wildunfÄlle zwischen reh und reaktion - bmi · 2018-06-18 · 018_019_wildunfaelle_070812_5muster...

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F reitag, die Däm- merung bricht herein, auf der Landstraße ist wenig Verkehr. Auf der rechten Straßenseite er- scheint plötzlich ein Schat- ten – ein Reh auf der Fahrbahn. Das Bremspedal wird durchgedrückt. Zu spät. Das Tier liegt re- gungslos am Boden, der Fahrer steht unter Schock. Unfälle wie diese sind keine Seltenheit. Allein in der Nacht vom 5. auf den 6. Juni 2012 krachte es im Bezirk Amstetten in Niederösterreich fünfmal. Das Resultat: Blechschä- den, aber keine Verletzten. „Die meisten Unfälle mit Wildtieren passieren im Frühjahr und im Herbst zwischen 20 und 22 Uhr, da die Tiere dann am aktivsten sind“, erläutert Steffan Kerbl vom ÖAMTC. In wildreichen Regionen ist ganztägig und bis in kleinere Dörfer hinein mit Wild auf der Straße zu rech- nen. „In den meisten Fällen kommen die Betroffenen mit einem Schrecken davon, immer wieder enden Zusam- menstöße zwischen Mensch und Tier aber tödlich.“ Zwei Tote. Im vergangenen Jahr ereigneten sich auf Österreichs Straßen 98 Wildtierunfälle mit Personen- schaden. Zwei Menschen wurden getötet und 114 verletzt. Insgesamt waren an diesen Unfällen 105 Fahr- zeuge beteiligt; 62 Menschen kamen in Pkws zu Schaden und 40 auf Motor- rädern oder Mopeds. Die meisten Un- fälle ereigneten sich im April, gefolgt vom Oktober und September. Im Jahr 2010 wurden bei 114 Wildunfällen im Straßenverkehr 125 Menschen verletzt und es wurde niemand getötet. Dazu kommen Tausende weitere Unfälle pro Jahr, bei denen keine Men- schen zu Schaden kommen, jedoch die Wildtiere getötet oder verletzt werden. Bei der Generali-Versicherung, die mit 19 Prozent Marktanteil Österreichs größter Kfz-Versicherer ist, wurden im Jahr 2011 4.456 Wildunfälle zur Schadensabwicklung eingereicht. Die meisten dieser Unfälle ereigneten sich in Niederösterreich (1.276), gefolgt von Oberösterreich (1.090), der Steier- mark (556), Wien (459) und dem Bur- genland (415). Die wenigsten Zusam- menstöße mit Wild gab es in Vorarl- berg (43). Bei diesen Schadensfällen wurden 50 Menschen verletzt, eine Person kam ums Leben. 78.000 Wild- tiere fielen dem Straßenverkehr zum Opfer, davon 36.058 Stück Rehwild, 24.214 Hasen und 8.558 Fasane. Für die Schäden wurden über 8,4 Millionen Euro an die Be- troffenen ausbezahlt. Richtig reagieren. „Springt ein Tier auf die Straße, gilt: bremsen, so- fort abblenden, wiederholt hupen und sich vergewis- sern, ob noch andere Artgenossen folgen. Wenn das Tier niedriger als die Motorhaube ist, sollte das Fahrzeug auf keinen Fall verrissen werden“, warnt Kerbl. „Denn riskante Ausweichmanöver können schlimm enden.“ Die Aus- nahme stellen Motorradfahrer dar: „Sie sollten immer ausweichen, da sie nicht durch die Karosserie geschützt sind.“ Bei Pkws und Lkws gilt hingegen: Ist das Tier höher als die Motorhaube, sollte ausgewichen werden. „Denn hier werden enorme Kräfte frei“, erläutert Kerbl. „Eine Kollision mit einem 25 kg schweren Reh bei 50 km/h ist, als wür- den 500 kg gegen das Auto drücken. Bei einem 100 kg schweren Wild- schwein und 100 km/h liegt die Belas- tung bei fünf Tonnen.“ In Südtirol wurden heuer bei Verkehrsunfällen zwei Bären getötet: In der Nacht auf den 8. Juni sprang ein Bär auf die Fahrbahn der Südtiroler Schnellstraße zwischen Meran und Bozen und wurde von einer Limousine erfasst. Der Pkw wurde stark beschädigt und begann zu brennen; der Lenker blieb unverletzt. Bereits in der Nacht auf den 22. April war ein Bär auf der Brenner Staatsstraße in Südtirol von einem Auto angefahren und getötet worden. „Kommt es zu einem Unfall, ist un- verzüglich anzuhalten, die Warn- blinkanlage muss eingeschaltet und die Unfallstelle mit einem Pannendreieck abgesichert werden“, betont Thomas Schön, Bezirksjägermeister im 22. Wiener Bezirk. Weiters ist die Polizei zu verständigen. Das Wild darf nicht 18 ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 7-8/12 FOTOS: WERNER SABITZER, VOLVO WILDUNFÄLLE Wildtiere auf der Straße: Ausweichmanöver sind oft gefährlicher als eine Kollision. „Achtung Wildwechsel“: Auf Wald- und Straßenränder achten, Geschwindigkeit verringern und bremsbereit fahren. Zwischen Reh und Reaktion Bei Unfällen mit Wild wurden 2011 auf Österreichs Straßen zwei Menschen getötet und 114 verletzt. Springt ein Wildtier auf die Fahrbahn, sollten Fahrzeuglenker bremsen, abblenden und hupen.

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Page 1: WILDUNFÄLLE Zwischen Reh und Reaktion - BMI · 2018-06-18 · 018_019_Wildunfaelle_070812_5Muster 3-spaltig neu links.qxd 28.06.12 11:05 Seite 18. berührt werden. Sollte das Tier

Freitag, die Däm-merung bricht herein,auf der Landstraße ist

wenig Verkehr. Auf derrechten Straßenseite er-scheint plötzlich ein Schat-ten – ein Reh auf derFahrbahn. Das Bremspedalwird durchgedrückt. Zuspät. Das Tier liegt re-gungslos am Boden, derFahrer steht unter Schock.Unfälle wie diese sindkeine Seltenheit. Allein inder Nacht vom 5. auf den6. Juni 2012 krachte es imBezirk Amstetten inNiederösterreich fünfmal.Das Resultat: Blechschä-den, aber keine Verletzten. „Die meisten Unfälle

mit Wildtieren passieren im Frühjahrund im Herbst zwischen 20 und 22Uhr, da die Tiere dann am aktivstensind“, erläutert Steffan Kerbl vomÖAMTC. In wild reichen Regionen istganztägig und bis in kleinere Dörferhinein mit Wild auf der Straße zu rech-nen. „In den meisten Fällen kommendie Betroffenen mit einem Schreckendavon, immer wieder enden Zusam-menstöße zwischen Mensch und Tieraber tödlich.“

Zwei Tote. Im vergangenen Jahrereigneten sich auf Österreichs Straßen98 Wildtierunfälle mit Personen-schaden. Zwei Menschen wurdengetötet und 114 verletzt. Insgesamtwaren an diesen Unfällen 105 Fahr -zeuge beteiligt; 62 Menschen kamen inPkws zu Schaden und 40 auf Motor-rädern oder Mopeds. Die meisten Un-fälle ereigneten sich im April, gefolgtvom Oktober und September. Im Jahr2010 wurden bei 114 Wildunfällen imStraßenverkehr 125 Menschen verletztund es wurde niemand getötet.Dazu kommen Tausende weitere

Unfälle pro Jahr, bei denen keine Men-schen zu Schaden kommen, jedoch dieWildtiere getötet oder verletzt werden.Bei der Generali-Versicherung, die mit19 Prozent Marktanteil Österreichsgrößter Kfz-Versicherer ist, wurden im

Jahr 2011 4.456 Wildunfälle zurSchadensabwicklung eingereicht. Diemeisten dieser Unfälle ereigneten sichin Niederösterreich (1.276), gefolgtvon Oberösterreich (1.090), der Steier-mark (556), Wien (459) und dem Bur-genland (415). Die wenigsten Zusam-menstöße mit Wild gab es in Vorarl-berg (43). Bei diesen Schadensfällenwurden 50 Menschen verletzt, einePerson kam ums Leben. 78.000 Wild -tiere fielen dem Straßenverkehr zum

Opfer, davon 36.058 StückReh wild, 24.214 Hasenund 8.558 Fasane. Für dieSchäden wurden über 8,4Millionen Euro an die Be-troffenen ausbezahlt.

Richtig reagieren.„Springt ein Tier auf dieStraße, gilt: bremsen, so-fort abblenden, wiederholthupen und sich vergewis-sern, ob noch andereArtge nossen folgen. Wenndas Tier niedriger als dieMotorhaube ist, sollte dasFahrzeug auf keinen Fallverrissen werden“, warntKerbl. „Denn riskanteAusweichmanöver könnenschlimm enden.“ Die Aus-

nahme stellen Motorradfahrer dar: „Siesollten immer aus weichen, da sie nichtdurch die Karos serie geschützt sind.“Bei Pkws und Lkws gilt hingegen: Istdas Tier höher als die Motorhaube,sollte ausgewichen werden. „Denn hierwerden enorme Kräfte frei“, erläutertKerbl. „Eine Kollision mit einem 25 kgschweren Reh bei 50 km/h ist, als wür-den 500 kg gegen das Auto drücken.Bei einem 100 kg schweren Wild-schwein und 100 km/h liegt die Belas-tung bei fünf Tonnen.“In Südtirol wurden heuer bei

Verkehrsunfällen zwei Bären getötet:In der Nacht auf den 8. Juni sprang einBär auf die Fahrbahn der SüdtirolerSchnellstraße zwischen Meran undBozen und wurde von einer Limousineerfasst. Der Pkw wurde starkbeschädigt und begann zu brennen; derLenker blieb unverletzt. Bereits in derNacht auf den 22. April war ein Bärauf der Brenner Staatsstraße in Südtirolvon einem Auto angefahren und getötetworden.„Kommt es zu einem Unfall, ist un-

verzüglich anzuhalten, die Warn-blinkanlage muss eingeschaltet und dieUnfallstelle mit einem Pannendreieckabgesichert werden“, betont ThomasSchön, Bezirksjägermeister im 22.Wiener Bezirk. Weiters ist die Polizeizu verständigen. Das Wild darf nicht

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Wildtiere auf der Straße: Ausweichmanöver sind oft gefährlicher alseine Kollision.

„Achtung Wildwechsel“: Auf Wald- undStraßenränder achten, Geschwindigkeitverringern und bremsbereit fahren.

Zwischen Reh und Reaktion Bei Unfällen mit Wild wurden 2011 auf Österreichs Straßen zwei Menschen getötet und 114 verletzt.

Springt ein Wildtier auf die Fahrbahn, sollten Fahrzeuglenker bremsen, abblenden und hupen.

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berührt werden. Sollte das Tier trotzdes Zusammenpralls weiterlaufen,muss die Polizei informiert werden.Wird der Unfall verschwiegen, kannFahrerflucht vorliegen.

Reflektoren und Geruchssignale.Gegenüber 2010 ist die Zahl der Wild -unfälle 2011 um 9,4 Prozent zurückge-gangen. Ein Grund für den Rückgangdürften die immer häufiger eingeset-zten Wildwarnsignale sein. „Der Ein-satz solcher Mittel hat sich in den ver-gangenen Jahren bewährt“, sagt Schön.„Wir verwenden Reflektoren, die beimAnstrahlen durch Fahrzeuge aufleuch -ten und die Tiere vom Passieren derStraße abhalten.“ Daneben gibt esakustische Warnsignale und Duftmit-tel, die auf Bäume aufgetragen werden.„Am meisten bewährt haben sich aberdie Reflektoren“, erläutert Schön.„Denn damit wird keine künstlicheBarriere geschaffen und das Wild kannseinen üblichen Wegen ungehindertfolgen.“ Auch Autofahrer können zur Ver-

ringerung von Wildunfällen beitragen:Sobald das Schild „Achtung Wild-wechsel“ am Straßenrand erscheint,empfiehlt es sich, auf die Wald- undStraßenränder zu achten, den Sicher-heitsabstand zu den anderen Verkehrs -teilnehmern zu vergrößern, die Ge -schwindigkeit zu verringern undbremsbereit zu fahren.

Versicherung. Leistungen beiWildunfällen bietet eine Voll- oderTeilkaskoversicherung unter der Vo-raussetzung, dass die Schadensauf-nahme behördlich erfolgte und dieMeldung des Schadens nicht unnötigaufgeschoben wird. Der Schaden istder Versicherung innerhalb einerWoche zu melden, dabei dienen dasamtliche Protokoll zur Unfallaufnahmeund die „Wildschadenbescheinigung“der Kfz-Versicherung als Nachweis. Schäden am Fahrzeug sind durch

eine (Teil-)Kaskoversicherung gedeckt,wenn es zu einem Zusammenstoß miteinem Haarwild (Rehe, Hirsche, Wild-schweine, Füchse oder Hasen) gekom-men ist. Ob auch die Kollision mitFederwild (Fasan u.s.w.) abgedeckt ist,ist in den jeweiligen Kfz-Bedingungennachzulesen. Kühe, Pferde, Hunde undKatzen gelten als Haus- und Nutztiere.Unfälle mit diesen Tieren sind in derKaskoversicherung nicht gedeckt.

Hellin Sapinski

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