die abhängigkeit der viskosität von polymethylmethacrylaten in lösung vom...

5
Die Abhangigkeit der Viskositat von Polymethylmethacrylaten in Losung vom Geschwindigkeitsgradienten Von H.-J. Cantow, J. Pouyet uud C. Wippler Aus dem Institut fur physikalische Chemie, Maim und den Centre de Recherches sur les macromole‘cules, Strasbourg Eingegangen am 30. Juli 1954 ZUSAMMENFASSUNG: Es wird uber die Abhangigkeit der Viskositat von Polymethylmethacrylaten in Losung (M, > lo6) vom Geschwindigkeitsgradienten berichtet. Die Messungen wurden im Couettc- und im Ostwaldviskosimeter bei Gradienten zwischen 0,246 und 1700 sec-l in Chloroform, Dioxan und Aceton ausgefuhrt. RI~SUME: Les auteurs ont ttudik la dbpendance de la viscositt de solutions de polymkthacrylates de mkthyle (M, > lo6) en fonction du gradient de vitesse. Les mesures ont Ctk effec- tukes aux viscosim6tres de Couette et d’Ostwald entre des gradients de 0,246 et 1700 sec-l et sur des solution dans le chloroforme. le dianxe et l’acktone. Die Grenzviskositatszahl einer Losung eines hochfnolekularen Stoffes ist definiert als der Grenzwert der reduzierten spezifischen Viskositat fur ’die Konzentration und den Gradienten Null : L A G=O Dabei sind: [q] Grenzviskositatszahl des Polymeren in Losung [cm3 g-l] qSp spezifische Viskositat des Polymeren in Losung c Konzentration des Polymeren im Losungsmittel [g ~rn-~] G Geschwindigkeitsgradient [sec-I] Falls die gelosten Makromolekiile sich unter dem Einflul3 des Ge- schwindigkeitsgefalles nicht or i e n t i e re n oder d e f o r m i e r e n, ist qSp/c vom Gefalle unabhangig. Dies ist jedoch nur bei globularen Teilchen der Fall. Betrachten wir speziell den Fall statistischer Fadenmolekiile, so zeigen diese mit wachsendem Geschwindigkeitsgradienten die Tendenz, 110

Upload: von-h-j-cantow

Post on 15-Jun-2016

213 views

Category:

Documents


1 download

TRANSCRIPT

Die Abhangigkeit der Viskositat von Polymethylmethacrylaten in Losung vom Geschwindigkeitsgradienten

Von H.-J. Cantow, J. Pouyet uud C. Wippler

Aus dem Institut fur physikalische Chemie, M a i m und d e n Centre de Recherches sur les macromole‘cules, Strasbourg

Eingegangen am 30. Juli 1954

ZUSAMMENFASSUNG:

Es wird uber die Abhangigkeit der Viskositat von Polymethylmethacrylaten in Losung (M, > lo6) vom Geschwindigkeitsgradienten berichtet. Die Messungen wurden im Couettc- und im Ostwaldviskosimeter bei Gradienten zwischen 0,246 und 1700 sec-l in Chloroform, Dioxan und Aceton ausgefuhrt.

R I ~ S U M E :

Les auteurs ont ttudik la dbpendance de la viscositt de solutions de polymkthacrylates de mkthyle (M, > lo6) en fonction du gradient de vitesse. Les mesures ont Ctk effec- tukes aux viscosim6tres de Couette e t d’Ostwald entre des gradients de 0,246 et 1700 sec-l e t sur des solution dans le chloroforme. le dianxe et l’acktone.

Die Grenzviskositatszahl einer Losung eines hochfnolekularen Stoffes ist definiert als der Grenzwert der reduzierten spezifischen Viskositat fur ’die Konzentration und den Gradienten Null :

L A G = O

Dabei sind: [q] Grenzviskositatszahl des Polymeren in Losung [cm3 g-l] qSp spezifische Viskositat des Polymeren in Losung

c Konzentration des Polymeren im Losungsmittel [g ~ r n - ~ ] G Geschwindigkeitsgradient [sec-I]

Falls die gelosten Makromolekiile sich unter dem Einflul3 des Ge- schwindigkeitsgefalles nicht o r i e n t i e r e n oder d e f o r m i e r e n , ist qSp/c vom Gefalle unabhangig. Dies ist jedoch nur bei globularen Teilchen der Fall. Betrachten wir speziell den Fall statistischer Fadenmolekiile, so zeigen diese mit wachsendem Geschwindigkeitsgradienten die Tendenz,

110

Abhiingigkeit der Viskositit von Polymethylmethacrylaten

:sic11 ahhiingig von ihrer ,,inneren" Viskositat (Formviskositat)') zu de- formieren und bevorzugt in der Stromungsrichtung z u orientieren. Dann steigt der Grenzwert fur qSp/c fur c = o mit fallendem Gradienten an. I n den meisten Fallen ist dieser Grenzwert jedoch schon bei einem Gra- dienten von 1000 sec-1 praktisch erreicht2), und es ist daher allgemein ublich, die Viskositatszahlen von Fadenmolekiilen in Liisung mit Ka- pillarviskosimetern zu bestimmen, bei denen in der Regel ein Gradient dieser GroBe leicht zu erhalten ist .

F u r LGsungssysteme, bei denen der Grenzwert von ylsp/c fur den Gra- dienten Null bei Verwendung solcher Kapillarviskosimeter noch nicht erreicht ist, kann man sich auch mit der Kenntnis der konventionellen Viskositatszahl Zq bei einem definierten Gradienten Gconv hegnugen3)

(1 b)

Wahlt man fur die kine- matischen Viskositaten der benutzten Losungsmittel die vorgeschlagenen Visk~simeterdimensionen~), dann entsprechen die bestimmten konven- tionellen Viskositatszahlen den meisten Literaturangaben, weil sich diese Dimensionen eng an den bisherigen Gebrauch anschliefien.

Messungen verschiedener Autoren4), insbesondere an Nitrocellulose in Losung, zeigen daB hier im Bereich hoher Molekulargewichte der Grenz- wert der Viskositatszahl in Kapillarviskosimetern ublicher Bauart nicht erreichbar ist. Der eine von u r d ) stellte bei Polpmethylmethacrylaten in Chloroform mit Rlolekulargewichten uber 2 - lo6 fest, daIJ auch hier in Kapillarviskosimetern eine Formviskositat auftritt.

Die vorliegende Mitteilung verfolgt das Ziel. fur die Reihe der Poly- methylmethacrylate die Grenzviskositatszahl durch Messung in einem modifizierten Couette-Viskosimeter zu ermitteln.

[.? j c = 0 z+q =

Gconv Zq ist dann eine eindeutig definierte Griifie.

Mit diesem von Vallet6) gebauten Gerat wurde bei G == 0,246 sec-' gemessen. Die Mo- lekulargewichte der untersuchten Praparate sind mit der Streulichtmethode von Cantow und Schulz7) ermittelt, fur das Praparat W 22 mit dem Streulichtphotometer von Wipp-

l) W. u. H. Kuhn, Helv. chim. Acta 28 (1945) 1533. ') G. V. Schulz, Z. Elektrochem. 43 (1937) 479. 3, G. V. Schulz u. H.-J. Cantow, Makromolekulare Chem. 13 (1954) 71; G. V. Schulz

u. H.- J. Cantow, Molekulargewicbtsbestimmungen bei Hocbpolymeren, in Houben-Weyl, Bd. 8, Neuauflage, Verlag Thieme.

') H. Staudinger u. M. Sorkin, Ber. dtsch. chem. Ges. 70 (1937) 1993; R. Signer u. K. Berneis, Makromolekulare Chem. 8 (1952) 268; E. H. Immergut, J. Schurz u. H. Mark, Mh. Chem. 84 (1953) 219.

5, H.-J. Cantow u. G. V. Schulz, Z. physik. Chem. N F 2 (1954) 117. 6, G. Vallet, Dissertation, Strasbourg (1952). ') H.-J. Cantow u. G. V. Schulz, Z. physik. Chem. N F 1 (1954) 365.

111

H.-J. Cantow, J. Pouyet und C. Wippler

ler*). Messungen des Brechungsinkrementes von Polymethylmethacrylateq wurden re- fraktometrisch und interferometrisch von Wippler, Cantow und Bodmann ansgefiihrt.

Die Extrapolation der jeweils gemessenen reduzierten spezifischen Vis- kositaten gegen die Konzentration 0 wurde fur jeden Gradienten geson- dert ausgefiihrt. Dieses Verfahren ist sicherer als die ubliche Extrapola- tion spezifischer Viskositaten bei endlicher Konzentration zum Gradien- ten 0. Tabelle 1 stellt die vorlaufigen Versuchsergebnisse an den fraktionierten Polymethylmetacrylaten W 22, A, B, C, D, und E, 6 )

zusammen.

Tabelle 1. Viskositiitszahl fraktionierter Polymethanylsauremethylester bei verschiedenen Geschwindigkeitsgradienteu (bezogen auf das reine Msungsmittel) bei 20°C

G [sec-11 Zq [cm3 g-'1 G [sec-l] Zr; [cm3 g-'1

W 22 in Chloroform; M = 8,6.106 B in Aceton; M = 5,83.106

0,246 1920

500 1570

1700 1260

0,246 380

450 390

5 000 360

W 22 in Dioxan; M = 8,6-106 C in Chloroform; M = 3,10.106

0,246 1060

150 1020

245 900

0,246 800

500 780

1700 690

A in Chloroform; M = 7.6.106 D in Chloroform; M = 1,74-10"

500 1470 500 557

1700 1230 1700 532

B in Chloroform; M = 5,83-106 E, in Chloroform; M = 1,46.106

0,246 1310 500 405

380 1210 1700 395

500 1210

1700 1070

Abbildung 1 gibt die graphische Darstellung der Konzentrationsabhiin- gigkeit der im Couette-Viskosimeter bei G = 0,246 sec-l gemessenen reduzierten spezifischen Viskositaten.

*) C. Wippler u. G. Scheibling. J. Chim. physique 51 (1954) 201.

112

Abhangigkeit der Viskositat von Polymethylmethacrylaten

Abb. 1. Konzentrationsabhlngigkeit der bei G = 0,246 sec-l gemessenen reduzierten spezifischen Viskosititen fur W 22 in Chloroform und Dioxan, B in Chloroform und Azeton

und C in Chloroform

Von Praparat A konnten keine Messungen im Rotationsviskosimeter ausgefiihrt werden, da keine Substanz mehr vorhanden war. Der Wert wurde mit 1690 cm3 g-l aus den Messungen an den iibrigen Praparaten interpoliert.

Aus Tabelle 1 ist ersichtlich, daB fur die hochstmolekularen Prapa- rate die Viskositatszahlen bei G = 0,246 sec-1 deutlich hoher als die in Kapillarviskosimetern ermittelten sind. Dabei sind die Abweichungen fiir das beste Losungsmittel, Chloroform, am grofiten, um iiber Dioxan zum Aceton langsam zu verschwinden. Es liegt nahe, anzunehmen, daB die bei G = 0,246 sec-l gemessenen Viskositatszahlen identisch mit de- nen fur den Grenzwert bei G = 0 sind. Diese Annahme ist jedoch riicht gesichert. Weitere, im Gang befindliche Untersuchungen im Couette- Viskosimeter bei Gradienten von etwa 1-100 sec-l sollen iiber die Frage AufschluB geben, inwieweit intermolekulare Verhakungen sich der Ver- formung der Einzelmolekiile etwas iiberlagern. Eine solche temporare Verhakung ware insbesondere bei kleinsten Gradienten moglich und

8 113

H.-J. Cantow, J. Pouyet und C. Wippler

kiinnte dann zu Viskositatszahlen fuhren, deren Wert durch Molekul- aggregationen bewirkt ist s).

Nimmt man vorlaufig an, daB bei G=0,246 see-l die Viskositatszah- len denen beim Grenzwert entsprechen, dann gilt fur die Viskositlts- Molekulargewichtsbeziehung5) der Polymethylmethacrylate in Ghloro- form die Kuhnsclie Beziehung

[r;] = 6,0*lO-"MMOJs

I n Abb. 2 ist im doppeltlogarithmischen Netz das Molekulargewicht aus der Lichtzerstreuung gegen die Viskositatszahl aufgetragen.

Abb. 2. Abhringigkeit der Viskositltszahl fr&-hnierter Polymethacrylsluremethylester in Chloroform bei G = 0,246 sec-' vom Molekulargewicht aus der Lichtzerstreuung.

Bei G = 1700 sec-l gcmessene Punkte sind mit o bezeichnet

Die Messungen im Couette-Viskosimeter wurden im StraBburger Institut ausgefiihrt.

Der Rockefeller-Foundation danken wir fur die finanzielle Unterstut- zung der Arbeit. Dem einen von uns (H.-J. Cantow) ermoglichte die Deutsche Forschungsgemeinschaft die *Reise nach StraBburg.

J. Schum, Makromolekulare Chem. 10 (1953) 194.

114