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GKU-Skript Fachbereich MKG N. Heim, M. Spitzer, M. Martini 7.1 Lippen Die Lippen umschließen den Mund und können neben eigenen Pathologien auch Veränderungen bei systemischen Erkrankungen zeigen und wichtige Hinweise im Rahmen der klinischen Untersuchung geben. Das Lippenrot ist Form und Farbe individuell verschieden. Folgende Dinge sollten bei der Untersuchung der Lippen des Patienten im Fokus stehen: - Farbe: Die Farbe der Lippen sollte beschrieben werden können. Hierbei ist es wichtig nicht nur das Äußere der Lippen sondern auch die Innenseite zu untersuchen (Abb.1). Hierfür ist es dienlich die Lippen z.B. mit einer trockenen Kompresse auszurollen. Verfärbungen können ein Hinweis auf lokale Pathologien sein, wie z.B. ein Hämatom. Oder auch im Rahmen von systemischen Erkrankungen auffällig sein. Z.B. livide Färbung der Lippen bei Zyanose oder „Lacklippen“ als möglicher Hinweis auf eine Leberzirrhose. Identifikation d. kleinen Speicheldrüsen. - Form: Beschreibung ob sich eine Schwellung oder ein Hämatom zeigt. Hinweise auf Traumafolgen wie Riß, Schwellung oder Quetschung sollen erkannt und beschrieben werden. Eine lokale Entzündung mit Rötung oder ggf. ein Abszeß welcher sich als deutliche Verdickung des Gewebes zeigt, druckdolent ist und gespannte Haut aufweist ist ein Hinweis auf ein akutes Geschehen welches dringenden Handlungsbedarf fordern könnte. (Klinische Anatomie: Cupidoschwinge, Vermilion (Lippenrot), Philtrumkante, Amorbogen (Oberlippenmitte Grenze zwischen Lippenrot und Lippenweiß), hoch und tief ansetzendes Lippenbändchen – Trema- / Diastemagefahr) - Sensibilität: Die Lippen werden von den Endästen des N. trigeminus innerviert. Die Oberlippe wird vom N. infraorbitalis, die Unterlippe vom N. mentalis innerviert. Die lateralen Versorgungsgebiete enden jeweils in der Gesichtsmitte (streng in der Unterlippe, zum Teil überlappend in der Oberlippe). Durch Bestreichen der Lippen mit einem Wattetupfer oder den Fingerspitzen beidseits sollen mögliche Sensibilitätsausfälle in den betreffenden Nerven beschrieben werden. Der Patient wird auf sanfte Berührung eine Taubheit im Vergleich zur Gegenseite angeben. - Motorik: In den Lippen verläuft der Ringmuskel M. orbicularis oris. Er ermöglicht die Bewegung de Lippen. Durch Kontraktion der Lippen werden sie aufeinander gepresst und „gespitzt“. Der Patient soll verschiedene Bewegungen mit den Lippen vollführen um die Motorik der Lippen zu testen (Mund weit öffnen, „Kußmund“ machen, Unterlippe ausrollen, Oberlippe anheben). Abb. 2 - Zuletzt sollte die Lippe palpiert werden. Unregelmäßigkeiten wie Verhärtungen, Schwellungen Druckdolenzen müssen beschrieben werden.

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GKU-Skript Fachbereich MKG

N. Heim, M. Spitzer, M. Martini

7.1 Lippen Die Lippen umschließen den Mund und können neben eigenen Pathologien auch Veränderungen bei systemischen Erkrankungen zeigen und wichtige Hinweise im Rahmen der klinischen Untersuchung geben. Das Lippenrot ist Form und Farbe individuell verschieden. Folgende Dinge sollten bei der Untersuchung der Lippen des Patienten im Fokus stehen:

- Farbe: Die Farbe der Lippen sollte beschrieben werden können. Hierbei ist es wichtig nicht nur das Äußere der Lippen sondern auch die Innenseite zu untersuchen (Abb.1). Hierfür ist es dienlich die Lippen z.B. mit einer trockenen Kompresse auszurollen. Verfärbungen können ein Hinweis auf lokale Pathologien sein, wie z.B. ein Hämatom. Oder auch im Rahmen von systemischen Erkrankungen auffällig sein. Z.B. livide Färbung der Lippen bei Zyanose oder „Lacklippen“ als möglicher Hinweis auf eine Leberzirrhose. Identifikation d. kleinen Speicheldrüsen.

- Form: Beschreibung ob sich eine Schwellung oder ein Hämatom zeigt. Hinweise auf Traumafolgen wie Riß, Schwellung oder Quetschung sollen erkannt und beschrieben werden. Eine lokale Entzündung mit Rötung oder ggf. ein Abszeß welcher sich als deutliche Verdickung des Gewebes zeigt, druckdolent ist und gespannte Haut aufweist ist ein Hinweis auf ein akutes Geschehen welches dringenden Handlungsbedarf fordern könnte. (Klinische Anatomie: Cupidoschwinge, Vermilion (Lippenrot), Philtrumkante, Amorbogen (Oberlippenmitte Grenze zwischen Lippenrot und Lippenweiß), hoch und tief ansetzendes Lippenbändchen – Trema- / Diastemagefahr)

- Sensibilität: Die Lippen werden von den Endästen des N. trigeminus innerviert. Die Oberlippe wird vom N. infraorbitalis, die Unterlippe vom N. mentalis innerviert. Die lateralen Versorgungsgebiete enden jeweils in der Gesichtsmitte (streng in der Unterlippe, zum Teil überlappend in der Oberlippe). Durch Bestreichen der Lippen mit einem Wattetupfer oder den Fingerspitzen beidseits sollen mögliche Sensibilitätsausfälle in den betreffenden Nerven beschrieben werden. Der Patient wird auf sanfte Berührung eine Taubheit im Vergleich zur Gegenseite angeben.

- Motorik: In den Lippen verläuft der Ringmuskel M. orbicularis oris. Er ermöglicht die Bewegung de Lippen. Durch Kontraktion der Lippen werden sie aufeinander gepresst und „gespitzt“. Der Patient soll verschiedene Bewegungen mit den Lippen vollführen um die Motorik der Lippen zu testen (Mund weit öffnen, „Kußmund“ machen, Unterlippe ausrollen, Oberlippe anheben). Abb. 2

- Zuletzt sollte die Lippe palpiert werden. Unregelmäßigkeiten wie Verhärtungen, Schwellungen Druckdolenzen müssen beschrieben werden.

Abb.1: Inspektion der Lippeninnenseite

Vermilion

Lippen- bändchen

7.2 Mundöffnung Die Mundöffnung ist bei jedem Patienten unterschiedlich. Bei erwachsenen Menschen liegt die Mundöffnung normalerweise zwischen 3,5 und 4 cm. Gemessen wird die Öffnung zwischen den Frontzähnen des Ober- und Unterkiefers = Schneideknatendistanz (SKD) – mittels Maßband oder Lineal (Abb.2). Einschränkungen in der Mundöffnung können viele Gründe haben. Eine eingeschränkte Mundöffnung verlangt daher immer nach einer ausführlichen und gezielten Anamnese um Hinweise auf die Mundöffnungsbehinderung zu bekommen. Zudem sollte während der Mundöffnungsbewegung das Abweichen der Unterkiefermitte in Beziehung zur Oberkiefermitte (zwischen den mittleren Inzisivi) beobachtet und eine Abweichung als Deviation erkannt werden. Eine Unterkieferfraktur kann ebenso ein Grund sein, wie ein Abszeß im Bereich der Molaren, Kiefergelenkspathologien oder muskuläre Hyperaktivität. Alle Gründe mit entsprechenden Diagnosen sprengen den Rahmen dieses Skripts. Grundsätzlich sollte jedoch Augenmerk auf den zeitlichen Verlauf und mögliche Begeleitsymptome im Rahmen der Anamnese gelegt werden. Abb.2: Messen der SKD:

Amorbogen

7.3 Okklusionsprüfung Als Okklusion beschreibt man den Vorgang und die Lage der Ober- und Unterkieferdentition zueinander. Die habituelle Okklusion ist der Biß, in den der Patient normalerweise und ohne Anstrengung mit der maximalen Anzahl von Berührungspunkten auf den Zähnen ineinander findet. Abweichungen der Okklusion können viele Gründe haben. Gestörte Okklusionsverhältnisse zeigen sich z.B. bei Frakturen in Ober- oder Unterkiefer. Bei Schwellungen, z.B. im Bereich des Kiefergelenks, oder bei muskulären Befunden. Wichtig ist hierbei wieder den klinischen Befund in Einklang mit der Anamnese zu bringen. So kann eine klinisch schlechte Okklusion schon seit langer Zeit bestehen und somit keinen pathologischen Wert haben, während ein zunächst weitgehend unauffälliger Zusammenbiss Hinweis auf pathologisches Geschehen sein. Der Ablauf der Untersuchung sollte beinhalten:

- Mundöffnung. Dabei das Aufhalten der beiden Wangen im Bereich der Mundwinkel. Nun den Patienten langsam zusammen beißen lassen. Die Zahnreihen sind nun in Okklusion beurteilbar (Abb. 3).

- Nun von links und rechts inspizieren ob die Zahnreihen beidseits geschlossen oder offen sind.

- Weiterhin muß beschrieben werden, wie sich die Verzahnung darstellt. Üblicherweise zeigt sich bei der Verzahnung der Molaren und Prämolaren, dass die vestibulären Höcker der Oberkieferzähne, diejenigen des Unterkiefers überlagern. Stehen die Höcker aufeinander, so befindet sich der Patient im sog. „Kopfbiss“. Ist die Verzahnung anders herum liegt ein „Kreuzbiss“ vor, d.h. die Außenhöcker der Oberkieferzähne beißen in die Zentralfissur der Unterkieferzähne. Bei diesen Okklusionsanomalien muß mit dem Patient geklärt werden, ob dieser Biß der bekannte Biß oder die Fehlstellung einen neuen Befund darstellt.

- Ausserdem sollte beim langsamen Zusammenbiss geschaut werden, ob der Patient gleichmäßig auf allen Zähnen zusammenbeißt oder es einen „Frühkontakt“ gibt, d.h. das lediglich ein singuläres Zahnpaar (OK-UK) kontakt hat, bevor alle anderen Zähne zusammenkommen.

- Neben dieser statischen Okklusion sollte die dynamische Okklusion beurteilt werden. Hier geht es um die Zahnstellung der Kiefer während der Unterkieferbewegung zueinander. Als Ausgangsstellung bittet man den Patienten locker zusammenzubeißen. Von hier aus soll unter Zahnkontakt Bewegungen nach links und rechts (Laterotrusion-Abb. 4), sowie nach vorne (Protrusion) durchgeführt werden. Es soll beurteilt werden über welche Zähne der Biß geführt wird und wie weit der Patient in die Grenzpositionen kommt. Als Normalbefund gilt hier eine deutliche Führung der vestibulären Höcker des Unterkiefers über die des Oberkiefers bei der Laterotrusion und eine Vorverlagerung von mind. 3mm der Unterkieferfront- vor die Oberkieferfrontbezahnung.

Abb. 3: Habituelle Okklusion

Abb. 4: Laterotrusion

Abb.5: Protrusion:

7.4 Zahnstatus Das Gebiß eines Erwachsenen besteht üblicherweise aus 28 Zähnen (Abb. 6 + Abb. 7). Zusätzlich können vier Weißheitszähne zu finden sein. Alle Normalbefunde zum Zahnstatus, als auch davon abweichende Befunde sollten beschrieben werden können.

- Zahnzahl: Sind alle 28 Zähne vorhanden? Sind die Weißheitszähne in der Zahnreihe zu erkennen? Sind teilweise oder ganz durchgebrochen?

- Gibt es fehlende Zähne im Gebiß? Gibt es überzählige Zähne? - Gibt es einen festsitzenden (Brücke / Krone) oder herausnehmbaren (Prothesen)

Zahnersatz? - Gibt es kariöse Läsionen? - Zeigen sich Füllungen (Abb.8)? - Ist das Gebiß vollständig behandelt oder müssen noch zahnärztliche

Behandlungen folgen? (saniert / teilsaniert) Weiterhin sollte eine kurze Untersuchung der Zähne bei Bedarf verstanden und ggf. durchführbar sein. Dazu gehört: - Ist der Zahn bzw. die Pulpa des Zahns vital? -> Hierzu verwendet man einen

Wattetupfer, den man etwa 2 Sekunden mit Eisspray besprüht und ihn danach für einige Sekunden an den Zahn hält. Spürt der Patient den Kältereiz (Abb.9)?

- Zeigen sich gelockerte Zähne? Bewegt sich der Zahn weniger (Grad I) oder mehr als 1 mm (Grad II). Oder ist er bereits auf Zungendruck beweglich (Grad III). Zur Beurteilung on Lockerung von Zähnen benutzt man abermals den Griff einer Sonde und bewegt den Zahn von vestibulär nach oral. Als Widerlager dient hier der eigene Finger, um die Lockerung wahrzunehmen (Abb. 10).

- Ist der Zahn perkussionsempfindlich? Hierzu beklopft man den Zahn mit dem Griff einer Sonde (horizontal und vertikal). Beginnen sollte man mit der gesunden Nachbarbezahnung des vermeintlich schuldigen Zahns.

- Zur Inspektion der Bezahnung gehört auch der Blick auf die palatinale bzw.

linguale Seite der Zähne. Hierzu benötigt man einen zahnärztlichen Spiegel.

- Grundsätzlich sollten alle Verfärbungen, Infrakturen, Schmelzdefizite, sowie Lockerungen, fehlende Zähne und avitalen Zähne beschrieben werden können.

Abb.6: Oberkieferbezahnung

Abb. 7 : Unterkieferbezahnung

11 21 22

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Abb. 8: Füllung

Abb. 9: Vitalitätsprobe

Amalgam- füllung

Kunststoff- füllung

Abb. 10: Zahnlockerungsprüfung

7.5 Gingiva Die Gingiva (im Volksmund als „Zahnfleisch“ beschrieben) kleidet die Alveolarkämme des Ober- und Unterkiefers aus. Wir unterscheiden die befestigte von der unbefestigten Gingiva. In den Zahnzwischenräumen, sowie auf dem Alveolarkamm findet man befestigte Gingiva, welche über das Periost direkt auf dem Knochen aufliegt. Nach vestibulär hin folgt der befestigten Gingiva die bewegliche Gingiva welche in der Umschlagfalte in die Mundschleimhaut über geht. Im Unterkiefer geht die befestigte Gingiva auf der lingualen Seite in die Mundbodenschleimhaut über, während im Oberkiefer die befestigte Gingiva (attached gingiva) beinahe direkt in den harten Gaumen übergeht. Die Gingiva ist, ähnlich wie die Lippen, einerseits ein empfindlicher Indikator für lokale Pathologien und kann Ausdruck dermatologischer Erkrankungen sein, andererseits spiegeln sich viele systemische Erkrankungen im Bereich der Gingiva wider. Eine detaillierte Beschreibung soll an dieser Stelle nicht erläutert werden. Einige Befunde werden beispielhaft angeführt. Die gesunde Gingiva folgt dem Verlauf des Alveolarknochens, zeigt eine blaß rosa Farbe und ist gut durchfeuchtet. Bei genauerem Hinsehen zeigt die gesunde Gingiva kleine Stippchen, welche zum Halteapparat gehören (Abb. 1).

Folgendermaßen sollte untersucht werden:

- Grundsätzlich sollte bei jeder Inspektion der Gingiva der gesamte Zahnhalteapperat untersucht werden. Auch dann, wenn der Patient nur an einer bestimmten Stelle Beschwerden beschreibt.

- Für eine suffiziente Inspektion benötigt man zwei Instrumente. Idealerweise zwei zahnärztliche Spiegel, sonst zwei Holzspatel sowie helles Licht.

- Für die Inspektion der vestibulären Gingiva in Ober- und Unterkiefer sollte der

Patient die Zahnreihen fast geschlossen haben. So bleibt mehr Platz für die Dehnung der Wangen und somit ein besserer Einblick in das Vestibulum. Für die Beurteilung der lingualen und palatinalen Gingiva muß der Mund maximal geöffnet werden. Die Instrumente sollten hier dafür genutzt werden die Zunge vorsichtig zur Seite zu schieben.

Pathologien sollten als solche erkannt und sinnvoll beschrieben werden können:

- Ist eine lokale Schwellung mit Druckdolenz und Rötung zu erkennen. Hier kann es sich um ein lokales Entzündungsgeschehen handeln. DD: Abszeß, Fistel, lokale Parodontitis.

- Ist der gesamte Zahnhalteapparat entzündlich verändert? DD: Generalisierte Parodontitis (z.B. als Begleiterkrankung systemischer Erkrankungen wie HIV, M. Behcet oder Medikamentennebenwirkungen wie Betablocker oder Cyclosporin).

- Gibt es ulzeröse Läsionen auf der Gingiva? DD: Aphte, Plattenepithelkarzinom,

Traumafolge.

- Zeigen sich farbliche Veränderungen der Gingiva? DD: Amalgamtätowierung, Nävus, Einblutung, malignes Melanom.

7.6 Mundschleimhaut / Zunge Die Mundschleimhaut kleidet die Mundhöhle aus und kann neben spezifischen Erkrankungen Begleitsymptome systemischer Erkrankungen zeigen. Die gesunde Mundschleimhaut zeigt ein homogenes rosafarbenes Kolorit. Die gesamte Schleimhaut ist gut durchfeuchtet und zeigt keinerlei Schwellung und Unebenheiten. Aus den Ausführungsgängen der Gl. Parotis (höhe erster bis zweiter Molar) sollte sich klarer Speichel auf dezenten Druck der Ohrspeicheldrüse („Massage“)exprimieren lassen. Der Mundboden und die auskleidende Schleimhaut zeigen sich weich und ohne Erhebungen oder Erhabenheiten und auch hier lässt sich bei der Massage der Glandula submandibularis Speichelsekret über die Ausführungsgänge im Bereich der Carunkulae exprimieren (Abb. 12). Die Untersuchung sollte mittels zweier Instrumente durchgeführt werden. Idealerweise benutzt man auch hier zwei zahnärztliche Spiegel. Sonst genügen zwei Holzspatel bei gutem Licht. Zu inspizieren ist wiederum die gesamte Mundhöhle. Im Uhrzeigersinn sollte man die Mundschleimhaut mit den beiden Instrumenten aufspannen um so eine gute Sicht auf die Schleimhaut zu erhalten (Abb. 11). Folgende Auffälligkeiten sollten suffizient und genau beschrieben werden:

- Aufwerfungen oder Schwellungen. Es kann sich um Entzündungen der Schleimhaut oder dem darunter befindlichen Geweben handeln. Rötungen, Pusaustritt und Druckdolenz sollen beschrieben und getestet werden.

- Verfärbungen der Schleimhaut. Beispielsweise weiße oder rote Streifen oder flächige Veränderungen im oder über dem Hautniveau können Ausdruck verschiedener Erkrankungen oder Symptome sein. DD: Leukoplakie, Erythroplakie, Candidainfektion, chronische Aufbissstelle, Prothesendruckstelle, Plattenepithelkarzinom, Wickhamsche Streifung u.a.

- Ulzeröse Veränderungen sollen in Form, Farbe, Ausbreitung und Effloreszenz

beschrieben werden. DD: Aphte, Plattenepithelkarzinom, Einbiss, sonstiges Trauma, chronische Entzündung.

- Durchfeuchtung der Schleimhäute. Schlecht durchfeuchtete Schleimhäute

insbesondere bei älteren Patienten müssen erkannte werden. Häufig sind sie ein Anzeichen für Dehydratation.

Ein weiterer wichtiger Punkt in der oralen Diagnostik ist die Inspektion und Beurteilung der Zunge. Die Beschreibung der Motorik und Innervierung wird im Kapitel 7.9 beschrieben. Die Oberfläche der Zunge sollte regelmäßig in Kolorit und Farbe sein. Zur Untersuchung bittet man den Patienten die Zunge heraus zu strecken und an den Gaumen zu heben (Abb. 14). Zur Beurteilung der hinteren Zungenabschnitte empfiehlt es sich die Zungenspitze mit einer trockenen Kompresse in die eigene Hand zu nehmen und bei geöffnetem Mund mit sanftem Zug heraus zu ziehen (Abb. 13). Zungen Unter- und Oberseite sollen beschrieben werden. Zeigen sich Unregelmäßigkeiten in der Struktur des Zungenrückens? Zerklüftungen, ulzeröse Veränderungen, fehlende Papillen, Beläge oder Risse können Anhalt für

vielerlei Pathologien geben. Eine Beschreibung einzelner Pathologien kann im Rahmen dieses Skripts nicht erfolgen. Eine genaue und sinnvolle Beschreibung von Zungenbefunden muß allerdings erfolgen. Im Einzelnen sollte beschrieben werden:

- Verfärbungen (ganze Zunge, Teile der Zunge, Farbe, brennen des Zungenrückens u.A.). DD: Malnutrition, Candidainfektion, häufiger Gebrauch von Mundspülungen, Präkanzerosen, HIV u.A.

- Risse oder Ulzerationen (einzeln oder mehrere, entzündlich, Blutung, Rücken oder Rand) DD: Syndromale Erkrankungen, HIV, Aphten, Plattenepithelkarzinom, Glossitiden u.v.m.

- Größe (sehr groß (Makroglossi), einseitig verdickt, entzündlich verändert, lokale

Verdickung) DD: Abszeß/Entzündung, Zungenbiss, Ödem (z.B. bei allergischer Reaktion), syndromale Erkrankung (Trisomie 21), Amyloidose, Tumor, Hämangiom, Wiedemann-Syndrom u.v.m

- Schwellungen und Auftreibungen. Beschreibung von Raumforderungen,

Auftreibungen, Schwellungen und tumorösen Veränderungen müssen in Farbe, Form, Konsistenz und Verschieblichkeit exakt beschreiben werden können.

- Zungenunterseite: Hier sind die beiden bläulich gefärbten paarigen Zungenvenen

zu sehen (Abb. 14). Die Zungenunterseite sollte gut durchfeuchtet und ein homogenes Kolorit aufweisen.

Abb. 11: Inspektion der Mundschleimhaut

Interkalarlinie

Abb. 12: Inspektion des Mundbodens

Abb. 13: Untersuchung der Zunge

Caruncula

Frenulum linguae

Plica fimbriata

Abb. 14: Beurteilung der Zungenunterseite

7.8 Klinische Untersuchung des N. glossopharyngeus und des N. vagus Die klinische Untersuchung von Hirnnerven soll verstanden und demonstriert werden können. Bei der Untersuchung ist folgendes zu tun, bzw. auf folgende Punkte zu achten:

- Würgereflex ist mit einem Wattestäbchen normal auslösbar, indem die Rachenhinterwand leicht berührt wird. Beide Seiten sollten gleich empfindlich für den Reiz sein.

- Normaler Geschmack im Bereich des hinteren Zungendrittels.

- Bei beidseitiger Parese ist das Zäpfchen nicht mehr an zu heben. Bei einseitiger Parese besteht dieses Problem meist nicht.

- Beim „A“-Sagen verzieht sich das Gaumensegel bei einer vorliegenden Parese zur

gesunden Seite (Kulissenphänomen). DD: Narbenzug nach Tonsillektomie (Anamnese!).

- Schluckakt untersuchen. Bei einseitiger Parese kommt es zum Teil zur

Verschiebung von Flüssigkeit in den Nasenraum.

- Schluckstörungen (v.a. bei festen Speisen).

7.9 Zunge und Bulbärparalyse Die Zunge ist ein Muskelorgan, welches im Mund viele verschiedene Funktionen im Bereich des Sprechens, Schluckens und der Verschiebung von Nahrungsbrei übernimmt. Die Zunge ist ein komplex aufgebautes Organ, welches aus den vier inneren Zungenmuskeln besteht und von den sog. Äußeren Zungenmuskeln mit den Umgebungsorganen verbunden ist, welche größtenteils zur suprahyoidalen Muskulatur bestehen. Die motorische Innervation der Zunge erfolgt über den XII Hirnnerv (N. hypoglossus). Somit gehört die Untersuchung der Zunge zur Grunddiagnostik bei der MKG-chirurgischen Routineuntersuchung. Grundsätzlich ist die Zunge als paariges Muskelorgan angelegt, welches durch jeweils einen der beiden ipsilateralen N. hypoglossus innerviert wird. Gegenstand der klinischen Untersuchung ist die Feststellung einer nervalen Einschränkung des N. hypoglossus oder vorgeschalteter neurologischer Strukturen. Beim Ausfall des N. hypoglossus auf einer Seite kommt es zu einer merklichen Hypertrophie der Zungenmuskulatur der ipslateralen Seite. Diesem klinischen Bild voran gestellt ist aber die eingeschränkte Motorik, welche sich in einer Seitenabweichung der Zunge zur kranken Seite widerspiegelt. Der nicht erkrankte Teil der Zunge „drückt“ das Organ zur kranken Seite herüber. Die Zunge ist neben der motorischen Innervation sehr komplex und durch mehrere Nerven innerviert. Zwar gehören diese Qualitäten nicht zur MKG-chirurgischen Routinediagnostik, trotzdem sollte die Innervation der Zunge jedem Studenten bekannt sein. Als kurze Wiederholung gilt die folgende Auflistung: motorisch: N. hypoglossus sensibel und sensorisch: hinteres Drittel: N. glossopharyngeus sensible Versorgung der vorderen zwei Drittel: N. lingualis Geschmack der vorderen zwei Drittel: Chorda tympani (Ast des N. facialis)

Insbesondere die Sensibilität kann mit einer Sonde und einem Wattestäbchen einfach untersucht werden. Vorgehen bei der Untersuchung:

- den Patienten bitten die Zunge heraus zu strecken ( hier ist oft schon eine Abweichung zu erkennen). (Abb. 15 + 16)

- Genaue Inspektion des Organs Palpation der inneren Zungenmuskeln zur Beurteilung einer möglichen Atrophie

- Genaue Anamnese bezüglich Ess- und Sprechgewohnheiten sollten jeder

Untersuchung voran stehen

- Leichtes Eindrücken mit einer Sonde im vorderen Zungendrittel (N. lingualis), dabei den Patienten nach „stumper“ oder „spitzer“ Sensation fragen (Abb. 17)

- Leichtes Bestreichen mit Wattetupfer – Pat. nach Tastempfindung fragen (Abb.

18). Wichtig ist bei diesem Test, ebenso wie beim Sondentest, die Prüfung der vermeindlich gesunden Seite. Weiterhin sollte auf der gesunden Seite stets mit der Untersuchung begonnen werden.

Exkurs: Ähnliche Symptomatiken in der motorischen Einschränkung sind bei höher geschalteten neurologischen Problemen wie der progressiven Bulbärparlyse zu beobachten. Die Bulbärparalyse ist eine Gruppe von Erkrankungen bei der es zu einer progressiven Schädigung von motorischen Hirnnervenkernen kommt. Sie gehört zur Gruppe der spinalen Atrophien und betrifft vorwiegend die Hirnnerven welche für den Schluckakt wichtig sind (V, VII, IX, X, XII). Primär stellen sich bei der klinischen Untersuchung der Zunge sehr ähnliche Symptome wie bei der Schädigung von peripheren Nerven ein. Eine Zungenatrophie auf beiden Seiten kann Ausdruck Schädigung des motorischen Kerns auf beiden Seiten sein. Folge sind Dysphagie, Schwierigkeiten bei Sprechen und Kauen. Bei der progressiven Paralyse ist das Risiko der Aspiration zunehmend hoch und Patienten haben oft nur eine geringe Lebenserwartung von 1-3 Jahren nach Diagnosestellung.

Abb. 15: Lateralbewegung der Zunge nach rechts

Abb. 16: Lateralbewegung der Zunge nach links

Abb. 17: „Spitz“-„Stumpf“- Unterscheidung

Abb. 18: Sensibilitätsprüfung mit Wattetupfer

7.10 N. facialis Der N. facialis (VII) ist für die Mimik der Gesichtsmuskulatur bzw. deren Innervation zuständig. Ist daher wichtig die Äste des Nerven zu kennen und mittels Beurteilung der Mimik eine mögliche Läsion erkennen zu können. Weiterhin soll bei der Untersuchung einer Parese anhand klinischer Beobachtung festgestellt werden können ob es sich um eine zentrale oderperiphere Parese handelt. Im folgenden werden lediglich die Äste der mimischen Gesichtsmuskulatur angeführt. Die anderen Abgänge des N. facialis sollen im Eigenstudium wiederholt werden. Nach Austreten des N. facialis aus dem foramen styloimastoideum zieht er in die Gl. Parotis und bildet dort den Plexus intraparotideus, von wo aus die Äste zur mimischen Muskulatur abgehen. Die Prüfung der einzelnen Muskelgruppen sollen Gegenstand der klinischen Untersuchung des N. facialis sein:

- Rami frontalis und zygomatici: M. frontalis, Lidmuskeln, und M. zygomaticus (Abb. 19 + 20)

- Rami temporales: M. orbicularis oculi, M. procerus u. Mm. epicranii

- Rami buccales: versorgen den Großteil der perioralen mimischen Muskulatur (Abb. 21 + 22)

- Ramus marginalis mandibulae: untere Gesichtsmuskulatur (u.a. M orbicularis

oris (Inspektion des Mundwinkels) (Abb. 21 + 22 + 23)

- Ramus colli: Platysma Wie oben bereits erwähnt kann eine periphere von einer zentralen Facialisparese unterschieden werden, indem man den Patienten bittet die Stirn in Falten zu legen. Liegt im Bereich der sonstigen mimischen Muskulatur eine einseitige Parese vor und die Stirnmuskulatur ist ipsilateral nicht beteiligt, so liegt eine zentrale Parese vor. Ist die Stirn ipsilateral mitbetroffen liegt eine periphere Parese vor. Die Begründung dafür liegt in der späten Kreuzung der Fasern intracraniell.

Abb. 19: Beurteilung Rami frontalis und zygomatici

Abb. 20: Beurteilung Rami frontalis und zygomatici

Abb. 21: Beurteilung Rami buccalis und des Ramus marginalis mandibulae

Abb. 22: Beurteilung Rami buccalis und des Ramus marginalis mandibulae

Abb. 23: Beurteilung des Ramus marginalis mandibulae

7.11 + 7.12 N. trigeminus (V) Der fünfte Hirnnerv spielt für die klinische Diagnostik in der MKG-Chirurgie eine sehr wichtige Rolle. Durch die Aufteilung des Trigeminus in seine drei Endäste: N. ophthalmicus (V1), N. maxillaris (V2) und N. mandibularis (V3) lassen sich alle Nervenaustrittspunkte gesondert und recht einfach untersuchen. Die herausragende Rolle der Nerven liegt in der häufigen Mitbeeinträchtigung der Endäste bei Frakturen im Bereich des Mittelgesichts, des Unterkiefers und der Sinus frontalis Vorderwand, bzw. der Orbita. Sowohl die Palpation und Beurteilung eines Druckschmerzes der Nervenaustrittspunkte, als auch die Untersuchung auf die Qualität des sensiblen Versorgungsgebiets der einzelnen Nerven soll beherrscht werden. Im einzelnen sollen folgende Untersuchungsschritte durchgeführt werden können:

- Untersuchung des N. supraorbitalis (V1) als erster Trigeminusdruckpunkt. Lokalisiert am Oberrand der Orbita. Bei genauem Tasten spürt man eine Einziehung im Orbitarand. Durch leichten Druck ist eine Druckschmerzhaftigkeit zu testen. Der Vergleich erfolgt jeweils auf der kontralateralen Seite (Abb.24). Das sensible Versorgungsgebiet erstreckt vor allem cranial des Nervenaustrittpunkts über die ipsilateralen Stirn und die Augenbraue. Grundsätzlich sollten alle Sinnesqualitäten getestet werden. Exemplarisch ist dies mit Abbildungen zur Untersuchung des N. infraorbitalis (s.u.) dargestellt. Neben der Palpation der Druckpunkte, wird das Sensibilitätsempfinden im sensibel innervierten Gebiet mittels ausgezogenen Wattetupfer durch leichtes bestreichen der Haut getestet (Abb. 25). Unter Benutzung eines stumpfen und eines spitzen Gegenstands (bspw. Sondengriff und –spitze) (Abb. 26a+b) wird die Spitz-Stumpf-Wahrnehmung überprüft. Zuletzt kann mittels eines Lineals und einer Pinzette die 2-Punkte-Diskrimination (Abb. 27) getestet und mit der Gegenseite verglichen werden. Durch Zusammentragen der Ergebnisse dieser verschiedenen Diagnostiken kann im Vergleich zur Gegenseite, sowie im Vergleich mit Standardwerten (Bsp. zur 2-Pkte.-Diskr.) eine recht genaue Beurteilung der Innervation durch Abweichungen vom Normalbefund beschrieben werden.

- Untersuchung des N. infraorbitalis (V2) als zweiter Trigeminusdruckpunkt

(Abb. 28). Der N. infraorbitalis verläßt den Gesichtsschädel aus dem gleichnamigen Foramen einige Millimeter unterhalb des Orbitaunterrands. Das sensible Versorgungsgebiet erstreckt sich über die ipsilaterale Wange, medial bis zum Nasenabhang, über die Oberlippe, das Vestibulum im ipsilateralen Quadranten und der Gingiva. Die Untersuchung des Nerven erfolgt analog der oben beschriebenen Methoden.

- Untersuchung des N. mentalis (V3) als dritter Trigeminusdruckpunkt (Abb. 29).

Der N. mentalis ist der Endast des N. alveolaris inferior und verlässt die Mandibula am Foramen mentale. Das Foramen ist etwas apikal im Bereich der regio des zweiten Prämolaren anzutreffen. Das sensible Versorgungsgebiet erstreckt sich über das ipsilaterale Kinn, sowie die ipsilaterale Seite der Unterlippe. Analog der oben beschriebenen Methoden soll der N. mentalis untersucht werden können.

Exkurs: Bei Frakturen im Bereich des Gesichtsschädels hilft die Untersuchung der oben angeführten Nerven oft weiter. So kommt es bei Beteiligung des Sinus frontalis sehr häufig zu Beeinträchtigung des N. supraorbitalis. Ebenso verhält es sich bei Frakturen von Jochbein und insbesondere dem Orbitaboden im Bezug auf den N. infraorbitlais. Bei paramedianen Unterkieferfrakturen gilt dies für den N. mentalis. Man muß sich stets im Klaren darüber sein, dass eine Sensibilitätsstörung des betroffenen Nerven nie ein sicheres Frakturzeichen darstellt, jedoch hilft es in der klinischen Diagnostik weiter und ist oft Anlaß für die weitere Diagnostik mittels Bildgebung. Andersherum muß beispielsweise nicht jede Oritabodenfraktur operativ versogt werden. Hier spielt neben der Entwicklung von Doppelbildern und einer tastbaren Frakturstufe die Hyposensibilität (V2) eine essenzielle Rolle bei der Entscheidung zur Operationsindikation.

Abb.24: Druckpunkte V1

Abb. 25: Sensibilitätsprüfung mittels ausgezogenem Wattetupfer

Abb. 26a: Spitz- und Stumpfdiskrimination

Abb. 26a: Spitz- und Stumpfdiskrimination

Abb. 27: 2-Punkte-Diskrimination

Abb. 28: Druckpunkte V2

Abb. 29: Druckpunkte V3

7.14 Traumatologische Untersuchung Die traumatologische Untersuchung spielt in der MKG eine exponierte Rolle. Sowohl bei der Untersuchung von Mittelgesichtsfrakturen als auch bei Unterkieferfrakturen sind Palpation und Inspektion Grundlage jeder Diagnostik. Grundsätzlich unterscheidet man, ebenso wie in anderen Fachbereichen, sichere von unsicheren Frakturzeichen. Zu den sicheren Frakturzeichen zählt neben Krepitation die abnorme Stellung und Beweglichkeit von Knochen, sowie offene und somit ersichtliche Frakturen. Bei der Palpation von Gesicht und Mittelgesicht geht es vor allem darum, Knochenkanten oder Knochenstufen zu tasten und abnorme Beweglichkeiten fest zu stellen. Typische Hämatome können mit bestimmten Frakturmechanismen vergesellschaftet sein, zählen jedoch zu den unsicheren Frakturzeichen. So entstehen bei Gewalteinwirkungen auf das Auge häufig Monokelhämatome, oder bei beidseitiger Einwirkung Brillenhämatome. Die klinische Untersuchung des Gesichts sollte unabhängig von der anamnestischen Verdachtsdiagnose systematisch und nach immer gleichem Muster erfolgen. Ein beispielhafter Untersuchungsablauf von cranial ausgehend könnte folgendermaßen ablaufen:

- Abtasten des Stirnreliefs mit Daumen oder Zeigerfingerspitzen mit Blick auf Unebenheiten in der Kontur

- Palpation des lateroorbitalen Pfeilers und des Orbitarandes (Jochbeinfraktur / LeFort-II und LeFort-III-Fraktur) (Abb. 30)

- Prüfung der Mobilität des Nasenbeins. Hierbei sollte die linke Hand den Kopf halten, während Daumen und Zeigefinger der rechten Hand die Nasenwurzel greifen und leichte Bewegungen nach lateral durchführen (Abb. 31).

- Palpation des Jochbeinreliefs mit Abtasten des infraorbitalrandes (Abb. 32) und der Jochbögen. Zur Beurteilung der Jochbögen empfiehlt sich auch die Blickdiagnostik von cranial zur Beurteilung der beiden Jochbeinprominenzen im Vergleich.

- Prüfung der Beweglichkeit in der LeFort-I-Ebene. Bei der LeFort-I-Fraktur ist der zahntragende Teil des Oberkiefers vom Rest des Gesichtsschädels abgetrennt. Der Oberkiefer sollte bei der Untersuchung mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand im Bereich der Frontzähne gehalten werden. Daumen und Zeigefinger der anderen Hand sollten von außen auf dem Übergang zwischen Maxilla und Jochbeinen liegen um eine mögliche Mobilität des Oberkiefers fest stellen zu können, während die rechts Hand versucht den Oberkiefer in anterior-posteriorer Richtung zu bewegen. Weiterhin gehört bei der Diagnostik der LeFort-I-Fraktur die intraorale Palpation des Knochens im Bereich der Umschlagfalte. Im Falle einer Fraktur zeigte der Patient hier einen deutlichen Druckschmerz (Abb. 33).

- Die Prüfung einer Fraktur in der LeFort-II-Ebene sieht eine analoge Vorgehensweise vor, allerdings mit dem Unterschied, dass die linke Hand den Infraorbitalrand, bzw. die Nasenwurzel abtastet (Abb. 34). Die LeFort-II-Fraktur

verläuft pyramidal durch Jochbein und Nasenwurzel und hätte eine abnorme Beweglichkeit dort zur Folge.

- Eine LeFort-III-Fraktur beschreibt die Vollständige Abtrennung des

Gesichtsschädels vom Neurocranium. Eine Bewegung an den Oberkieferfrontzähnen muß durch die Palpation im Bereich der Sutura zygomaticofrontalis auf Mobilität überprüft werden.

- Die Untersuchung des Unterkiefers auf Frakturen erfolgt in mehreren Schritten.

Zunächst soll der Patient seine Mundöffnung demonstrieren. Bei einer Fraktur zeigt sich in beinahe allen Fällen eine Mundöffnungseinschränkung (siehe Pkt. 7.2). Weiterhin sollte eine Palpation der Kiefergelenke durchgeführt werden um eine Druckschmerzhaftigkeit fest zu stellen, welche Hinweise auf eine mögliche Collumfraktur geben könnte. Der Unterkiefrrand sollte von Kiefergelenk bis Kiefergelenk auf der gesamten Strecke durchgetastet werden (Abb. 37). Hierbei ist wiederum auf Druckschmerzhaftigkeit und Knochenstufen zu achten. Beim Wechsel nach intraoral muß der linguale Teil der Unterkieferspange abgetastet werden (Abb. 35). Ein Mundbodenhämatom mit Druckschmerz und ggf. abnormer Beweglichkeit gilt als sicheres Frakturzeichen. Weiter sollen die Finger des Untersuchers auf die Zahnreihen im Unterkiefer gelegt werden und die Unterkieferspange vorsichtig auseinander gedehnt werden (Abb. 36). Insbesondere eine mediane und paramediane Fraktur würde sich bei dieser Überprüfung schmerzhaft darstellen. Ein Holzspatel kann dem Patienten zwischen die Zahnreihen gelegt werden. Leichtes Drehen des Spatels verursacht bei einer Unterkieferfraktur Schmerzen im Bereich des Bruchspalts (Abb. 38).

Abb. 30: Palpation des lateroorbitalen Pfeilers

Abb. 31: Prüfung des Nasengerüsts auf Mobilität

Abb. 32: Palpation des Infraorbitalrandes

Abb. 33: Druckschmerz bei der LeFort-I-Fraktur

Abb. 34: Mobilität in der LeFort-II-Ebene

Abb. 35: Palpation der Unterkieferspange von intraoral

Abb. 36: Aufdehnen der Unterkieferspange

Abb. 37: Palpation des Unterkieferrands

Abb. 38: Spateltest des Unterkiefers

N.H.