63678-0 Fax: 0711/63678-55

E-Mail: [email protected] www.ems-online.orgSitz des Vereins: Stuttgart

Druck: J.F. Steinkopf DruckGmbH, StuttgartAuflage: 15 800

Kontaktadresse in der Schweiz:Pfr. Jost Keller, Kirchgasse 12,CH-7000 ChurSchweizer Verein für die Schnel-ler-Schulen im Nahen Osten, Zürich. PC Konto 40-11277-8

Einer Teilausgabe liegt eine Zahlkarte mit eingedruckterSpendenbescheinigung bei.

„Als ich heute das neue Schneller-Ma-gazin bekommen habe und den Artikelüber Armut und Umweltschutz las undden abgebildeten Abfallcontainer sah,der auf dem Schneller-Grundstücksteht, stieg in mir die Wut auf. Das the-oretische Gerede erscheint sinnlos, so-lange die TSS nicht in der Lage ist, denUnrat in ihrem Gelände einzusammelnund abzutransportieren. Natürlich istdie zweite Stufe Mülltrennung wie imLibanon wünschenswert, aber so langedie Menschen dort sich nicht selbst denMüll vor und innerhalb der Schule be-seitigen, ist es eine Ironie über Um-weltschutz zu debattieren. Mir ist klar,dass durch Wind auch Müll vom an-grenzenden Flüchtlingslager auf das Ge-lände geweht wird, aber 160 Kinder soll-ten doch wohl in der Lage sein, dieseneinzusammeln.“

Hartmut Stoller, Geretsried

Über Briefe freuen wir uns. Die Redaktion behält sich vor, die Zu-schriften bei Abdruck zu kürzen.

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Evangelischer Verein für die SchnellerSchulen (EVS), Mitglied im Evangelischen Missionswerk inSüdwestdeutschland (EMS)

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„ICH HABE DICH JE UND JE GELIEBT, DARUM HABE ICH DICH ZU MIR GEZOGEN AUS LAUTER GÜTE.“ (JER. 31,3)

Wir freuen uns, wenn Sie dieArbeit der Schneller-Schulenmit einer Spende unterstützen.