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Selbst und KulturSelbst und Kultur

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“What Is Culture?“

Gliederung

Definitionen • Kultur• Selbst • Sozialisation

Selbst und Kultur • Universelle Aspekte des Selbst• historischer Rückblick• 2 Arten des Selbstkonzeptes (independentes/interdependentes Selbst)

• Selbstkonzeptionen als Selbstziele • Konsequenzen für Kognition, Emotion, Motivation• Fazit

„Dem Homo sapiens eigenes Verhalten, das in

Verbindung mit materiellen Gegenständen (Medien)

integraler Bestandteil des gemeinschaftlichen Lebens ist,

das der Mensch als „zóon politikon“ (Aristoteles)

wesentlich in Gemeinschaft mit anderen verbringt“

[Hartel, Lydia Andrea Hartel; Kultur und Gesellschaft

Kultur: Definition

Kultur

beeinflusst die Art des menschlichen Denkens und

Handelns

Auseinandersetzung des Menschen mit Kultur als lebenslanger, aktiver Prozess

Wird vom Menschen gestaltet

Verändert sich mit der Zeit

Kann gegenläufige Strömungen aufweisen

Kulturbegriff umfasst die Menschheit als

Ganzes

umfasst: Sprache, Wissen, Ideen, Überzeugungen, Gebräuche, Wertehaltungen, Gewohnheiten, Fähigkeiten, Techniken und Fertigkeiten, die Künste in allen Ausprägungen, Rituale, Zeremonien und die damit verbundenen Institutionen

„Kultur kann so analog zur Persönlichkeit […] definiert werden als

• etwas, was man mit allen Menschen teilt (z.B. die generelle Kulturfähigkeit),• etwas, das man mit manchen Menschen teilt (z.B. bestimmte Einstellungen, Überzeugungen, Ethnotheorie) • & etwas, das man mit niemandem teilt (die subjektive Kultur).“ [Pervin, 1994]

Entwicklung des Selbstkonzepts

5 wichtige Quellen

Introspektion

Wahrnehmung des eigenen Verhaltens

Autobiographisches Wissen

Einfluss der sozialen Umwelt

Kulturelle Einflüsse

Selbst: Definition Das Selbst

= psychische Struktur

entwickelt sich in der sozialen Interaktionspraxis

Das Selbst ermöglicht es einer Person, in der Vielfalt ihrer Handlungsbezüge lebensgeschichtlich konsistent und kontextunabhängig kohärent zu agieren

Sozialisation: Definition „bezeichnet […] den Prozess der Entstehung und Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit in wechselseitiger Abhängigkeit von der gesellschaftlich vermittelten sozialen und dinglich-materiellen Umwelt.“(Hurrelmann 2006, 70)

Konkretisierung

Komplexes Zusammen-

wirken vieler Faktoren

Lebenslanger Prozess

Einbettung in Historische &

kulturelle Kontexte

Individuelle Vorerfahrung

Begriff Sozialisation steht in Verbindung mit der Vorstellung, dass die Kompetenz und Persönlichkeitsentwicklung beeinflusst wird von:

gesellschaftlichen Verhältnissen historischen Kulturbedingungen

Wirkung von Sozialisation: intuitives Verständnis von Normen und Regeln

Sozialisation in der Gesellschaft

Beeinflussung durch verschiedene Systemstrukturen

1) Wirtschaftssysteme2) politische Systeme 3) soziale Strukturen und Gemeinschaften4) Kultur

Wie formt die Kultur unser Selbst und unsere Identität? Inwiefern tragen das Selbst und die Identität zu interkulturellen Unterschieden bei?

Universelle Aspekte des „Selbst“Universelle Aspekte des „Selbst“

• Mensch = physikalisch individuell & trennbar

• Bewusstsein über ein „inneres, privates Selbst“

• Kategorisierung des Selbst durch soziale Faktoren

• Spezifische Einflüsse auf Kognition, Emotion und Motivation

=> große Einflussgröße = Selbstkonzept

Kultur und Selbst

Hofstede (2001) & Triandis (1995) Differenzierung von Kulturen nach den Dimensionen des Individualismus

und Kollektivismus

Historischer Rückblick: 4 Ansätze

Schweder und Bourne (1982): Unterteilung des Selbst in 2 unterschiedliche Konzeptionen Individualität des europäisch-amerikanischen Selbstkonzeptes Sozial bezogenes Selbstkonzept in Ostasien

Markus und Kitayama (1991): Ansatz independenter und interdependenter SelbstkonstruktionenSelbstkonstruktionen als Filter zum Verständnis kultureller Unterschiede in der Persönlichkeitsorganisation affektiver, kognitiver und motivationaler Kompetenzen Kagiticibasi (1996): Unterteilung des Selbstkonzepts in: Autonomen SelbstkonzeptRelationales Selbstkonzept Autonom-relationales Selbst

Markus und Kitayama

Der Ansatz independenter und interdependenter Selbstkonstruktionen

Hazel Rose MarkusShinobu Kitayama

http://www.socialpsychology.org/thumb/4177/0/md.jpghttps://www.socialpsychology.org/thumb/4131/0/md.jpg

Independentes Selbst (“Independent self“)Das Selbst als autonome Entität, definiert im Sinne abstrakter, innerer Merkmale wie Persönlichkeitseigenschaften, Fähigkeiten und Einstellungen

Independentes Selbst (“Independent self“)Das Selbst als autonome Entität, definiert im Sinne abstrakter, innerer Merkmale wie Persönlichkeitseigenschaften, Fähigkeiten und Einstellungen

Interdependentes Selbst (“interdependent self“)Das sozial eingebettete Selbst, vorwiegend definiert anhand von Beziehungen zu anderen, anhand von Gruppenmitgliedschaften und anhand von sozialen Rollen

Interdependentes Selbst (“interdependent self“)Das sozial eingebettete Selbst, vorwiegend definiert anhand von Beziehungen zu anderen, anhand von Gruppenmitgliedschaften und anhand von sozialen Rollen

http://media.kunst-fuer-alle.de/img/37/m/37_66406.jpg

Selbst und Kultur: 2 Arten von Selbstkonstruktion

Kulturelle Unterscheidung hinsichtlich des Inhalts und der Struktur des Selbst und der Identität

Selbst und Kultur: 2 Arten von Selbstkonstruktion

•Independente SelbstkonstruktionIn Individualistischen westlichen Kulturen

• Interdependente Selbstkonstruktion In Kollektivistische östliche Kulturen

Selbst und Kultur: 2 Arten von Selbstkonstruktion

westlichen Kulturen östliche Kulturen

• Vorrangig individualistische Ziele • Leistungen zur Verbesserung der eigenen Position als Individuum

• Individuelle Ziele sind den Gruppenzielen untergeordnet (kollektivistisch)

• Leistung zielt auf die Stärkung der Position der eigenen Gruppe ab

Das independente SelbstDas independente Selbst

Quelle: 2. Studie

Das independente SelbstDas independente Selbst

= „Amerikanische Bürgerreligion“• allgegewärtig im sozialen Leben & im Gesetz

Charakteristische Eigenschaften

Mittelpunkt = Individuum Mittelpunkt = Individuum

Unabhängigkeit Ganzheitlichkeit

Einzigartigkeit Besonderheit

Unabhängigkeit Ganzheitlichkeit

Einzigartigkeit Besonderheit

Moralisch verpflichtetMoralisch verpflichtet

Autonomes WesenAutonomes Wesen

Das independente SelbstDas independente Selbst

SelbstSelbst

XXX

X X XX

Mutter Vater

Geschwister

Freund

Kollege

XX

XX X

X XX

X

XX

X

XX

X

Das Interdependente Selbst Das Interdependente Selbst „the nail that stands out gets pounded down“

ODER

„Ein Mensch ohne Freund,ist wie eine trostlose Einsamkeit.“

•Grundsatz: Gleichstellung und Verbundenheit der Individuen

in der asiatischen Kultur

Interdependentes Selbst

„öffentliches Selbst“

kollektiv, soziozentrisch, alozentrisch, verbunden, relational

Internale Attribute =

situationsspezifisch

Teil eines umfassenden,

sozialen Verhältnisses

„Ethos eines sozialen

Relativismus“(Lebra, 1976)

harmonische, gegenseitige

Abhängigkeit der Individuen

Selbst = jap. JIBUN

Unterschiede: Unterschiede:

Das Selbst und Kultur

in Unterscheidung zu Anderen in Unterscheidung zu Anderen

harmonisches Zusammenleben mit anderen Menschenharmonisches Zusammenleben mit anderen Menschen

http://www.familothek.de/wp-content/uploads/2014/01/Familienessen.jpg

“Think of the starving kids in Ethiopiam and

appreciate how lucky you are to be different from

them“

“Think of the starving kids in Ethiopiam and

appreciate how lucky you are to be different from

them“

“Think about the farmer who worked so hard to

produce this rice for you; if you don‘t eat it, he will

feel bad, for his efforts will have been in vain.“

“Think about the farmer who worked so hard to

produce this rice for you; if you don‘t eat it, he will

feel bad, for his efforts will have been in vain.“

Westliche Kultur

Östliche Kultur

“Think of the starving kids in Ethiopiam and appreciate how lucky you are to be

different from them“

“Think of the starving kids in Ethiopiam and appreciate how lucky you are to be

different from them“

“Think about the farmer who worked so hard to produce this rice for you; if you

don‘t eat it, he will feel bad, for his efforts will have been in vain.“

“Think about the farmer who worked so hard to produce this rice for you; if you

don‘t eat it, he will feel bad, for his efforts will have been in vain.“

Selbstkonzeptionen als Sozialisationsziele: die beiden Arten des Entwicklungspfads

Charakterisierung/Kennzeichen modaler Typen independenter und interdependenter Sozialisations oder Entwicklungspfade

Selbstkonzeptionen als Sozialisationsziele: Selbstkonzeptionen als Sozialisationsziele: die beiden Arten des Entwicklungspfads die beiden Arten des Entwicklungspfads

Independenter Entwicklungspfad

Interdependenter Entwicklungspfad

= Kommunikationsmodell Eingeleitet durch frühe Sozialisationskontexte

 Face-to-face-interaction deutliche Hierarchiemarkierungen

Frühe autonome Regulation „Help yourself“

Mutter entscheidet, was das Beste für das Kind ist

Konzepterwerb in einer abhängigen Lernsituation

Wissenserwerb durch Selbstgesteuerte Beobachtungen und Imitation der kulturellen „Experten“

Offensichtliche Geschlechtssegregation

Konsequenzen für Kognition, Emotion &

Motivation

„Self-system“ =

Kollektivierung selbstregulierender Schemata

KognitionEmotion

Motivation

1) Kognition1) Kognition• Beeinflussung der kognitiven Aktivität durch die 2 Arten des

Selbst-Systems

1) Höhere Sensitivität und Achtsamkeit gegenüber anderen bei Ps. mit interdependentem Selbst

2) Repräsentation des Selbst und der Anderen in spezifischen, sozialen Kontexten (interdependentes Selbst)

3) Berücksichtigung des sozialen Kontextes und der Reaktionen von Anderen können zudem einige fundierte, nichtsoziale kognitive Aktivitäten wie Kategorisierung und konterfaktisches Denken formen

3 Konsequenzen für die kognitive Aktivität

3 Konsequenzen für die kognitive Aktivität

Studie (Studie (Markus, Tummala, Kurokawa, und Kato 1990Markus, Tummala, Kurokawa, und Kato 1990)) 1) Fragestellung: Wie beeinflussen kulturelle Konzepte die Kognition?

2) Hypothese: Unterschiedliche Selbstkonzepte beeinflussen das Denken auf unterschiedliche Art und Weise

3) Experiment: Vergleich von westl. und östl. Studenten

Frage der Ähnlichkeit zu Anderen ?

Ergebnis:

Hypothese konnte bestätigt werden höhere Ausprägung des Selbstwissens in westl. KulturenHöhere Ausprägung des Wissens über Andere in östl. Kulturen

Weitere BefundeWeitere Befunde

• SelbstSystem hat Auswirkungen auf kontextspezifisches Denken

• Nach Cousins (1989): kontextabhängige Selbstbeschreibungen variieren je

Selbstkonzept

• Nach Liu (1986): Beeinflussung grundlegender Kognition in einem

interpersonellen Kontext

2) Emotion2) Emotion• Psychologie: Emotion = universelle internale Prozesse der

Selbstregulation ABER: keine universelle Erfahrung der Emotion

• Kultur spielt großen Faktor beim Erleben der Emotion

• Unterscheidung zw. egofokussierten und auf andere fokussierte Emotionen

sowie …• Unterscheidung zw. egofokussierten und Emotionen, welche

Unabhängigkeit fördern und kreieren

abhängig ob independentes Selbst oder interdependentes Selbst vorherrscht abhängig ob independentes Selbst oder interdependentes Selbst vorherrscht

3) Motivation 3) Motivation

• Es herrschen unterschiedliche Motive für interdependentes oder independentes Selbst

Motive des einzigartigen, internalen Kerns des Selbstsystems

• Bond (1986): soziale und independente Motive korrespondieren mit

den jeweiligen Selbstsystemen

Motive sind eine direkte Reflektion der kulturellen Tradition des jeweiligen Landes in dem die Person lebt

Fazit Fazit

Reformulierung des Modells

http://vignette4.wikia.nocookie.net/fireemblem/images/2/27/Illunisblogschreiben.jpg/revision/latest?cb=20091008133506&path-prefix=de

•„Können in Zeiten der Globalisierung die 2 Arten von Selbstkonstruktionen zu Selbst und Kultur in ihrer festen Struktur verankert bleiben?“•„Wie wirkt sich das auf ein Beispiel eurer Wahl aus?“

https://asiatischedeutsche.files.wordpress.com/2013/06/kien-nghi-ha-migazin.jpeghttps://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/c/cc/US_51_Star_possible_Flag.svg/2000px-US_51_Star_possible_Flag.svg.pnghttp://images.google.de/imgres?imgurl=https%3A%2F%2Fpixabay.com%2Fstatic%2Fuploads%2Fphoto%2F2013%2F07%2F13%2F13%2F52%2Frand-paul-161717_640.png&imgrefurl=https%3A%2F%2Fpixabay.com%2Fen%2Frand-paul-republican-senator-usa-161717%2F&h=637&w=640&tbnid=HwLqEsBWzvf6sM%3A&docid=wQB5V2dpGHfGSM&ei=VfpdVpjTJcHcsgHGxbywAg&tbm=isch&iact=rc&uact=3&dur=97&page=1&start=0&ndsp=29&ved=0ahUKEwjY0bPot7vJAhVBriwKHcYiDyYQrQMIIzAChttp://www.taleu.at/images/header/service/anreise-flugzeug.jpg

Quellen Quellen Online Angaben

•Kwintessentialvids [Kwintessential The Translation Company]. (2012, March 05). Retrieved from https://www.youtube.com/watch?v=m8pbmbfeoHs

•SRF Kultur [SRF Kultur]. (2015, January 15). Retrieved from https://www.youtube.com/watch?v=qlzc0zu0YjE

•Universität Kiel (2015). Selbst und Identität I Kognitive Repräsentation und Motivation. Retrieved from http://www.uni-kiel.de/psychologie/sozial/downloads/vorsoz/Selbst%20und%20Identitaet%20I.pdf. [20.11.2015]

Buchquellen

•Hartl, L. A. (2005). Kultur und Gesellschaft. In Frey, D., Hoyos, C. G. (Hrsg.), Psychologie in Gesellschaft, Kultur und Umwelt, 1.Auflage (S. 217-230). Weinheim: Beltz.

•Jonas, K., Stroebe, W., & Hewstone, M., (2007). Sozialpsychologie. Eine Einführung. (5. Auflage) Berlin: Springer.

•Keller, H. (2003). Persönlichkeit und Kultur. In Thomas, A. (Hrsg.), Kulturvergleichende Psychologie, 2.Auflage (S. 181-198). Göttingen: Hogrefe.

•Veith, H. (2008). Sozialisation. München: Reinhardt GmbH & Co KG.

Zeitschriftenartikel

Markus, H. R. & Kitayama, S. (1991). Culture and the Self: Implications for Cognition, Emotion, and Motivation. American Psychological Association. 98 (2), 224-253.

Markus, H. R. & Kitayama, S. (1994). A Collective Fear of the Collective: Implications for Selves and Theories of Selves. Society for Personality and Social Psychology. 20 (5), 568 – 579. doi: 10.1177/0146167294205013