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2 Ausgabe 2 – 2015  Mehr Flugzeuge, mehr Sicherheit Viel weniger gefährliche Flugzeugannäherungen „Wir dachten: Eine Million Flüge, mehr geht nicht.“ Interview mit DFS-Pressesprecher Axel Raab Als der „Klassenfeind“ zum Kollegen wurde Mit der Wiedervereinigung wurden die Fluglotsen der DDR-Interflug in die bundesdeutsche BFS integriert.  DFS damals … Früher war zwar nicht alles besser, aber vieles schon richtig gut – dank Improvisationsgeschick, Ingenieurskunst und viel Handarbeit.

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Ausgabe 2 – 2015

 Mehr Flugzeuge, mehr SicherheitViel weniger gefährliche Flugzeugannäherungen

„Wir dachten: Eine Million Flüge, mehr geht nicht.“Interview mit DFS-Pressesprecher Axel Raab

Als der „Klassenfeind“ zum Kollegen wurdeMit der Wiedervereinigung wurden die Fluglotsen der DDR-Interflug in die bundesdeutsche BFS integriert.

 

DFS damals …Früher war zwar nicht alles besser, aber vieles schon richtig gut – dank Improvisationsgeschick, Ingenieurskunst und viel Handarbeit.

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Ausgabe 2 – 2015

… und heuteDie DFS kontrolliert jedes Jahr rund drei Millionen Flugbewegungen. Dank moderner Technik ist das Fliegen heute viel sicherer – trotz enormen Verkehrswachstums.

 Mehr Flugzeuge, mehr SicherheitViel weniger gefährliche Flugzeugannäherungen

„Wir dachten: Eine Million Flüge, mehr geht nicht.“Interview mit DFS-Pressesprecher Axel Raab

Als der „Klassenfeind“ zum Kollegen wurdeMit der Wiedervereinigung wurden die Fluglotsen der DDR-Interflug in die bundesdeutsche BFS integriert.

 

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Editorial

Der Geist des Erfolgs

Liebe Leserinnen und Leser,

in dieser Ausgabe des DFS-Magazins beschäftigen wir uns mit der Vergangenheit und der Zukunft der deutschen Flugsicherung. Passenderweise war am 21. Oktober 2015 der „Back to the Future“-Tag, dem sogar die Tagesschau-Redaktion auf ihrer Homepage eine besondere Sendung widmete. In dem Kinoklas-siker „Zurück in die Zukunft“ aus dem Jahr 1985 lan-det Darsteller Michael J. Fox mit seiner Zeitmaschine just an diesem Tag in der Welt von Morgen. Der Hol-lywood-Film war auch deshalb so erfolgreich, weil der Zukunft seit jeher etwas Faszinierendes anhaf-tet. Das Ungewisse ist eben spannend. Wer hätte sich beispielsweise vor dreißig Jahren vorstellen können, dass heute sogar Kinder mit kleinen Minicomputern ausgestattet sind – Smartphones, die weitaus mehr Rechenkapazität besitzen als die Computer an Bord der NASA-Raumfähren zum Mond?

Die Flugsicherung ist ein sehr gutes Beispiel dafür, welch gewaltige Veränderungen selbst die relativ nahe Zukunft mit sich bringen kann. Im Jahr 1990 hat die damalige Bundesanstalt für Flugsicherung rund eineinhalb Millionen Flüge kontrolliert. Wer hätte damals ahnen können, dass es 18 Jahre später, im Jahr 2008, 3,15 Millionen sein würden? Obwohl die Fluglotsen doch schon Mitte der 1980er-Jahre das Gefühl hatten, mehr Flugverkehr sei jetzt aber wirk-lich nicht mehr zu bewältigen. Das Jahr 2008 war das bisher verkehrsreichste in der Geschichte der DFS. Seither kontrollieren die Fluglotsen der DFS jährlich rund drei Millionen Flugbewegungen. Herausragend dabei ist, dass die Flugsicherung nicht nur ihre Kapazität in diesem enormen Maße steigern konnte, sondern gleichzeitig noch die Sicherheit deut-lich größer geworden ist.

Genau mit diesem Willen werden wir auch weiterhin in der Zukunft vorankommen. Es geht dabei nicht nur darum, noch sicherer zu werden und noch mehr Kapazität bereitstellen zu können. Sondern wir müs-sen diese Erfolge jetzt im Rahmen der europäischen Regulierung in einem viel schwierigeren ökonomi-schen Umfeld erreichen. Dennoch bin ich mir sicher,

dass der deutschen Flugsicherung eine glänzende Zukunft bevorsteht. Als John F. Kennedy 1962 ver-kündete, dass noch vor Ablauf des Jahrzehnts Ame-rikaner den Mond betreten würden, sagte er einen Satz, der mir mit Blick auf die Zukunft oft in den Sinn kommt: „Wir werden zum Mond fliegen, nicht weil es einfach ist, sondern weil es schwierig ist, weil wir bereit sind, diese Herausforderung anzunehmen.“ Die-ser Geist ist es, den wir im Unternehmen pflegen. Die-ser Geist hat uns weit gebracht. Und er wird uns auch zukünftig weit bringen.

Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen

Prof. Klaus-Dieter Scheurle Vorsitzender der DFS-Geschäftsführung

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Inhalt

6 transmission 2 – 2015

Flugverkehrskontrolle

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FlugverkehrskontrolleFlugverkehrskontrolle

1995

2012

2015

1993

Flugsicherung in Deutschland S.4

„Wir dachten: Eine  Million Flüge, mehr geht nicht.“ S.8

Die neue Welt des Lotsen(s) S.20

Flugverkehrskontrolle4 Flugsicherung in Deutschland

Wichtige Erfindungen wie das Sekundärradar haben die Entwicklung von 1911 bis heute geprägt.

7 Mehr Flugzeuge, mehr SicherheitDie DFS hat in den vergangenen Jahrzehnten einen riesi-gen Verkehrsanstieg bewältigt.

8 „Wir dachten: Eine  Million Flüge, mehr geht nicht.“Interview mit DFS-Pressesprecher Axel Raab, der bis Mitte der 1990er-Jahre Fluglotse war.

Technik11 Raffinesse mal zwei

Die alte Radartechnik erforderte noch viel Handarbeit. Ein besondere Rolle spielten Quarzscheiben.

13 Neue Augen für  FluglotsenDie Radaranlagen der DFS werden moderner, leistungs-fähiger und effizienter.

14 SystemwechselDie DFS erhält mit iCAS erstmals ein einheitliches Flug-sicherungssystem.

Forschung und Entwicklung16 SESAR treibt den Inno vationsmotor an

Das Programm ist das technologische Standbein der EU-Initiative Single European Sky.

18 Ungeteilte LufträumeMit der Idee des sektorlosen Fliegens geht die deutsche Flugsicherung neue Wege.

20 Die neue Welt des Lotsen(s)Der Bereich „Planung und Innovation“ bringt sich national und international ein.

24 Es muss nicht immer das Maximum seinWenn man den Kerosinverbrauch weiter reduzieren will, kommt es auf jede kleine Verbesserung an.

26 Auf der Suche nach der optimalen FlugbahnEin Gastbeitrag der TU Dresden: Welche Kriterien müssen bei der Trajektorie beachtet werden?

Geschichte29 Als der „Klassenfeind“ zum Kollegen wurde

Nach der Wiedervereinigung wurde die DDR-Inferflug in die bundesdeutsche BFS integriert.

Aus der DFS34 DFS-Nachrichten

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Flugverkehrskontrolle

Flugsicherung in DeutschlandInnerhalb eines Jahrhunderts ist das Flugzeug zum Mas-sentransportmittel geworden. Rund drei Millionen Starts, Landungen und Überflüge pro Jahr werden heute allein im deutschen Luftraum gezählt. Das ist einer Reihe wichtiger Erfindungen zu verdanken.

1911 Der „Luftfahrerwarndienst“ wird gegründet. In zwei Zentralen, in Frankfurt und am Scharmüt-

zelsee, laufen über rund 500 Telegrafenstationen Wetterinforma-tionen aus ganz Deutschland ein. Von dort aus werden über Funk-telegrafie die Besatzungen von Luftschiffen vor Sturm, Nebel oder Gewittern gewarnt – es sind die ersten Luftfahrzeuge, mit denen regelmäßiger Luftverkehr betrieben wird.

60er Jahre Das Jet-Zeit-alter hat begonnen:

Die Flugzeiten verkürzen sich, das Flugzeug wird zum Massentrans-portmittel. Die hohen Geschwindig-keitsunterschiede zwischen Pro-peller- und Jet-Flugzeugen sind für die Flug sicherung eine Herausfor-derung: Es werden große Mittelbe-reichs-Radaranlagen installiert, damit sich die Lotsen ein besseres räumli-ches Bild der Luftlage machen kön-nen – sie sind dazu bislang auf die Positionsmeldungen der Piloten und auf Funkpeiltechnik angewiesen. Das Streckennetz wird neu geordnet, der Luftraum in einen unteren und einen oberen Bereich unterteilt.

1968Das Sekundärradarsystem SSR wird eingeführt. Während beim Pri-märradar die Radarwellen nur passiv reflektiert werden, sendet das

Sekundärradar einen Abfrageimpuls, der von einem im Luftfahrzeug eingebauten Trans-ponder erwidert wird. Erstmals sehen die Lotsen nicht nur die Position der Flugzeuge auf dem Radarschirm, sondern können auch ihre Kennung und Flughöhe identifizieren.

1955Zunächst in Frankfurt, Hamburg und Düsseldorf, im Laufe der 60er-Jahre dann auch in Hannover, München und Stuttgart werden Flug-

hafen-Rundsichtradaranlagen errichtet, um die Flugzeuge im Nahbereich der Flughä-fen zu erfassen. Ende des Jahrzehnts führt die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO UKW-Drehfunkfeuer (VHF-Omnidirectional Radio Range, VOR) als Standard- Navigationshilfen ein, um die Führung auf den Luftfahrtstraßen zu verbessern.

1927Der plan mäßige Verkehr mit Flug-

zeugen nimmt zu, die „Zentralstelle für Flugsicherung“ wird gegrün-det. Die Einführung von Bordfunk-geräten macht es möglich, die Position eines Luftfahrzeugs per Funk peilung vom Boden aus zu bestimmen – eine große Hilfe für die Piloten: Mangels geeigneter Bordinstrumente mussten sie sich auf den Nachtflugstrecken bislang an optischen Befeuerungsanlagen orientieren.

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1948/49 Berliner Luftbrücke: Mehr als ein Jahr lang wird West-Berlin aus der Luft versorgt, rund

900 Flüge pro Tag drängen sich durch drei Luftkorridore. Die Radartechnik macht es den alliierten Fluglotsen möglich, die Flugzeuge eng hintereinander zu staffeln. Außerdem wird eine Höhenstaffelung eingeführt, da unterschiedliche Flugzeugtypen mit verschiedenen Geschwindigkeiten im Einsatz sind.

1971Um den wachsenden Flugverkehr zu bewältigen, wird die Stelle eines Flughafenkoordinators geschaffen. Er

entscheidet über die Verteilung der An- und Abflug-Slots an deutschen Flughäfen. In Bremen beginnt die Bundesanstalt für Flugsicherung damit, ihre Radaranlagen weiter auszubauen. Insgesamt entstehen sechs zusätz-liche Mittelbereichs-Radaranlagen. Sie gewährleisten zusammen mit den bereits bestehenden Anlagen eine lückenlose und doppelt gesicherte Radarüberwachung.

1978Das Radardaten-Darstellungs-system DERD nimmt seine

Arbeit auf. Die Rechneranlage wertet die Daten von mehreren Radaranlagen parallel aus und stellt die erfassten Flugzeuge auf dem Radarschirm dar. An jedem Flugziel erscheint ein Etikett mit der Flugnummer, Flughöhe und Geschwindigkeit. Anfang der 80er-Jahre geht ein rechnergesteu-ertes System für den zentralen Kontrollstreifen-druck in Betrieb. Es liefert zu jedem Luftfahr-zeug nun einen Streifen mit den Flugplandaten, auf dem der Lotse seine Anweisungen notiert.

1953Die Bundesanstalt für Flugsicherung

wird gegründet, der Aufbau eines Flugsicherungssystems beginnt. Als erster Schritt werden an allen deut-schen Verkehrsflughäfen Instrumen-ten-Landesysteme (ILS) installiert. Dabei senden je ein Gleitweg- und Landekurssender auf UKW vertikale und horizontale Fächerstrahlen aus, die der Pilot an seinem ILS-Anzeige-gerät überwacht. So ist sichergestellt, dass das Flugzeug beim Landeanflug den richtigen Kurs und den richtigen Gleitwinkel hat.

1932Die Lorenz AG entwickelt das erste UKW-Lande-feuer. Es erleichtert die Landung, indem es Morse-

zeichen funkt: Links vom genauen Landekurs werden Punkte über-tragen, rechts Striche. Befindet sich das Flugzeug genau auf dem Landekurs, dann überlagern sich die beiden Zeichen und der Pilot hört einen Dauerton. So können Flugzeuge nun auch bei schlechter Sicht sicher landen.

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Flugverkehrskontrolle

1995Als eine der ers-

ten Flugsicherungsorgani-sationen weltweit führt die DFS satellitengestützte Systeme als ergänzende Navigationsmittel bei An-flügen ein.

1999Das neue Flugsicherungssystem P1/ATCAS geht in Betrieb. Es ist ein Multiradar-Trackingsystem, das die Daten von meh-

reren Radarantennen gleichzeitig verarbeitet, so dass Zielausfälle und Ungenau-igkeiten ausgeglichen werden. Die Mindeststaffelung, die beim Vorgängersys-tem DERD bis zu zehn nautische Meilen betrug, kann so auf die Hälfte reduziert werden. Das System ist bis heute in den Kontrollzentralen der DFS im Einsatz, in denen der untere Luftraum überwacht wird.

2010In der Kontrollzentrale Karlsruhe, die einen großen Teil des obe-ren Luftraums überwacht, geht das neue Flugsicherungssystem

P1/VAFORIT in Betrieb. Es ersetzt das System KARLDAP, das mehr als 30 Jahre lang genutzt wurde. Wesentliches Merkmal von P1/VAFORIT ist die vierdimensi-onale Darstellung der Flugtrajektorie: Das System ist nicht nur in der Lage, die aktuelle Position der Luftfahrzeuge anzuzeigen, sondern berechnet auch ihren zukünftigen Weg. Diese Funktionen ermöglichen es den Lotsen, Konflikte früh-zeitig zu erkennen. Kontrollstreifen aus Papier gibt es bei VAFORIT nicht mehr: Die Lotsen machen ihre Eingaben direkt am Bildschirm.

2012Das satellitengestützte Präzisionsanflug- und Landesystem GBAS am Flughafen Bremen erhält die Zulassung als primäres

System. Es darf damit unabhängig von dem seit Jahren genutzten Instrumentenlan-desystem für Anflüge unter Instrumentenflugbedingungen genutzt werden. GBAS arbeitet nach dem sogenannten Differential-Global-Positioning-System-Verfahren. Dabei wird die Genauigkeit und Integrität von GPS für das Flugzeug durch die Aus-strahlung und Verarbeitung von Korrekturdaten erhöht. Wenn Flugzeuge in der Zukunft durchgängig mit den entsprechenden Bord empfängern ausgerüstet sind, kann GBAS das ILS ablösen.

2015Die DFS hat das Projekt „Remote Tower Control“ gestartet, um den Flugverkehr an verkehrsarmen Standorten – zunächst

in Saarbrücken, später dann in Erfurt und Dresden – künftig zentral von Leip-zig aus zu kontrollieren. Dazu werden im Sommer auf dem Tower Saarbrücken Kameras und Sensoren installiert, die die Außensicht ersetzen. Außerdem wird eine Konsole aufgebaut, an der Lotsen die neue Technik testen. Die ersten betrieblichen Validierungen werden erfolgreich abgeschlossen.

1993Die Bundesanstalt für Flugsicherung wird hin-sichtlich ihrer Organisationsform privatisiert:

Gründung der bundeseigenen DFS Deutsche Flugsicherung GmbH.

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1975744 Tsd.

210

2312

6

Flugbewegungen und Luftfahrzeugannäherungen

4 3 5

19952034 Tsd.

20002548 Tsd.

20083150 Tsd.2004

2719 Tsd.

20122994 Tsd.

20142980 Tsd.

Bis Anfang der 1980er-Jahre waren Flugreisen nicht für jedermann eine Selbstverständ-

lichkeit. Damals war es einer eher wohl-habenden Minderheit oder Geschäftsrei-senden vorbehalten, mehrmals im Jahr in ein Flugzeug zu steigen. Das ist heute ganz anders. Eine Pauschalreise ans Mit-telmeer oder eine Städtereise per Flug-zeug gönnen sich die meisten Deutschen regelmäßig. Und auch bei der Luftfracht sind die Ansprüche gestiegen: Äpfel aus Neuseeland oder frischer Fisch aus Alaska fehlen heute in keinem Supermarkt. Diese und viele andere Güter werden mit dem Flugzeug transportiert.

Für die deutsche Flugsicherung bedeu-tete dieser rasante Anstieg der Verkehrs-zahlen eine enorme Kraftanstrengung. Sie musste quasi aus einer schmalen Landstraße innerhalb relativ kurzer Zeit eine achtspurige Autobahn machen. Von rund 750.000 Flugbewegungen Mitte der 1970er-Jahre wuchs der Luftverkehr bis zu den jährlich rund drei Millionen Flügen, die die DFS seit Ende der Nullerjahre kon-trolliert.

Möglich gemacht haben diesen rasan-ten Verkehrsanstieg eine bessere Flug-sicherungstechnik und eine effizientere Luftraumnutzung. Dabei spielte auch die zivil-militärische Kooperation eine ent-

scheidende Rolle, die die DFS 1994 umge-setzt hat. Die militärische und zivile Luft-fahrt teilen sich heutzutage Lufträume, sodass große rein militärisch genutzte Gebiete in Deutschland der Vergangen-heit angehören. Im Single-European-Sky-Programm der EU soll dies künftig sogar europaweit möglich sein.

Vor allem der verbesserten Technik ist es zu verdanken, dass das Fliegen in den vergangenen Jahren trotz des Verkehrs-wachstums viel sicherer geworden ist. Den Fluglotsen stehen heute Hilfsmittel zur Verfügung, von denen die Air- Traffic-Controller der 1970er-Jahre nur träu-men konnten. Auch die Piloten können mit einem Kollisionswarnsystem an Bord drohende Konflikte rechtzeitig erkennen. Dadurch ist die Anzahl der gefährlichen Flugzeugannäherungen (Airproxe) stark zurückgegangen: Waren es 1975 noch 104 der Kategorie A (Gefahr einer Kolli-sion) und 106 der Kategorie B (Sicherheit des Luftfahrzeugs beeinträchtigt), so ist die Zahl der Airproxe heutzutage konstant niedrig. 2014 gab es keine Annäherung der Kategorie A und nur 5 der Kategorie B.

Sandra Ciupka

Mehr Flugzeuge, mehr SicherheitDie DFS hat in den vergangenen drei Jahrzehnten einen riesigen Verkehrsanstieg bewältigt. Zudem ist das Fliegen heute viel sicherer als früher.

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Flugverkehrskontrolle

Können Sie sich noch an Ihren ersten Tag bei der Flugsicherung erinnern?

AXEL RAAB: Oh ja, sehr genau: Das war der 28. Januar 1974. Am Abend zuvor war ich in Bad Zwischenahn in den Zug gestiegen, und am nächsten Morgen kam ich in München völlig übermüdet an. Ich bin dann gleich nach München-Riem zur Flugsicherungsschule, in aller Frühe – die

waren noch gar nicht darauf vorbereitet und haben mich erst mal ins Wohnheim geschickt, wo ich mich noch ein bisschen hinlegen konnte. Später bin ich dann wie-der zur Schule gefahren, dort wurden wir als allererstes vereidigt. Wir als Lotsen-schüler waren Regierungsinspektoranwär-ter, also Beamte auf Widerruf – das hat sich erst 1993 mit der Organisationspriva-tisierung geändert, seither sind Fluglotsen

normale Angestellte. Anschließend begann erst die theoretische und dann die prak-tische Ausbildung, und danach habe ich bis Mitte der 90er-Jahre als Lotse in der Kontrollzentrale am Frankfurter Flughafen gearbeitet.

Haben es die Lotsen heute eigentlich leichter oder schwerer als damals?

„Wir dachten: Eine  Million Flüge, mehr geht nicht.“Als Axel Raab seine Ausbildung zum Fluglotsen begann, waren die Radarschirme rund und die Flugzeuge waren eine Punktewolke, die man sich einprägen musste, um den Überblick nicht zu verlieren. Im Interview spricht der heutige Pressesprecher über stundenlange Warteschleifen, eingefrorene Radarbilder und einen Vorfall, bei dem ihm der Schreck bis in den kleinen Zeh fuhr.

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RAAB: Ich würde sagen: weder noch. Das Verkehrsaufkommen ist heute natür-lich wesentlich höher. Auf der anderen Seite waren die Sektoren, für die ein Lotse zuständig ist, damals zum Teil deut-lich größer als heute; der Einzelne hatte also viel zu tun. Erschwerend kam hinzu: In den Anfangsjahren gab es keine zent-rale Verkehrsflusssteuerung. Es gab also längere Phasen mit relativ wenig Verkehr, aber dazwischen immer wieder Peaks, in denen der Verkehr plötzlich wahnsinnig angestiegen ist – dann kamen die Flug-zeuge wie die Heuschrecken angeflogen. Da hat man manchmal gar nicht mehr durchgeblickt, welches Flugzeug gerade wo ist. Und es kam zu großen Verspätun-gen. Nicht nur bei Verkehrsspitzen, son-dern auch bei schlechtem Wetter, zum Bei-spiel bei Nebel.

Warum das? Mit Hilfe des Instrumen-tenlandesystems können Flugzeuge doch auch bei schlechter Sicht landen.

RAAB: Ja, aber es gibt verschiedene Kategorien. Damit auch bei absolut schlechter Sicht gelandet werden kann, muss der Flughafen für Allwetterbetrieb ausgerüstet sein, man bezeichnet das als CAT III. Am Frankfurter Flughafen war aber kein Allwetterbetrieb möglich, weil das ILS dort zu nah an der Autobahn stand und vom Verkehr gestört wurde. Die Flug-zeuge kamen bei schlechtem Wetter aber trotzdem, wohl wissend, dass sie erst ein-mal nicht landen können – aber nach dem Prinzip „first come, first served“ wollten sie die ersten sein, die an die Reihe kom-men, wenn der Nebel nachlässt. Manch-mal waren die Warteschleifen bis oben hin voll, teilweise sind die Flugzeuge bis zu zwei Stunden lang gekreist.

Eine ganz schöne Treibstoffverschwen-dung.

RAAB: Nicht nur das. Für uns Lotsen war das Problem, dass wir den Überflug-verkehr um die Holdings herumlenken

mussten. Irgendwann haben wir überlegt: Was soll dieser Blödsinn? Also haben wir damit begonnen, diejenigen Flüge zu beeinflussen, die in Deutschland starten. Bei schlechtem Wetter haben wir bei den Piloten noch vor dem Start nachgefragt, welches ihre geschätzte Ankunftszeit für Frankfurt ist. Diese Zeit haben wir notiert und den Piloten gesagt, dass sie erst mal am Boden bleiben sollen – so lange bis der Wetterdienst anruft und meldet, dass die Lage besser wird. Bei den Landungen richteten wir uns dann nach dieser Rei-henfolge, die wir vor dem Start abgefragt hatten. Es musste also niemand mehr über Frankfurt kreisen, bloß, um als Ers-ter landen zu können. Irgendjemand hat dann gesagt: Das ist ein tolles System, das können wir institutionalisieren. Daraus entstand dann die Luftraumnutzungszen-trale – das war eine große Erleichterung für die Lotsen. Heute werden die Verkehrs-flüsse nicht nur in Deutschland, sondern europaweit gesteuert, vom Network Mana-ger Operations Center in Brüssel.

Sie sagten, dass es als Lotse manch-mal schwierig war, den Überblick über die Verkehrslage zu behalten. Gab es denn keine Hilfsmittel?

RAAB: Als ich als Lotse angefangen habe, wurde auf dem Radarschirm nur die Position der Flugzeuge angezeigt. Man musste sich also merken, welches Flugzeug zu welchem Punkt gehört. Das wurde in der Ausbildung auch trainiert: Da mussten wir uns erst das Radarbild einprä-gen und dann eine Runde um das Center laufen, in der Zeit hat sich das Bild natür-lich bewegt. Und wenn wir dann nach zwei oder drei Minuten wieder zurück waren, mussten wir die Punkte auf dem Schirm wieder richtig zuordnen – das waren so zehn, zwölf Flieger, das ist gar nicht so einfach. Die Technik hat sich allerdings mit Riesenschritten verändert. Als ich 1975 nach Frankfurt kam, wurde dort bereits das Flugsicherungssystem „DERD“ ein-geführt. Das steht für „Darstellung extra-

hierter Radardaten“, das System lieferte zusätzlich eine Information über Höhe und Geschwindigkeit. Neben dem digita-len gab es aber immer noch das analoge Radar. Das war auch ganz gut so, denn das digitale Radar war damals lange nicht so genau wie heute.

Wie genau war es denn?

RAAB: Wenn man einem Piloten die Anweisung gegeben hatte, eine Kurve zu fliegen, dauerte es manchmal ganz schön lange, bis man die Bewegung auf dem Radarschirm gesehen hat. Deshalb mussten wir die Maschinen auch in einem Abstand von acht nautischen Meilen staf-feln. Wenn es mal eng wurde oder wir einen Turn schneller sehen wollten, haben wir dann aufs analoge Radar umgeschal-tet. Dann konnten wir die Staffelung auf fünf oder sogar nur drei nautische Meilen reduzieren. Anfangs war es allerdings so, dass das System nur Höhe und Geschwin-digkeit angezeigt hat. Später gab es dann die Möglichkeit, jedem Flugzeug einen indi-viduellen Code zuzuweisen, um sie besser auseinanderhalten zu können. Das macht das System heute automatisch, damals aber musste das von Hand gemacht wer-den – und wenn viel Verkehr war, kam der Koordinationslotse oft nicht hinter-her. Dann hatte man Flugzeuge mit Call-sign auf dem Schirm und welche ohne, die wurden nur als kleines Dreieck darge-stellt. Es gab übrigens damals noch etli-che Kollegen, die nach dem Krieg von den Amerikanern zu Fluglotsen ausgebildet worden waren. Die hatten noch gelernt, ohne Radar auszukommen. Diese Art des Arbeitens haben wir in der Ausbildung zwar auch geübt, aber wegen des hohen Verkehrsaufkommens war das eigentlich gar nicht mehr machbar. Es war aber gut, weil wir uns behelfen konnten, wenn das Radar mal stehenblieb oder ausgefallen ist. Das kam anfangs immer wieder mal vor. Die Anlagen waren ja auch noch nicht so redundant aufgebaut wie heute.

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10 transmission 2 – 2015

Flugverkehrskontrolle

War Fliegen zu dieser Zeit genauso sicher wie heute?

RAAB: Es gab zwar sehr viel weni-ger Verkehr, aber viel mehr Vorfälle. In den 70er- und 80er-Jahren hatten wir in Deutschland zum Teil mehr als 300 gefähr-liche Annäherungen pro Jahr, das ist eine im Vergleich zu heute irre hohe Zahl. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass damals der Instrumentenflugverkehr noch nicht so strikt von den Sichtflügen getrennt war. Sichtflieger durften sehr hoch steigen, bis auf Flugfläche 195 – also in 19.500 Fuß, das entspricht einer Höhe von etwa sechs Kilometern. Auch die Militärs flogen so hoch, und rund um Frankfurt gab es ja jede Menge US-Militärplätze – die knallten alle durch unseren Luftraum durch, des-halb war die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Vorfall viel größer. Ich erinnere mich an ein Ereignis, als zwei Starfigh-ter sich bei Würzburg einer Passagierma-schine der Lufthansa angenähert hatten und der Pilot daraufhin in den Sturzflug ging. Das war dann der Auslöser, dass endlich was gemacht wurde: Der Schutz-bereich um den Flughafen wurde ausge-dehnt, die Obergrenze für Sichtflüge auf Flugfläche 100 abgesenkt.

Haben Sie selbst mal einen sicherheits-relevanten Vorfall erlebt?

RAAB: Ich hatte mal eine Confliction, die mir bis in den kleinen Zeh ging. Eine DC 10 war in Frankfurt gestartet und wollte in Richtung Kassel, ich hatte sie auf einem Radarkurs nach Flugfläche 160 freigege-ben. Als mir das Radar die Höhe von 114 anzeigte, habe ich sie in Richtung Kassel gedreht. In Gegenrichtung war bei Limburg ein zweimotoriges Flugzeug in Flugfläche 110 unterwegs – das war zumindest die Anzeige auf dem Radarschirm. Als ich das nächste Mal hinguckte, waren beide Flug-zeuge unmittelbar nebeneinander auf glei-cher Höhe. Die DC 10 war also gar nicht in Flugfläche 114, sondern in 109, offen-bar eine Fehlanzeige des Radars. Ich habe

einen Riesenschreck bekommen und dem Piloten sofort Anweisung zum Ausweichen gegeben, aber der gab sofort Entwarnung: Er hatte Sichtkontakt zu dem anderen Flug-zeug, und es war noch genug Abstand. Da ist mir ein Riesenstein vom Herzen gefallen.

Was haben Sie danach gemacht?

RAAB: Heute wird Lotsen, denen so etwas passiert, ein spezielles Programm angeboten, um den Stress nach solch einem kritischen Ereignis bewältigen zu können. Das gab es früher noch nicht, da hat der Wachleiter einen höchstens mal in die Pause geschickt. Und man hat eine Ermahnung bekommen, dabei hat das doch keiner absichtlich gemacht. Die Angst vor einem Disziplinarverfahren hat dazu geführt, dass viele Vorfälle gar nicht erst gemeldet wurden. Zumindest dann, wenn es nicht so dramatisch war – so ganz genau war der Abstand auf dem Radar eh nicht zu sehen. Das wäre heute nicht mehr möglich. Inzwischen gibt es in den Kontrollzentralen der DFS ein automa-tisches Konflikterkennungssystem. Das registriert sogar, wenn der Abstand mal nicht fünf, sondern nur 4,9 Meilen beträgt, auch wenn der Lotse das auf dem Radar gar nicht erkennt.

In Ihrer Zeit als aktiver Lotse ist der Verkehr enorm gestiegen. Wann haben Sie gedacht: „Mehr Verkehr geht jetzt wirklich nicht mehr“?

RAAB: Das war so Mitte der 80er-Jahre, als wir erstmals mehr als eine Million Flugbewegungen in Deutschland hatten. Da waren wir uns als Lotsen einig: Mehr geht nicht. Und mit dem Werkzeug, das wir damals hatten, wäre auch nicht mehr gegangen. Es ist eben immer modernere Technik gekommen und neue, bessere Ver-fahren. Heute haben wir rund drei Millio-nen Flüge pro Jahr, und wir sind sicherer und pünktlicher denn je. Damals konnten wir uns eben noch nicht vorstellen, was da noch alles entwickelt wird.

Die Fragen stellten Christopher Belz und Sandra Ciupka

Zur Person

Axel Raab kann auf eine mehr als 40-jährige Karriere bei der Flugsiche-rung zurückblicken. 1974 begann der heute 64-Jährige, der aus der Nähe von Oldenburg stammt, seine Ausbildung zum Fluglotsen. Anschließend arbei-tete er in der Kontrollzentrale Frank-furt, wo er im Laufe der Jahre Zusatz-aufgaben – als Ausbildungsleiter und bei der Untersuchung von Vorfällen – übernahm. 1995 wechselte Raab in die Unternehmenskommunikation. Dort ist er bis heute Leiter des Bereichs Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

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Technik

Janus, der Gott des Anfangs und des Endes, blickte in der römischen Mythologie mit sei-nen zwei Köpfen nach vorne und zurück. Und

so tat es auch die Radaranlage SRE-LL der deut-schen Flugsicherung. Janus-Anlage wurde sie deshalb genannt, ein Meisterwerk der Firma Telefunken. Um die Genauigkeit der Zielerfassung zu erhö-hen, hatte die Firma zwei Radaran-lagen ineinander gebaut. Die Umdrehung einer Anlage dauerte elf Sekunden. Mit der doppelköpfigen Janus-Anlage wurde in dieser Zeit ein Ziel zweimal erfasst, die Luftlagedarstellung war dadurch viel aktueller und zuver-lässiger.

Die fünfte SRE-LL-Anlage der damaligen Bun-desanstalt für Flugsicherung ging 1976 in Gosheim auf der Schwäbischen Alb in Betrieb. SRE-LL steht für Surveillance Radar Equipment-Long Range. Das zweite L dafür, dass es eben eine doppelte Long-Range-Anlage war. 150 nautische Meilen war der Erfassungsbereich der SRE-LL, sie bestand aus zwei Primär- und zwei Sekundärradaranlagen, die jede für sich autark waren.

Herzschrittmacher reagierten

Flugsicherungsingenieur Dietmar Krüger war in den 1970er-Jahren beim Aufbau der Anlage in Gos-heim dabei. „Die Janus-Anlage war ein Riesenappa-rat, die heutigen Radaranlagen sind viel kleiner“, sagt er. 408 Impulse pro Sekunde sendeten die Anlagen

aus, mit einer Sendeleistung, die einem Vielfachen der heutigen Radaranlagen entsprach. Da die Emissi-onen damals viel höher waren als heute, mussten sich alle in Acht nehmen, die einen Herzschrittmacher tru-gen. „Die damalige Generation der Herzschrittmacher war so aufgebaut, dass der Schrittmacher im Inneren

des Körpers, die Batterie jedoch außerhalb platziert wurde. Die Kabelverbindung

dazwischen war wie ein Emp-fänger von Radarsignalen“,

erläutert Richard Euler, Leiter Radar-Hardware bei der DFS. Träger von Herzschrittma-chern mussten des-halb immer einen Sicherheitsabstand zu den Radar-Anlagen halten.

Bei den SRE-LL-Anla-gen war viel Handarbeit

gefragt. „Wir haben alle Repa-raturen selbst gemacht, beispiels-

weise Platinen gelötet. Und nach einem genauen Plan fanden täglich Wartungsarbeiten statt“, erzählt Dietmar Krüger. Die Anlage war in den Anfangsjahren rund um die Uhr besetzt, insge-samt waren dort 18 Mitarbeiter im Schichtbetrieb beschäftigt. Schließlich galt es unter anderem, die vier Antriebsmotoren und die drei Notstromaggre-gate in Schuss zu halten. Die heutigen Anlagen wer-den fernüberwacht, die Ingenieure kommen nur bei Bedarf vorbei.

Die Janus-Anlage war das Ergebnis einer militä-rischen Entwicklung, die zu Zeiten des Kalten Krie-ges vorangetrieben wurde. Sie war State-of-the-Art, sehr teuer und im gesamten NATO-Gebiet im Einsatz. Während heute bereits ein einzelnes Radarecho zur

Raffinesse mal zweiBereits Mitte der 1970er-Jahre verfügte die deutsche Flugsicherung über hoch-effiziente Radaranlagen. Was heute moderne Software und Hochleistungscom-puter schaffen, machten damals Ingenieurskunst und viel Handarbeit möglich. Eine besondere Rolle spielten Scheiben aus Quarz.

SRE-LL-Anlage in Gosheim

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Technik

Berechnung der Position eines Flugzeu-ges ausreicht, waren früher dafür zehn Antworten nötig. Die besondere Heraus-forderung damals wie heute: Die Anlage muss unbewegliche Ziele von beweglichen unterscheiden können. „In Gosheim berei-teten uns vor allem die Alpen Probleme, die natürlich auch ein Radarecho zurück-warfen“, sagt Dietmar Krüger.

Es musste eine

hochgenaue Signalverzö-

gerung gefunden werden

Heute ist das dank ausgeklügelter Soft-ware kein Problem. Um in den SRE-LL-Pri-märanlagen zu erkennen, ob sich ein Ziel bewegt, mussten zwei aufeinanderfol-gende Echoimpulse miteinander vergli-chen werden. Dazu wurde die Signallei-tung gesplittet. Auf einer Signalleitung wurde der eintreffende Impuls verzögert, auf der zweiten Signalleitung wurde der Impuls weitergeleitet. Am Ende beider Sig-nalleitungen wurde eine Vergleichsschal-tung installiert. Das Signal auf der Ver-zögerungsstrecke musste exakt solange

unterwegs sein, wie die Zeit zwischen zwei aufeinander folgenden Sendeimpul-sen ist. Das Echosignal, das nun an die-ser Stelle empfangen wurde, konnte jetzt in der Vergleichsschaltung mit dem Sig-nal auf der Verzögerungsstrecke, welches noch invertiert werden musste, verglichen werden. Wenn der verzögerte Impuls und der Nachfolgeimpuls in der Vergleichs-schaltung die gleiche Position und die gleiche Amplitude hatten, konnte davon ausgegangen werden, dass es sich um ein Festziel handelte, das gelöscht wer-den konnte. „Um die Radarsignale ohne Software und Speicher, die damals noch nicht zur Verfügung standen, verarbeiten zu können, musste eine hochgenaue Sig-nalverzögerung gefunden werden“, erklärt Richard Euler. Die Lösung war eine Quarz-scheibe, in der das modulierte Signal eine längere Laufzeit hatte, weil es sich in einem anderen Medium befand und weil es an mehreren geschliffenen Randflächen im Quarz reflektiert wurde. Da es sich bei der Verzögerung um wenige Millisekunden handelte, war es wichtig, dass die Verzö-gerungszeit auf die Mikrosekunde genau blieb. „Die Quarzscheiben mussten dafür temperaturkonstant in einer Art Quarz-ofen betrieben werden“, erläutert Krüger. „Darin waren sie mit Isolation und Heizung geschichtet.“

Turmbesteigungszulage

Untergebracht waren Technik und Stromversorgung für die Janus-Anlage in 91 Gestellschränken. „Mit so vielen Schränken kommen wir heute im gesam-ten Bundesgebiet aus“, sagt Richard Euler. Was früher analog war, ist heute digital und braucht weniger Platz. „Das Arbeiten hat damals mehr Spaß gemacht“, meint Dietmar Krüger. Die Arbeit der Ingenieure sei vielseitiger gewesen. Auch eine Turm-besteigungszulage gibt es längst nicht mehr. Als die Flugsicherung noch eine Behörde war und die DFS-Ingenieure noch Beamte, bekamen sie jedes Mal, wenn sie die Treppen zum Radar hinaufklettern mussten, um dort etwas zu warten oder in Stand zu setzen, 2,30 D-Mark.

Die SRE-LL-Anlage in Gosheim ging 1998 außer Betrieb. Nach und nach rüs-tete die DFS auf fernüberwachte Radaran-lagen um. Seit 2000 sind alle Janus-Anla-gen Geschichte. Und inzwischen ist es Zeit für die nächsten Erneuerungen. Das Pro-jekt dazu wurde gerade gestartet.

Sandra CiupkaAlles doppelt: Die Janus-Anlage war viel größer als heutige Radaranlagen.

Mit solchen Quarzscheiben wurde das

Signal auf die Mikrosekunde genau

verzögert.

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Unter dem Projektnamen MaRS hat die DFS damit begonnen, 28 Radaranlagen zu ersetzen. Das

Gebäude für das moderne Pilot-Radar ent-steht zurzeit am Standort Frankfurt West. Wenn diese Anlage technisch einwandfrei funktioniert und freigegeben ist, geht das Projektteam in die Fläche. In rund 15 Jah-ren wird dann die letzte alte Anlage außer Betrieb gehen.

„Radaranlagen sind die Augen der Fluglotsen – und die müssen auch künf-tig alle Verkehrsbewegungen im kontrol-lierten Luftraum zuverlässig erkennen“, beschreibt Dr. Uwe Lemke, Teilprojekt-leiter Systemmanagement, den Sinn und Zweck von MaRS. Gleichzeitig werden in dem Projekt Gebäude und technische Ein-richtungen erneuert und modernisiert. Ziel ist es, eine größtmögliche Standar-disierung bei den Radargebäuden, den Antennentürmen und den versorgungs-technischen Systemen zu erreichen. Seit dem Abschluss des vorherigen Radarer-neuerungsprogramms sind fast 15 Jahre vergangen. In vielen Anlagen steckt noch die Technologie der 80er-Jahre des ver-gangenen Jahrhunderts. „Wir bekommen dafür schon heute kaum noch Ersatzteile“, sagt Teilprojektleiter Surveillance Richard Euler. Dank der moderneren, vereinheit-lichten Technik können künftig Wartungs-intervalle verkürzt werden, die DFS muss weniger Ersatzteile vorhalten. Außerdem kann das Unternehmen die Anzahl der Radaranlagen von bisher 31 auf dann ver-mutlich 28 reduzieren.

Weniger Emissionen

Die neue Radartechnologie hat einen deutlich geringeren Energiebedarf als die alte. „Der Wirkungsgrad ist viel besser. Man könnte auch sagen: Die neuen Anla-gen heizen nicht mehr“, sagt Richard Euler. Was die Primär-Radaranlagen betrifft, wird sich die Pulsspitzenleistung um etwa 96 Prozent verringern. „Zusammen mit hoch-wertigen Antennen, verbesserten Empfän-gern und digitalen Signaldetektoren wer-den sie bei höherer Reichweite weniger Emissionen verursachen“, so Dr. Uwe Lemke. Außerdem können Störungen, wie sie etwa Windkraftanlagen verursachen, dank der größeren Rechenleistung effek-tiver identifiziert und zum Teil sogar berei-nigt werden.

Die Radargebäude, die vor den 1980er-Jahren gebauten wurden, sind stark sanie-rungsbedürftig. Sie stammen noch aus einer Zeit, in der es keine Fernüberwa-chung gab. Deshalb werden heute 60 bis 90 Prozent der vorhandenen Flächen gar nicht mehr genutzt. Mit MaRS werden jetzt die Gebäude verkleinert. „Aufgrund der alten Gebäudehülle haben wir bei die-sen Anlagen einen hohen Energiebedarf“, sagt Gesamtprojektleiter Jens Bünning. Das Projekt sieht vor, die veralteten, nicht mehr sanierungsfähigen Gebäude abzu-reißen. Was stehen bleiben kann, wird modernisiert.

Von den Umbauarbeiten sind alle Anla-gen betroffen. Um die Radarabdeckung jederzeit zu gewährleisten, wird es so genannte Interimsanlagen geben. Während zum Beispiel eine bestehende ASR-Anlage (für den Flughafennahbereich) umgebaut und saniert wird, übernimmt eine Interims-anlage ihre Aufgabe. An manchen Stand-orten können teilweise auch Radaranlagen von benachbarten ausländischen Flugsi-cherungen als Interimslösung dienen.

Sandra Ciupka

 

Noch nicht ganz fertig: Der Prototyp der neuen DFS-Radaranlage.

Neue Augen für  FluglotsenDie Radaranlagen der DFS werden moderner, leistungsfähiger und effizienter: Damit die Fluglotsen auch in Zukunft gut sehen können.

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Technik

Wer schon einmal ein neues Betriebssystem auf seinem Computer installiert hat, der

weiß: Die Tücke steckt im Detail. Mal meckert der Installationsassistent, mal funktioniert der Drucker nach der Ins-tallation nicht mehr, mal erweisen sich bestimmte Programme als nicht kompa-tibel. Und nach der Installation muss man sich erst einmal an die neue Oberfläche gewöhnen – und sucht nach Menüpunk-ten, die plötzlich woanders versteckt sind. Etwas Ähnliches, nur in sehr viel größerem Umfang, hat sich die DFS für die nächs-ten Jahre vorgenommen: Sie wird die Flug sicherungssysteme an ihren Kontroll-

zentralen Schritt für Schritt austauschen und durch ein modernes, einheitliches System ersetzen: iCAS. Freilich ist iCAS viel mehr als ein Betriebssystem: Es ist das zentrale System für den Betrieb. Mit seiner Hilfe werden die Fluglotsen der DFS künftig an allen Kontrollzentralen den Luft-verkehr kontrollieren.

Komplexes System

Ein neues Flugsicherungssystem zu entwickeln und einzuführen ist ein Rie-senprojekt. Und es ist eine Riesenher-ausforderung: Ein Flugsicherungssys-

tem ist nicht nur komplex; es muss auch von Anfang an so funktionieren, dass die Fluglotsen der DFS damit den Flugver-kehr am Himmel über Deutschland sicher und reibungslos kontrollieren können. Das bedeutet: Jede Komponente, jede Soft-wareversion, jede Funktion muss ausgie-big erprobt und getestet werden. Während die Betriebssysteme im Bereich der Per-sonal Computer alle paar Jahre komplett runderneuert werden, sind die Entwick-lungszyklen bei Flugsicherungssystemen sehr viel länger.

Von den Funktionen her ist iCAS mit dem 2010 in der Niederlassung Karls-

SystemwechselMit iCAS wird die DFS erstmals in ihrer Geschichte ein einheitliches Flugsicherungs-system in allen ihren Kontrollzentralen einführen. Ein Kraftakt, bei dem es auf jedes Detail ankommt.

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ruhe eingeführten System P1/VAFORIT verwandt. Auch iCAS basiert auf der so genannten 4D-Trajektorie. Das System stellt also nicht nur die Position der Luft-fahrzeuge im dreidimensionalen Raum dar, sondern nutzt zusätzlich Performance-Daten der Luftfahrzeuge, um den Flugver-lauf zu modellieren. Auf diese Weise ist es in der Lage, die Verkehrssituation voraus-zuberechnen und potenzielle Konflikte im Voraus anzuzeigen. Mit dieser Unterstüt-zung können die Fluglotsen besser planen und reagieren. Die vierdimensionale Tra-jektorie ist auch eine wichtige Vorausset-zung, um die Flugzeuge unabhängig von festgelegten Routen zum Ziel zu führen.

iCAS wird zunächst

in Karlsruhe für den

oberen Luftraum einge-

führt. Dann folgen Schritt

für Schritt die übrigen

Kontrollzentralen.

iCAS wird schrittweise eingeführt. In gut einem Jahr soll es zunächst an der Niederlassung Karlsruhe seinen Vor-gänger P1/VAFORIT ablösen. Anschlie-ßend ist die Einführung auch in den übri-gen Kontrollzentralen vorgesehen, von

denen aus der untere Luftraum kontrol-liert wird: zunächst in Bremen (2019/20), anschließend in München (2020/21) und schließlich Langen (2021/22). Das klingt allerdings einfacher, als es ist – schließ-lich ist Luftraum nicht gleich Luftraum. Im unteren Luftraum fliegen größtenteils Flugzeuge, die gerade an einem Flugha-fen gestartet sind oder bald landen wol-len und deshalb steigen oder sinken. Im oberen Luftraum dagegen spielen sol-che Vertikalbewegungen kaum eine Rolle. Deshalb soll iCAS gemeinsam mit der nie-derländischen Flugsicherung LVNL und in enger Zusammenarbeit mit dem Herstel-ler Indra an die Erfordernisse des unteren Luftraums angepasst werden.

Die Kapazität nimmt zu

iCAS bringt aber nicht nur für die Lot-sen, sondern für die DFS insgesamt Vor-teile. Das neue Flugsicherungssystem wird die Kapazität im Luftraum erhöhen: Bereits zwei Jahre nach Einführung von VAFORIT verzeichnete die Niederlassung Karlsruhe ein Plus von 14 Prozent. Ein wei-terer Vorteil: Wenn iCAS in Karlsruhe, Bre-men, München und Langen eingeführt ist, hat das Unternehmen erstmals an allen seinen Kontrollzentralen ein einheitliches System im Einsatz. Dadurch sinken nicht nur die Inbetriebhaltungskosten, auch neue Funktionen können künftig schneller bereitgestellt werden. 

Christopher Belz

Stichwort: iCAS

Ein wesentlicher Grund für die Entwick-lung von iCAS ist die im Rahmen der Initiative Single European Sky ange-strebte Harmonisierung der techni-schen Infrastruktur der Flugsicherun-gen in Europa. Ebenso wesentlich ist die Zusammenarbeit mit europäischen Partnern mit dem Ziel, gemeinsame Produkte zu entwickeln, zu nutzen und damit Kosten zu teilen. Die DFS hat deshalb mit den Flugsicherungsorgani-sationen ENAIRE (Spanien) und NATS (Vereinigtes Königreich) unter dem Namen „Interoperability Through Euro-pean Collaboration“, kurz iTEC, eine Kooperation gegründet.

Die iTEC-Kooperation hat sich dar-auf verständigt, in den Bereichen Flugdaten verarbeitung und Lotsen-arbeitsplatz auf vollständig identische Produkte zu setzen. Voraussetzung hierfür sind gemeinsame betriebliche Anforderungen, so dass spezifische Anforderungen nur noch in Abstim-mung mit den iTEC-Partnern umgesetzt werden können. Eine wesentliche Ände-rung der iCAS-Einführung wird somit sein, dass die Autonomie der DFS bzw. der Kontrollzentralen beschränkt sein wird, individuelle Erfordernisse umset-zen zu können.

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Forschung und Entwicklung

Stellen Sie sich vor, Sie sind unterwegs und wollen Ihre Frau oder Ihren Mann anrufen, um etwas Wichtiges mitzuteilen. Doch Sie

können Ihren Partner nicht erreichen, weil Sie ein Mobiltelefon von Sony benutzen, er jedoch eines von Motorola – und beide nicht miteinander kommunizie-ren. Das sei Unsinn, sagen Sie. Stimmt, man kann

heute mit Handys verschiedener Hersteller problem-los in jedes beliebige Netz telefonieren, man kann sich als Besitzer eines Uralt-Handys von Siemens über Mobilfunk ohne Schwierigkeiten mit dem Nutzer eines ultramodernen iPhones von Apple austauschen. Was beim mobilen Telefonieren längst selbstverständlich ist, soll irgendwann auch im europäischen Luftver-

SESAR treibt den Inno vationsmotor an Das SESAR-Programm ist das technologische Standbein der EU- Initiative für einen einheitlichen europäischen Luftraum. Systeme verschiedener Dienstleister und Hersteller werden künftig nahtlos miteinander arbeiten.

Gerhard Tauss

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kehrsmanagement Normalität sein: dass Systeme verschiedener Produzenten pro-blemlos miteinander kommunizieren – und zwar über die Grenzen nationaler Flugsi-cherungen hinweg. „Das Zauberwort heißt Interoperabilität“, sagt Gerhard Tauss, Programmleiter für SESAR in der DFS.

Fragmentierung abbauen

SESAR steht für Single-European-Sky-ATM-Research-Programm und ist ein wesentliches Element zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Luftraumes in der Single-European-Sky-Initiative (SES) der Europäischen Kommission. Während auf betrieblicher Seite der europäische Luftraum in grenzüberschreitende Blöcke, so genannte FABs (Functional Airspace Block), aufgeteilt wird, bildet SESAR das betrieblich-technologische Standbein der SES-Initiative. Unter dem Dach von SESAR werden Systemlösungen entwickelt, die einem einheitlichen europäischen Standard entsprechen sollen. „SESAR ist ein  Modernisierungsprogramm, welches das ATM-Netzwerk der Zukunft definiert und dessen Implementierung steuert“, sagt Tauss. Ziel sei es, durch eine stär-kere Standardisierung von Verfahren und Schnittstellen die heute noch bestehende Fragmentierung im europäischen Luftver-kehrsmanagement abzubauen.

Dies geschieht in drei Etappen – der Definitionsphase, in der die Leistungsan-forderungen und Konzepte künftiger Ver-fahren und Systeme beschrieben werden; der Entwicklungsphase, in der diese verfei-nert, in Projekten erforscht und entwickelt werden und am Ende konkrete Moderni-sierungsmaßnahmen stehen, so genannte SESAR-Solutions; die dann schließlich in der dritten Etappe, der Deploymentphase, technisch realisiert und ins europäische ATM-Netzwerk implementiert werden.

Die Definitionsphase wurde im Jahr 2008 abgeschlossen, seit 2009 läuft die

Entwicklungsphase, in der europaweit in 300 Projekten Lösungen ausgearbeitet werden, die das europäische ATM-Netz-werk verbessern. Damit nicht jeder wild für sich alleine drauflosforscht, hat die EU-Kommission das Unternehmen SESAR Joint Undertaking (SJU) gegründet, das alle Forschungs- und Entwicklungsarbei-ten koordiniert. Das SJU ist eine Private Public Partnership, an der sich neben der EU-Kommission die europäische Flugsi-cherungsorganisation EUROCONTROL und 15 führende Unternehmen aus Industrie und der Luftverkehrswirtschaft als Mit-glieder beteiligen, unter ihnen die DFS. „Die Netzwerkperformance lässt sich im nationalen Rahmen nicht signifikant stei-gern, dies kann man nur im Verbund mit europäischen Partnern tun“, sagt Gerhard Tauss. Das ist nicht immer ganz einfach, weil manche der SJU-Mitglieder und Part-ner als Wettbewerber mitunter gegen-sätzliche Interessen haben. „Da ist viel Fingerspitzengefühl gefordert“, meint der Programmleiter.

Projekte werden zu 50 Prozent gefördert

Die DFS ist an 100 der 300 Projekte im SJU beteiligt und investiert dafür bis 2016 insgesamt 72 Millionen Euro. 36 Millionen Euro davon erhält sie von der EU als För-dermittel, denn die Projekte im SJU wer-den zu 50 Prozent gefördert. Damit wer-den Hersteller und Luftfahrtunternehmen zusätzlich motiviert, in Forschung und Ent-wicklung zu investieren und beim SESAR-Programm mitzumachen. Um den Innova-tionsmotor am Laufen zu halten, ist das Programm jetzt bis 2024 verlängert wor-den. „Wir können Dinge, die wir ohnehin tun müssen, weil sie notwendig sind, mit dem SJU wesentlich kostengünstiger rea-lisieren“, sagt Tauss. Zudem können die Flugsicherungsorganisationen als Auf-traggeber der Hersteller ein gewichtiges Wort bei der Definition der Anforderungen mitreden. Zwei Beispiele für SESAR-Pro-

jekte der DFS sind die Entwicklung des Extended Arrival Manager und das Projekt Remote Tower Control.

Alle Lösungen

kommen auf den Tisch

Es gibt einen weiteren Antrieb für Her-steller und ANSPs, sich an SESAR zu betei-ligen: Dort wird der europäische Standard definiert und wer da als Hersteller oder Anwender nicht mit dabei ist, läuft Gefahr, am Ende kein standardgemäßes System zu besitzen. „In der Deploymentphase, die seit 2014 parallel zur Entwicklungsphase läuft, kommen alle Lösungen auf den Tisch“, sagt Gerhard Tauss. „Dann wird entschieden, was davon wann, wo und wie realisiert wird.“ Die Empfehlung hierzu gibt das SJU mit seinen Mitgliedern. Ist die EU-Kommission vom Nutzwert einer SESAR-Lösung überzeugt, beschließt sie deren Einführung und erlässt dazu eine verbind-liche Verordnung. Der SESAR Deployment Manager, ein Konsortium aus den großen Airlines, Flughäfen und Flugsicherungsor-ganisationen um die DFS, sorgt für die koordinierte Umsetzung und Einführung der SESAR-Solutions. Damit sollen Verzö-gerungen bei der Einführung neuer Tech-nologien vermieden und deren Nutzen maximiert werden. Die EU-Kommission hat für deren Einführung 2,5 Mrd. Euro an Fördermitteln bereitgestellt und damit der Modernisierung des ATM-Netzwerks einen kräftigen Schub verliehen. „Mit SESAR, dem SJU und dem Deployment Manager wird nun geliefert“, sagt Gerhard Tauss.

Holger Matthies

 

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18 transmission 2 – 2015

Forschung und Entwicklung

Seit jeher ist eine gleichmäßige Auslastung von Fluglotsen nicht leicht zu erreichen, aber

erwünscht. Weder soll jemand herumsit-zen und zu wenig zu tun haben, noch sol-len bei der Flugverkehrskontrolle Über-last-Situationen auftreten. Beides ist der Konzentration abträglich und somit ein Risiko. Zudem ist die Personalplanung und der effiziente Einsatz von Ressourcen für jeden Betrieb ein wesentlicher Faktor wirt-schaftlichen Arbeitens.

Um die Anzahl der Luftfahrzeuge pro Lotse pro Zeiteinheit zu kontrollieren,

unterteilen Flugsicherer auf der ganzen Welt ihre Lufträume in kleinere Luftraum-abschnitte, sogenannte Sektoren. So teilt sich die gesamte Anzahl aller Luft-fahrzeuge in einem Verantwortungsbe-reich auf viele Schultern. Sektoren wer-den so gestaltet, dass sie nicht allein geographisch begrenzt, sondern auch an der Anzahl der erwarteten Durchflüge ausgerichtet sind. Über lange Zeiträume betrachtet ergibt sich daraus eine gleich-mäßige Verteilung des Flugverkehrs.

Dennoch hat dieses System Grenzen: Kapazitätssteigerungen lassen sich nicht

realisieren, wenn ein Sektor zu klein wird – die kurzen Durchflugzeiten lassen den Lotsen dann nur wenig Entscheidungs-spielraum. Sind Wetterphänomene zu umfliegen, so müssen oft mehrere Sekto-ren einbezogen werden. Die Abstimmung ist aufwändig, einige Sektoren bekommen viele, andere behalten nur wenige Luft-fahrzeuge. Ist ein Sektor groß und wenig beflogen, ist die Kontrolle dort oft nicht effizient, da der Sektor annähernd „leer“ betrieben wird, und die Lotsen Kapazitä-ten frei haben. So gestaltet sich die Belas-tung der Sektoren – in kurzen Abschnitten betrachtet – doch sehr unterschiedlich.

Ungeteilte Lufträume Verkehrsschwankungen, Wetterkapriolen oder eine ungünstige Verteilung des Ver-kehrsaufkommens lassen die Belastung von Fluglotsen stark schwanken. Die DFS wünscht sich jedoch eine möglichst effiziente und gleichmäßige Verteilung der Arbeitslast – und arbeitet an einer Lösung, die einiges auf den Kopf stellt.

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Das System wäre

effizienter und flexibler,

als es sektorenbasiert

je sein könnte

Es ist also die ungleiche Verteilung des Verkehrs, die eliminiert werden müsste. Könnte man die Luftfahrzeuge so ver-teilen, dass ein Lotse eine bestimmte Anzahl übernimmt statt eines bestimm-ten Bereichs? Viele Probleme wären damit gelöst. Das System wäre effizienter und flexibler, als es sektorenbasiert je sein könnte. Personalplanungen in Abhängig-keit von Verkehrszahlen wären sehr viel einfacher – und zudem genauer.

Erste konkrete Überlegungen zum Thema „Flugverkehrskontrolle ohne Sek-toren (S-ATM)“ gab es in der DFS schon 2007. Ein Ansatz, der scheinbar immer-währende Wahrheiten in der Flugsiche-rung in Frage stellte: Kann ein Flugzeug von einem Lotsen durch eine ganze Luft-raum-Region gelotst werden, ohne es an Sektorengrenzen zu übergeben? Können mehrere Lotsen gleichzeitig Maschinen über den gleichen Punkt lotsen? Kann der Luftverkehr in einem größeren Luftraum so flexibel gehandhabt werden, dass Übergaben nicht mehr durch Sektoren-grenzen erzwungen werden, sondern sich an den Bedürfnissen des Luftverkehrs ausrichten?

Im oberen Luftraum

Diese Art der Flugverkehrskontrolle ist für Flugflächen über zirka 10.000 Meter inzwischen greifbar nah gerückt. Im Pro-jekt TeFiS (Technologie für Flugverkehrs-management in großen Strukturen), an dem die DFS mit externen Partnern arbei-tet, wird die Idee konsequent weiterent-

wickelt. Erste Validierungs-Simulationen haben gezeigt, dass die Kontrolle von Flugzeugen auch ohne Sektoren möglich und umsetzbar ist. Planungen für die Ein-führung und die Weiterentwicklung gehen derzeit bis ins Jahr 2030 und darüber hin-aus, wobei eine erste Realisierung in Tei-len des oberen Luftraums bereits in fünf bis sechs Jahren projektiert ist.

Ein gewünschter

„Nebeneffekt“ wäre die

Steigerung der Sicherheit

Für die DFS ist dieser Schritt zu einer strukturellen Veränderung im Kernge-schäft ganz im Sinne ihres internen Zukunftsprogramms: Technologieführer-schaft, Effizienzsteigerung und sogar eine Verbesserung der Arbeitsbedingun-gen für das operative Personal stehen auf der Agenda. Ein gewünschter „Neben-effekt“ wäre die Steigerung der Sicher-heit durch die Vermeidung von Über- oder Unterlastsituationen. Auch cockpitseitig ergäben sich Vorteile: Wesentlich weniger Frequenzwechsel durch die länger andau-ernde Kontrolle durch einen Lotsen entlas-ten die Piloten und verringern die Gefahr, hier einen Fehler zu machen.

Außerhalb der DFS wird die Arbeit an der Abschaffung der Sektoren zuguns-ten wesentlich größerer Luftraumblöcke bereits mit großem Interesse verfolgt. Der Executive Director des SESAR Joint Undertaking, Florian Guillermet, bezeich-nete nach einem Besuch der Simulationen das Konzept von S-ATM als ein „Leucht-turmprojekt“ für das gerade anlaufende SESAR2020 und zeigte sich begeistert.

In der DFS geht man derzeit davon aus, mit einem ersten Schritt in der Kontroll-zentrale Karlsruhe zunächst ab Flugflä-

che 380 (38.000 Fuß, also etwa 12.000 Meter) und höher sektorlos arbeiten zu können. Die wichtigste Voraussetzung – nämlich das Flugsicherungssystem der Stufe „very advanced“ – ist mit der Ein-führung eines solchen Systems im Jahr 2010 in der Karlsruher Kontrollzentrale bereits erfüllt. Auf der Seite der Tech-nik beschäftigt man sich derzeit ausgie-big mit der Problematik, den Funkverkehr so filtern zu können, dass nicht jeder Lotse den gesamten Funkverkehr mithö-ren muss, „seine“ Piloten jedoch fehlerfrei zugewiesen bekommt. Eine Herausforde-rung unter mehreren, die das Projektteam jedoch zuversichtlich angeht: „Wir denken nicht mehr darüber nach, ob sektorloses Fliegen funktioniert, sondern darüber, wie wir es konkret umsetzen können“, sagt Dr. Jens Konopka, Projektleiter TeFiS.

Die deutsche Flugsicherung wäre damit einmal mehr innovativer Vorreiter bei der Weiterentwicklung bestehender Systeme und Verfahren.

Boris Pfetzing

Technologieführerschaft

In ihrem Fünf-Punkte-Programm für die Zukunft hat sich die DFS das Ziel gesetzt, weltweit die Technologiefüh-rerschaft zu übernehmen. Verschie-dene aktuelle Projekte stehen für die-ses Vorhaben. Das sektorlose Fliegen ist eines davon. Es steht für eine völlig neue Art der Flugverkehrskontrolle. Technologischer Fortschritt soll das Fliegen künftig unter anderem noch sicherer machen.

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Forschung und Entwicklung

Ein großer Internet-Konzern macht es derzeit vor: Prototypen des fahrerlosen Autos haben in die-

sem Sommer die Teststrecke verlassen und sind nun auf den Straßen des kali-fornischen Mountain View unterwegs. Vollautomatisiert, gesteuert von Robo-ter-Intelligenz. Zwar fahren sie selbstän-dig, doch sind in dieser Testphase soge-nannte Sicherheitsfahrer mit an Bord. Sollten Software und Sensoren wider Erwarten nicht wie geplant funktionieren, übernehmen die Fahrer die Kontrolle. Weil der Mensch als größter Fehlerfaktor beim Autofahren zählt, sehen die Entwickler in

der sich wie von Geisterhand fortbewegen-den „Google-Kugel“ einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Fahrsicherheit.

Manche Airlines malen ein ähnliches Szenario für die Zukunft des Luftverkehrs. Zwar gilt der deutsche Luftraum als einer der sichersten weltweit – der zudem, trotz deutlichen Verkehrswachstums in den ver-gangenen Jahrzehnten, immer sicherer geworden ist. Doch das Stichwort „Self-Separation“ taucht in diversen Konzepten immer wieder auf: die Idee, die heutigen Aufgaben der Flugsicherung ins Cockpit zu verlagern. Demnach wären die techni-

schen Systeme der Flugzeuge in der Lage, selbständig miteinander zu kommunizie-ren und Sicherheitsabstände einzuhalten. Entworfen werden solche Szenarien für das Jahr 2035.

Letzte Instanz Lotse

Für Ralf Bertsch jedoch ist größere Skepsis angebracht – auch wenn ihn seine DFS-Visitenkarte als „Leiter Planung und Innovation“ ausweist und technische Inno-vationsführer die Zukunft gern in den schil-lerndsten Farben beschreiben. Sein Aus-

Die neue Welt des Lotsen(s)

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transmission 2 – 2015 21

blick ist von mehr Bodenhaftung geprägt: „Auch in 20 Jahren wird es nicht nur eine bodengebundene, sondern auch lotsen-zentrische Flugsicherung geben. Dem Lotsen wird zwar eine immer stärkere Überwachungsfunktion zukommen, doch die letzten Entscheidungen trifft nach wie vor er.“

Vieles wird sich

graduell verändern

Anders als in der Automobil- oder Mobilfunkbranche geht Innovation in der Flugsicherung mit weitaus kleineren Schritten voran: „Es wird keine Wahnsinns-sprünge geben, vieles wird sich graduell verändern“, sagt Bertsch. Denn Flugsiche-rung spielt sich nicht nur in einer Branche ab, die vom Vertrauen in sicheres Fliegen lebt und in der Sicherheit über alles geht – weshalb jede Innovation auch allen Sicher-heitsanforderungen standhalten muss. Sie produziere auch keine Massenprodukte und blicke auf einen recht überschauba-ren Abnehmerkreis: „Wir sind zwar eine IT-lastige Branche, stehen aber am hinteren

Ende, was die Austauschhäufigkeit unse-rer Systeme oder Software betrifft.“

Spannende Fragen bewegen daher alle, die sich in seinem Bereich mit Innovation und Zukunft beschäftigen: Wie kann der Lotse in seiner Arbeit bestmöglich unter-stützt werden? Welcher technologischen und betrieblichen Innovationen bedarf es, um die DFS als Technologieführer in Europa zu etablieren – und damit einem Ziel aus der aktuellen Fünf-Punkte-Strate-gie nahezukommen? Welche sind nötig, um eine noch bessere Dienstleistungsqua-lität bei angemessenen Kosten zu garan-

Innovativer, effizienter, harmonisierter soll die Flugsicherungswelt werden. Und mindestens so sicher wie heute. Den Weg dahin gestaltet der Bereich „Planung und Innovation (OP)“ aktiv mit – und bringt das Knowhow der DFS national wie international ein.

Die Luft- oder Bodenlage kann auf

die komplette Tischbreite projiziert

werden. Was den Entwicklern

momentan als „Spielwiese“ für neue

Interaktionsformen dient, soll Grund-

lage für die Konzeption und Entwick-

lung zukünftiger Schnittstellen von

Mensch und Maschine sein.

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22 transmission 2 – 2015

Forschung und Entwicklung

tieren? Die DFS betreibt keine Grundlagen-forschung, sondern konzentriert sich auf anwendungsbezogene Forschung und Ent-wicklung inklusive arbeitsträchtiger Vali-dierungen: Die Prüfung, ob eine Technik oder ein Verfahren tatsächlich einsatz-reif ist oder was dazu noch getan werden muss. Ergebnis sind validierte Anforderun-gen, die dann zur endgültigen Entwicklung und möglichst reibungslosen Einführung dieser Innovationen verwendet werden können.

National engagiert sich die DFS im Luft-fahrtforschungsprogramm (LuFo) des Bun-desministeriums für Wirtschaft und Ener-gie – beispielsweise zur Erprobung neuer Kontrollverfahren und innovativer Technik. International trat sie im Juni 2009 dem SESAR Joint Undertaking bei. Zwei Jahre zuvor von der europäischen Flugsiche-rungsbehörde EUROCONTROL und der Europäischen Kommission aus der Taufe gehoben, steuert es ein Programm, das alle Flugsicherungsbereiche umfasst – mit dem Ziel, betriebliche wie technische Kon-zepte und Systeme europaweit zu harmo-nisieren und zu standardisieren.

Potenzial für Paradigmen-wechsel

Günter Achatz sieht in SESAR eine Katalysatorfunktion. Der frühere Flugda-tenbearbeiter und langjährige Projektma-nager ist der zweite Mann der personel-len Doppelspitze von OP, der die Themen vornehmlich von der operativen Seite her betrachtet – während sich Ralf Bertsch um die technischen Aspekte kümmert. „Vor nicht allzu langer Zeit forschten so einige Flugsicherungen an denselben The-men, ohne dass es einen verbindlichen Implementierungszwang gegeben hätte. Mit SESAR werden heute Forschungsin-novationen zusammengeführt, zusätzlich erzeugt die EU-Gesetzgebung Implemen-tierungsdruck“, berichtet Achatz. Er sieht darin einen willkommenen Effizienzhebel

und erwartet dadurch kürzere Innovations-zyklen, zumal auch die Förderanreize nicht unerheblich sind: mit bis zu 50 Prozent der Summen fördert die EU-Kommission die Umsetzung neuer Technologien und Funktionalitäten.

Grundlegend neu

Die großen Themen auf nationaler wie europäischer Ebene sind beispielsweise das in der Entwicklung befindliche iCAS-System. Mit der Fernüberwachung von Flughäfen im Projekt „Remote Tower Con-trol“ (RTC) schlägt die DFS sogar einen Paradigmenwechsel ein: Ziel von RTC ist, mit einer grundlegend neuen Technologie und neuen Verfahren langfristig Kosten zu senken. Ab 2018 sollen dafür die Flug-platzkontrollen von Saarbrücken, Erfurt und Dresden zusammengeführt und von Leipzig aus überwacht werden. Zum Ein-satz kommen dabei hochentwickelte Sen-soren zur Erfassung des Verkehrsbildes vor Ort und eine schnelle, zuverlässige Datenübertragung. Weltweit wird die DFS

damit zu den Vorreitern beim Einsatz die-ser Technologie gehören.

Als „dickes Brett, das sicherlich zehn Jahre lang gebohrt werden muss“ bezeich-net Achatz darüber hinaus einen weiteren avisierten Paradigmenwechsel – das Kon-zept des sektorlosen Fliegens: Noch arbei-tet jeder Lotse in einem eigenen Zustän-digkeitsbereich, Sektor genannt. Und noch wird ein Flugzeug auf seinem Über-flug von Sektor zu Sektor und von Lotse zu Lotse weitergegeben. Doch im obers-ten Teil des Luftraums, ab etwa 12 Kilo-metern Höhe, sollen diese Sektoren auf-gehoben werden und ein Lotse für eine begrenzte Anzahl von Flügen in einem viel größeren Luftraum verantwortlich sein.

Potenzial ergibt sich möglicherweise auch aus der weiteren Entwicklung der unbemannten Luftfahrt. Kommerziell genutzte Drohnen könnten zukünftig häufi-ger als Transportmittel eingesetzt werden – für die Flugsicherung könnten sich auch auf diesem Gebiet Möglichkeiten für ihre Überwachung und Navigation ergeben. „Ich bin ohnehin der Meinung, dass der Lotse

Wie kann der Lotse in seiner Arbeit bestmöglich unterstützt werden? Welche betrieb-

lichen Innovationen verschaffen der DFS einen Technologievorsprung in Europa?

Neben der Entwicklung von Langfristszenarien setzt die Forschungs- und Entwick-

lungsarbeit der deutschen Flugsicherung auch am Arbeitsplatz des Fluglotsen an:

Dr. Jörg Bergner, Jörg Buxbaum und Thomas Rüggeberg (v.l.) vor dem neu konzi-

pierten, experimentellen „conceptdesk“.

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2 mal 1 Meter misst der Multi-Touch-Tisch, für den die DFS

im November in Berlin ausgezeichnet wurde: Den „Red Dot“-Award

in der „Best-of-the-Best“-Kategorie gab’s für exzellentes Produktdesign.

Fotos: Hans-Jürgen Koch

der bessere Pilot ist“, sagt Achatz augen-zwinkernd und ein wenig zugespitzt. Die eingangs zitierte Langfristperspektive mancher Airlines würde sich damit umkeh-ren. Der Lotse mit seinem breiten Über-blick über den Verkehr bekäme langfristig mehr Verantwortung – und nicht weniger.

Preiswürdige Tisch-vorlage

Die Forschungs- und Entwicklungsar-beit setzt aber auch dort an, wo Flugver-kehrskontrolle unmittelbar sichtbar wird: am Arbeitsplatz des Fluglotsen. Der wird gegenwärtig neu konzipiert, unter ande-rem von Jörg Buxbaum, Leiter des For-schungs- und Entwicklungsteams für Air Traffic Management: „Warum sind die Bildschirme dort eigentlich immer noch quadratisch? Warum sehen wir an den Lotsenarbeitsplätzen immer noch eine Vielzahl verschiedener Bildschirme mit völlig unterschiedlicher Optik?“ Auch wenn dies historisch nachvollziehbar sei, stelle sich die Frage, ob es so bleiben müsse. Überhaupt: „Der heutige Lotsen-Arbeitsplatz ist zwar das Ergeb-nis ständiger Weiterentwick-lung, ist aber genau betrachtet Stückwerk, eine Neukonzep-tion daher überfällig.“ Beides sind mehr als nur Überlegun-gen, denn das Resultat seiner Team-arbeit

ist bereits sichtbar: in Form eines neu-artigen, experimentellen Lotsen-Arbeits-tisches. In Zusammenarbeit mit der Hochschule Osnabrück entstand hier im Laufe eines Jahres eine „Spielwiese“, welche die Grundlage für die Diskussion, Konzeption und Entwicklung zukünftiger Mensch-Maschine-Schnittstellen sein soll: der „conceptdesk“. Die Entwickler können hier neue Interaktionsformen testen, evaluieren und validieren. Über die komplette Breite des 2x1 Meter großen Multi-Touch-Tischs kann eine Luft- oder Bodenlage projiziert werden, auf dem sich Interaktionsfenster auftun. Und mit der prototypischen Software machen die Simulationen für die Luftverkehrskon-trolle in der Zukunft richtig Spaß. „Und Spaß ist eine Zutat neben all den vielen anderen Faktoren“, erzählt Buxbaum, „denn er fördert den Ideenreichtum und die Bereitschaft des Betriebs, sich auch mal mit einer ganz anderen technischen und betrieblichen Zukunft auseinander-zusetzen.“

Etwas wirklich Neues

anfangen, damit nicht

alles so bleibt, wie es ist

Der Einsatz an der Entwicklung hat sich bereits ausgezahlt, denn der „con-ceptdesk“ sorgte auch schon außerhalb der Flugsicherungswelt für Aufmerksam-keit. Erst im November wurde er in der Sparte „Communication Design“ mit der Auszeichnung „Red Dot Award 2015: Best of the Best“ ausgezeichnet. „Eine tolle Motivation für mein Team und die Mitstrei-ter von der FH Osnabrück“, meint Bux-baum. Bis ein Arbeitsplatz wie der „con-ceptdesk“ im Betrieb zu sehen sein wird, werden allerdings noch Jahre vergehen. Buxbaum: „Aber wenn wir nicht irgend-wann mit etwas wirklich Neuem anfangen, wird alles immer so bleiben, wie es ist.“

Rüdiger Mandry

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24 transmission 2 – 2015

Forschung und Entwicklung

Damit ein Flugzeug möglichst wenig Sprit verbraucht, kommt es auf die richtigen Rahmen-

bedingungen an: Es sollte nicht nur ohne Umweg ans Ziel kommen, sondern auch so lange wie möglich in der Reiseflughöhe bleiben – schon eine Absenkung um 2.000 Fuß, also rund 600 Meter, steigert den Kerosinverbrauch um drei Prozent. Wenn das Flugzeug dann auf dem Weg zur Lan-dung die Reiseflughöhe verlässt, sollte es möglichst kontinuierlich sinken, denn dann müssen die Triebwerke am wenigsten Leis-tung liefern. „Continuous Descent Opera-tions“, kurz CDO – unter diesem Begriff fasst die Internationale Zivilluftfahrtorgani-sation ICAO optimale Anflüge zusammen.

Die DFS hat inzwischen an allen Verkehrs-flughäfen mit mehr als 50.000 Flugbewe-gungen CDO-Verfahren etabliert.

Am Himmel ist es eng

Doch wegen des hohen Verkehrsauf-kommens ist ein kontinuierliches Sinken, idealerweise direkt aus der Reiseflug-höhe, oft nicht möglich. Gerade an den großen Verkehrsflughäfen ist es eng: Nur wenn die Fluglotsen der DFS Anflüge dicht hintereinander staffeln sowie Starts und Landungen auf sich kreuzenden Routen miteinander koordinieren, kann die not-wendige Kapazität erreicht werden.

Die DFS hat deshalb Anfang dieses Jahres

ein Projekt gestar-tet, um die An-

flugprofile zu opti-

mieren. Es trägt den Namen „Optimised Descent Profiles“, kurz ODP, und findet im Rahmen des „SESAR Joint Underta-king“ statt. ODP konzentriert sich auf Anflugstrecken in stark frequentierten Lufträumen zwischen neun Flughäfen in Europa: Frankfurt, München, Berlin-Tegel, Stuttgart, Genf, Basel, Straßburg, Wien und Zürich. Ziel ist es, möglichst den kom-pletten Streckenabschnitt nach Verlassen der Reiseflughöhe zu optimieren. Das funktioniert nicht im deutschen Luftraum allein: In der Untersuchung geht es des-halb auch um grenzübergreifende Profile.

Die DFS arbeitet bei dem Projekt des-halb zum einen mit den Flugsicherungs-organisationen der angrenzenden Län-der, zum anderen aber auch mit Airlines zusammen. Neben der österreichischen Austro Control, der französischen DSNA, der Schweizer Skyguide sowie der Kon-trollzentrale Maastricht (MUAC) sind die Fluggesellschaften Air France, Deutsche Lufthansa, SWISS und deren Tochterge-sellschaften Partner bei ODP.

Das Projekt besteht aus mehre-ren großen Paketen. Erstens geht

Es muss nicht immer das Maximum seinAls die Boeing B707 Ende der 50er Jahre auf den Markt kam, war Kerosin billig und der Ver-brauch – rund 10 Liter pro 100 Passagierkilometer – kein Problem. Inzwischen zählt jeder Tropfen: Einer moderner Passagierjet begnügt sich mit weniger als vier Litern. Wenn man den Verbrauch noch weiter drücken will, kommt es auf jede kleine Verbesserung an. Zum Beispiel beim Landeanflug.

Forschung und Entwicklung

So sieht der optimale Anflug aus:

Wenn das Flugzeug die Reiseflughöhe

verlässt, sollte es möglichst kontinuierlich

sinken, dann verbraucht es am wenigs-

ten Treibstoff (grüne Linie). Doch bei bis

zu 10.000 Flügen im deutschen Luftraum

ist das Optimum nicht immer möglich.

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es darum, mit Unterstützung der Airlines Informationen zu sammeln, unter welchen Bedingungen die verschiedenen Flugzeug-typen am wenigsten Sprit verbrauchen. Hier gibt es große Unterschiede, zum Beispiel beim idealen Gleitwinkel: Wäh-rend bei vielen Maschinen ein Winkel um die drei Grad am effizientesten ist, kann ein modernes Langstreckenflugzeug wie der A330 oder die B787 deutlich besser gleiten und verbraucht daher bei einem noch flacheren Anflug am wenigsten Sprit.

Zweitens geht es darum zu prüfen, welche Anflugrouten nach diesen Para-metern optimiert werden können. Dabei geht es vor allem darum abzuwägen, ob die Optimierung zur Ersparnis an Kerosin in einem angemessenen Verhältnis zum Aufwand steht oder ob mögliche Sicher-heitsrisiken bestehen. „Außerdem achten wir darauf, welche Auswirkung ein neues Verfahren auf die Kapazität und Belastung der Lotsen hat“, sagt Ilhan Akin, der das Projekt leitet – denn ohne die notwendige Akzeptanz läuft in dem Projekt gar nichts.

In einem weiteren Arbeitspaket geht es darum, die erreichten Einsparungen zu messen. Hintergrund ist, dass die Ver-brauchsinformationen in den Bordcompu-tern der Flugzeuge zwar vorliegen, aber von den Airlines nicht einzeln ausgewer-tet werden dürfen: Aus Datenschutzgrün-den ist nur eine aggregierte Verarbeitung zulässig. Daher ist es bislang nicht mög-lich, direkt zu ermitteln, welche Einspa-rung ein geändertes Anflugprofil exakt bringt. Also müssen dafür Methoden und Werkzeuge entwickelt werden.

100 Meilen im Reiseflug

Bei der Suche nach einem besse-ren Anflugprofil helfen zunächst Schnell-zeit- und Echtzeitsimulationen. Aber auch Testflüge werden zusammen mit den beteiligten Airlines bei einigen Profilen durchgeführt, um die Simulationsergeb-

nisse bzw. das Luftraumdesign in der Praxis zu überprüfen. Seit Beginn des Projekts wurden schon ein Dutzend Opti-mierungen erprobt – zum Beispiel Anflüge auf den Flughafen München aus dem Schweizer Luftraum, die testweise länger in der Reiseflughöhe blieben: Die Kontroll-zentralen Genf und Zürich hatten mit der Niederlassung in München vereinbart, den so genannten Top of Descent im Schwei-zer Luftraum um bis zu 100 nautische Mei-len für Testflüge zu verschieben. Sechs dieser Optimierungen sind bereits in die betriebliche Praxis überführt worden.

Jede kleine Ände-

rung im Betrieb hilft,

Kerosin zu sparen.

Im nächsten Jahr werden weitere Tests hinzukommen. Nachdem bereits an den Flughäfen Frankfurt, München und Zürich Verbesserungen erzielt wurden, sollen nun die Anflüge auf die Flughäfen Stutt-gart, Berlin-Tegel, Wien und Genf optimiert werden. Auch an den beiden großen deut-schen Drehkreuzen sind weitere Tests geplant. So soll Anfang 2016 untersucht werden, ob es sinnvoll ist, Flüge zwischen dem Pariser Flughafen Charles-de-Gaulle und Frankfurt höher als bisher zu führen. Das würde zwar einen längeren Flugweg, aber durch die größere Höhe – der Unter-schied beträgt rund 6.000 Fuß – auch weniger Spritverbrauch bedeuten. „Wir haben festgestellt, dass das am Wochen-ende möglich sein müsste“, sagt Fluglotse Gerrit Niemann, der in dem Projekt mitar-beitet. Derzeit wird untersucht, wie sich der Flugweg abkürzen lässt.

Im September 2016 ist das Projekt dann offiziell abgeschlossen. Seine Ziele hat es bereits jetzt erfüllt. Insgesamt 50 Testflüge, so die vertragliche Vorgabe,

sollten im Rahmen von ODP absolviert und ausgewertet werden. Aktuell sind es schon mehr als 1.000. Die beteiligten Air-lines seien mit den bisherigen Projekter-gebnissen sehr zufrieden, sagt der Pro-jektleiter. Es gibt deshalb bereits den Wunsch, das Projekt in kleinerem Rah-men fortzusetzen, und sei es bilateral. „Wir können sicher nicht an jedem Flugha-fen das Optimum erreichen“, sagt Akin. „Aber wir versuchen, das zu erreichen, was möglich ist. Jede kleine Änderung im Betrieb hilft, Kerosin zu sparen und die Umwelt zu entlasten.“ 

Christopher Belz

Optimierte Profile und Treibstoff verbrauch

Auf den ersten Blick sind die Einsparun-gen, die durch optimierte Anflugprofile möglich sind, minimal. Ein Mittelstre-ckenflugzeug wie der A320 verbraucht im Streckenflug etwa zweieinhalb Ton-nen Kerosin pro Stunde. Wenn es zehn Minuten länger in der Reiseflughöhe verbringt, senkt das den Verbrauch um wenige Kilogramm. Auch der Effekt eines optimalen Sinkflugs hält sich in Grenzen: Im Rahmen der CDO-Trials, die die DFS an den Flughäfen Frankfurt, München und Hannover durchgeführt hat, ergaben sich Einsparungen von maximal 120 Kilogramm pro Flug.

Für die Fluggesellschaften lohnt sich der Aufwand dennoch: Zum einen sparen sie Geld, ohne dass Investitio-nen erforderlich würden. Zum ande-ren kommen durch die große Zahl der Flüge schnell große Summen zusam-men. So gibt die Deutsche Lufthansa in ihrem Nachhaltigkeitsbericht 2015 an, dass sich allein am Flughafen München durch die konsequente Anwendung von CDO-Verfahren ihr Kerosinverbrauch um 600 Tonnen pro Jahr senken ließe.

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26 transmission 2 – 2015

Forschung und Entwicklung

Ein Gastbeitrag von Professor Dr.-Ing. Hartmut Fricke, Judith Rosenow, Franziska Dieke-Meier und Christian Seiß

Die heutige operationelle Flug-durchführung ist noch nicht wirklich kostenoptimiert oder

gar ökoeffizient. Speziell Sinkflug und Anflug sind weiterhin geprägt durch stark variierende Vorgaben der Fluglotsen. Wet-

ter und unbekannte Größen, wie das aktu-elle Flugzeuggewicht und der momentane Kraftstoffverbrauch, führen zu mehr oder weniger groben Schätzungen. Die Freiga-ben sind folglich nicht immer günstig.

Die EU-Verordnungen Nr. 691/2010 und Nr. 390/2013 des Single European Sky (SES) Performance Scheme sehen möglichst individualisierte Freigaben vor.

Seit 2012 sind die Flugsicherungen mit einer Leistungsbewertung auf europäi-scher Ebene konfrontiert. Viele der defi-nierten Leistungsindikatoren in den Berei-chen Safety, Environment, Capacity und Cost Efficiency unterliegen zwar derzeit nur dem Monitoring, werden aber vor-aussichtlich nach der zweiten Referenz-periode (2015 bis 2019) mit bindenden Vorgaben fixiert. Auch die Erweiterung

Auf der Suche nach der optimalen FlugbahnWie verläuft eine Flugbahn, die Kosten spart und die Umwelt schont? Und wie verträgt sich diese optimale Trajektorie mit Sicherheitskriterien und dem Verkehrs-fluss? Daran forschen auch die Wissenschaftler der Technischen Universität Dresden.

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der bisherigen Indikatoren um weitere, ordnungspolitisch motivierte Metriken, vor allem im noch unterrepräsentierten Umweltbereich, ist wahrscheinlich.

Ökologie im Blick

Ferner werden künftig Flugsicherungs-organisationen und die Verkehrsflusssteu-erung (Network Operation) Abweichungen von der seitens der Luftverkehrsgesell-schaft bevorzugten Flugroute und der Flugzeit belastbar begründen müssen. Das Single-European-Sky-ATM-Research-(SESAR)-Programm sieht die Einführung der sogenannten Reference Business Trajectory (RBT) vor, eine vierdimensio-nal geplante Trajektorie, die von der Luft-verkehrsgesellschaft vor dem Flug nach deren Optimierungskriterien erstellt und übermittelt wird. Auf Basis der RBT erfol-gen sodann Anpassungen aufgrund der Erfordernisse der Verkehrsflussplanung und -steuerung sowie der Verkehrsüber-wachung in einem aufwändigen Planungs-prozess. Operationelle Sicherheit stets als gewährleistet vorausgesetzt, besteht die Herausforderung dieses künftigen Pla-nungsprozesses darin, nach Möglichkeit die Bedürfnisse aller Prozessbeteiligten zu berücksichtigen, dabei dennoch mög-lichst nah an der kostenoptimalen RBT zu bleiben. Die Schwierigkeit liegt zudem in der Einschätzung, wie sich Änderungen im (vertikalen) Flugprofil auf die Ökoeffizienz eines Fluges quantitativ auswirken, um die folgerichtige Entscheidung über eine erforderliche Anpassung der Trajektorien zu treffen beziehungsweise zu begründen.

Eine optimale Trajektorie unterliegt zahlreichen, oft widerstreitender „multi-kriterieller“ Zielfunktionen: Einerseits soll sie ein vom Luftraumnutzer gewünschtes Verhältnis aus Zeit- und Brennstoffkosten je nach Netzzustand erfüllen, andererseits der speziell bei der DFS erreichten hohen operationellen Sicherheit gerecht wer-

den. Zusätzlich zeichnen sich steigende Forderungen nach einem ökologisch ver-tretbaren Luftverkehr immer stärker ab. Dies impliziert die künftige Berücksichti-gung weiterer Umweltkosten auch in der Optimierung, wobei diese wahrschein-lich mehr im Reiseflugsegment zum Tra-gen kommen werden. Für den Steig- und Sinkflug werden mittelfristig vorrangig der verbrauchte Brennstoff und der daran gekoppelte CO2-Ausstoß gefolgt von Lärm emissionen im bodennahen Bereich bis circa 5.000 Fuß über dem Meeresspie-gel von Bedeutung bleiben.

Wichtig ist, schnell

in dünne, widerstands-

arme Luftschichten zu

gelangen.

Brennstoffkostenoptimierte Trajekto-rien erfordern im Steigflug zunächst typi-scherweise große, möglichst kontinuier-liche Steigwinkel, um schnell in dünne, widerstandsarme Luftschichten zu gelan-gen. Die entlang maximaler Reichweite pro Brennstoffeinheit günstig gewählte Reiseflughöhe sollte deshalb auch erst spät, wenn auch nicht zu spät im Sinne eines angestrebten „Segelfluges“, verlas-sen werden. Es schließt sich also mög-lichst ein kontinuierlicher Sinkflug (CDO) ohne Horizontalflugsegmente an. In der Arbeitsgemeinschaft „Optimiertes Flie-gen“ untersucht die DFS – in Kooperation mit der Gesellschaft für Luftverkehrsfor-schung (GfL) und der TU Dresden – Kos-teneinsparpotenziale von kontinuierlichen Sinkflügen in Theorie und Praxis. Mit Hilfe des an der TU Dresden entwickel-ten Brennstoffberechnungstools können anhand von DFS-FANOMOS-Flugspuren Brennstoffverbräuche sowie eine zuge-

hörige brennstoffoptimale vertikale Trajek-torie ermittelt werden. Die Validierung der hinterlegten Methodik, die mittels Realda-ten stattfand, konnte den Nachweis einer sehr hohen Berechnungsgenauigkeit erbringen.

Die erste Stufe des Projektes umfasste die Auswertung von circa 7.000 Sinkflü-gen. Im Ergebnis konnte gezeigt werden, dass der Sinkflug weiterhin ein überra-schend hohes Potenzial an Brennstoff- und Emissionseinsparungen aufgrund nicht optimal erteilter Sinkflugfreigaben offenbart, die deshalb häufig in einem unwirtschaftlichen Horizontalsegment in niedrigen Flughöhen nahe dem Flughafen resultieren. Die Überführung dieser Metho-dik und Erkenntnisse in ein leistungsfähi-ges Echtzeitsystem, das eine statistische Auswertung vieler tausend Flüge am Ende eines jeden Betriebstages über Nacht bei der DFS gestattet, ist die weiterführende Vision an der TU Dresden in Kooperation mit GfL. So wäre ein umfassendes, objek-tives Benchmark für alle Luftraunutzer in Bezug auf Cost Efficiency erreicht.

Ein wichtiger Partner in der Forschung

Die DFS arbeitet seit jeher mit verschie-denen Forschungseinrichtungen zusam-men. Ein wichtiger Partner dabei ist die Fakultät Verkehrswissenschaften der Technischen Universität Dresden. Pro-fessor Dr.-Ing. Hartmut Fricke ist Dekan der Fakultät und Geschäftsführer der Gesellschaft für Luftverkehrsforschung GmbH (GfL). Sein Lehrstuhl widmet sich unter anderem den Gebieten Flug-betrieb, Flughafenprozesse, Safety und Security sowie Umweltverträglichkeit. Weitere Forschungsschwerpunkte sind die Flugprofiloptimierung, die Prozess-regelung an Flughäfen sowie Sicher-heitsbewertungen in der Flugsicherung und der Flugführung.

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28 transmission 2 – 2015

Forschung und Entwicklung

Schutz der Stratosphäre

Künftig werden die Auswirkungen der Emissionen des Luftfahrzeugs auf die Umwelt zunehmend eine Rolle in der Pla-nung und Optimierung von Flugprofilen spielen müssen. Möglichst zu vermei-den ist die Einbringung von Schadstoffen in die Stratosphäre, also in großer Höhe oberhalb von rund elf Kilometern, wo die Schadstoffe erheblich längere Verweildau-ern in der Atmosphäre aufweisen. Aller-dings sind die Ausbringung von Schadstof-fen und deren Wirkung vom Luftfahrzeug und dessen Antrieb vom aktuellen Wetter und von den weiteren atmosphärischen Bedingungen abhängig, was ökologisch optimierte Trajektorien kaum standardi-sierbar macht. Der Lösungsraum der Opti-mierung ist zudem wie auch heute schon durch die aktuelle Verkehrssituation unter-schiedlich limitiert. Dies ist vor allem für Gebiete mit hohen Verkehrsaufkommen herausfordernd, sollen hohe Reiseflug-höhen nahe der Stratosphäre vermieden werden. Heutzutage bekanntes Level-Cap-ping in Abhängigkeit der Atmosphärenbe-dingungen wäre hierfür ein geeignetes Ins-trument. Allerdings wird dieses Verfahren auf künftig flexiblere Flugflächensysteme, abweichend von ganzzahligen 1.000 Fuß- beziehungsweise 500 Fuß-Werte, ange-

wendet werden müssen, um die an der TU Dresden erforschten Potenziale nach-haltig heben zu können.

Neue Aufgaben für die Flugsicherung

Langfristig ist die vollständige Umset-zung eines optimalen Trajektorien-Kon-zeptes seitens der Flugsicherung nur mit einer vollständig integrierten Luftraumver-waltung entlang des Functional-Airspace-Block-Konzeptes und dem Verzicht auf starre Höhenvorgaben sowie auch auf konventionelle wegpunktbasierte Naviga-tionsvorgaben möglich. Letzterer Aspekt wird durch das ICAO-Performance-Based-Navigation (PBN)-Konzept bereits einge-führt. So werden seit diesem Jahr nur noch sogenannte P-RNAV (Präzisionsflä-chennavigation-)An- und Abflugverfahren in Deutschland implementiert. Das aktuelle, starre Flugflächensystem gewährleistet hohe betriebliche Sicherheit durch einfach und damit verlässlich überwachbare ver-tikale Staffelung der Luftfahrzeuge, neue Konzepte müssen sich daran messen.

Die Umsetzung optimierter Flugprofile sowie die Erfordernisse des SES-Perfor-mance Monitorings/Reportings erfordern

weiterhin neue Verantwortlichkeiten und generieren damit verbundene zusätzliche Aufgabenbereiche, aber auch Chancen für die Flugsicherung. So sollte sich die Flug-sicherung vermehrt als neutraler Partner für die objektive Bewertung von Kosten- und Ökoeffizienz ihrer Nutzer, der Luftver-kehrsgesellschaften, verstehen.

Das Institut für Luftfahrt und Logistik der TU Dresden erforscht unter anderem im Projekt MEFUL, gefördert im Rahmen des Luftfahrtforschungsprogramms V der Bundesregierung, Optimierungskriterien des Luftverkehrs ausgehend vom Einzel-flug über den Verkehrsstrom bis hin zum vollständigen Netzwerk einzelner Luftver-kehrsgesellschaften oder Allianzen, um Lösungsvorschläge für die anspruchsvol-len Ziele von SESAR bereitzustellen. Aber auch die Entwicklung neuartiger Lotsenar-beitsplätze steht im Fokus der Forschung. Das institutseigene A320-Simulationslabor mit integrierten Lotsenarbeitsplätzen bie-tet die hierfür notwendige und leistungs-fähige Forschungsumgebung.

Weitere Informationen unter www.ifl.tu-dresden.de

Eisübersättigtes Gebiet führt zu Kondensstreifenbildung

Flug

höhe

(sta

rk ü

berh

öht)

FluglärmFluglärm

Start Steigflug Reiseflug Sinkflug Landung

Konventionelle Trajektorie

Kosteneffiziente Trajektorie

Ökologisch optimierte Trajektorie mit Minimierung von Fluglärm und Emissionen, sowie Vermeidung von Kondensstreifenbildung

Kostengünstig oder ökologisch

sinnvoll: Auf der Suche nach

der optimalen Flugbahn entste-

hen Zielkonflikte. Alles auf ein-

mal lässt sich nicht umsetzen.

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transmission 2 – 2015 29

Geschichte

Als Fluglotse Rolf Appel Anfang 1992 zum ersten Mal die eins-tige Interflug-Bezirkskontroll-

stelle in Diepensee am Flughafen Berlin-Schönefeld besuchte, merkte er schon am Eingang, dass dort einiges anders lief, als er es von der Bundesanstalt für Flugsicherung (BFS) gewohnt war: Der

Zugang zum Kontrollraum war mit einer massiven Stahltür gesichert, die ihn eher an einen Atombunker denken ließ. „Das kannte ich aus der Approach-Unit in Han-nover ebenso wenig wie aus dem BARTCC in Tempelhof“, erinnert sich der 51-Jäh-rige, der heute als Fachlehrer für Training und Qualifikation des operativen Perso-

nals an der Flugsicherungsakademie in Langen arbeitet. Anderes war eher irritie-rend als verstörend – etwa, dass die Lot-sen aus dem Osten zur Begrüßung jedem persönlich die Hand gaben und eine Uni-form trugen. „Diepensee war ein halber Bunker“, bestätigt Thomas Kietzer. „In den Betriebsraum gelangte man durch eine

Als der „Klassenfeind“ zum Kollegen wurdeWährend der deutschen Teilung gab es zwischen den Flugsicherungen in Deutsch-land Ost und West keinen Kontakt. Mit der Wiedervereinigung im Jahre 1990 wurden die Fluglotsen der DDR-Interflug in die bundesdeutsche BFS integriert.

Die Lotsen der Interflug trugen

während der Arbeit am Board ihre

Dienstuniform, so wie hier in den

1980er-Jahren im Approach der

Kontrollzentrale in Diepensee am

Flughafen Berlin-Schönefeld.

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30 transmission 2 – 2015

Geschichte

große Stahltür, es war dunkel dort und es gab keinen Publikumsverkehr.“ Kietzer, heute Lotse in Karlsruhe, hat seine Lauf-bahn als Fluglotse der Interflug 1988 in Diepensee begonnen. Zuvor hatte er, wie für Lotsen in der DDR üblich, eine dreijäh-rige Ausbildung an der Ingenieurschule für Verkehrstechnik „Erwin Kramer“ in Dres-den absolviert.

Im Herbst 1990 wurden Rolf Appel und Thomas Kietzer Kollegen, als die Lotsen aus der DDR in die bundesdeutsche BFS übernommen wurden. Bis dahin war die Flugsicherung der DDR ein Bereich des staatlichen Luftverkehrsunternehmens Interflug gewesen. Mit der Wiedervereini-gung der beiden deutschen Staaten wurde sie aus dem Verbund der Interflug heraus-gelöst und am 3. Oktober 1990 in die Bun-desanstalt für Flugsicherung integriert. Die ehemaligen Interflug-Lotsen wurden als Angestellte im öffentlichen Dienst ein-gestellt und nach dem Bundes-Angestell-tentarifvertrag (BAT) Ost vergütet.

Rolf Appel war einer der ersten Lotsen aus den Alt-Bundesländern, die damals in der täglichen Arbeit direkten Kontakt mit den neuen ostdeutschen Kollegen hatten. Er gehörte zum so genannten „Kernteam“, einer Gruppe von zwölf Lotsen, die Anfang 1992 auf Anordnung des damaligen BFS-

Präsidenten Hans-Joachim Lischka nach Berlin geschickt wurde, um dort im BARTCC (Berlin Air Route Traffic Control Center) in Tempelhof gemeinsam mit den Alliierten eine neue Struktur für den ost-deutschen Luftraum und die entsprechen-den Verfahren dafür zu entwickeln. Appel, bis dahin Lotse für Tower und Approach in Hannover, hatte sich freiwillig für das Kern-team gemeldet: „Ich war jung, ich wollte etwas Neues erleben und ich wollte den Osten kennen lernen.“ Im BARTCC in Tem-pelhof, wo die Militärlotsen der westlichen Siegermächte die Berliner Kontrollzone, einen Luftraum mit einem Radius von 32 Kilometern um das Zentrum von Berlin, sowie die drei Luftkorridore der Alliierten kontrollierten, mussten die BFS-Lotsen bei den alliierten Controllern zuerst selbst die nötigen Berechtigungen für diesen Luft-raum erwerben, ehe sie ihre neuen Kolle-gen – ehemalige Fluglotsenanwärter der Interflug – schulen konnten.

„Die dachten, da

kommt jetzt der ehe-

malige Klassenfeind …“

Dabei gab es anfangs auch Vorbe-halte zu überwinden. Appel erinnert sich, dass vor allem die dienstälteren unter den früheren Interflug-Lotsen die Neu-ankömmlinge aus dem Westen skep-tisch beäugten. „Man hat sich erst einmal beschnuppert“, sagt er. „Die dachten, da kommt jetzt der ehemalige Klassenfeind und will uns erklären, wie Flugsicherung funktioniert.“ Die Vorbehalte verschwan-den während gemeinsamer Nachtschich-ten und bei Fahrten ins Umland von Berlin, zu denen die Ostler ihre neuen BFS-Kolle-gen ein luden. Appel erzählt von gemein-samen Ausflügen ins Elbsandsteingebirge bei Dresden und Angeltouren im Spree-wald: „Das waren sehr schöne Erlebnisse.“

Anruf aus Karlsruhe

Zu ersten Begegnungen zwischen den Flugsicherungen Ost und West war es gleich nach dem Fall der Mauer gekommen, obwohl ein direkter telefonischer Kontakt damals nicht möglich war. Die Lotsen in Karlsruhe jedoch waren pfiffig und ließen sich über die tschechoslowakische Flugsicherung in Prag mit den Controllern im Osten verbin-den. Jürgen Schwurack und seine Kollegen in der Kontrollzentrale Cottbus staunten jedenfalls nicht schlecht, als sich im Dezem-ber 1989 am Telefon plötzlich Fluglotsen tief aus „Feindesland“ meldeten. „Eine Stimme im Hörer sagte: Hallo, wir sind Lotsen aus dem Center Karlsruhe. Habt ihr nicht Lust, uns mal zu besuchen?“ erzählt Schwurack, der heute selbst in Karlsruhe arbeitet. Die Cottbusser sagten zu und so fuhr im April 1990 eine Gruppe von mehreren Lotsen mit Partnern und Familien, insgesamt rund 30 Leute, nach Karlsruhe, alles auf private Initi-ative der Lotsen von Rhein Radar.

„Das war ein sehr schöner Empfang, die Karlsruher haben uns dort alles gezeigt“, sagt Schwurack, der sich damals gleich ans Board setzte, um zu erleben, wie die Kollegen im Westen arbeiteten. „Es war nicht viel anders als bei uns, aller-dings war die Technik deutlich moderner.“

Rolf Appel

Thomas Kietzer

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European Controllers Cup

Eine herzliche Begrüßung erlebten auch jene Lotsen aus Schönefeld, die im Mai 1990 erstmals zum European Cont-rollers Cup (ECC), dem jährlichen Fußball-turnier der europäischen Fluglotsen, nach Düsseldorf reisten. Eingeladen hatten sie die Lotsen von Tower/Approach aus Han-nover. Es gab nur ein kleines Problem: Die Berliner hatten noch nicht das pas-sende Geld, um im Westen bezahlen zu können, die Währungsunion trat erst am 1. Juli 1990 in Kraft. Lotsen-Solidarität zwischen West und Ost half über diese Hürde hinweg: „Wir kriegten vom Veran-stalter jeder 200 D-Mark Taschengeld und eine Sporttasche gesponsert, dazu erhielt unsere Mannschaft noch einen Satz Fußball-Trikots. Das war eine tolle Geste“, erinnert sich Holger Kalmes, heute Super-visor in Karlsruhe, damals Mannschafts-kapitän des Teams aus Diepensee. Auch Thomas Kietzer war seinerzeit mit dabei: „Der ECC war das erste Turnier für unsere Mannschaft, wir wurden dort wirklich sehr gastfreundlich aufgenommen.“ Im Gegen-zug besuchten später Lotsen aus Hanno-ver das Center in Schönefeld.

Remo Wendlandt wiederum erinnert sich an einen Minibus mit amerikanischen

Militärlotsen, der in den Wochen nach dem Fall der Mauer plötzlich in Diepensee vor dem Tor stand: Die Amerikaner aus dem BARTCC in Tempelhof wollten einfach mal schauen, wie die ostdeutschen Lotsen in Schönefeld den Luftraum um Berlin kont-rollierten. „Die Amis hatten verkehrstech-nische Schnittmengen mit uns und des-halb ein echtes Interesse an dem, was wir machten“, sagt Wendlandt, damals Lotse in Diepensee. Amerikanische Militärlotsen in der Flugsicherungsdienststelle Berlin-Schönefeld – nur wenige Wochen vorher war so etwas undenkbar gewesen. „Nach dem Mauerfall ging im Osten alles drun-ter und drüber, die Parteisekretäre in den Betrieben hatten nichts mehr zu sagen und haben den Kopf eingezogen, da war alles möglich“, sagt Wendlandt. Bei der Interflug erlernte der 51-Jährige einst den Beruf eines Wirtschaftskaufmanns mit Abi-tur, machte Mitte der 1980er-Jahre eine Ausbildung zum Fluglotsen und arbeitet seit 2005 als Lotse im Center Karlsruhe. Auch an den Gegenbesuch in Tempelhof, zu dem die Amerikaner eingeladen hatten, erinnert er sich noch, an die Posten vor dem Tor – in Uniform, mit Maschinenpis-tole und weißen Handschuhen: „Das war schon cool.“

Luftraum neu organisiert

Nach der Wiedervereinigung musste der gesamte Luftraum der untergegange-nen DDR neu verteilt und verfahrenstech-nisch neu organisiert werden. Zuvor war er eingeteilt gewesen in Nahverkehrsberei-che (TMA) und Luftstraßen (AWY). Nördlich von Berlin führte eine Luftstraße von Ber-lin nach Skandinavien, südlich von Berlin eine in die CSSR, von der es noch Abzwei-gungen nach Dresden, Leipzig und Erfurt gab. Dazu gab es die alliierten Luftkor-ridore von Berlin in die Bundesrepublik nach Frankfurt/Main, Hannover und Ham-burg, die nur von Flugzeugen der alliier-ten Siegermächte benutzt werden durften. Der Luftraum außerhalb dieser Gebiete

gehörte dem Militär, dort flogen die MiGs der sowjetischen Streitkräfte und der Nati-onalen Volksarmee (NVA).

Die zivile Flugsicherung erfolgte aus den Towern in Leipzig, Erfurt, Dresden und Berlin sowie aus drei Kontrollzent-ralen. Neben der Bezirkskontrollstelle in Diepensee, die für den Berliner Luftraum und den Anflug auf Schönefeld zuständig war, gab es ein ACC (Area Control Cen-ter) in Cottbus, das den Luftraum südlich von Berlin kontrollierte, und eines in Fried-land bei Neubrandenburg, welches für das nördliche Territorium zuständig war. Über ein Sekundärradar verfügte nur Berlin-Schönefeld, dort war seit 1978 eine AVIA-D/Koren-Anlage in Betrieb mit einem polni-schen Primärradar AVIA-D (Reichweite 150 Kilometer) und einer russischen Sekundär-radar-Anlage KOREN (Reichweite 300 Kilo-meter). Cottbus und Neubrandenburg ver-fügten nur über das Primärradar AVIA-B.

1992 zogen die Lotsen aus Cottbus und Neubrandenburg ins Center nach Diepensee am Flughafen Schönfeld, das zwei Jahre später geschlossen wurde: Im Herbst 1994 wurde im Flughafengebäude von Tempelhof eine neue Kontrollzentrale mit dem neuen Radarsystem DERD-XL eingeweiht. Dort kontrollierten fortan die Lotsen aus Ost und West, aus Diepensee

Jürgen Schwurack

Holger Kalmes

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Geschichte

und dem BARTCC, gemeinsam den Ver-kehr über dem ostdeutschen Luftraum.

Deutsche Passagierflugzeuge durften nach der Wiedervereinigung noch längere Zeit nicht im Luftraum der einstigen DDR fliegen. „Wer Anfang der 1990er-Jahre glaubte, mit dem Mauerfall hätte sich mit einem Schlag auch die bis dato tödliche Linie entlang von Elbe, Harz und Thürin-ger Wald in Luft aufgelöst, der hatte seine Flugvorbereitungen nicht gemacht“, sagt Clemens Bollinger, Geschäftsführer des Luftfahrt-Presse-Clubs und in den 1990er-Jahren langjähriger Pressesprecher der deutschen Flugsicherung. Noch hatten die alliierten Siegermächte besondere Rechte und der Luftraum über den neuen Bundes-ländern war nach wie vor das Reich der russischen MiGs.

Rolf Appel, der damals mit dem Kern-team in Berlin im Brennpunkt des Gesche-hens stand, bezeichnet diese Jahre als die „aufregendste und spannendste Zeit“ sei-ner mittlerweile knapp drei Jahrzehnte bei der Flugsicherung: „Damals gab es praktisch jeden Monat gravierende Luft-raumänderungen. Das klappte selten auf Anhieb und dann mussten schnell pragma-tische Lösungen her. So etwas wäre heute undenkbar.“

Erst 1994 verließen die letzten russi-schen Soldaten deutschen Boden. Ihre Waffen, Fahrzeuge, persönliche Ausrüs-tungen und technischen Geräte wurden zu großen Teilen auf dem Luftweg von Deutschland nach Russland transpor-tiert. Das erhöhte Flugaufkommen wurde wie zuvor beim jährlichen Soldatenaus-tausch der russischen Streitkräfte von den ehemaligen Interflug-Lotsen geschultert: Anders als ihre Kollegen aus dem Wes-ten beherrschten sie Flugfunkrussisch und konnten sich mit den russischen Piloten verständigen.

Ärger über Englisch-Test

„Die BFS war auf uns angewiesen“, sagt Remo Wendland, der sich damals darüber ärgerte, dass die ostdeutschen Lotsen erst einen Englisch-Kurs inklu-sive Prüfung ablegen mussten, bevor sie in die BFS übernommen wurden. „Unser Flug sicherungs-Englisch war nicht schlech-ter als das der Kollegen im Westen. Man kam sich ein bisschen wie ein Lotse zwei-ter Klasse vor.“ Auch Jürgen Schwurack zeigte sich anfangs irritiert, sah das Ganze aber pragmatisch: „Es hat mir kei-nen Nachteil gebracht und ich konnte mein Alltagsenglisch auffrischen.“ Davon profi-tierte er auch auf andere Weise – der eins-tige Interflug-Lotse ist heute mit einer Eng-länderin verheiratet.

Mit dem Abzug der russischen Truppen und der Inbetriebnahme der neuen Kont-rollzentrale in Tempelhof im Jahr 1994, wo Lotsen aus Ost und West zusammen arbeiteten, hatte die zivile Luftfahrt des wiedervereinigten Deutschlands einen gro-ßen Schritt in Richtung Normalität getan. Heute ist der geteilte deutsche Himmel Geschichte und bei der Auswahl wie für die Arbeit der Lotsen spielt die Herkunft aus Ost oder West keine Rolle mehr. „Unsere Integration verlief ohne Probleme“, urteilt Thomas Kietzer rückblickend. Supervisor

Holger Kalmes sieht das ähnlich: „Für uns ist es gut gelaufen.“

Neue Chance genutzt

Das Zusammenwachsen beider Flug-sicherungen ermöglichte für viele neue Wege. Zog es Rolf Appel damals vom Westen in den Osten, ging Uta Müller den umgekehrten Weg. Die junge Abteilungslei-

Remo Wendlandt

Interflug in Erfurt

Der Flughafen Erfurt wurde nach einem umfangreichen zweijährigen Aus-bau 1961 wieder in Betrieb genom-men. Bis 1990 flogen Flugzeuge aus allen europäischen Ländern mit Aus-nahme von Island und Portugal von und nach Erfurt. Neben der INTERFLUG wurde der Flughafen Erfurt auch von Geschäftsflugzeugen aus Westeuropa angeflogen. Hinzu kamen Passagier-maschinen aus renommierten Fußball-städten, wenn der FC Carl Zeiss Jena im Europapokal spielte. Den längsten Direktflug nach Erfurt flog eine IL-18 der INTERFLUG mit einer Flugdauer von 8 Stunden 32 Minuten auf der Strecke Taschkent – Erfurt.

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terin Ökonomie im Betriebsteil Flugsiche-rung der Interflug wurde nach der Über-nahme durch die BFS Verwaltungsleiterin der Regionalstelle Berlin und später der Region Ost. Im Jahr 2000 nutzte sie eine Chance, die es vorher für sie nicht gab – und bewarb sich als Tower-Niederlas-sungsleiterin. Nachdem sie im Auswahl-verfahren überzeugt hatte, wurde Mül-ler erst Leiterin der Tower-Niederlassung Saarbrücken und im Jahr 2007 Leiterin

des Tower-Clusters Stuttgart/ Nürnberg. Die Geschäfte am Standort Stuttgart lei-tet sie nach wie vor und hält dabei noch immer enge Kontakte zu den früheren Kol-leginnen und Kollegen in Ost und West. An die Jahre des Zusammenwachsens beider Flugsicherungen denkt sie gerne zurück: „Damals herrschte echte Aufbruchstim-mung“, sagt Uta Müller. „Wir hatten die volle Unterstützung der Behördenleitung, die Kollegen waren unheimlich engagiert

und man hatte das gute Gefühl, etwas Neues mit aufzubauen.“

Holger Matthies

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Aus der DFS

Jeder, der sich eine Waschmaschine oder eine Spülmaschine anschafft, weiß: Das Ding hält nicht ewig. In der Flugsiche-rungswelt ist das nicht anders. Inzwischen sind die meisten VOR/DME-Anlagen der DFS am Ende ihres Lebenszyklus ange-kommen. Einige sind bereits 30 Jahre alt. Im Projekt „Erneuerung der VOR/DME-Systeme“ werden die alten Drehfunkfeuer und die Entfernungsmessgeräte (Distance Measuring Equipment, DME) zukunftsfä-hig gemacht. Am Ende sollen alle Anlagen

noch genauer und zuverlässiger funktio-nieren.

In der ersten Projektphase, die die kommenden fünf Jahre umfasst, wer-den 13 Anlagen und die dazugehörigen Gebäude erneuert, modernisiert und saniert. Im Jahr 2020 beginnt dann eine zweite Projektphase, in der weitere 13 Anlagen betroffen sind. Dazu kommen wei-tere acht Anlagen, bei denen heute nicht klar ist, ob bis dahin nicht ganz auf sie ver-

zichtet werden kann. Das wird innerhalb des Projekts geprüft.

Das Projektteam wird alle Drehfunk-feuer auf Doppler-VOR umrüsten, die viel genauer und weniger anfällig für Störun-gen sind als die alten Anlagen. Diese Tech-nologie benötigt allerdings auch mehr Platz, weshalb unter Umständen die Größe der Grundstücke, auf denen die Anlagen stehen, angepasst werden muss. Die Nut-zung der Grundstücke muss mindestens bis ins Jahr 2045 gesichert sein. Denn am Ende der zweiten Projektphase im Jahr 2025 sollen alle Drehfunkfeuer und Entfernungsmesser noch mindestens 20 Jahre betrieben werden können.

Die Flugsicherungstechnik der meisten Anlagen ist in Containern untergebracht. Diese Container wird das Projektteam erneuern und auf den neusten Stand der Technik bringen. Das betrifft unter ande-rem die Stromversorgung. Einige Anlagen verfügen über feste Gebäude, die entspre-chend saniert werden. Für die Beschaf-fung der neuen VOR und DME hat sich die DFS mit der österreichischen Flugsiche-rung Austro Control und der niederländi-schen LVNL zusammengetan.

Sandra Ciupka

DFS erneuert VOR/DME-AnlagenAuf die bodengestützte Navigation kann die Luftfahrt auch in den nächsten Jahren nicht verzichten. Deshalb wird die DFS alle alten VOR/DME-Anlagen und die dazugehörigen Gebäude erneuern und modernisieren.

Das Projektteam vor der DVOR-Anlage in Nauheim: Wolfgang Oechler, Denis Zrnic,

Elke Roth, Uwe Buchheim und Irina Kretschmann (von links).

Internet-Tipp

Bei Wikipedia ist beschrieben, wie ein VOR funktioniert: https://de.wikipedia.org/wiki/ Drehfunkfeuer

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Aus der DFS

Damit erklärt und verpflichtet sich die DFS, den Kriterien des DNK zu entspre-chen und macht zugleich die Umsetzung seiner Nachhaltigkeitsstrategie für die Öffentlichkeit transparent und nachvoll-ziehbar. Insgesamt ermöglicht der Kodex eine schnelle und übersichtliche Vergleich-barkeit der DFS-Nachhaltigkeitsleistungen mit anderen Unternehmen.

Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex wurde 2011 vom Rat für Nachhaltige Ent-wicklung verabschiedet und 2014 aktua-lisiert. Das Ziel des Kodex ist es, unter-nehmerische Nachhaltigkeit messbar und vergleichbar zu machen. Gemeinsam mit Unternehmen, Investoren, Finanzmarkt-analysten, Verbänden und Wissenschaft-lern entwickelt, stellt der Kodex Anforde-rungen für nachhaltiges Wirtschaften auf. Kleine und große Unternehmen in Deutsch-

land können anhand dieser Anforderungen ihre Nachhaltigkeitsleistung darstellen und so über ihr Engagement beim Klima- und Ressourcenschutz oder über die Nachhal-tigkeit ihrer Lieferkette berichten.

In ihrer Entsprechenserklärung macht die DFS anhand von 20 Kriterien sicht-bar, wie sie als Unternehmen bei den übergeordneten ökonomischen, ökolo-gischen und sozialen Aspekten gemäß der im Kodex festgeschriebenen Nach-haltigkeitsanforderungen aufgestellt ist. Dabei geht es nicht nur um ökologische Fragen, also darum, wie viele Ressourcen die DFS verbraucht und für welche klima-relevanten Emissionen sie verantwortlich ist. Auch die Bereiche Strategie, Prozess-management und Gesellschaft werden im Deutschen Nachhaltigkeitskodex berück-sichtigt. Einen besonderen Stellenwert

für die DFS hat der Nachhaltigkeitsbei-trag, den das Unternehmen in Bezug auf Arbeitnehmerrechte erfüllt. Dazu gehören zum Beispiel Mitbestimmung, Chancenge-rechtigkeit, Arbeitssicherheit und Gesund-heitsschutz, Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Die Anwendung des Kodex ist freiwillig. Neben der DFS GmbH haben bislang rund hundert Unternehmen in Deutschland eine Entsprechenserklärung für den Nachhal-tigkeitskodex abgegeben. Die Erklärung muss alle zwei Jahre aktualisiert werden.

Die Entsprechenserklärung der DFS zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex steht in der Datenbank www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de

DFS erfüllt Deutschen NachhaltigkeitskodexDie DFS Deutsche Flugsicherung GmbH hat eine Entsprechenserklärung zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) für das Berichtsjahr 2014 abgegeben.

Vor dem Eintritt in die DFS war Christian Hoppe in leitender Funktion in der Agentur für strategische Kommunikationsberatung BSK Becker + Schreiner für die Branchen Versicherungen, Handel und Dienstleistungen sowie Energie und Umwelt verantwortlich.

Hoppe kam gleich nach seinem Studium der Volkswirtschaft an der Universität Ham-burg zum Journalismus. Nach Stationen als Redakteur beim Spiegel, dem manager magazin und der Welt war er mehr als zwanzig Jahre als Pressesprecher und Leiter Unternehmenskommunikation unter anderem beim Bundesministerium für Post und Telekommunikation, der Deutschen Bahn und bei Mannesmann tätig.

Christian Hoppe ist 61 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder.

Neuer Leiter Unternehmens-kommunikationChristian Hoppe hat zum 1. Oktober 2015 die Leitung des DFS-Bereichs Unternehmens kommunikation übernommen.

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36 transmission 2 – 2015

Aus der DFS

Organisiert hatte die Veranstaltung wie schon in den vergangenen Jahren die Abteilung Kundenbeziehungen VK/K in enger Zusammenarbeit mit den Berei-chen FIS, AS, AIS-C, CC/FC, AIM, ZM, dem Center Langen sowie der Bundeswehr, der Firma Eisenschmidt und dem Deutschen Wetterdienst. „Die positive Resonanz der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass wir mit dem Pilotentag bei Privat- und Sportpi-loten einen Nerv treffen“, sagte Ralf Died-rich, Leiter der Abteilung Kundenbezie-hungen VK/K. „Wir registrieren bei dieser Klientel ein großes Informationsbedürfnis zum Thema Flugsicherheit. Deshalb freuen wir uns, dass der Pilotentag als Plattform für den Austausch von den Privatfliegern so hervorragend angenommen wird.“

Veranstaltungsort waren die Unterneh-menszentrale (UZ) und die Flugsicherungs-akademie. Vor dem großen Hörsaal hatte der Fluginformationsdienst der DFS (FIS) seinen FIS-Simulator aufgebaut, der durch-gehend dicht umlagert war. Im Audimax der Akademie fanden verschiedene Vor-träge und eine Podiumsdiskussion statt.

Auch die in den Konferenzräumen im Erdgeschoss der UZ angebotenen Vor-träge der Bereiche Flugberatung, Aero-nautical Solutions, Aeronautical Infor-mation Management, des Deutschen Wetterdienstes und der Bundeswehr (Luft-waffe) waren ausnahmslos gut besucht – ebenso wie die Infostände der genannten Bereiche im Gebäudetrakt zwischen dem Foyer der UZ und der UZ-Cafeteria.

Im Anschluss an die Vorträge entwi-ckelte sich ein intensiver Austausch zwi-schen den DFS-Spezialisten und den Sichtflug-Piloten. Das bisher von den Besuchern eingegangene Feedback zeigt, dass es Organisatoren und Helfern der Veranstaltung gelungen ist, Motor- und Segelflieger sowie Ballonfahrer für den Service der DFS-Profis weiter zu sensi-bilisieren, das gegenseitige Verständnis

zu verbessern und so die Voraussetzung für eine Erhöhung der Flugsicherheit zu schaffen.

Holger Matthies

DFS-Pilotentag trifft den Nerv der PrivatpilotenDer DFS-Pilotentag hat sich als Besucher-Magnet etabliert: 540 Sportflieger und Privatpiloten besuchten am 7. November dieses Jahres die fünfte Auflage der Veranstaltung auf dem DFS-Campus in Langen.

Die Firma Eisenschmidt präsentierte sich gemeinsam mit der DSF-Abteilung Aeronau-

tical Solutions den Besuchern im Bereich zwischen dem Foyer und der Caféteria der

Unternehmenszentrale in Langen.

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transmission 2 – 2015 37

Aus der DFS

Impressum

transmission Das Magazin der DFS

Herausgeber: DFS Deutsche Flugsicherung GmbH Christian Hoppe, Leiter Unternehmenskommunikation

Redaktion: Sandra Ciupka (verantwortlich) Tel.: +49 (0)6103 707-4122 E-Mail: [email protected]

Christopher Belz Tel.: +49 (0)6103 707-4121 E-Mail: [email protected]

Holger Matthies Tel.: +49 (0)6103 707-4124 E-Mail: [email protected]

Rüdiger Mandry (Schlussredaktion) Tel.: +49 (0)6103 707-4195 E-Mail: [email protected]

Layout und Umsetzung: bsmediengestaltung, Egelsbach www.bsmediengestaltung.de

Bildnachweis bsmediengestaltung S. 18, 24, 26, Melanie Bauer, Hans-Jürgen Koch, Holger Matthies, DFS-Archiv, Shutterstock

Anschrift der Redaktion: DFS Deutsche Flugsicherung GmbH Redaktion transmission Am DFS-Campus 10, 63225 Langen E-Mail: [email protected]

Nachdruck nur mit Genehmigung.

Mitte des kommenden Jahres will die DFS über ihr Tochterunternehmen Eisenschmidt digitale Versionen der AIP IFR veröffentlichen, die die bisherigen Ausgaben auf Papier und CD-ROM ersetzen sollen. Parallel dazu ist eine Tablet-Lösung geplant. Diese soll in der zweiten Jahreshälfte 2016 erhältlich sein. Die Papierversion wird Ende 2016 eingestellt.

Für die rund 700 Nutzer, die die AIP derzeit als Ringbuch oder CD-ROM beziehen, hat die Umstellung eine Reihe von Vorteilen. Zum einen ist nun sichergestellt, dass sie künftig immer auf die aktuellen Luftfahrtinformationen zugreifen; das zeitaufwändige Aktualisieren der Papierversion entfällt. Zum anderen bietet die digitale Version durch Volltextsuche und die Option, Lesezeichen zu setzen, einen schnelleren Zugriff auf die Informationen. Über diese Möglichkeiten verfügt die heutige Internet-Version der AIP, die bereits knapp 400 Kunden nutzen, noch nicht.

Die neue digitale AIP-Version basiert auf derselben Software wie der Visual Flight Guide für Sichtflieger (VFR), der bereits seit 2014 in elektronischer Form vertrieben wird. Für den Zugriff auf die AIP gibt es künftig zwei Wege: Zum einen ist sie im Internet abrufbar, zum anderen wird eine Offline-Version angeboten. Diese benötigt eine Inter-netverbindung lediglich zur Aktualisierung der Daten. Sobald die aktuellen Daten her-untergeladen sind, ist die AIP auch offline nutzbar.

Das Bundeverkehrsministerium unterstützt die Umstellung. Mit ihrer neuen digitalen AIP trägt die DFS dazu bei, die Qualität der aeronautischen Datenkette zu verbessern und eine durchgehende Datenkette von der Quelle bis zum Nutzer zu etablieren.

Christopher Belz

AIP IFR: Luftfahrthandbuch in neuem FormatDas Luftfahrthandbuch Deutschland (AIP IFR) erhält eine neue, zeitgemäße Erscheinungsform.

Gleicher Inhalt, neue Optik, mehr Funktionen: die digitale Version der AIP IFR.

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Neuauflage!