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NEWSLETTER ZUM DEUTSCH-ITALIENISCHEN WIRTSCHAFTSRECHT • J UNI 2014 www.derra.eu pflicht nicht unmittelbar aus gesetz- lichen Vorschriften, sondern aus inter- nen Regelungen des privatrechtlich organisierten Sozialversicherungsfonds ergab, die diese Unternehmen nicht binden. Angesichts einer starken Zunahme von Handelsvertreterbeziehungen mit aus- ländischen Unternehmen und dem Erfordernis, auch dieser Berufsgruppe Pensionsbezüge zu garantieren, ist nun- mehr das Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik eingeschritten. Konkreter Anlass dazu gab ein entsprechendes Gesuch, gerichtet auf die Frage, ob eine Einschreibungspflicht für ausländische Unternehmer bereits aus dem bloßen Umstand herzuleiten sei, dass dieser einen italienischen Handelsvertreter auf italienischem Territorium beschäf- tige (Interpello n. 32/2013). Das Ministerium hat diese Auffassung bestätigt unter Hinweis auf die europä- ischen Normen und internationalen Abkommen zur Koordinierung der Sozialversicherungssysteme sowie den Grundsatz, dass das Sozialversich- erungsrecht des Staates anzuwenden ist, in dem der Beschäftigte seine Tätigkeit ausübt (sog. lex loci laboris). Die Frage, ob sich aus der Stel- lungnahme des Ministeriums nun- mehr eine Rechtspflicht dahingehend ableiten lässt, dass ausländische Unternehmen ihre in Italien tätigen Handelsvertreter zwingend bei ENA- SARCO anmelden und Beiträge abfüh- ren müssen, hat jedoch für neue Diskussionen gesorgt, so dass die Intervention des Ministeriums offen- sichtlich nicht geeignet war, die seit langem bestehenden Divergenzen im Hinblick auf eine Anmeldepflicht für ausländische Unternehmen abschlie- ßend zu beseitigen. Ungeachtet dessen sind jedenfalls die Unternehmer auf der „sicheren Seite“, ZUM DEUTSCH-ITALIENISCHEN WIRTSCHAFTSRECHT INHALT I. Aus Italien 1. Sozialversicherungspflicht für Handelsvertreter von auslän- dischen Unternehmen ohne Niederlassung in Italien? 2. Oberster Gerichtshof stärkt Gläubigerschutz bei Sitzverlegung einer italienischen Gesellschaft ins Ausland 3. Elektronischer Zugang zu italienischen Gerichten II. Aus Deutschland 1. Neuregelung für den grenzüberschreitenden Handel – die Gelangensbestätigung 2. Aktuelle Rechtsprechung zur Möglichkeit des Haftungs- ausschlusses bei Firmenübernahme III. Aus Europa 1. Neuer Richtlinienentwurf für europäische Einpersonen- gesellschaft – Europäische Privatgesellschaft kommt nicht 2. Wichtige Änderungen im Online-Handel durch Umsetzung der EU-Verbraucherrichtlinie 3. Vorlage an den EuGH: Deutsch vor italienischen Gerichten nur für Italiener? I. Aus Italien 1. Sozialversicherungspflicht für Handelsvertreter von ausländischen Unternehmen ohne Niederlassung in Italien? Seit Jahren haben es in Italien tätige ausländische Unternehmen, die keinen Sitz oder Zweigstelle in Italien unter- halten, mehr oder weniger stillschwei- gend unterlassen, ihre Handelsvertreter in der Fondazione ENASARCO einzu- schreiben, da sich eine Registrierungs- die von der EU-rechtlich vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen, ihre in Italien eingesetzten und als natürliche Personen handelnden Handelsvertreter freiwillig bei der ENASARCO zu mel- den. Auf diese Weise werden einerseits Sanktionen seitens der Fondazione ENASARCO vermieden; andererseits wird gewährleistet, dass die Handels- vertreter ihren bestehenden Sozial- versicherungspflichten gerecht werden. Ob auch in Italien für deutsche Unternehmen tätige Handelsvertreter, die als juristische Personen organisiert sind und daher grds. nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen, angemeldet werden müssen, bleibt weiter unklar. 2. Oberster Gerichtshof stärkt Gläubigerschutz bei Sitz- verlegung einer italienischen Gesellschaft ins Ausland Nach italienischem Recht kann eine Gesellschaft in Italien für insolvent erklärt werden, wenn sie in Italien ihren Sitz hat und seit der Löschung aus dem Handelsregister nicht mehr als ein Jahr verstrichen ist. Die Löschung aus dem Handelsregister und die damit nicht selten einhergehende Verlegung des Sitzes ins Ausland stehen angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Krise und Instabilität in Italien immer noch an der Tagesordnung, sind aber auch Ausdruck des europarechtlich veran- kerten Prinzips der Niederlassungs- freiheit für Unternehmen. Kürzlich sind zu dieser Thematik einige höchstrich- terliche Entscheidungen ergangen, die ++++ dmp news +++++ juni 2014 +++++ dmp news +++++ juni 2014 ++++ DERRA, MEYER & P ARTNER RECHTSANWÄLTE P ART GMBB

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NEWSLETTER ZUM DEUTSCH-ITALIENISCHEN WIRTSCHAFTSRECHT • JUNI 2014 www.derra.eu

pflicht nicht unmittelbar aus gesetz-lichen Vorschriften, sondern aus inter-nen Regelungen des privatrechtlichorganisierten Sozialversiche rungs fondsergab, die diese Unternehmen nichtbinden.

Angesichts einer starken Zunahme vonHandelsvertreterbeziehungen mit aus-ländischen Unternehmen und demErfordernis, auch dieser BerufsgruppePensionsbezüge zu garantieren, ist nun-mehr das Ministerium für Arbeit undSozialpolitik eingeschritten. KonkreterAnlass dazu gab ein entsprechendesGesuch, gerichtet auf die Frage, ob eineEinschreibungspflicht für ausländischeUnternehmer bereits aus dem bloßenUmstand herzuleiten sei, dass diesereinen italienischen Handelsvertreterauf italienischem Territorium beschäf-tige (Interpello n. 32/2013).

Das Ministerium hat diese Auffassungbestätigt unter Hinweis auf die europä-ischen Normen und internationalenAbkommen zur Koordinierung derSozialversicherungssysteme sowie denGrundsatz, dass das Sozialversich -erungs recht des Staates anzuwendenist, in dem der Beschäftigte seineTätigkeit ausübt (sog. lex loci laboris).

Die Frage, ob sich aus der Stel-lung nahme des Ministeriums nun-mehr eine Rechtspflicht dahingehendableiten lässt , dass ausländische Unternehmen ihre in Italien tätigenHandelsvertreter zwingend bei ENA-SARCO anmelden und Beiträge abfüh-ren müssen, hat jedoch für neueDiskussionen gesorgt, so dass dieIntervention des Ministeriums offen-sichtlich nicht geeignet war, die seit langem bestehenden Divergenzen imHinblick auf eine Anmeldepflicht fürausländische Unternehmen abschlie-ßend zu beseitigen.

Ungeachtet dessen sind jedenfalls dieUnternehmer auf der „sicheren Seite“,

ZUM DEUTSCH-ITALIENISCHENWIRTSCHAFTSRECHT

INHALT

I. Aus Italien 1. Sozialversicherungspflicht für

Handelsvertreter von auslän-dischen Unternehmen ohne Niederlassung in Italien?

2. Oberster Gerichtshof stärkt Gläubigerschutz bei Sitzverlegung einer italienischen Gesellschaft insAusland

3. Elektronischer Zugang zu italienischen Gerichten

II. Aus Deutschland 1. Neuregelung für den

grenzüberschreitenden Handel – die Gelangens bestätigung

2. Aktuelle Rechtsprechung zurMöglichkeit des Haftungs-ausschlusses bei Firmenübernahme

III. Aus Europa 1. Neuer Richtlinienentwurf

für europäische Einpersonen-gesellschaft – Europäische Privatgesellschaft kommt nicht

2. Wichtige Änderungen im Online-Handel durch Umsetzung der EU-Verbraucherrichtlinie

3. Vorlage an den EuGH: Deutsch vor italienischen Gerichtennur für Italiener?

I. Aus Italien

1. Sozialversicherungspflichtfür Handelsvertreter von ausländischen Unternehmenohne Niederlassung in Italien?

Seit Jahren haben es in Italien tätigeausländische Unternehmen, die keinenSitz oder Zweigstelle in Italien unter-halten, mehr oder weniger stillschwei-gend unterlassen, ihre Handelsvertreterin der Fondazione ENASARCO einzu-schreiben, da sich eine Registrierungs -

die von der EU-rechtlich vorgesehenenMöglichkeit Gebrauch machen, ihre inItalien eingesetzten und als natürlichePersonen handelnden Handelsvertreterfreiwillig bei der ENASARCO zu mel-den. Auf diese Weise werden einerseitsSanktionen seitens der FondazioneENASARCO vermieden; andererseitswird gewährleistet, dass die Handels -vertreter ihren bestehenden Sozial -versiche rungspflichten gerecht werden.Ob auch in Italien für deutscheUnternehmen tätige Handelsvertreter,die als juristische Personen organisiertsind und daher grds. nicht derSozialversicherungspflicht unterliegen,angemeldet werden müssen, bleibt weiter unklar.

2. Oberster Gerichtshof stärktGläubigerschutz bei Sitz-verle gung einer italienischenGesellschaft ins Ausland

Nach italienischem Recht kann eineGesellschaft in Italien für insolventerklärt werden, wenn sie in Italien ihrenSitz hat und seit der Löschung aus demHandelsregister nicht mehr als ein Jahrverstrichen ist. Die Löschung aus demHandelsregister und die damit nichtselten einhergehende Verlegung desSitzes ins Ausland stehen angesichtsder anhaltenden wirtschaftlichen Kriseund Instabilität in Italien immer nochan der Tagesordnung, sind aber auchAusdruck des europarechtlich veran-kerten Prinzips der Niederlassungs -freiheit für Unternehmen. Kürzlich sindzu dieser Thematik einige höchstrich-terliche Entscheidungen ergangen, die

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drückung im innergemeinschaftlichenHandel zu bekämpfen: Unternehmer,die gegenüber anderen Unternehmernim EU-Ausland ohne Umsatzsteuerabrechnen, haben dafür Sorge zu tragen, dass der jeweilige Waren -empfänger im europäischen Auslandeine sog. Gelangensbestätigung überden Erhalt der Lieferung ausstellt. DieGelangensbestätigung ist den deut-schen Steuerbehörden vorzulegen undmuss genaue Angaben über die Iden -tität des Abnehmers, den Gegenstandder Lieferung einschließlich Mengeund handelsübliche Bezeichnungsowie über Ort und Monat desWarenerhalts bzw. der Waren beför -derung enthalten. Ferner muss dieBestätigung ein Ausstellungsdatumaufweisen und vom Warenempfängeroder dessen Beauftragten unterzeich-net sein.

Wie viele Regelungen zum inner -gemeinschaftlichen Handel sind auchdie Vorschriften zur Gelangensbestä ti -gung sehr formalistisch und in jedemFalle genauestens zu beachten, da derLieferant anderenfalls Gefahr läuft,dass deutsche Umsatzsteuer anfälltund abzuführen ist. Es empfiehlt sichalso, sich von fach- und sachkundigerSeite über die Neuregelungen zuminnergemeinschaftlichen Handel bera-ten zu lassen.

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II. Aus Deutschland

1. Neuregelung für den grenz-überschreitenden Handel –die Gelangens bestätigung

Seit dem 01.01.14 gilt für Unterneh-mer eine Neuregelung, die dazu dient,Steuerhinterziehung und –unter-

darauf abzielen, in solchen Situationeneinen adäquaten Gläubiger- undVerkehrsschutz zu gewährleisten.

Der Oberste Gerichtshof hat insbeson-dere hervorgehoben, dass die Verlegungdes Sitzes ins Ausland einer Zustän-digkeit italienischer Gerichte (unddamit einer Geltendmachung von An-sprüchen gegen die Gesellschaft imInland) nicht entgegenstehe, wenn die Sitzverlegung zum Zwecke einerkünstlichen Gewinnverlagerung erfolgt sei. Die gesetzliche Vermutung, dassder Mittelpunkt der hauptsächlichenInteressen des Unternehmens (alsAnknüpfungspunkt für die Frage derZuständigkeit) mit dem Sitz der Ge-sellschaft zusammen falle, könne inso-weit bei Vorliegen entsprechenderAnhaltspunkte widerlegt werden. Fürdie Frage einer Feststellung der gericht-lichen Zuständigkeit habe daher dastatsächliche Vorliegen eines Sitzes inItalien entscheidende Bedeutung.

Zudem wurde präzisiert, dass in denFällen, in denen eine Löschung ausdem Handelsregister wegen Sitzver -le gung mit Gewinn verlagerungs absichterfolgt ist, Art. 10 der italienischenInsolvenzordnung keine Anwen dungfindet. Nach dieser Vorschrift kann einitalienisches Unternehmen dann nichtmehr für insolvent erklärt werden, wennseit der Löschung aus dem Handels -register mehr als ein Jahr verstrichen ist.

3. Elektronischer Zugang zu italienischen Gerichten

Ende Juni 2014 wird vor italienischenGerichten der sog. telematische Zivil-prozess (processo civile telematico -PCT) eingeführt, der vor dem Hin-tergrund einer vollständigen Elek-tronisierung des Zivilprozess verfahrensdie Modalitäten einer Einreichung von Schriftsätzen, Ein sicht nahme inGerichtsakten, Durch führung vonZustellungen und der Zahlung vonGerichtskosten neu regelt.

Die Neueinführung bedeutet einegrundlegende Änderung der prozess-rechtlichen Verfahrensabläufe. Bislangwurden Schriftsätze üblicher Weise beider Gerichtsstelle der Landgerichtepersönlich eingereicht, gleiches galt fürdie Entgegennahme von gegnerischen

Schriftsätzen oder Verhandlungsproto -kollen, was zu einem erheblichen Zeit-und Personalaufwand führte. DiesesProzedere machte es zudem erforder-lich, bei Rechtsstreitigkeiten vorGerichten, bei denen der beauftragteRechtsanwalt nicht ansässig war, einenKorrespondenzanwalt einzuschalten,was neben weiteren zeitlichen Verzö -gerungen vor allem auch höhereProzesskosten für den Mandanten zurFolge hatte.

Diese Vorgehensweise wird mit derEinführung des telematischen Zivil -prozesses obsolet. Ab dem 30. Juni2014 sind sämtliche Schriftsätzemittels elektronischer Datenüber -mittlung bei den Gerichten einzurei-chen. Zu diesem Zwecke wurde bereitsvor einiger Zeit für Rechtsanwälte diePflicht eingeführt, über ein zertifiziertesemail-Postfach sowie eine digitaleUnterschrift zu verfügen.

Angesichts der zu erwartenden Zeit-und Kosteneinsparungen ist dieNeueinführung als Zeichen der Ent -bürokratisierung äußerst begrüßens-wert , wobei sie die immer noch unverhältnismäßig lange Prozessdauerin Italien wohl nicht merklich verkür-zen wird. Festzustellen ist jedenfalls,dass die italienischen Gerichte demdeutschen Gerichtswesen einen Schrittvoraus sind, denn in Deutschland istein elektronischer Zugang zu denGerichten erst ab 2018 und eineNutzungspflicht ab 2022 geplant.

2. Aktuelle Rechtsprechungzur Möglichkeit des Haftungs -ausschlusses bei Firmen -übernahme

Welche Haftungsrisiken birgt die Über-nahme und Fortführung einer u. a.bereits seit Jahren geschäftlich tätigenFirma? Eine der wesentlichen Rege -lungen in diesem Zusammenhang trifft § 25 HGB. Nach dieser Vorschrift haftet der Erwerber eines Handels -

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III. Aus Europa

1. Neuer Richtlinienentwurffür europäische Einpersonen-gesellschaft – EuropäischePrivatgesellschaft kommt nicht

Die EU-Kommission hat im Zuge einesam 21. Mai 2014 veröffentlichtenProgramms zur Vermeidung vonBürokratie verschiedene Gesetzes -vorhaben zurückgezogen. Betroffensind insgesamt 53 Vorhaben, darunterauch die Einführung einer Europä -ischen Privatgesellschaft (siehe unserenNewsletter aus November 2012 zurSocietas Privata Europaea), die es imWege einer Vereinheitlichung desGesellschaftsrechts vor allem kleinenund mittelständischen Unternehmenerleichtern sollte, am grenzüberschrei-tenden Geschäftsverkehr teilzunehmen.Bereits in der Vergangenheit hatten dasEU-Parlament und der Rat in wesent-lichen Fragen keine Einigung über dasStatut der Europäischen Privatgesell -schaft erzielen können, was nichtzuletzt auf Widerstand aus Deutsch -land zurückzuführen war.

Als mögliche Alternative steht jedochbereits ein neuer, am 09.04.2014 ver -öffentlichter Richtlinienvorschlag derEU-Kommission zur Einführung derSocietas Unius Personae (SUP) imRaum. Hierbei handelt es sich umkeine neue europäische Rechtsform,sondern um die Harmonisierung

geschäftes für alle im Betrieb desGeschäftes begründeten Verbindlich -keiten des früheren Inhabers, wenn erdas Handelsgewerbe unter der bisheri-gen Firma fortführt.

Diese Regelung, die überaus weit -reichende Haftungsfolgen für denBetriebs übernehmer mit sich bringenkann und bisweilen immer noch über-raschend wenig bekannt ist, greift auchdann, wenn nur der sogenannteFirmenkern fortgeführt wird. Eine iden-tische Fortführung der Firma ist nichterforderlich, so wie es ausreichend seinkann, dass nur ein überwiegender Teildes Handelsgeschäfts fortgesetzt wird.

der nationalen Vorschriften zu Ein -personen gesellschaften, insbesondereim Hinblick auf den Gläubiger- undKapitalschutz sowie das Gründungs -verfahren. Mit diesem Instrument sollden Unternehmen eine EU-weit ver-gleichbare Gesellschaftsform zurVerfügung gestellt werden, die dieGründung von Tochtergesellschaftenim Ausland fördern soll. Eine Regi s -trierung der SUP soll nach demRichtlinienentwurf im Online-Verfah -ren binnen dreier Werktage erfolgenkönnen. Problematisch ist jedoch, dassein Mindestkapital nicht nachgewiesenwerden muss, gleichwohl eine Haftungder Gesellschaft auf das Gesellschafts -vermögen beschränkt werden soll. Esbleibt abzuwarten, ob sich dieserRichtlinienvorschlag durchsetzen wird.

2. Wichtige Änderungen im Online-Handel durchUmsetzung der EU-Verbraucher richtlinie

Durch die neue EU-Verbraucher -richtlinie (2011/83/EU) werden bis-lang unterschiedliche europäischeRege lun gen europaweit zum Schutzeder Ver braucher angeglichen. DieÄnderungen gelten zwingend ab dem13. Juni 2014 in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten, also auch im grenz-überschreitenden Han del zwischenDeutschland und Italien.

Nach der Rechtsprechung des Bundes -gerichtshofes (BGH) besteht jedocheine Ausnahme im Falle des Unter -nehmenskaufs und der Firmenfort -führung in der Insolvenz. Hier hat derBGH in einer neueren Entschei -dung nochmals präzisiert, dass einHaftungsausschluss des Erwerberseines Handelsgewerbes in Betrachtkommt, wenn das Handelsgewerbeausschließlich und unmittelbar vomInsolvenzverwalter des betroffenenUnternehmens veräußert und derÜbertragungsvertrag erst nach Eröff -nung des Insolvenzverfahrens abge-schlossen und auch umgesetzt wird.Konstellationen, bei denen beispiels-weise ein Unternehmen schon vor derInsolvenzeröffnung „faktisch“ voneinem Erwerber geführt wurde und derÜbertragungsvertrag später pro formamit dem Insolvenzverwalter abge-schlossen worden ist, führen also nichtzum Haftungsausschluss.

Es besteht allerdings auch außerhalbder Insolvenz die Möglichkeit, dieHaftung für den Erwerber auszuschlie-ßen. Hierzu bedarf es einer entspre-chenden Vereinbarung und Eintragungim Handelsregister. Das Oberlandes -

gericht Hamm hat hierzu kürzlich ent-schieden, dass eine solche Eintragungim Handelsregister in unmittelbaremzeitlichen und sachlichen Zusam men -hang mit der Firmenübernahme vorge-nommen werden muss. So sei einZeitraum zwischen Übernahme vonHandelsgewerbe und Firma einerseitsund Eintragung des Haftungs aus -schlusses im Handelsregister anderer-seits von nahezu drei Jahren deutlichzu lang. Erwerbern von Handels -geschäften ist also anzuraten, im Falleder Firmenfortführung die Verein -barung des Haftungs aus schlus sesunverzüglich ins Handelsregister ein-tragen zu lassen. Sinnvollerweise solltedies bereits mit der Anmeldung derübrigen Übernahmedaten zum Han -dels register erfolgen.

Die wichtigsten Neuerungen betreffenunter anderem den Online-Versand -handel. Bei Fernabsatzverträgen beträgtdie Widerrufsfrist nunmehr einheitlichin allen Mitgliedsstaaten 14 Tage. DieseFrist beginnt bei Warenlieferungen abEmpfang der Ware. Wird allerdings derVerbraucher nicht oder fehlerhaft überdas Widerrufsrecht aufgeklärt, verlän-gert sich die Frist auf 12 Monate. Diesstellt einen wesentlichen Vorteil fürdeutsche Online-Händler dar, da bis-lang in solchen Fällen ein „unendliches

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Widerrufsrecht“ galt. Es wird empfoh-len, dem Verbraucher online einMusterformular für den Widerruf zurVerfügung zu stellen.

Im Falle einer Rücksendung hat vonnun an der Verbraucher die Kosten zutragen, sollte der Online-Händler diesenicht freiwillig übernehmen wollen. DieKosten für das Versenden der Ware anden Käufer als Standardlieferung trägtjedoch im Widerrufsfall der Händler.Bei erfolgtem Widerruf muss dieser denKaufpreis innerhalb von 14 Tagenerstatten, sofern er die Ware vomVerbraucher zurück erhalten hat oderder Nachweis der Rücksendung vomVerbraucher erbracht wurde. Fortansind Online-Händler verpflichtet, den

Verbraucher deutlich auf seine Zah -lungs verpflichtungen mittels eines spe-ziell eingefügten Buttons hinzuweisen.Damit sollen insbesondere sog. Abo-Fallen verhindert werden.

Die zum 12. Juni 2014 ablaufendeUmsetzungspflicht bedeutet, dass alleOnline-Händler ihre AGB’s rechtzeitigunter Berücksichtigung aller durch dieRichtlinie eingeführten Neuerungenüberarbeiten und ergänzen müssen.Größte Sorgfalt ist nicht nur bei derÄnderung der Widerrufsbelehrung,sondern auch bei den zum Teil neu geregelten Informationspflichtengegen über dem Verbraucher in Bezugauf Lieferbeschränkungen, Zahlungs -arten, Gewährleistungsrechte etc., walten zu lassen.

3. Vorlage an den EuGH:Deutsch vor italienischenGerichten nur für Italiener?

Angesichts des europarechtlich veran-kerten Diskriminierungsverbotes zwi-schen den Mitgliedsstaaten mutet esmerkwürdig an, dass folgende Fragetatsächlich diskutiert und im Wegeeines Vorabentscheidungsersuchensdes Landesgerichts Bozen dem EuGHvorgelegt wurde: Dürfen nur italie -nische Staatsbürger die deutscheSprache vor den Gerichten der ProvinzBozen benutzen oder profitieren auchausländische Staatsbürger von dieserdem Minderheitenschutz in Italien dienenden Regelung?

Hintergrund ist, dass in Italien, ein-schließlich der Region Südtirol, grund-sätzlich die italie nische Sprache alsGerichtssprache vorgeschrieben ist und die vor den Gerichten in derProvinz Bozen geltende Ausnahme -regelung nur aus Gründen des Minder-heiten schutzes für die dort ansässige,deutschsprachige Bevölkerung ein-geführt wurde. Dennoch hatte eine deutsche Staatsbürgerin vor dem Lan desgericht Bozen in deutscherSprache geklagt. Formell-rechtlich ge-sehen hätte das Landesgericht Bozendie Klage nach italienischem Recht für nichtig erklären müssen. Es hattejedoch Zweifel daran, ob eine Ab-weisung der Klage wegen Nicht -beachtung der Gerichtssprache nichtgegen Europarecht verstoßen würde.

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Der EuGH hat in seiner Entscheidungvom 27.03.2014 (C-322/13) dieseFrage zu Recht bejaht und deutlichgemacht, dass die gegenteilige Auf fas -sung gegen das Verbot der Diskri minie -rung aus Gründen der Staatsange -hörigkeit und die den Unionsbürgerngarantierte Freizügigkeit verstoße.

Die von der italienischen Regierungvorgebrachten Argumente, das Ver -fahren werde erschwert und kosten-aufwendiger, wenn auch ausländische EU-Bürger die deutsche Sprachegebrauchen dürften, sah der EuGH imRahmen seiner Abwägung nicht alsdurchgreifend an. Nach dieser EuGH-Rechtsprechung kann eine Gerichts -standsvereinbarung zu Gunsten derGerichte in der Provinz Bozen durch-aus auch von deutschen Unter neh mernin Betracht gezogen werden.