simon ist da institut hyperwerk, hgk fhnw, basel … · 2017-09-06 · die drei wichtigsten...
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Does it Matter?Erweiterte Formen des Ausdrucks mit einer Matterport-RaumkameraSimon Gall, Basel, 07.08.2017
Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW
HyperWerk Institute for Postindustrial Design
Freilager-Platz 1, Postfach, 4002 Basell
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01 — Auftakt 6
— Lesehilfe 8
— Jahrethema Into the Why 9
— Vorwort 10
02 — Realisierung 12
— Diplomvorhaben 14
— Daten und Infos 17
— Kontextualisierung 19
— Prozessbeschreibung 22
03 — Schlusswort 30
— Reflexion 32
— Fazit, oder „Does Matterport Matter?“ 34
04 — Anhang 36
— Quellenverzeichnis & Sonstiges 38
— Autor 40
— Danksagung 41
— Impressum und Kontakt 43
Inhalt
Ich setze mich in meinem Diplomjahr mit der Nutzung der Matterport
Pro 3D Kamera auseinander. Die Matterport-Kamera ist ein Gerät zur
Aufnahme und Digitalisierung von Räumen. Ich möchte herausfinden, an
welche unternehmerischen und expressiven Orte ich dank der Nutzung
einer 3D Panorama Kamera komme. Für mich ist diese Kamera ein Gerät,
das eine neue Dimension der Fotografie eröffnet.
What‘s the Matter?
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01 Auftakt
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Um meine Diplomdokumentation vollends nachvollziehen zu können, bit-
te ich den Leser, parallel zur Lektüre die Internetseite simongall.biz zu
öffnen. Hier befinden sich die Matterport-Modelle, die ich im folgenden
Text erwähnen werde. Jedes Matterport-Modell hat eine Nummer, unter
der es auf der Internetseite zu finden ist. Auf der Internetseite befindet
sich der Link mit der entsprechenden Nummer, oder die Nummer kann
direkt in der Adressleiste hinter dem Domainnamen eingegeben werden.
Zum Beispiel Modell 03 ist im Internet unter simongall.biz/03 zu finden.
Lesehilfe
Into the Why ist für mich eine Denkweise, welche die Bereitschaft vor-
aussetzt, mich ins DA und somit in das Ungewisse zu stürzen. Ich gehe
mit meinen Fähigkeiten und Interessen durch die Daheit, nehme mir die
Matterport-Kamera und versuche die Grenze zwischen analogen und
virtuellen Räumen zu verwischen. Ich werfe mich selbst immer wieder in
neue Zusammenhänge und freue mich darauf herauszufinden, wo ich am
Ende lande.
JahresthemaInto the Why
360° Aufnahme eines Matterport Scans Modell 03
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Gegenüber heutigen Medien herrscht wachsendes Misstrauen. Ganz
subjektiv gesehen stelle ich fest: Es fällt mir schwer, das, was ich in
der Zeitung oder im Internet lese und sehe, zu glauben. Bis ich Neues
aus der Welt erfahren kann, geht es durch so viele Hände und Köpfe,
deren Intention ich nicht kenne, oder denen ich nicht traue. Durch den
Konsum vieler Medien fühle ich mich zunehmend beeinflusst. Selbst-
verständlich werde ich mich nie komplett dieser Beeinflussung entzie-
hen können, denn ich möchte ihr gar nicht voll entkommen. Ich möchte
jedoch aussuchen und klarer kontrollieren, was mich beeinflusst und
bestimmt.
Viele und oft jüngere Medienkonsumierende wenden sich „roheren” Me-
dien zu. Darunter verstehe ich Medien, die durch weniger Hände gehen,
bis sie zu ihren Konsumenten gelangen. Die Zwischenhändler der klas-
sischen Medienproduktion und des Vertriebs verschwinden – der Aus-
tausch entsteht direkt zwischen Konsumenten und Erzeugern.
Selbstverständlich gibt es keine Medien, die gänzlich frei von Manipula-
tion sind, da jedes Medium einen Zweck und eine Intention hat und somit
Meinungen in irgendeiner Art beeinflussen möchte. Auch in diesen rohe-
ren „Internetmedien” wird Wahrheit bis zum Brechen gebogen. So ist es
kein Wunder, dass „postfaktisch” das Wort der Stunde zu sein scheint,1
drückt dieser Begriff doch passend das Misstrauen einer Gesellschaft
gegenüber den Medieninstitutionen aus.
In dieser bewegten Medienlandschaft stosse ich jetzt auf die Matter-
port-Kamera. Matterport, so scheint es mir, ist ein ehrlicheres Medium
und übt allein deshalb einen grossen Reiz auf mich aus. Die Matterport
Pro 3D Kamera ist eine Spezialkamera, die Räume aufnehmen und als
3D-Modell wiedergeben kann. Man kann mit dieser Kamera eine Woh-
nung aufnehmen und dann an einem Computer/Smartphone durch den
Raum gehen und sich frei umschauen. Sie ist eine vergleichsweise güns-
tige Möglichkeit, Räume in 3D aufzunehmen. Dadurch bekommen auch
kleinere Firmen und Privatpersonen die Möglichkeit, hochwertige Mo-
delle von Räumen erstellen zu können. Die 3D Kamera lässt mich gefühlt
sehr nahe an die Situation kommen, die dokumentiert werden soll.
Es entsteht der Anschein, dass ich die Dinge so sehe, wie sie sind, viel
stärker, als eine Dokumentation oder ein Video das könnte. Solch eine
Raumkamera ist ein Gerät, das die Welt angeblich so zeigt wie sie ist,
da sie nicht nur einen Ausschnitt zeigt, wie eine normale Kamera, son-
dern der Betrachter sich seinen Standpunkt und seine Blickrichtung
aussuchen kann. Mit diesem Werkzeug wird der Kamera-Benutzer zum
Dienstleister/Experten. Zumindest ist das die Position, in der ich mich zu
Beginn meines Diplomjahres gesehen hatte. Mein Inhalt entsteht nicht,
indem ich eine Vision habe, aus der sich mein Handeln ergibt, sondern
indem ich ein Werkzeug habe und dieses benutze. Durch das Benutzen
setze ich mich dem Gerät und mir selbst auseinander und erschaffe
somit Inhalt. Meine Ausgangsposition für das Diplom bin ich und die
Matterport-Kamera in meinem Umfeld.
Bevor ich die Matterport-Kamera benutzt habe, habe ich ein Jahr lang
mit Fotografie gearbeitet, Erfahrungen und Experimente mit Portrait-,
Studio- und Eventfotografie gemacht. Im Diplomjahr war es mein Ziel,
über die Fotografie hinaus zu gehen. Ich wollte herausfinden, wie eine
mögliche Zukunft, oder vielleicht eher eine Abzweigung der Fotografie
aussehen kann.
Vorwort
¹ ¹ Wißmann, Constantin (2016): Willkommen in der postfaktischen Welt, cicero.de
02 Realisie-rung
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Meine Frage an die Matterport-Kamera ist, wie ich sie kreativ einset-
zen kann, da sie mir Einflussmöglichkeit gegenüber der Kamera selbst,
im Vergleich zur traditionellen Fotokamera, wegnimmt. Mein Interesse
ist es also, das Themenfeld von Fotografie und Raum zu erforschen.
Die Raumkamera ist mein Werkzeug, um an diesem Thema zu arbei-
ten. Den Unterschied zwischen herkömmlicher Fotografie und Matter-
port-„Fotografie“ finde ich interessant. Bei herkömmlicher Fotografie
kann ich auf viel mehr Faktoren Einfluss nehmen, wie Blendenwert und
Verschlusszeit, aber auch Bildkomposition und Licht, beziehungsweise
Blitz. Die Matterport-Kamera hingegen nimmt mir all diese Faktoren aus
der Hand und zeichnet alles in der von ihr selbst gewählten Einstellung
auf. Kommt die Matterport-Kamera damit näher an die Realität heran,
oder ist es einfach der Betrachter des Modells, der den Bildausschnitt
macht und seinen Blickwinkel bestimmt?
Wie kann ich mir einen Job erfinden in diesem Feld von traditioneller
Fotografie, der Matterport-Kamera und der Medienlandschaft zwischen
traditionellen und neuen Medien? Gibt es ein Business-Modell, oder viel-
mehr eine Marktnische, in die ich mit meinen Kenntnissen hinein passe,
oder gilt es diese zu kreieren? Kann ich eine Dienstleistung erfinden, die
diese spezifische Lücke zwischen „alten” und „neuen” Foto-Medien über-
brückt? Mein Ziel nach dem HyperWerk ist, nicht direkt einen Master
oder eine weitere Ausbildung zu machen, sondern ich möchte mir eine
Grundlage schaffen, mir der ich mein Geld verdienen kann.
Diplomvorhaben
Ich habe mit Mitstudenten zusammengearbeitet und deren Projekte
aufgenommen, Firmen und Institutionen angeschrieben, Teile meiner
Schule aufgenommen und zu guter Letzt mich darin versucht, mehr als
nur einen Raum aufzunehmen, sondern ihn mit meinem eigenen Inhalt zu
füllen.
Die drei wichtigsten Projekte dieses Jahres sind:
– Eine Zusammenarbeit mit localholic und Andrina Stauffer, die von der
Aufnahme Basler Touristenattraktionen handelte.
– Die Gründung der Firma greetings media mit Louis Moser und Luca
Zeller; wir möchten Konzepte zur Aufnahme von Räumen mit 360 Grad
Medien entwickeln und umsetzen.
– Und zuletzt möchte ich herausfinden, wie ich eine Geschichte mit einer
Raumkamera erzählen kann.
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Über Matterport und die Matterport-Kamera selbst.
– Ein Punkt (runder Kreis) im Modell ist ein Standpunkt der Kamera
– Standpunkte können maximal 3 Meter voneinander entfernt sein.
– Für eine Aufnahme dreht sich die Kamera um sich selbst und nimmt
Rohdaten auf.
– Bedienung der Kamera erfolgt über ein iPad.
– Alle gesammelten Daten werden nach der Aufnahme in der
Matterport-Cloud zu einem fertigen Modell zusammengesetzt.
– Ein fertiges Modell kann per Link verschickt und geteilt werden, oder,
ähnlich einem Youtube-Video, in eine Internetseite eingebettet wer-
den.
– Pro Modell können maximal 200 Scans gemacht werden.
– Bewegung kann die Kamera nicht aufnehmen, beziehungsweise hat sie
bei bewegenden Objekten Probleme, die verschiedenen Scans zusam-
menzusetzen. Das Gleiche gilt auch, wenn der Raum verändert wird, da
die Kamera feststehende Objekte braucht, um sich zu orientieren.
– An einem fertigen Modell kann, im Raum selbst, nichts mehr verändert
werden.
Matterport-Kameras arbeiten mit 3 PrimeSense-Modulen2, welche den
Raum mit Infrarotsensoren und mit Bildsensoren aufnehmen. Prime-
Sense war eine israelische Firma, die 2013 von Apple gekauft wurde3.
PrimeSense ist am bekanntesten dafür, ein Produkt entwickelt zu haben,
Infos und Daten
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2 Roush, Wade (2013): Matterport Isn’t Playing Games with Kinect-Style 3D Camera, xconomy.com3 Ihlenfeld, Jens (2013): Apple bestätigt Übernahmen von Primesense, golem.de
Bild: Yves Garnier
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das Räume und Objekte in Farbe und dreidimensional aufnehmen kann.
Die Innovation an diesen Sensoren war, dass sie kompakt waren und in
grossen Mengen hergestellt werden konnten. Der bekannteste Kunde
von PrimeSense war Microsoft. Microsoft hat diese Sensorenleisten in
der Xbox 360 Kinect verbaut. Kinect Module ermöglichen, zusammen mit
einer Xbox 360-Spielkonsole, eine Interaktion in Spielen durch Bewegun-
gen und Gesten.
Das Ziel von Matterport hingegen war es, einfach zu bedienende Lösun-
gen zu schaffen, um einem breiten Publikum die Möglichkeit zu geben,
Räume in 3D aufzunehmen. Im Vergleich dazu können teurere Geräte,
wie beispielsweise diejenigen von Leica4, zwar in höherer Auflösung und
Präzision aufnehmen, sind aber wesentlich aufwendiger und komplizier-
ter zu bedienen.
4 Leica Raumscanner: Leica ScanStation P40 / P30 - High-Definition 3D Laser Scanning Solution
Kontextualisierung
Die Matterport-Kamera wird in den meisten Fällen dazu verwendet, um
Immobilien zu zeigen und diese so besser verkaufen zu können. Viele
Firmen bieten Matterport-Aufnahmen von Immobilien und Ähnlichem als
Service an. Da gibt es dann auch schöne Werbeaktionen wie die Aufnah-
me eines alten „Air Force One” Flugzeugs.5 Dieses Modell wurde von ei-
ner Firma, die sich Tosolini Productions (tosolini.com) nennt, im Auftrag
für das Museum of Flight in den USA gemacht. Tosolini Productions ist
eine Firma, die mit aufkommenden Technologien, wie Matterport, ande-
ren Firmen helfen will, ihre Geschichte zu erzählen. Andere Unternehmen
wiederum richten sich gezielter auf den Immobilienmarkt aus, wie zum
Beispiel Unrealer. Unrealer (unrealer.com/en) ist eine junges finnisches
Unternehmen, das anderen Firmen oder Personen dabei helfen möchte,
ihre Immobilien mit neuen Technologien möglichst gut präsentieren zu
können.6 Eine etwas andere Art, die Matterport-Kamera zu benutzen,
ist die der Detroit Free Press (freep.com). Die Detroit Free Press hat mit
der Matterport-Kamera Aufnahmen von alten Passagier-Dampfschiffen,
wie der SS Columbia gemacht.7
Den Unterschied zwischen mir und diesen Benutzern sehe ich darin, dass
diese Benutzer eine Aufgabe haben, wie den Verkauf von Immobilien oder
die Dokumentation eines Ortes. Mein Ausgangspunkt hingegen war die
Nutzung der Kamera selbst. Ich wollte herausfinden, was mit mir pas-
siert und wo ich lande, wenn ich mich vollkommen diesem Gerät widme.
Meine Hoffnung war es, dass ich durch die Nutzung der Kamera und den
5 Das Modell ist unter folgender Adresse zu finden, museumofflight.org: Boeing VC-137B „Air Force One“6 Aufnahme eines skandinavischen Hauses von Unrealer www.matterport.com/3d-space/sleek-scandinavi-an-house/7 Andrews, Nancy: Take a 3D virtual tour of a Boblo boat, Detroit Free Press
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darauf folgenden Austausch mit meinem Umfeld in eine Position komme,
in der die Matterport-Kamera nicht mehr der Zweck allein, sondern nur
noch das Mittel zum Zweck ist und ich eine Aufgabe finde.
Ich hatte also zu Beginn meines Diploms diese Raumkamera und mir war
klar, dass die Kamera allein noch keine Botschaft in sich trägt. Hierzu
sagt Marshall McLuhan ganz passend:
„Denn die „Botschaft” jedes Mediums oder Technik ist die Veränderung
des Massstabs, Tempos oder Schemas, die es der Situation des Men-
schen bringt.“8
McLuhan, Marshall (1992)
So möchte ich in meiner Diplomarbeit herausfinden, welche Veränderun-
gen die Matterport-Kamera in mir und meinem Umfeld hervorrufen kann.
8 McLuhan, Marshall (1992): Die magischen Kanäle. „Understanding Media”, Düsseldorf, Wien 1968 und 1992
(S.18)
«Denn die Botschaft jedes Mediums oder
Technik ist die Verän-derung des Massstabs, Tempos oder Schemas,
die es der Situation des Menschen bringt.»
Marshall McLuhann (1992)
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Prozessbeschreibung
Mir war es in der Nutzung der Kamera wichtig, sie nicht einfach zu
benutzen und Räume aufzunehmen, sondern ich wollte mit ihr Beziehun-
gen zu möglichen Partnern und Kollaborateuren aufbauen. Ich wollte
allerdings auch erfahren, wo die Grenzen der Matterport-Kamera liegen
und inwiefern ich diese Grenzen überschreiten kann. Ich habe die Ka-
mera also in meinem Umfeld benutzt und Projekte von und mit anderen
Studenten Modelle 01, 02, Teile der Schule im Auftrag von verschiedenen
Instituten Modelle 03, 04, 05 und vieles mehr, aufgenommen Modell 06.
An den drei folgenden Projekten möchte ich meine Auseinandersetzung
mit der Matterport Pro 3D Kamera erläutern.
Mein erster Versuch einer Zusammenarbeit mit einer Firma war mit dem
Basler Startup für Erlebnistouren localholic. Unser Ziel war es, altbe-
kannte Basler Attraktionen auf eine neue Art und Weise zeigen zu kön-
nen. Für mich ging es in dieser Zusammenarbeit darum, herauszufinden,
welche Institutionen und Firmen mich hinter ihre Türen schauen lassen,
wenn ich ihnen anbiete, ein Matterport-Modell zu machen. Ein paar
Firmen beziehungsweise Institutionen haben enthusiastisch reagiert,
andere hingegen waren zwar interessiert aber doch zurückhaltend und
weitere haben aus mir nicht ersichtlichen Gründen gar nicht reagiert.
So zum Beispiel die Basler Regierungsabteilung, die für das Spalentor
zuständig ist. Sehr gute Erfahrungen habe ich hingegen mit der BVB, der
Münsterbauhütte und dem Basler Zoo gemacht. Die drei Modelle, die von
diesen Orten entstanden sind, sind auch die finalen Modelle, für die wir
uns mit localholic entschieden haben. Modell 07, 08, 09
Bilder: Luca Zeller, Simon Gall
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Das zweite Projekt ist die Gründung einer Firma zusammen mit Luca
Zeller und Louis Moser. Unser Vorhaben ist es, ein Unternehmen aufzu-
bauen, welches anderen Unternehmen dabei hilft, den Übergang vom
zweidimensionalen ins dreidimensionale Internet zu machen. Wir möch-
ten mit verschiedenen 360 Grad Medien Konzepte für Firmen entwerfen
und umsetzen. Wir nennen uns greetings media, in Anlehnung an Louis’
Diplomprojekt greetings basel. Im Moment arbeiten wir mit der Matter-
port-Kamera und einer 360 Grad Video Kamera. Bisher hatten wir zwei
Aufträge. Der erste war die Aufnahme eines Tonstudios, dem One Drop
Studio. Das Studio wurde von uns zum einen mit der Matterport-Kamera
aufgenommen und zum anderen haben wir eine 360-Grad-Videoaufnah-
me von einer Recording-Session einer Band gemacht. Dieses Video wird
zusammen mit weiteren Informationen zu Aufnahme-Equipment, und
Instrumenten, Hörproben von Bands, die dort aufgenommen haben und
weiteren Links zum Online-Shop und den weiteren Bands in das Mat-
terport-Modell eingebettet. Wir wollen dem Studio so die Möglichkeit
geben, sich umfassend im Internet präsentieren zu können. Modell 10
Der zweite Auftrag war die Aufnahme des neuen Theaters (neuestheater.
ch) in Dornach. Auch hier war es unser Ziel, dem Theater einen besseren
Internetauftritt zu verschaffen. Das Modell sollte zum einen potentiel-
le Mieter ansprechen, zum anderen aber auch Theatergäste anlocken.
Modell 11
Im dritten Projekt wollte ich herausfinden, wie ich mit der Matter-
port-Kamera eine Geschichte erzählen kann. Kann es funktionieren,
wenn ich mit in einem Matterport-Modell mehr mache, als nur einen
Raum zu zeigen? Kann ich auch Inhalt vermitteln, trotz der Begrenzun-
gen der Kamera? Welche Elemente kann ich in einen Raum hineinbrin-
gen, um eine Geschichte zu erzählen? Die Geschichte, die ich erzählen
möchte, ist die des Propheten Google (das bin ich). Dieser Prophet
hat die Vision, Google Street View in die Häuser der Menschen unter
dem Namen Google Home View zu bringen. Ich fordere die Menschen
dazu auf, mich ihre Häuser und Ihre Wohnungen aufnehmen zu lassen.
Im Gegenzug lade ich sie dazu ein, mich in meiner digitalen/virtuellen Bilder: Simon Gall, Yves Garnier
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Wohnung zu besuchen. Mit den Matterport-Modellen kann sehr leicht
in die Privatsphäre von Personen eingebrochen werden. So ist innerhalb
des HyperWerks eine Debatte über die Privatsphäre von Arbeitsplätzen
der Studenten ausgebrochen, nachdem ich eine Aufnahme der Hyper-
Werk-Räumlichkeiten gemacht habe Modell 03. Sind die Menschen dazu
bereit, mir ihren privaten Raum zu öffnen? Gibt es einen Widerstand,
mich in Ihre Wohnungen zu lassen, obwohl Smartphones, Computer,
Facebook, Google und Co. schon seit Jahren private Daten sammeln? Die
meisten Menschen wissen um den Fakt, dass die grossen „Datenkraken”
unsere Daten sammeln und auswerten, aber kaum jemand verzichtet
deshalb auf Google oder löscht sein Facebook-Profil.9,10,11
Wenn Jens Glutsch, ein Privatsphäre-Blogger und Buchautor, behaup-
tet, dass Bequemlichkeit unsere Privatsphäre gefährdet, weil mancher
Sprachassistent oder Fingerabdruckscanner unser Leben komfortabler
macht,12 so frage ich mich, kann ich Leute vielleicht sogar nur durch
meinen Auftritt und Neugierde dazu bewegen, auf ihre Privatsphäre zu
verzichten?
9 Jacobsen, Jan (2016): Suchmaschinenmarktanteile weltweit 2016, luna-park.de10 Zephoria (2017): The Top 20 Valuable Facebook Statistics, zephoria.com11 Heller, Christian (2011): Post-Privacy, Prima leben ohne Privatsphäre. C.H. Beck12 Glutsch, Jens (2017): Wie gefährdet Bequemlichkeit unsere Privasphäre, blog.data-detox.de
360° Aufnahme eines Matterport Scans Modell 13Bilder: Simon Gall, Yves Garnier
Ort: neuestheater Bild: Luca Zeller
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Reflexion
„Physiologisch wird der Mensch bei normaler Verwendung seiner techni-
schen Mittel (oder seines erweiterten Körpers) dauernd durch sie verän-
dert und findet seinerseits immer wieder neue Wege, um seine Technik zu
verändern. Der Mensch wird sozusagen zum Geschlechtsteil der Maschi-
nenwelt, wie es die Biene für die Pflanzenwelt ist, die es ihnen möglich
macht, sich zu befruchten und immer neue Formen zu entfalten.“13
McLuhan, Marshall (1992)
Im vergangenen Jahr befand, und befinde mich immer noch, in diesem
von McLuhan beschriebenen Prozess der Veränderung. Ich befinde mich
durch meine Nutzung der Raumkamera immer wieder in neuen Situatio-
nen und ich benutze sie im Gegenzug immer wieder in neuen Kontexten,
versuche neue Verwendungsmöglichkeiten zu finden und bringe die
Kamera an neue Orte.
Durch die Verwendung der Matterport-Kamera stecke ich, sobald ich im
Austausch mit Anderen bin, in der Rolle des Experten. Mein Gegenüber
versetzt die Kamera hingegen meistens in die Rolle des Unwissenden,
da die Kamera auf den ersten Blick keinem normalen Messgerät, keiner
herkömmlichen Kamera, ähnelt. Bei einer Fotokamera wäre dies nicht
so, da jeder weiss, wie diese aussehen und funktionieren. In jedem neuen
Aufeinandertreffen muss ich somit dem Interessenten erklären wie alles
funktioniert und was die Kamera kann. Andererseits bin ich aber jedes
Mal, wenn ich an einen neuen Ort komme um diesen aufzunehmen, wie-
derum in der Rolle des Unwissenden und lasse mich vom Experten, also
der Person, die den Raum vertritt, einweisen.
Die Matterport-Kamera kann im Vergleich zu normalen Foto- oder
Videokameras ein sehr gutes Verständnis von der Beschaffenheit und
dem Verhältnis der Objekte des Raumes zueinander erzeugen. Was der
Matterport-Kamera allerdings nicht möglich ist, zumindest
ging es mir so, ist ein Bezug zum Raum zu entwickeln. In der Betrach-
tung eines Matterport-Modells ist es mir zwar möglich, mir eine Vorstel-
lung der Grösse eines Objektes im Vergleich zu einem anderen Objek-
ten zu machen. Allerdings, zumindest scheint es mir so, ist es ihr nur
begrenzt möglich dem Betrachter klar zu machen wie ein Objekt wirkt.
Matterport zeigt Räume und Objekte auf eine klar distanzierte Weise.
Ein Objekt im Raum wirkt weder monumental, noch winzig. Matterport
ist zu objektiv, um Gefühle transportieren zu können.
13 McLuhan, Marshall (1992): Die magischen Kanäle. „Understanding Media”, Düsseldorf, Wien 1968 und 1992 (S 63)
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Fazit, oder „Does Matterport Matter?“
Im vergangenen Jahr habe ich die Matterport-Kamera ziemlich gut
kennengelernt. Viel wichtiger allerdings als die Erfahrungen im Umgang
mit der Kamera selbst waren die Kontakte, die ich gemacht habe und die
Erfahrungen, die ich sammeln konnte im Gespräch mit Kunden, Freunden
und Interessierten. Ich war in der Situation als Dienstleister und habe
den Auftritt vor Kunden erfahren können. So habe ich gelernt, wie ich
die meistens sehr hohen Erwartungen der Interessenten/potentiellen
Kunden auf ein realistisches Niveau holen kann. Da es sich bei der Mat-
terport-Kamera um eine weitgehend unbekannte Technologie handelt,
haben die Interessenten oftmals die Erwartung, dass alles möglich sei
und so musste ich immer wieder erklären, was die Kamera kann und was
nicht. Ich denke mit der Matterport-Kamera ist es wichtig, auf Inter-
essenten und Kunden zuzugehen und ihnen zu zeigen was möglich ist,
beziehungsweise zu zeigen, dass es die Matterport-Kamera überhaupt
gibt. Dass es die Möglichkeit gibt, Räume aufzunehmen, und wie einfach
es ist, diese im Internet zu zeigen und zu verbreiten, ist noch nicht in den
Köpfen der Menschen verankert. Meine Aufgabe, und die Aufgabe von
uns als junger Firma, sehe ich nun darin, potentielle Kunden und Interes-
senten darauf aufmerksam zu machen und ihnen zu zeigen, was für uns
schon längst feststeht: „Matterport does matter!”
Bild: Simon Gall
04 Anhang
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Weitere Matterport-Modelle
13 - Aufnahme meiner Wohnung mit mir darin.
Besonderheit: Ich bin in jedem Scan zweimal
14 - Ehemalige Räumlichkeit der Eventreihe „Irie Monday” im Singerhaus
Besonderheit: Die Matterport Kamera kommt hier an ihre Grenzen, was
die Aufnahme in Dunkelheit und mit Bewegung angeht, in diesem Fall mit
Rauch.
− Andrews, Nancy: Take a 3D virtual tour of a Boblo boat, Detroit Free
Press
www.freep.com/pages/interactives/boblo-boat-3d-virtual-tour-co-
lumbia/
− Glutsch, Jens (2017): Wie gefährdet Bequemlichkeit unsere Privasphä-
re, blog.data-detox.de
www.blog.data-detox.de/2017/07/19/wie-gefaehrdet-bequemlich
keit-unsere-privatsphaere/
− Heller, Christian (2011): Post-Privacy, Prima leben ohne Privatsphäre.
C.H. Beck
− Ihlenfeld, Jens (2013): Apple bestätigt Übernahmen von Primesense,
golem.de
www.golem.de/news/3d-sensoren-apple-bestaetigt-uebernah
me-von-primesense-1311-102934.html
− Jacobsen, Jan (2016): Suchmaschinenmarktanteile weltweit 2016,
luna-park.de
www.luna-park.de/blog/9907-suchmaschinen-marktanteile-welt
weit-2014/
Quellenverzeichnis & Sonstiges
− Leica Raumscanner: Leica ScanStation P40 / P30 - High-Definition 3D
Laser Scanning Solution
www.leica-geosystems.com/products/laser-scanners/scanners/lei
ca-scanstation-p40--p30
− McLuhan, Marshall (1992): Die magischen Kanäle. „Understanding
Media”, Düsseldorf, Wien 1968 und 1992
− museumofflight.org: Boeing VC-137B „Air Force One“
Internetseite des „Museum of Flight” mit dem Modell von Tosolini
Productions
www. museumofflight.org/aircraft/boeing-vc-137b-707-120sam-970-
air-force-one
− Roush, Wade (2013): Matterport Isn’t Playing Games with Kinect-Style
3D Camera, xconomy.com
www. xconomy.com/san-francisco/2013/05/16/matterport-isnt-play
ing-games-with-kinect-style-3d-camera/
− unrealer.com/en: Aufnahme eines skandinavischen Hauses von Unrea-
ler
www. matterport.com/3d-space/sleek-scandinavian-house/
− Wißmann, Constantin (2016): Willkommen in der postfaktischen Welt,
cicero.de
www.cicero.de/kultur/politik-und-wahrheit-willkommen-in-der-post
faktischen-welt
− Zephoria (2017): The Top 20 Valuable Facebook Statistics, zephoria.
com
www.zephoria.com/top-15-valuable-facebook-statistics/
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DanksagungAutorSimon Gall
Simon, geboren 1989 wuchs in
Weil am Rhein, nahe der schweizer
Grenze auf. Nach dem Besuch des
Wirtschaftsgymnasiums und Zivil-
dienst in Berlin hat Simon in Basel
Soziologie studiert und abgebro-
chen. Nur um dann im HyperWerk
ein neues Studium zu beginnen.
Simon erforscht Herangehens-
weisen an Fotografie und stellt
sich der Bedeutung der Fotografie
für sich selbst und sein weiteres
Schaffen. Durch die Arbeit mit
der Matterport-Kamera erweitert
sich dieses Schaffen in den dreidi-
mensionalen Raum. Zusammen mit
zwei weiteren Studenten hat er
eine Firma gergündet, die sich mit
der Präsentation und Digitalisie-
rung von Räumen beschäftigt.
Vielen Dank für die Unterstützung an
Mischa Schaub - Für Coaching und Lektorat
Isabelle Baumgartner - Für Unterstützung in allen Lebenslagen
Louis Moser und Luca Zeller - Für die gute Zusammenarbeit
Fenja Läser - Lektorat
Weiterer Dank für gute Gespräche und Ideen geht an Alexandra Stöckli,
Catherine Walthard, Daniel Wernli, Jan Knopp, Lük Popp, Max Spielmann.
Does it Matter?
Simon Gall
www.simongall.biz
Fachhochschule Nordwestschweiz
Hochschule für Gestaltung und Kunst
Institut HyperWerk
Freilager-Platz 1
Postfach
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