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    JAHRESHEFTE DES

    STERREICHISCHENARCHOLOGISCHEN INSTITUTES

    IN WIEN

    BAND 77

    2008

    Sonderdruck

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    Inhalt

    Martin AUERMunicipium Claudium Aguntum Zur Datierungsfrage der Stadtmauer .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 7

    Isabella BENDA-WEBERDie Reliefamphora von Mykonos: Ein Beitrag zur Trachtenkunde des 7. Jahrhunderts v. Chr. . . . . . . . . . . 39

    Florens FELTEN Claus REINHOLDT Eduard POLLHAMMER Walter GAUSS Rudolfine SMETANAgina-Kolonna 2007. Vorbericht ber die Grabungen des Fachbereichs Altertumswissenschaften/Klassische und Frhgische Archologie der Universitt Salzburg .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 47

    Stefan GROH Volker LINDINGERNeue Forschungen in Immurium-Voidersdorf/St. Margarethen in Salzburg. Die geophysikalischeProspektion 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

    Barbara HOREJS, mit Beitrgen von Alfred GALIKund Ursula THANHEISERErster Grabungsbericht zu den Kampagnen 2006 und 2007 am ukurii Hyk bei Ephesos . . . . . . . . . . . 91

    Barbara HOREJS, mit einem Beitrag von Fabian KANZEine sptbronzezeitliche Bestattung in Halkapnar bei Ephesos ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... 107

    Raimund KASTLER, mit Beitrgen von Matthias PFISTEREROberflchenfunde des Jahres 2005 im Bereich von Immurium/St. Margarethen in Salzburg . . . . . . . . . . . . . 131

    Ergn LAFLI Jutta MEISCHNERHellenistische und rmische Grabstelen im Archologischen Museum von Hatay in Antakya . . . . . . . . . . . 145

    Dominik MASCHEKFigur und Ornament. Das Tnzerinnenmonument von der Via Prenestina und die Produktionvon Architekturdekor im rmischen Suburbium des 1. Jahrhunderts v. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

    Ursula QUATEMBERDer Brunnen an der Strae zum Magnesischen Tor in Ephesos .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 219

    Ursula QUATEMBER Alice WALDNER Matthias PFISTERER Maria AURENHAMMER

    Die Grabung des Jahres 2005 beim Nymphaeum Traiani in Ephesos .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 265

    Martin SEYERDas Grabmal des Hurttuweti in Myra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

    Martin STESKALRituelle Bestattungen im Prytaneion von Ephesos? Zu den Fundumstnden der ArtemisEphesia-Statuen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363

    Lilli ZABRANAVorratshaltung in der mykenischen Argolis als Instrument einer palatialen Zentralgewalt? . . . . . . . . . . . . . . 375

    JAHRESBERICHT 2007 DES STERREICHISCHEN ARCHOLOGISCHEN INSTITUTS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399

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    M a r t i n A u e r

    Municipium Claudium Aguntum Zur Datierungsfrage derStadtmauer

    1. Einleitung

    Die rmischen Ruinen in der Umgebung von Lienz in Osttirol sind seit dem 16. Jahrhundert n. Chr. bekanntund sind auch in Reiseberichten beschrieben worden1. Die endgltige Identifizierung gelang 1873 Theodor

    Mommsen, der in ihnen das antike Municipium Claudium Aguntum erkannte2. Auf Grundlage umfangrei-cher theoretischer Vorarbeit von Adolf B. Meyer und August Unterforcher3 fanden in den Jahren 1912 1913erste archologische Grabungen durch Innozenz Ploner4 und Rudolf Egger5 im Bereich der Stadtmauer statt;die Arbeiten Eggers konzentrierten sich allerdings weitgehend auf die Friedhofsbasilika. Die gezielte Er-forschung der Stadtmauer von Aguntum begann hingegen mit den Arbeiten Innozenz Ploners, der einenTurm und zwei Tordurchlsse sowie einige an die Mauer angebaute Rume freilegen konnte. In den Jahren1931 1935 folgten unter der Leitung von Erich Swoboda lngere Grabungskampagnen am Stadttor undnrdlich desselben6. Ab 1950 fhrte Franz Miltner systematische Grabungen durch7; er konnte nahezu dengesamten Mauerverlauf sdlich des Tores freilegen. Unter der Leitung von Wilhelm Alzinger (1956 1990)wurden einige an der Stadtmauer liegende Gebude nher untersucht8 und der Torbereich wurde neuer-lich freigelegt. Ab den Sechzigerjahren rckten das Atriumhaus, das Handwerkerviertel und die groe

    ffentliche Thermenanlage in den Mittelpunkt der Feldforschungen9

    . Seit dem Jahr 1991 ist das Institut frArchologien der Universitt Innsbruck unter der Gesamtleitung von Elisabeth Walde mit den Forschungenbetraut10: In den Anfangsjahren wurden vorerst baubegleitende Grabungen im Zuge der Neuplanung derBundesstrae 100 im Bereich des Atriumhauses und teilweise direkt an der Stadtmauer durchgefhrt. Dabeikonnte das Marmorbecken des Atriumhauses freigelegt werden, weshalb sich die folgenden regulren Gra-

    bungen vor allem auf das Umfeld dieses Gebudes konzentrierten11.

    1 Zusammengestellt sind die Zufallsfunde und Grabungen ab dem 16. Jh. bis 1974 in Form einer Liste bei S. Karwiese, Der AgerAguntinus (Lienz 1975) 76 und mit der neueren Forschungsgeschichte bei Walde 2002, 169.

    2 CIL III 2, 590 592 und 1049 Nr. 6528.3 A. B. Meyer A. Unterforcher, Die Rmerstadt Agunt bei Lienz in Tirol (Berlin 1908).4 Ploner 1912, wobei die Ergebnisse seiner Grabungen im Jahre 1913 aufgrund seines Todes nicht mehr publiziert werden konn-

    ten; lediglich Planzeichnungen sind von den Arbeiten in diesem Jahr bekannt.5 R. Egger, Ausgrabungen in Norikum 1912 1913, Jh 17, 1914, Beibl. 8 86 und R. Egger, Frhchristliche Kirchenbauten im

    sdlichen Norikum (Wien 1916) mit lterer Lit.6 Swoboda 1935, wobei dieser Bericht die Grabungen 1931 1933 umfasst, whrend die Kampagnen 1934 1935 unpubliziert

    blieben.7 Miltner 1953; F. Miltner, Die neuen Grabungsergebnisse in Aguntum, FuF 1953, H. 3, 89 90; Miltner 1953b, 32 34 und Milt -

    ner 1955.8 Dazu vor allem Alzinger 1959; W. Alzinger, Kurzbericht ber die Jahre 1982 und 1983, Jh 55, 1984, 42 45 und G. Luger, Der

    Raumkomplex Weggrabung Nord von Aguntum und die in diesem Bereich gefundene grobtonige Keramik (Diss. UniversittWien 1989).

    9 Alzinger 1959 und weitere deutlich krzere Grabungsberichte in den Folgejahren aufgelistet im Literaturverzeichnis bei Alzin-ger, 1985.

    10 Zuletzt Tschurtschenthaler 2002, 1071 1089 mit Verweisen auf die weiteren Berichte ber die Grabungen seit 1991 und Walde2002, 149 163 mit ausfhrlichem Literaturverzeichnis.

    11

    Dazu zuletzt: M. Tschurtschenthaler, Municipium Claudium Aguntum. Hellenistisch-rmischer Wohnluxus in den Alpen, in:L. DalRi St. di Stefano (Hrsg.), Littamum. Una mansio nel Noricum. Eine Mansio in Noricum, BAR IntSer 1462 (Oxford2005) 105 126.

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    GesamtplanAguntum.

    Stand2007

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    9MUNICIPIUM CLAUDIUM AGUNTUM ZUR DATIERUNGSFRAGE DE R STADTMAUER

    Die archologischen Forschungen werden in Aguntum dadurch erschwert, dass das gesamte antike Stadt-gebiet in nachrmischer Zeit mehrmals von Muren und berschwemmungen heimgesucht worden war,wobei Gerllsteine und Schwemmsande bis zu einer Strke von 6 m ber den antiken Ruinen abgelagertwurden. berschwemmungen mit etwas geringerem Zerstrungspotenzial fanden zuletzt 1882 12 und in denJahren 1965 und 196613 statt. Vor allem die Zerstrungen der Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts bedeutetenfr die Erforschung der Stadtmauer einen Rckschlag, da zum einen bereits ergrabene Gebiete meterhochmit Schwemmsanden bedeckt wurden und nicht mehr freigelegt werden konnten und zum anderen der be-schdigte, noch sichtbare antike Bestand restauriert werden musste14. Dadurch sind manche Ergebnisse derAusgrber Erich Swoboda und Franz Miltner am Originalbestand nicht mehr ohne neuerliche Grabungennachzuvollziehen.

    2. Die Architektur der Stadtmauer

    Die Stadtmauer besteht aus Bachstein-Schalenmauerwerk15 mit 0,85 m (westliche) und 0,95 m (stliche)breiten Futtermauern, die einen Zwischenraum von 0,65 m einschlieen. Somit ergibt sich eine Gesamt-

    breite des Mauerwerks von 2,45 m (entspricht 8 rmischen Fu) (Abb. 2. 3). An ihren Auenseiten setzendie beiden Mauerzge mit einem stufenfrmigen, 0,70 m hohen Sockel ab, wobei dieser durchschnittlich0,15 m ber die Mauerbreite des sonstigen Oberbaus vorspringt. Das aus groen Gerllsteinen bestehendeFundament, das beiden Futtermauern gemeinsam ist, ist weitere 0,35 m ber die Sockelkante vorgezogen(Abb. 3). Der Raum zwischen den beiden Futtermauern, die an ihren Innenseiten flchtig gearbeitet sind,ist zum grten Teil mit Bachsteinen, Sand und Erde ausgefllt16. Zwischen den beiden Futtermauern sindin regelmigen Abstnden von 50 rmischen Fu (= 14,8 m) Quermauern eingezogen 17 (Abb. 2); diesekonnten bei den Grabungen meist in gleicher Erhaltungshhe wie die Futtermauern festgestellt werden. DieQuermauern drften einen Beitrag zur Festigkeit und Haltbarkeit des Mauerwerks geleistet haben.

    Der unterschiedliche Erhaltungszustand der Mauerzge nrdlich und sdlich der groen Toranlage be-stimmt den unterschiedlichen Kenntnisstand bezglich der beiden Teile der Stadtmauer. Der Verlauf desMauerzuges nach Norden wurde von Erich Swoboda18 mit drei Sondagen berprft. Dabei konnten die bei-den Futtermauern noch 166 m nrdlich des Nordturmes festgestellt werden: Sie nehmen in ihrer erhaltenenHhe zwischen Meter 166 und 170 stark ab, nrdlich davon konnten nur noch Gerll und Murenschotterangetroffen werden. Den sdlichen Verlauf der Stadtmauer konnte Swoboda bis etwa 20 m sdlich des

    12 Dazu J. Althaler M. Pizzinini H. Waschgler, Die Hochwasserkatastrophe im 19. Jh., OTirHbl 50, 9/10, 1982, 1 16.13 Dazu M. Pizzinini, Osttirol eine Bezirkskunde (Innsbruck 1971) und H. Waschgler, Klima, in: G. Grolechner (Hrsg.), Be-

    zirkskunde Osttirol (Innsbruck 1988) 16 17.14 So schreibt W. Alzinger ber die Aufrumarbeiten im Jahr 1966, dass ein Groteil des Grabungsgebiets ber 1 m hoch von Mu-

    renschotter berdeckt war und andere Teile stark untersplt wurden (W. Alzinger in einem Brief an das AI vom 28. 9. 1966,heute im Dokumentationsarchiv des AI).

    15 Die Technik der Schalenmauer, die bereits von Vitr. 5, 1 8 und Plin. nat. 36, 51, 172 beschrieben wird, ist in der rmischenWehrarchitektur beliebt. Insbesondere tritt sie bei Stdten ab augusteischer Zeit auf, aber auch im militrischen Bereich findetdiese Mauertechnik weite Verbreitung.

    16 Swoboda 1935, 17 19. Die Auffllung vieler bekannter Futtermauern im Rmischen Reich (etwa jener in Kln, Avenches,Xanten, Augsburg und vieler Stdte des nrdlichen Italiens sowie der Hispania zuletzt etwa: S. Ortisi, Vallum cum turribus.Zur Westumwehrung der rtischen Provinzhauptstadt Aelia Augusta/Augsburg, in: Wamser 2002, 145 156 und Ciurletti 2002)besteht aus einem Caementitium-Gusskern. Eine Auffllung mit Erde, Sand und Bachsteinen ist bisher singulr, lediglich dasLegionslager von Windisch-Vindonissa kommt dem nahe, da dort Bauschutt und Erde verwendet wurden, um den Raum zwi-schen den Mauerschalen zu fllen (T. Bechert, Rmische Lagertore und ihre Bauinschriften, BJb 171, 1971, 210).

    17 Derartige Quermauern werden nur sehr selten verwendet, da sonst meist ein Caementitium-Kern den Zwischenraum fllt, derkeine zustzlichen Sttzen bentigt, s. R. M. Butler, The construction of Urban Defences, in: Maloney Hobley 1983, 125 129.Die einzige bekannte Stadtmauer, die mit Sicherheit Quermauern aufweist, ist Tolosa (Toulouse): D. Cazes, La ville dans sesmurs. Paladia Tolosa. Toulouse Romain (Toulouse 1989) 61 67. Vitr. 5, 3 beschreibt Querverstrebungen mit Olivenholz, die

    bautechnisch der Aguntiner Anlage nahe kommen, wobei in Aguntum allerdings steinerne Quermauern eingezogen wurden.18 Swoboda 1935, 22 24.

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    2 Ansicht des nrdlichen Stadtmauerabschnitts von Norden, kurz nach dessen Freilegung;im Hintergrund der Nordturm der Toranlage

    3 Schematische Darstellung des Aufbaus der Stadtmauer 4 Sdlicher Teil der Stadtmauer whrend der Freilegungdurch F. Miltner im Jahr 1952 (Blick von Norden)

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    11MUNICIPIUM CLAUDIUM AGUNTUM ZUR DATIERUNGSFRAGE DE R STADTMAUER

    Sdturmes freilegen, wobei weiter im Sden zwei Suchgrben gezogen wurden19. Franz Miltner20 gelanges, die Mauer sdlich des Tores schlielich auf einer Strecke von 177,7 m vor allem ostseitig durchlaufendfreizulegen (Abb. 4).

    3. Die Tore der Stadtmauer

    3.1 Die Nebentore

    Sdlich der groen Toranlage wurden drei Nebentore festgestellt (Abb. 5), von denen zwei schon Inno-zenz Ploner bekannt waren21. Nebentor (NT) 2 mit einer durchschnittlichen Breite von 2,1 m besitzt keinerechtwinklig gelegten und auch nicht genau parallele Wangen, was Franz Miltner dazu veranlasste, hierineinen spteren Durchbruch in der Mauer zu sehen. Diese Annahme wird dadurch bestrkt, dass die beidenZge der Stadtmauer unter dem Durchgang noch bis auf die Hhe derSockel der Futtermauern durchlaufen und die unregelmigen Torwan-gen aufgrund des hier verwendeten kleineren Steinmaterials als spteres

    Flickwerk anzusehen sind. Nebentor 3 (NT 3) ist 2,40 m breit und exaktrechtwinklig durch die Mauer gelegt. Allerdings war NT 3 ebenfalls nichtim ursprnglichen Bauplan vorgesehen, da auch hier die beiden Mauer-zge in Sockelhhe durchlaufen. Anders als bei NT 2 sind die Wangendieses Tores im Zwischenraum der beiden Mauerzge vom Stadtmauer-fundament her aufgemauert, wobei das gleiche Steinmaterial wie fr dieStadtmauer verwendet wurde.

    NT 1 wurde erst im Zuge der Grabungen Franz Miltners entdeckt. Es befand sich unmittelbar sdlich des ursprnglichen Dammes der Bun-desstrae und weist eine Breite von 3,55 m auf. Der wesentliche Unter-schied zu den beiden anderen Nebentoren ist, dass die beiden Bahnender Stadtmauer nicht unter dem Torbereich durchlaufen, sondern in ei-nem etwa 0,25 m vorspringenden Sockel an den beiden Torwangen zu-sammengefasst sind. Auf diesem Sockel sind die Torwangen in schnerGlattmauerung erbaut sie waren bei Freilegung noch ber 2 m hocherhalten , wobei in den beiden untersten Lagen Bachsteine, darber aber

    plattenfrmige Schiefersteine verwendet worden waren. Die aufwendigeMauertechnik und das Fehlen der Mauerzge unter der Fahrbahn sind derBeweis, dass dieses Nebentor von Anfang an im Bauplan der Stadtmauervorgesehen war.

    An der Ostseite der Ummauerung fanden sich an mehreren Stellenplattenfrmige Steinblcke, welche sich nach Franz Miltner wohl alsPflasterung entlang der Mauer ergnzen lassen, besonders da die Stein-

    lage auch innerhalb der Durchgnge der Nebentore vereinzelt aufgedecktwerden konnte. Es wird somit lngs der Stadtmauer ein gepflasterter Geh-weg anzunehmen sein.

    Franz Miltner konnte auch das vorlufige Sdende der Stadtmauer feststellen22. An diesem ca. 185 mvom Haupttor entfernt ist die Quermauer, welche die beiden Futtermauern verbindet, in blicher Technikmit groen und teilweise bearbeiteten Bachsteinen errichtet. Dem Ausgrber schien hier ein ursprnglichesTor wahrscheinlich, weshalb noch etwa 5,5 m ber die Abschlusswange der Stadtmauer hinaus nach Sdengegraben wurde. Obwohl man sich auf dem Niveau der Sohle der Fundamentgrube befand, konnte keine

    19 Swoboda 1935, 24 25.20 Miltner 1953, 97 103.

    21 Ploner 1912, und zwar NT 2 (nach Graf Toggenburg benannt) und NT 3 (Tor Baron Kathrein).22 Miltner 1953, 105 108.

    5 Planzeichnung der von F. Milt-ner beschriebenen Haupt- undNebentore

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    Spur einer Gegenwange entdeckt werden. Wegen der besonders schwierigen Verhltnisse in diesem Areal die Fundamentsohle lag mehr als 7 m unter dem rezenten Niveau sowie dem recht nahen Damm des De-

    bantbaches23 konnten keine weiteren Untersuchungen durchgefhrt werden.

    3.2 Das Haupttor

    Dort, wo sich heute die grte bisher festgestellte Toranlage der Aguntiner Stadtmauer befindet, war im ur-sprnglichen Bauplan der Mauer ein wesentlich kleineres Tor vorgesehen, dessen Fundamente unterhalb desgroen Tores bereits von Erich Swoboda24 (Abb. 6) und spter von Wilhelm Alzinger (Abb. 7) festgestellt wer-den konnten. Dieses Tor besa nur eine etwa 3,5 m breite Durchfahrt, wobei zuletzt Alzinger25 annahm, dassder Umbau zur groen Toranlage bereits wenige Jahre nach Fertigstellung der ersten Bauphase erfolgt war.

    Die groe Toranlage besteht aus ei-ner doppelten Durchfahrt, flankiert vonzwei fast quadratischen Tortrmen26.Die Trme weisen eine Seitenlnge von

    6 m auf und waren bei ihrer Freilegungnoch etwa 2,5 m hoch erhalten (Abb. 8).Die Mauern sind 1,2 m breit und ent-sprechen in Technik und Material derStadtmauer. Eine Ausnahme bilden dieOstmauern der Trme: Anstelle derBachsteine sind in ihrer unteren Hlftegroe, ca. 1 m lange und 0,25 m hohe,z. T. bearbeitete Steinplatten (Schiefer,

    bearbeitete Bachsteine) versetzt. Nachoben hin werden diese von rechtwink-lig zugerichteten und an der Auenseitegegltteten Schieferplatten (in der Regel0,6 m lang und 0,1 m hoch) abgelst.An beiden Ostmauern wurde ebensoeine je 0,7 m breite und 0,4 m hohe ff-nung erkannt. Die West- und Ostwndeder Turmmauern sind jeweils 0,5 m weitin die Durchfahrt vorgezogen und bildenhier einen 0,87 m breiten Pfeiler. In derMitte der ca. 9,5 m breiten Durchfahrtkonnte ein 1,5 m langer und 1,2 m brei-ter Mittelpfeiler aus Schieferplatten frei-

    gelegt werden. Analog dazu wird vonErich Swoboda auch in der Visierlinieder westlichen Turmpfeiler ein Mittel-

    pfeiler mit gleichen Maen rekonstru-iert, wenngleich dieser auch nur nochanhand einiger weniger Schieferplattenfestgestellt werden konnte27. Damit be-steht die zweite und abschlieende Bau-

    23 Miltner 1953b, 32 34.24 Swoboda 1935, bes. 44 45.25 Alzinger 1960, 31.

    26 Swoboda 1935, 33 45.27 Vgl. Swoboda 1935, 41.

    6 Planzeichnung der Toranlage nach E. Swoboda mit den Fundamenten derlteren Torphase

    7 Fundamente der lteren Torphase, Planzeichnung W. Alzingers

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    sprung der anschlieenden Stadtmauer, was die Interpretation als eine spter eingebaute Trffnung sttzt.Allerdings spricht die sorgfltig gemauerte Westfront des Zugangs eher fr einen ursprnglich geplantenEingang (s. Abb. 9). Die unvereinbaren Niveaus der Trschwelle und des Bodens innerhalb des Turmesmit dem durch den Fundamentvorsprung der Stadtmauer markierten Auenniveau knnen ganz einfach miteiner Treppe berbrckt werden und sind somit kaum ein gewichtiger Grund, den Zugang als sekundranzusehen.

    4. Das Datierungsproblem der Stadtmauer von Aguntum

    Insgesamt ergibt sich aus dem bisher Gesagten das Bild einer Befestigungsanlage mit mehreren, nachein-ander entstandenen Tordurchlssen33. Allein aufgrund dieser Tatsache scheint es wahrscheinlich, dass dieStadtmauer whrend einer lnger andauernden Friedenszeit bestand, denn sonst htte man wohl kaum nach-trgliche Nebentore angelegt, die eine Verteidigung der Stadt erheblich erschwerten. Ebenso scheint derUmbau des groen Tores und seiner ursprnglich einbahnigen Durchfahrt in eine zweibahnige in Bezug aufdie Verteidigung der Stadt nicht besonders schlssig34. Besonders dann nicht, wenn die Trme einmal von

    Westen (Sdturm) und einmal von Osten (Nordturm) zugnglich waren, was bei derzeitigem Forschungs-stand anzunehmen ist. Als Grund fr die Verbreiterung des Tores drfte unter diesen Umstnden eher eingreres Verkehrsaufkommen anzunehmen sein.

    Mit der Entdeckung der Stadtmauer durch Innozenz Ploner35 ergab sich die Frage, auf welcher Seite derStadtmauer die antike Stadt nun zu suchen sei. Erich Swoboda ging nach Abschluss seiner Grabungen davonaus, dass die Stadt im Osten des bekannten Mauerzuges liegen msse 36. Mit den Arbeiten von Franz Miltnerwurde schlielich klar, dass sich die eigentliche Stadt im Westen der Stadtmauer befunden haben musste,was Miltner anhand des Grabungsbefundes auch eingehend darlegte37. Lediglich Alfons Wotschitzky38 wi-dersprach dieser Deutung und lokalisierte Aguntum wiederum stlich der Ummauerung, was auch WilhelmAlzinger kurz in Erwgung zog, um die Mauer ebenso wie Wotschitzky als Murenschutzmauer zu inter-

    pretieren39. Nach den heute bekannten baulichen Resten40 (s. Abb. 1) ist mit Sicherheit davon auszugehen,dass sich das Zentrum des antiken Municipium Claudium Aguntum westlich des bekannten Stadtmauerab-schnitts befand.

    33 Einfache Nebentore, wie sie hier in Aguntum vorkommen, sind bei rmischen Wehrmauern nicht der Regelfall. Es sind in die-sem Zusammenhang vor allem Nebentore in Form von in die Mauer eingelassenen Trmen bekannt (etwa in Turin, Avenches,Kln, Xanten und Merida dazu Ch. Weiss, Die frhkaiserzeitlichen Stadtbefestigungen auf der iberischen Halbinsel: Fortifi-katorische Funktion und Bedeutung fr das urbane Erscheinungsbild [Dissertation Universitt Kln 1997] 157 158). EinfacheDurchgnge, sog. Poternen, wurden von Ch. Weiss in Zaragossa, Mrida und Baelo (Weiss a. O. 158 159) sowie in Frejus(L. Rivet D. Brentchaloff S. Roucole S. Saulnier, Atlas topographique des villes de Gaulle Mrodionale II. Frejus, RANarbSuppl. 32 [Aix-en-Provence 2000] 352 356) festgestellt. Die weitgehende Unkenntnis solcher Mauerffnungen drfte aber wohleher auf eine Forschungslcke als auf eine andere Begrndung zurckgehen, da Poternen, insbesondere wenn sie spter einge-baut wurden, nur als solche zu erkennen sind, wenn von der Stadtmauer mehr erhalten ist als das Fundament und groe Streckender Mauer erforscht sind.

    34 Swoboda 1935, 45 50 sieht im Umbau des Tores eine fortifikatorische Manahme.35 Ploner 1912.36 Swoboda 1935; seine Grabungen stlich der Stadtmauer deckten Besiedlungsspuren auf, whrend schon R. Egger (Anm. 1:1914)

    8 86 westlich des Stadtmauerzuges zwei kaiserzeitliche Grber feststellen konnte. Diese Indizien fhrten zu dem logischenSchluss, dass die antike Stadt im Osten der Stadtmauer liege, wenn auch die von Egger (Anm. 1:1916) freigelegte Friedhofsba-silika der Tradition entsprechend auerhalb der Stadt htte liegen mssen.

    37 Miltner 1953, 141 156.38 A. Wotschitzky, Zum Tor-Problem von Agunt, AnzAW 5, 1952, 119 123.39 W. Alzinger, Aguntum. Zusammenfassung und Kurzbericht fr die Jahre 1978 1981, Jh 53, 1981/1982, 49. Allerdings wird in

    dem 1985 von Alzinger erstellten Fhrer durch Aguntum und Lavant die Lage der Stadt wieder westlich der Mauer angenom-men: Alzinger 1985, 37 38.

    40 Dazu Walde 2002, 149 163; E. Walde, Das Municipium Claudium Aguntum, in: Spurensuche. I. Vom Schnabelmenschenzur Zwerglstadt. Katalog zur Ausstellung des Museums der Stadt Lienz Schloss Bruck (Innsbruck 2005) 63 69 und Tschurt-schenthaler 2002, 1071 westlich des Atriumhauses und sdlich der groen Therme konnten in einem Suchschnitt zahlreiche

    innerstdtische Gebude festgestellt werden, von denen das Macellum in den Jahren 2006 und 2007 vollstndig ausgegrabenwerden konnte.

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    15MUNICIPIUM CLAUDIUM AGUNTUM ZUR DATIERUNGSFRAGE DE R STADTMAUER

    Erich Swoboda ging bei seiner Datierung von der Lage der Stadt im Osten aus und kam ber den Ver-gleich der Toranlage mit anderen Toranlagen kaiserzeitlicher Stdte zu dem Ergebnis, dass die Mauer umdie Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. errichtet41 und der Umbau der groen Toranlage Ende des 2. Jahr-hunderts bzw. Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr. in Angriff genommen worden war. Als Anlass fr dieErrichtung der Stadtmauer fhrte er die Markomannenkriege sowie den Alamannenfeldzug Caracallas an 42.Allerdings weicht diese 1935 publizierte Datierung von den Angaben einer nur ein Jahr lteren Publikationab, in der Swoboda von zwei zeitlich getrennten Bauperioden der Stadtmauer in den beiden ersten Jahr-hunderten nach Christus spricht43. Franz Miltner beschftigte sich weniger eingehend mit der Frage der Da-tierung als mit der Beweisfhrung fr die Lage der Stadt44 und bernahm wohl Swobodas Begrndungen

    bezglich der Notwendigkeit einer Verteidigungsanlage in der zweiten Hlfte des 2. Jahrhunderts n. Chr.,wenn er den Bau der Stadtmauer in die Zeit der Markomannenkriege setzt45. Miltner kam aber, insbesonde-re durch die Ergebnisse der Grabungen des Jahres 195346, zu dem Schluss, dass die Stadtmauer frher als

    bisher angenommen47 datiert werden msse. Eingehend mit der Frage nach der Funktion und Datierungder Stadtmauer beschftigte sich Wilhelm Alzinger48, der in der Aguntiner Mauer einen Reprsentationsbausah, der anlsslich der fr das 2. Jahrhundert angenommenen49, aber nie bewiesenen Erhebung Aguntumszur Colonia errichtet worden war. Zuletzt war es Verena Gassner, die sich mit Datierung und Funktion der

    Stadtmauer von Aguntum auseinandersetzte50. Anhand typologischer Vergleiche des Tores in Aguntum mitden Torbauten anderer rmischer Stdte stellt sie fest, dass vor allem im 1. und ab dem Ende des 2. Jahr-hunderts n. Chr. der Aguntiner Mauer hnliche Stadtmaueranlagen bekannt sind. Aufgrund der Auswertungdes Grabungsbefundes bis 1985 gelangt Gassner zur Ansicht, dass es sich in Aguntum um eine Stadtbefes-tigung handeln muss, die gegen Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. als Schutz gegen die Alamannen-Einflleerbaut wurde.

    Alle bisherigen Anstze zur Datierung der Stadtmauer sind primr von dem Befund an der Stadtmauerselbst ausgegangen, wobei im Wesentlichen Vergleiche mit anderen Toranlagen herangezogen wurden. Dereinfachste Weg zu einer Datierung der Mauer zu gelangen, wren Funde im Verfllungsmaterial zwischenden beiden Futtermauern. Und tatschlich ist eine Mnze des Kaisers Hadrian, die schon unter ErichSwoboda entdeckt wurde51, immer wieder ein Hauptargument, die Stadtmauer nach der Mitte des 2. Jahr-hunderts n. Chr. anzusetzen. Doch bei einer genaueren Untersuchung der Fundlage dieser Mnze stelltman zunchst bei Swoboda52 fest, dass sie sich in der Verfllung an der Fundamentoberkante der Mauer

    befand, und zwar ca. 20 m nrdlich des Nordturmes. Wie aber die Grabungen Franz Miltners ergaben53,ist die Stadtmauer ab etwa 19 m nrdlich des Nordturmes durch einen Murenarm (mit Streichrichtungfast Nord-Sd) vllig zerstrt. Somit kann diese Mnze keinesfalls zur Datierung der Stadtmauer heran-

    41 Swoboda 1935, 42 45.42 Swoboda 1935, 49.43 E. Swoboda, Die Ausgrabungen in Aguntum bei Lienz in Osttirol, FuF 1934, H. 2, 17 18. Die hier publizierte Meinung zur

    Datierung findet ihre Besttigung in einem Brief von E. Swoboda vom 3. 9. 1932, in dem er wage von bestimmten Momentenspricht, die als Hinweise auf eine schon in das 1. Jh. n. zurckreichende Bauperiode zu verstehen wren (dieser Brief befindetsich im Dokumentationsarchiv des AI in Wien, Akte 54/1932). Damit ist auch klar, dass Swoboda zumindest von 1932 1934der Ansicht war, die Stadtmauer htte eine in das 1. Jh. n. Chr. zurckreichende Bauphase. Umso erstaunlicher ist es, dass beiseiner Publikation 1935 dieser ltere Datierungsansatz vllig unerwhnt bleibt.

    44 Miltner 1953.45 F. Miltner, Die neuen Grabungsergebnisse in Aguntum, FuF 1953, H. 3, 89.46 Miltner 1955.47 Miltner 1953b, 32 34.48 Alzinger 1960.49 Gegen die Erhebung des Municipium Aguntum in den Status einer Colonia in hadrianischer Zeit spricht das Fehlen jeglicher

    Belege. Dazu M. Zahrnt, Vermeintliche Kolonien des Kaisers Hadrian, ZPE 71, 1988, 233 234 hier wird auch vermerkt, dassdie Stadt auch nach Ende des 2. Jhs. n. Chr. noch inschriftlich als Municipium erwhnt wird, ohne irgendwelche Zustze, die aufeine Kolonieerhebung deuten wrden.

    50 V. Gassner, Zur Funktion und Datierung der Stadtmauer von Aguntum, R13/14, 1985/1986, 77 100.51 Swoboda 1935, 22.

    52 Swoboda 1935, 21 22.53 Miltner 1953, 97.

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    gezogen werden, da sie wahrscheinlicherst mit der Murenzerstrung in nach-antiker Zeit an ihren spteren Fundortgelangte. Erich Swoboda berichtet auchvon weiterem Fundmaterial, das sichan der ersten Quermauer innerhalb derStadtmauer nrdlich des Nordturmesfand54. Interessanterweise liegen dieFunde nrdlich der Quermauer neuer-lich auf der Fundamentoberkante derStadtmauer, whrend die Funde sdlichder Quermauer schon in der obers-ten Schichte entdeckt wurden. DieseFundposition legt nahe, dass auch dieseFunde von Mure und berschwemmungherangetragen wurden. Die Funde selbst

    wurden von Wilhelm Alzinger in seinerMaterialpublikation 55 nicht bercksich-tigt, womit die Angaben Swobodas freine allfllige Datierung ausreichenmssen. Da dieser aber keine genauenAngaben zum Fundort der einzelnenStcke macht, ist nicht klar, ob sich allehier aufgezhlten Funde bei der erstenQuermauer nrdlich des Nordturmesfanden oder dem zweiten Fundort in-nerhalb der Stadtmauer zwischen 166 mund 167 m nrdl ich des Nordturmeszugehren56. Das einzige ohne Zweifeldiesem zweiten Fundort zuordenbareStck ist eine Mnze des Claudius57. Al-lerdings ist auch hier die Situation hn-lich wie 20 m nrdlich des Nordturmes

    der Erhaltungszustand der Mauer istnmlich bedingt durch die Murenzer-strung sehr schlecht58. Somit bringendie nur vermeintlich in der Verfllungder Schalenmauer liegenden Funde kei-ne Lsung des Datierungsproblems59.

    Interessanter sind hier die an dieStadtmauer anschlieenden Rumlich-

    keiten (Abb. 10), die groteils schon in den Fnfzigerjahren erforscht wurden, wobei eine stratigraphischeZuordnung von Funden heute leider nur in den wenigsten Fllen mglich ist. Es zeigt sich allerdings aus

    54 Swoboda 1935, 21 22.55 W. Alzinger, Kleinfunde von Aguntum aus den Jahren 1950 bis 1952 (Wien 1955).56 Die bei Swoboda 1935, 50 52 angefhrten Funde datieren in die ersten beiden Jahrhunderte n. Chr. Da die Einschwemmung

    dieser Funde mit ziemlicher Sicherheit durch eine (in Nord-Sd-Richtung verlaufende) Mure anzunehmen ist, stammen sie wohlaus dem nrdlichen Teil der Stadt.

    57 Swoboda 1935, 24 und 50 52.58 Swoboda 1935, 24.

    59 Zu erwhnen ist in diesem Zusammenhang auch ein hadrianischer Brsenarmreif, der von W. Alzinger zur hadrianischenDatierung der Stadtmauer herangezogen wurde (Alzinger 1960, 35). Da dieser aber in einer Brandschicht ber dem Fundament-

    10 Ausschnitt aus dem Gesamtplan mit Raumbezeichnungen der an die

    Stadtmauer angebauten Rumlichkeiten

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    17MUNICIPIUM CLAUDIUM AGUNTUM ZUR DATIERUNGSFRAGE DE R STADTMAUER

    den Grabungspublikationen in Verbindung mitder Materialpublikation Wilhelm Alzingers, dassGebude, die eindeutig erst nach Errichtung derStadtmauer erbaut worden sein konnten, schon im2. Jahrhundert n. Chr. benutzt wurden60; vor allemsind hier der Baukomplex um Raum 21 und dieAbfallgrube unterhalb der Rume 232 234 so-wie die Rume h und i zu nennen, mit Einschrn-kungen auch Raum 12 und der Baukomplex umRaum b. Eine Datierung des Mauerbaus nach derMitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. ist somit aus-zuschlieen. Aufgrund des verhltnismig ho-hen Anteils frher Fundstcke in den Anbauten,u. a. Amphorenmaterial mit Stempeln aus dem1. Jahrhundert n. Chr., das zu groen Teilen Ent-sprechungen am Magdalensberg findet, spricht

    nichts gegen eine Datierung des Baubeginns derAguntiner Mauer noch im 1. Jahrhundert n. Chr.Eindeutig zu trennen sind hier aber der eigent-liche Mauerbau und der Bau des Osttores derStadt, da es sich an dieser Stelle um eine nach-trgliche Plannderung handelt und ursprnglichnur ein einfacher Durchlass vorhanden war. Dasaus den Altgrabungen hervorgehende Bild best-tigte sich nun auch durch die Auswertung einer1994 unmittelbar vor dem Osttor durchgefhrtenGrabung des Instituts fr Archologien der Uni-versitt Innsbruck.

    5. Der Befund der Grabung Stribachweg 1994

    5.1 Allgemeines

    Im Jahr 1994 fand eine Ausgrabung des Instituts fr Archologien (damals: Institut fr klassische und pro-vinzialrmische Archologie) der Universitt Innsbruck auf Parzelle 40/4 der Katastralgemeinde Stribachstatt, die aufgrund des an dieser Stelle geplanten Wirtschaftsweges unter dem Namen Stribachweg 1994

    gefhrt wurde. Dabei wurden unmittelbar vor dem Osttor der Stadtmauer zwei Gebude freigelegt (Abb. 11).Beide Bauten waren bei den Arbeiten Erich Swobodas in den Dreiigerjahren des 20. Jahrhunderts schonteilweise berhrt oder ausgegraben, sind aber bei der berschwemmungskatastrophe der Sechzigerjahrewieder verschttet und nicht mehr freigelegt worden. In den Plnen Swobodas wird das von ihm fast voll-stndig ergrabene sdliche Gebude mit Fundamentstreifen eingezeichnet und im Text erwhnt, whrenddas nrdliche Gebude, von dem, wie 1994 festgestellt werden konnte, Swoboda nur einen kleinen Teilangegraben hatte, keine Erwhnung findet.

    11 Gesamtansicht des Grabungsbereichs Stribachweg 1994(Blick von Norden)

    vorsprung der Stadtmauer gefunden wurde (Alzinger 1959, 127), besitzt er fr eine Datierung der Erbauungszeit der Stadtmauernur geringere Relevanz als terminus ante quem.

    60 Ausfhrlich in M. Auer, Beobachtungen zur Entstehungszeit der Stadtmauer von Aguntum. Mit einer Betrachtung der For-schungsgeschichte und der Datierungsanstze von 1912 bis 2005 (Mag. Universitt Innsbruck 2006).

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    Als jngste Schichtung konnten unter dem re-zent gebildeten Humus demnach die Schwemm-sande von 1964 1966 festgestellt werden. Darunterfolgten Geschiebesteine und weitere Schwemm-sande, die von bermurungen stammten, derenDatierung derzeit nicht mglich ist; sicher belegtsind berschwemmungen Ende des 16. Jahrhun-derts und um 1840 sowie 1882, die vom Debant-

    bach verursacht wurden61. Es lsst sich auch nichtmit Sicherheit sagen, wie viele bermurungendas Gebiet ber sich ergehen lassen musste. Nachder Beschreibung der Ruinensttte durch JohannPutsch, der um 1540 noch Teile der Bauten auf-recht stehend sah, darf von einer groflchigerenbermurung zwischen 1540 und 1800 ausgegan-gen werden, wobei kleinere Murenabgnge sicher

    auch schon vor dessen Besuch mglich sind. ImSchichtablauf sind abwechselnde Sand-, Kies-und Geschiebesteinstraten zu erkennen, die vonmehrmaliger berschwemmung und Murenab-gngen zeugen. Allerdings schneiden die unter-schiedlichen Schwemmschichten ineinander ein,womit eine Trennung der einzelnen Katastro-

    phenhorizonte kaum mehr mglich ist. Es ist indiesem Zusammenhang auch festzuhalten, dassdie gesamte rmische Stadt Aguntum auf einemsolchen Schwemmkegel errichtet worden war62und so im Extremfall, wenn die gesamte antikeSchichtung den Murenkatastrophen zum Opfergefallen ist, nicht einmal mehr dieser Schwemm-kegel mit Sicherheit von spteren bermurungenunterschieden werden kann dies ist vor allemim Norden der Stadt der Fall63, trifft aber auchauf Bereiche unmittelbar stlich der hier vorge-stellten Gebude zu.

    5.2 Das nrdliche Gebude (Gebude Nord)

    Es konnten hier insgesamt vier hintereinander liegende Rume freigelegt werden (Abb. 12). Der Grundrissist durch die alles berlagernde nachantike Mure stark in Mitleidenschaft gezogen, sodass teilweise nur nochdie untersten Lagen der Mauerfundamente erhalten sind. Dennoch konnte im sdlichsten Raum eine Hypo-kaustenanlage festgestellt werden, die vom unmittelbar nrdlich gelegenen Raum aus beheizt worden war.Von den nrdlich davon gelegenen Rumen sind nur noch geringe Reste erhalten geblieben. Der Abschluss

    61 Die Nachweise dieser Katastrophen finden sich bei Meyer Unterforcher (Anm. 3) 7 56.62 Dieser weist ein ca. 1,6%-iges Geflle von Norden nach Sden auf, was schon von E. Swoboda festgestellt wurde und sich

    1994 besttigte. Bezogen auf die Rollierung beider Hypokaustenanlagen, welche die einzige erhaltene antike Oberkante bauli-cher Substanz darstellen, konnte ein Niveauunterschied des nrdlichen zum sdlichen Hypokaustum von etwa 1 m festgestelltwerden. Da ungefhr der gleiche Wert auch von E. Swoboda fr das Fundament der Stadtmauer nrdlich des Nordturmes und

    sdlich des Sdturmes festgestellt wurde, drfte sich hier tatschlich der antike Gelndeverlauf widerspiegeln.63 Dazu Swoboda 1935, der bei der Suche nach der Fortsetzung der Stadtmauer im Norden nur noch Geschiebesteine antrifft.

    12 Planzeichnung Gebude Nord

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    des Gebudes nach Osten hin konnte nicht ergraben werden, da sich auf der anschlieenden Bschung einemoderne Verbauung (Grabungshaus aus den Fnfzigerjahren) befindet.

    Von Erich Swoboda wurde ein kleiner Teil dieses Bereichs bereits bei der Freilegung des Stadttores an-

    gegraben (Abb. 13), aber nicht dokumentiert; die Bschungskanten seiner Grabungen waren 1994 noch klarzu erkennen (Abb. 14). Einige Mauerreste im Schnitt 12/94 und in dessen Sderweiterung (Abb. 15) sindzu gering, um zur Rekonstruktion des Grundrisses herangezogen werden zu knnen (WO 1 und WO 2);ihre Interpretation ist unklar, da es sich um einen Gebudeteil oder aufgrund der Mae wahrscheinlicher einen Gehsteig handeln knnte.

    5.2.1 Das Hypokaustum

    Das Hypokaustum wird im Norden von einer Mauer begrenzt, in die das Prfurnium eingelassen war, undauch ein Teil der westlichen Begrenzung ist noch erhalten. Der Rest dieses Raumes ist der Murenzerstrungzum Opfer gefallen. Im Hypokaustum fand sich unter dem Murenmaterial feiner, brauner Sand, an dessenUnterkante Tubulibruch liegt. Der braune Sand liegt auch unter den wenigen erhaltenen Gewlben des Hy-

    pokaustums und fllt diese bis zum Scheitel auf. Unter diesem Auffllmaterial konnten eine dnne, schwar-ze Schicht, von der Bentzung der Heizanlage stammend, sowie grober, grauer Sand, wobei es sich hier um

    13 Die Toranlage und die stlich davon ausgegrabene Flche whrend der ArbeitenE. Swobodas (Blick von Sdosten)

    14 Grabungskante der Arbeiten E. Swobodas und daraufliegender Schwemmsand (helleFrbung) bei der Freilegung 1994

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    den vergangenen Mrtelboden handelt, festgestellt werden. Unter dem Mrtelboden folgt die Rollierung(Niveau 659,8 659,9 m) aus greren Bachsteinen (Dm bis zu 30 cm). Die Begrenzungsmauern dieses of-fensichtlich beheizten Raumes waren nicht mehr nachweisbar. Lediglich an der Westseite des Raumes 1 istneben der das gesamte Gebude nach Westen begrenzenden Nord-Sd-Mauer noch eine ltere Mauerphase

    bzw. eine Fundamentierung der Nord-Sd-Mauer entdeckt worden. An einigen Stellen wurde das Materialunter der Rollierung untersucht, wobei auch hier Funde aus rmischer Zeit in lehmigen, nicht nher zudefinierenden Schichten geborgen wurden. Bei den Lehmschichten drfte es sich wohl um den Untergrund

    handeln, der zur Vorbereitung des Baus bearbeitet wurde.

    15 Schnittplan der Grabung 1994 mit den freigelegten Gebuden und den beiden Torphasen auf Grundlage der PlanzeichnungE. Swobodas (s. Abb. 6)

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    5.2.2 Raum 2 (Prfurnium)

    In diesem Raum konnte ein in Verbund mit der Mauer WO 3 erbautes Prfurnium festgestellt werden,wobei das Mauerfundament auch unterhalb der Heizffnung durchlaufend errichtet worden war. DieHeizffnung selbst besteht aus einem Unterbau aus groen Bachsteinen sowie zwei seitlich begrenzendenSteinplatten, von denen die stliche durch den Druck der auf ihr lastenden Mure umgestrzt ist. Unter ei-nigen Schichten, die im Wesentlichen aus Brandresten bestehen und mit der Bentzung des Prfurniums inZusammenhang zu setzen sind, konnte nur noch die Rollierung dieses Raumes aus Bachsteinen festgestelltwerden (Niveau 659,8 m). Auf ihr liegen die Geschiebesteine im nrdlichen Raumabschnitt direkt auf.Unter der Rollierung befindet sich das gleiche Material wie in den Fundamentgrben der Gebudemauern,womit dieses wohl als Bettung fr Mauern und Rollierung gedient hat. Da die nrdliche Begrenzungs-mauer dieses Raumes (WO 4) eine deutliche Baufuge zur durchlaufenden Nord-Sd-Mauer hin erkennenlsst, ist eine Unterscheidung von zwei Bauphasen mglich. Dies besttigt sich vor allem durch eine unterWO 4 durchlaufende Brandschicht, die an der Nord-Sd-Mauer anliegt. Als Endpunkt der ersten Phasewre demnach ein Brand anzusehen, dessen Spuren auch an der Westseite des Gebudes noch festgestelltwerden konnten, wobei schon ca. 1 m westlich des Gebudes, bedingt durch die Strungen aus den Drei-igerjahren, die antike Schichtung ausreit.

    5.2.3 Die Rume 3 und 4

    In geringen Resten konnten auch noch zwei weitere Rume dokumentiert werden, deren Trennmauer (WO5), wiederum bedingt durch die Murenzerstrung, nur noch sehr fragmentarisch erhalten ist. Auch ist fest-zuhalten, dass die Nord-Sd-Mauer nrdlich von WO 5 nur noch in ihrem Fundament erhalten ist. Unterdem Murenschotter konnten im Bereich nrdlich von WO 4 lediglich die Mauerreste sowie stellenweiseeine Brandschicht festgestellt werden, die eventuell mit dem oben erwhnten Brandhorizont identisch ist.Die Mauer WO 5 liegt mit ihrem Fundament in einer braunen Sandschicht, die sich direkt unterhalb desBrandhorizonts befindet.

    5.2.4 Gesamtbetrachtung Gebude Nord

    Die Nord-Sd-Mauer ist als ltestes Bauglied dieses Gebudes anzusehen. An der Mauer WO 3 befindetsich unterhalb des Prfurniums eine frhere Mauerphase, die in einem Zug mit der Nord-Sd-Mauer errich-tet wurde. In einem spteren Arbeitsschritt sind das Prfurnium eingebaut und die Mauer WO 3 erneuertworden, wobei nun nur noch die untersten Steinlagen mit der Mauer in Verbindung standen, whrend dieoberen Steinreihen neu geschlichtet wurden und eine Fuge zur Nord-Sd-Mauer hin aufwiesen. Eine weitereBaufuge ist in der Mauer an der Stelle zu bemerken, an der die ltere Mauer WO 3 nach Osten abbiegt.Der mit Hypokausten beheizte Raum muss demnach einen spteren Anbau darstellen. Ebenso ist die MauerWO 4 erst spter angebaut worden, was sich anhand der unter ihr durchziehenden, an der Nord-Sd-Maueranliegenden Brandschicht beweisen lsst. Die Begrenzungsmauer WO 5 hingegen drfte von Beginn anmitgeplant gewesen sein, da hier die Brandschicht erst nach Errichtung der Mauer entstanden ist.

    Damit knnen aus dem wenigen Erhaltenen zwei Benutzungsphasen herausgelesen werden, wovon dieerste durch einen Brand beendet worden war. Diesem Brand folgte ein Neuaufbau der Rumlichkeiten mit

    der Erweiterung durch einen beheizten Raum im Sden, was auch Vernderungen in der Bausubstanz nrd-lich dieses Raumes mit sich fhrte, da hier nun ein Prfurnium eingebaut wird. Leider ist in den Rumen3 und 4 fast nichts mehr von der antiken Schichtung erhalten, sodass auer dem Brandhorizont64, der nurnoch direkt an den Mauerresten greifbar ist, ber die Art der Nutzung dieser Rume nichts ausgesagt werdenkann. Auch der Gesamtgrundriss des Gebudes bleibt unklar, da die Grabung aufgrund der Bschung mitihrer modernen Verbauung nicht weiter nach Osten gefhrt werden konnte.

    Das Gebude Nord wird schlielich recht bald aufgegeben, was die Auffllung der Hypokaustenanla-ge mit zum Zeitpunkt der Freilegung feinem, braunem Sand belegt. Dieser fllt die Hypokausten dort, wodiese erhalten geblieben sind, bis zu ihrem Gewlbescheitel auf und liegt ber den zerschlagenen Tubuli

    64 Die relativchronologische Einordnung dieses Brandhorizonts (s. u. Schicht 22) war nicht eindeutig mglich, sodass lediglichseine Beziehung zu Teilen des Gebudes bekannt ist.

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    der Wandheizung sowie dem Mrtel, der beim Entfernen der Tubuli abgeschlagen wurde. Meines Erachtenshandelt es sich hier am ehesten um eine intentionelle Auffllung der Hypokaustenanlage zum Zeitpunkt derAufgabe des Gebudes. Dafr sprechen die sorfltige Auffllung des gesamten Heizgewlbes bis an seineOberkante mit recht homogenem Material sowie die Schichtabfolge von Tubuli mit Mrtel in den unterenSchichten und Auffllmaterial darber. So wre es vorstellbar, dass die Tubuli, gesamt immerhin ca. 30 kgZiegel- und Tubulibruch allein in den von der bermurung weitgehend verschont gebliebenen Bereichen,von den Wnden abgeschlagen und mit dem dabei abbrckelndem Mrtel in das Hypokaustum geschttetworden waren. Eine nicht ganz auer Acht zu lassende Mglichkeit wre aber auch die Aufgabe des Gebu-des nach einer berschwemmung, wofr vor allem die Tatsache spricht, dass solche im Gebiet von Aguntumrecht hufig waren und der das Hypokaustum auffllende feine Sand durchaus auch als Schwemmsand an-gesehen werden kann. Welche Umstnde schlielich auch immer zur Aufgabe des Gebudes gefhrt habenmgen, es ist aus dem Fundmaterial des Gebudes Nord darauf zu schlieen, dass dies noch vor Beginndes 3. Jahrhunderts n. Chr. erfolgt sein muss.

    5.2.5 Relativchronologie des Gebudes Nord

    Es wurde von mir bei der Beschftigung mit der Grabung Stribachweg 1994 laufend eine Matrix der

    Schichtabfolge aus allen Tagebuchaufzeichnungen und der zeichnerischen sowie photographischen Doku-mentation erstellt (Abb. 16). Diese hilft den relativchronologischen Ablauf zu fassen und gestattet eine Zu-ordnung der Funde an die einzelnen Schichten. Da die Grabung im Jahr 1994 aber nicht mit einer begleiten-den Dokumentation mittels Harris-Matrix durchgefhrt wurde, muss die nun dargestellte Matrix mangelhaft

    bleiben. Zwar wurde whrend der Grabung sehr wohl nach Schichten vorgegangen, die Aufzeichnungenbeschrnkten sich aber auf die wesentlichen Schichtzusammenhnge, was fr eine Interpretation und Fund-zuordnung durchaus ausreichend ist. Um eine wissenschaftlich gesehen korrekte Harris-Matrix zu erstellen,mssten aber alle direkten Schichtzusammenhnge bekannt sein65, wofr sich schon eine nach Grabungs-schnitten organisierte Grabung, wie die hier behandelte, nicht eignet. So ist die im Folgenden dargestellteRelativchronologie zwar in sich richtig, gengt aber nicht den Anforderungen, um eine wissenschaftlichkorrekte Matrix darzustellen, da der eine oder andere Schichtzusammenhang nicht mehr ermittelt werdenkonnte66.

    5.2.6 Absolutchronologische Aussagen zu Gebude Nord

    Insgesamt stammen 57,5 % des gesamten antiken Fundmaterials67 der Grabung Stribachweg 1994 aus demBereich Gebude Nord, allerdings ist nur ein Teil davon mit Sicherheit den antiken Straten zuzuweisen,whrend das restliche Material im Murengeschiebe ber den Bauresten und so aus dem Befundzusammen-hang gelst aufgefunden wurde.

    65 Grundlegend dazu E. C. Harris, Principles of Archaeological Stratigraphy (London 1979).66 Insbesondere ist damit die zeitliche Gleichsetzung (durch hochgestellte Zahlen zu erkennen) der Schichten 11 und 35 sowie 12

    und 34 gemeint, die auf logischen Schlussfolgerung, und nicht auf eindeutige Dokumentation der Schichtenabfolgen zurckgeht.So ist die Schicht von Brandmaterial aus dem Prfurnium (35) sicher gleichzeitig mit der Ruschicht in der Hypokaustenanlage(11) entstanden, ohne dass der stratigraphische Beweis dokumentiert wre. Gleiches gilt fr die Errichtung der Hypokausten-pfeiler (12), die notwendigerweise gemeinsam mit dem Prfurnium (34) erbaut wurden. Die sonstigen in derselben horizontalenEbene angeordneten Schichten sind in ihrer Entstehung nicht als gleichzeitig anzusehen, sondern knnten lediglich in einergemeinsamen Phase entstanden sein. Des Weiteren wurden Interfaces nur soweit aufgenommen, als sie eindeutig dokumen-tiert waren. Man knnte durchaus noch weitere Interfaces einziehen (wie etwa Interface Murenzerstrung oder Interface dergesamten Hypokaustenanlage vor der Verfllung), allerdings begbe man sich damit auf recht unsicheres Terrain, zumal dieentsprechende Dokumentation nach Vorgaben der Harris-Matrix nicht vorhanden ist. Um einen anderen mglichen Kritikpunktanzusprechen, sei darauf hingewiesen, dass die Matrix natrlich nicht nach unten offen sein sollte, sondern im Idealfall mit demgeologischen Untergrund endet. Dies war hier einmal aufgrund der fehlenden Grabungsergebnisse in einigen Bereichen nichtmglich, und zum anderen ist es in dem wie erwhnt mehrfach bermurten Gebiet in Aguntum sehr schwierig, mit Sicherheitfestzustellen, wann man wirklich geologische Schichtung ohne menschliche Spuren erreicht hat.

    67 Insgesamt kommen aus der Grabung Stribachweg 1994 631 antike Keramik- und Glasfragmente (sicher zu einem Gef geh-rige Fragmente sind als ein Stck gerechnet) und 67 neuzeitliche Gefe.

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    23MUNICIPIUM CLAUDIUM AGUNTUM ZUR DATIERUNGSFRAGE DE R STADTMAUER

    16 Schichtabfolge/Matrix des Gebudes Nord

    68 Die Benennung der Schichten stammt mit Ausnahme der Interfaces aus den Grabungstagebchern und zeichnerischen Doku-mentationen der Grabung Stribachweg 1994.

    Schichtbezeichnungen68

    1 rezenter Humus2 Sandablagerung der berschwemmung in den

    Sechzigerjahren3 Aufbereitung der Grabungsflche in den Dreii-

    gerjahren sowie darauf gebildeter Humus4 Interface der Eingriffe unter Erich Swoboda5 Murenmaterial6 sandige Erde7 grober, grauer Sand (Versturzmrtel)8 feiner, sandiger Lehm (Fundmaterial Abb. 22).9 grober Sand mit Tubulibruch10 Schotter11 schwarze Ruschicht ber dem Boden des Hypo-

    kaustums12 Hypokaustenpfeiler in Raum 113 Boden Raum 114 Rollierung Raum 115 graubrauner Sand und Kies16 Interface kleine Grube17 dunkelbrauner Sand und Kies18 sehr feiner, heller Sand19 graugelber Sand mit groen Steinen20 Interface graugelber Sand mit groen Steinen21 Murenschotter22 schwarze Brandschicht (Zerstrungshorizont?)

    (Fundmaterial Abb. 18. 19)23 Nord-Sd-Mauer24 grauer Lehm (Verfllung Fundamentgrube Nord-

    Sd-Mauer und Unterlage der Rollierung) (Fund-material Abb. 17)

    25 Mauer WO 4

    26 Mauer WO 527 Interface Fundamentgrube Nord-Sd-Mauer28 brauner Lehm mit rostfarbenen Einschlssen29 Mauer WO 330 Mauer WO 131 Mauer WO 232 Rollierung zwischen WO 1 und WO 233 ltere Phase der Nord-Sd-Mauer bzw. Funda-

    mentierung34 Prfurnium35 schwarze Schicht im Prfurnium (Fundmaterial

    Abb. 20. 21)36 rote Schicht im Prfurnium37 Rollierung von Raum 2

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    24 Martin AUE R

    17 Randstcke zweier glserner Rippenschalen (1. 2) und ein Bodenstckeiner Feinkeramik (3) aus Stratum 24 (Bauvorbereitung). M. 1 : 3

    18 Randstcke eines Auerbergtopfes (14) und grautoniger norischer Gebrauchskeramik(15 18) aus Stratum 22 (Brandschicht). M. 1 : 3

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    25MUNICIPIUM CLAUDIUM AGUNTUM ZUR DATIERUNGSFRAGE DE R STADTMAUER

    Die ltesten Straten 17 21 und 28 lieferten kaum Fundmaterial und keine datierbaren Fragmente. Denim Folgenden nicht angefhrten Straten sind keine datierbaren Fundstcke zuzuweisen, was daran liegt, dassdiese nur in rumlich eng begrenzten Bereichen festgestellt wurden, die Menge an aus diesen Straten ge-

    borgenem Fundmaterial daher uerst gering ist. Stratum 24 (grauer Lehm) befindet sich im Fundamentgra-

    ben der Nord-Sd-Mauer sowie unterhalb der Rollierung als Aufbereitung fr dieselbe. Das Fundmaterialaus diesem Bereich umfasst zwei glserne Rippenschalen sowie ein zur Feinkeramik zu zhlendes Boden-stck (Abb. 17). In ihrer Datierung reichen diese Fragmente von der zweiten Hlfte des 1. Jahrhunderts n.Chr. bis zur ersten Hlfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. Aus der Brandschicht (Stratum 22)stammen sowohlFragmente von Glas, Gebrauchskeramik (Abb. 18), verzierten Wandstcken, eines Kruges und italischerSigillata als auch ein Stck einer Firmalampe Loeschcke X sowie einer weiteren Lampe der Form Loesch-cke III (Abb. 19). Die Datierung reicht auch hier von der zweiten Hlfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. biszur Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. Aus den Benutzungsschichten des Prfurniums (Straten 35 36 dasFundmaterial wurde hier nicht getrennt) sind neben einigen Fragmenten von Gebrauchskeramik (Abb. 20)auch eine Terra-Sigillata-Schssel, Fragmente eines sog. Soldatentellers sowie eines weiteren Tellers zunennen (Abb. 21), die auf die Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. verweisen. Im Auffllmaterial (Stratum 8)

    des Hypokaustums ist lediglich Gebrauchskeramik (Abb. 22) zu finden, die in ihrer Datierung grob in das2. Jahrhundert n. Chr. weist.

    19 Fragmente eines grautonigen Kruges (11), Wand- (4) und Randstcke (5) itali-scher Terra Sigillata, Lampengrifffragment (8) und verzierte Wandstcke grauto-niger Gebrauchskeramik (12. 13) aus Stratum 22 (Brandschicht). M. 1 : 3

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    20 Randstcke grautoniger norischer Gebrauchskeramik aus denStraten 35 36 (Benutzung des Prfurniums). M. 1 : 3

    21 Ganzformen einer Terra Sigillata (6), eines engobierten Tellers (9) und eines sog. Soldaten-tellers (10) aus den Straten 35 36 (Benutzung des Prfurniums). M. 1 : 3

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    Mit aller Vorsicht, die der geringe Umfang der stratifizierten Funde gebietet, kann eine erste Bauphasedes Gebudes gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. vermutet werden. Der Schadensbrand ist in der erstenHlfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. anzusetzen, da die darauffolgenden Umbauarbeiten noch vor der Mittedes Jahrhunderts abgeschlossen wurden. Fr die Datierung der Auffllung des Gebudes besitzen wir nurgeringe Evidenz. Sptestens whrend der ersten Hlfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. scheint das Gebude

    allerdings nicht mehr in Verwendung zu sein. Dies besttigt sich dadurch, dass auch der Schwerpunkt desGesamtfundmaterials eindeutig im 2. Jahrhundert n. Chr. liegt und mit Sicherheit dem 3. Jahrhundert n. Chr.zuzuordnende Funde fehlen. Die bermurung des 1994 ergrabenen Bereichs drfte eine neuzeitliche Zerst-rung darstellen, was der Fund eines braun glasierten Keramikfragments zusammen mit antikem Material imden Mauerdurchlass des Prfurniums teilweise auffllenden Murenschotter besttigt.

    5.3 Das sdliche Gebude (Gebude Sd)

    5.3.1 Die Fundamentstreifen

    Der nrdliche Teil dieses Bauwerks wurde schon von Erich Swoboda freigelegt, wobei die sog. Fundament-

    streifen bereits whrend der Grabungskampagne aufgemauert wurden (Abb. 23). Sdlich davon konnten1994 ein weiterer mittels Hypokaustenanlage beheizter Raum sowie das nordstlich gelegene, zugehrigePrfurnium festgestellt werden. Im mittleren Bereich dieser Anlage, sdlich an die Fundamentstreifen an-schlieend, wurden neuzeitliche Strungen angetroffen, die wahrscheinlich in den Dreiiger- oder Fnfziger-

    jahren entstanden waren (Abb. 24). Die modern errichteten Mauerzge liegen teilweise mit ihren unterstenSteinlagen direkt auf der Rollierung (Niveau ca. 658,8 m) dieses Gebudeteils auf. Da darunter keine anti-ken Mauerstrukturen erhalten geblieben sind und eine eventuelle Fundamentierung nicht ergraben wurde,gestaltet sich die Interpretation der Fundamentstreifen schwierig. Es ist in diesem Zusammenhang nichtauszuschlieen, dass es sich bei ihnen um durch die bermurung umgestrzte Hypokaustenpfeiler handelnknnte, die wegen der Aufmauerung noch whrend der Grabung nicht ausreichend untersucht wurden69. Dies

    22 Randstcke (23. 24. 26) und Bodenstck (25) grautoniger norischer Keramik aus Stratum 8 (Auffllmaterial ).M. 1 : 3

    69 Es findet sich bei Swoboda 1935, 61 62 auch der Hinweis, dass der gesamte Bereich ber diesem Bau vollstndig von Muren-

    schotter berlagert war, was wahrscheinlich macht, dass der antike Zustand dieses Gebudes nur noch sehr schwer zu erkennenwar.

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    legt vor allem die Tatsache nahe, dass an einigen Stellen dieser Mauerzge Steine fehlen und die darberbefindlichen Lagen auf Erdreich ruhen. Geht man aber davon aus, dass es sich hier wirklich um vier Mauer-zge handelt, liee sich auch in Betracht ziehen, dass es sich um eine Heizanlage, bestehend aus mehrerenHeizkanlen, handelt70. Da der sdliche und nrdliche Teil des Gebudes Sd wohl zu ein und demselbenBau gehren, halte ich die Deutung als ursprngliche Hypokaustenanlage fr wahrscheinlicher. Letztlichkann aber nicht eindeutig entschieden werden, wie der antike Befund ausgesehen hat, wahrscheinlich ist

    jedoch, dass es sich hier um die Reste einer wie auch immer gearteten Heizanlage handelt, und nicht um ein

    Streifenfundament.

    5.3.2 Das Hypokaustum

    Im 1994 neu ergrabenen Teil des Gebudes (Abb. 25) ist unterhalb der alles berlagernden Murenschich-ten stellenweise die Oberkante der Hypokaustengewlbe, die auch hier mit lehmigem, braunem Materialverfllt waren, erhalten geblieben. Unter dieser Verfllung befanden sich neben sehr wenig Versturzma-terial, das von Hypokaustenpfeilern und -gewlben stammt, auch Tubulibruchstcke sowie die ebenso imGebude Nord festgestellte schwarze Ruschicht ber dem Mrtelboden. Der Mrtelboden ruht auf einerBachsteinrollierung (Niveau 658,4 658,6 m). Das Auffllmaterial im Hypokaustum ist abgesehen vonder etwas geringeren Menge an Tubulibruch von gleicher Zusammensetzung wie im Gebude Nord,sodass auch hier nur eine Interpretation als gewollte Verfllung oder massive berschwemmung mglich

    ist. Die Hypokaustenanlage im sdlichen Teil des Gebudes Sd weist nur noch geringe Reste der ehema-ligen Begrenzungsmauern auf. So konnte neben Resten der nrdlich anschlieenden Mauer mit eingebautemPrfurnium lediglich die stliche Steinreihe der westlichen Begrenzungsmauer auf einer Lnge von 1,6 mverfolgt werden. Dies ist mit einem Murenverlauf zwischen Stadtmauer und Gebude Sd hindurch zuerklren oder auf ltere Grabungsttigkeiten zurckzufhren, wofr an dieser Stelle aber eindeutige Indizi-en fehlen. stlich des Gebudes finden sich massive Murenschichten (Sand-, Kies- und Gerll). Von einerAbschlussmauer war hier nichts mehr festzustellen. Der Abschluss des Gebudes nach Sden konnte 1994nicht ergraben werden, da unmittelbar an den Grabungsbereich der Damm der Bundesstrae 100 anschliet.Sdlich des Dammes waren im Jahr 1995 im Zuge der Errichtung eines Parkplatzes an dieser Stelle Unter-suchungen mglich, wobei allerdings nur der Rest einer Rollierung erkannt werden konnte. Es besteht dieMglichkeit, dass diese Rollierung zu dem Befund nrdlich der Bundesstrae 100 gehrt, zu belegen ist eine

    23 Toranlage und Gebude Sd nach der Freilegung durch E. Swoboda

    70 Derartige Heizanlagen sind aus Aguntum bekannt, etwa in Raum 5 (s. Miltner 1953 sowie Auer [Anm. 60]).

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    24 Planzeichnung des Torbereichs (auf Grundlage der Planzeichnung E. Swobodas Abb. 6) und der 1994 freigelegten Gebudemit Schraffur der Altgrabungsbereiche

    solche Annahme derzeit aber nicht. Unterhalb der Rollierung des sdlichen Teils von Gebude Sd warennoch weitere Steinsetzungen zu beobachten, die vielleicht als Fundamentreste einer lteren Bauphase an-zusprechen sind und direkt auf sterilem Material aufliegen. Das Aussehen dieser mglichen frheren Phase

    bleibt jedoch unklar, da die angesprochene Steinsetzung nur an einer Stelle festgestellt werden konnte. berdiesen Steinlagen war eine Ausgleichsschicht (sandiges Material) aufgebracht worden, die unterhalb derRollierung der Hauptphase berall zu beobachten war.

    5.3.3 Die Freiflche zwischen den Fundamentstreifen und dem Hypokaustum

    Im Bereich zwischen dem Hypokaustum und den Fundamentstreifen wurden viele neuzeitliche Funde ineiner Steinschttung geborgen, was eine Strung dieses Bereichs in der ersten Hlfte des 20. Jahrhunderts

    belegt (s. Abb. 24). Unterhalb dieser Strung wurde stellenweise eine dunkle Schichtung festgestellt, die an-tikes Fundmaterial enthielt und wohl als Benutzungshorizont angesehen werden kann. Unmittelbar darunter

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    folgt auch hier eine teils modern gestrte Rollierung, die mit jener der Fundamentstreifen in Verbindungsteht (Abb. 26).

    5.3.4 Relativ- und absolutchronologische Aussagen zu Gebude Sd

    Weite Teile dieses Gebudes sind durch die Grabungen der Dreiiger- und Fnfzigerjahre gestrt und konn-ten fr chronologische Aussagen nicht herangezogen werden (Abb. 24). Die Schichtabfolge des GebudesSd ist in weiten Teilen dem Gebude Nord sehr hnlich. Aufgrund des schlechten Erhaltungszustandsund der geringen Menge antiken Fundmaterials 18 % des antiken Fundmaterials, das nur teilweise denantiken Straten zuordenbar ist, im Bereich des Gebudes Sd wre eine Darstellung der Schichtabfolgein Form einer Matrix nicht aussagekrftig.

    In der Rollierung sind einige Amphorenfragmente verbaut, die in ihrer Datierung grob an den Beginn des

    2. Jahrhunderts n. Chr. weisen. Aus dem Benutzungshorizont des Prfurniumsist ebenfalls nur ein Ampho-renfragment geborgen worden, das in das 2. Jahrhundert n. Chr. zu datieren ist. Der Verfllung der Hypo-kausten des Gebudes Sd konnten keine datierbaren Funde entnommen werden, sondern lediglich Ziegel-und Tubulisplitt.

    Von der Freilegung der Fundamentstreifen berichtet Erich Swoboda71, dass in den untersten Schich-ten (also wohl knapp ber der Rollierung) einige Funde geborgen werden konnten. Es handelt sich hierbeium eine Lampe Loeschcke X mit Stempel OCTAVI, einen Dupondius der jngeren Faustina, ein As desnoch als Caesar betitelten Marc Aurel, ein As und einen Sesterz des Hadrian somit weisen auch die vonSwoboda festgestellten Funde in das 2. Jahrhundert n. Chr. Von einer Benutzung der Rumlichkeiten im2. Jahrhundert n. Chr. kann damit wohl ausgegangen werden, wobei im gesamten Fundmaterial der demGebude Sd zuzuordnenden Straten keine Funde des 3. Jahrhunderts n. Chr. zu finden sind. Es kann mit

    25 Planzeichnung Gebude Sd 26 Ansicht des Gebudes Sd bei der Freilegung 1994(Blick von Sden)

    71 Swoboda 1935, 31.

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    aller Vorsicht angenommen werden, dass dem Gebude Sd ein hn-liches Schicksal wie Gebude Nord beschieden war, nmlich eineAufgabe des Baus zum Anfang des 3. Jahrhunderts hin.

    5.4 Die Frage nach den Resten der antiken Strae

    Es wurden in der Verlngerung der Stadtmauerdurchfahrt mehre-re Grabungsschnitte angelegt, die zur Klrung der Frage nach der

    Nachweisbarkeit der antiken Strae dienen sollten. Es sind in diesenGrabungsbereichen allerdings keine eindeutig einer Strae zuzurech-nenden Schichtungen festgestellt worden, was hauptschlich mit derstarken bermurung dieses Gebiets und dem fehlenden Anschlussder Straten an die Stadtmauerdurchfahrt zu erklren ist. Eine rela-tivchronologische Schichtabfolge im Sinne einer Harris-Matrix istfr die Gesamtheit der hier erwhnten Schnitte nicht zu erstellen, da

    diese teilweise weit voneinander entfernt liegen und im spteren Ver-lauf der Grabung nicht miteinander verbunden wurden, sodass eineGleichsetzung der Schichten der verschiedenen Schnitte unmglich ist. Da es sich im grten Teil der andieser Stelle behandelten Bereiche nur um die Abfolge kaum fundfhrender Sand- und Schotterschichtenhandelt, sind absolutchronologische Aussagen hier nicht mglich. Das Fundmaterial ist sehr sprlich: Ausinsgesamt sieben Grabungsschnitten, die zur Erforschung des Straenverlaufs angelegt wurden, stammengerade einmal 5,9 % des gesamten antiken Fundmaterials, wobei die eventuellen Begehungshorizonte keinedatierbaren Funde beinhalteten. Stellenweise sind sogar in den untersten ergrabenen Murenschichten noch

    braun glasierte Keramik und Porzellan so sind 6 % des neuzeitlichen Fundmaterials den erwhnten Schnit-ten zuzuordnen zu finden, was von der massiven neuzeitlichen Strung dieser Bereiche zeugt.

    5.5 Der Grabungsschnitt am nrdlichen Stadtmauerverlauf

    In Schnitt 24/94 (Abb. 15) sind Reste der antiken Schichtung erhalten geblieben, auch wenn sich hier eben-falls verschiedene neuzeitliche Eingriffe sowie die nachantike Mure strend auswirken. Es war jedoch mg-lich, die Fundamentgrube an der Stadtmauer sowie Reste der ber derselben liegenden antiken Schichtungzu erkennen. In diesem Grabungsschnitt wurden 7 % des gesamten antiken Fundmaterials geborgen, wobeiauch hier nur ein Teil den antiken Schichten zuordenbar ist. Aus den Benutzungsschichten ber dem Funda-mentgraben der Stadtmauer stammen ein Fragment einer reliefverzierte Sigillata (Abb. 27) des ausgehenden1. Jahrhunderts n. Chr. sowie ein fragmentiertes Randstck einer Amphore, nicht nher einordenbare grau-tonige Bodenfragmente und ein Wandstck einer schwarz berzogenen Feinkeramik. Eine nhere Datierungletzterer ist nicht mglich, sie sind aber grob in das 2. Jahrhundert n. Chr. zu setzen. Aus dem unmittelbaren

    Bauhorizont der Stadtmauer sowie der Fundamentgrube konnten keine Funde geborgen werden. Somit kannaufgrund des Fundmaterials angenommen werden, dass sich die ber dem Fundamentgraben der Stadtmauerliegenden Straten im 2. Jahrhundert n. Chr. bildeten.

    5.6 Zusammenfassung und berlegungen zur Relevanz der Grabung Stribachweg 1994bezglich der Datierung der Stadtmauer

    Betrachtet man den Stadtplan Aguntums (Abb. 1), so scheint es nahezu zwingend, dass beide untersuchtenGebude stlich der Stadtmauer erst nach der Errichtung derselben entstanden sind, zumal sie parallel zu derStadtmauer liegen. Die in einer ersten Phase wohl schon vor der Stadtmauer bestehende Bebauung im Be-

    reich des Atriumhauses sowie die restliche Innenbebauung beiderseits des Decumanus Maximus weisen eineandere Ausrichtung auf, die sich wohl am vor-stadtmauerzeitlichen Straenverlauf orientiert. Wenn aber die

    27 Terra-Sigillat a-Fragme nt aus denBenutzungsschichten ber demFundamentgraben der Stadtmauer.

    M. 2 : 3

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    Gebude Nord und Sd erst nach Errichtung der Stadtmauer entstanden sind, so mutet es seltsam an, dasssie genau vor den Tortrmen liegen und so jeden reprsentativen Wert derselben enorm schmlern. Aufgrunddieser berlegung und aufgrund des Fundmaterials vor allem aus Gebude Nord, das in seiner Datierungdie zweite Hlfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. kaum berschreitet, mchte ich schlieen, dass die Gebude beiErrichtung der Flankierungstrme und der verbreiterten Fahrbahn des Tores aufgegeben wurden. Zu diesemZeitpunkt wurden sie entweder niedergerissen und die Heizungsanlagen aufgefllt, um einem eventuellenEinsturz derselben vorzubeugen, oder es kam zu einer berschwemmung, die zum Anlass fr den Umbau desStadttores und somit fr die Aufgabe der unmittelbar vor ihm gelegenen Gebude genommen wurde.

    Somit erbringen die Gebude vor dem Osttor einen zweifachen Nutzen hinsichtlich der Datierung derStadtmauer: Zum einen musste die Ummauerung schon bestanden haben, als die Gebude wohl zu Beginndes 2. Jahrhunderts n. Chr. errichtet wurden72. Zum anderen drfte der Umbau der Toranlage erst erfolgtsein, nachdem diese Gebude gegen Ende des 2. Jahrhunderts bzw. zu Beginn des 3. Jahrhunderts n. Chr.aufgegeben worden waren, wofr allerdings der archologische Beweis aufgrund des fehlenden stratigraphi-schen Anschlusses an das Stadttor nicht erbracht werden kann.

    6. Zur funktionalen Deutung der Stadtmauer von Aguntum

    Betrachtet man die nicht parallele Ausrichtung der Innenbebauung am Decumanus Maximus zur Stadtmau-er, scheint es nicht unwahrscheinlich, dass die eigentliche Hauptachse der Stadt Aguntum nicht am mo-mentan als Osttor der Stadt bezeichneten Eingang liegt, sondern weiter nrdlich, etwa an der Strae, dieals Decumanus I sinister benannt ist. Zum einen wird dies durch die lteren Bauphasen unter der groenTherme73, die annhernd parallel zur Stadtmauer liegen, indiziert, zum anderen liegen auch einige Gebudedes Handwerkerviertels am Decumanus I sinister annhernd parallel zur Stadtmauer. Ein weiteres Indizfr eine Hauptachse nrdlich des heute bekannten groen Tores ist die Anlage der Trennwnde innerhalbder Stadtmauerschalen in bestimmten Abstnden. Die Zhlung dieser Abstnde muss an einem bestimmtenPunkt beginnen, wobei ein ursprnglich mitgeplantes Tor als Anfangspunkt gut denkbar wre. Die Trenn-wnde liegen, wie schon Franz Miltner erwhnt74, keineswegs symmetrisch zum Osttor der Stadt und auchnicht zu dessen kleinerem Vorgngerbau. Vielmehr scheint eine Zhlung der Abstnde von einer zummomentanen Zeitpunkt nur hypothetischen Hauptachse im Norden ausgehend wahrscheinlich. Interessantist hier auch, dass sich die Nordwange des ursprnglich mitgeplanten Nebentores 1 (NT 1) genau in dieZhlung der Abstnde zwischen den Trennwnden einfgen lsst.

    Fr die Bestimmung der Funktion der Aguntiner Stadtmauer ist die Klrung der Frage nach einem in derersten Bauphase mitgeplanten Haupttor unerlsslich, da sich vor allem die in der bisherigen Forschung oftgenannte reprsentative Wirkung einer Stadtmauer nur mit einem entsprechenden Haupttor erzielen liee.Die bisher gesicherten, von Anfang an geplanten Tore sind einfache Durchlsse in der Mauer (Osttor und

    NT 1), die wegen des Fehlens aufgesetzter Trme (wie etwa in Nicopolis ad Istrum75, in Rottenburg76, demHafentor in Kln77 oder beim Ost- und Westtor in Trient78) weder einen allzu groen fortifikatorischen nochreprsentativen Wert besaen.

    72 Eine Bebauung vor den Toren der Stadt bald nach Errichtung der Stadtmauer ist nichts Auergewhnliches. So finden sichz. B. in Arles (M. Droste, Arles Gallula Roma Das Rom Galliens, AW Sonderh. [Mainz 2003]) sowie Trient (Ciurletti 2002)bei zu Beginn des 1. Jhs. n. Chr. fertiggestellten Stadtmauern noch im 1. Jh. zahlreiche Gebude vor denselben. In Arles wirdsogar noch im 1. Jh. eine Thermenanlage vor der Stadtmauer errichtet.

    73 Besonders W. Alzinger, Grabung Aguntum 1968, PAR 19, 1969, 18 19 und W. Alzinger, Die Grabungen in Aguntum 1969, PAR20, 1970, 10 11.

    74 Miltner 1955, 89 90.75 A. Poulter, Nicopolis ad Istrum. A Roman, late Roman and Byzantine city, JRA Monographs 8 (London 1995).76 S. Gairhos, Ad Aeternam Perfectus Sine Vitio Murus. Stadtmauern im rmischen Sdwestdeutschland, in: D. Planck u. a. (Hrsg.),

    Imperium Romanum. Roms Provinzen am Neckar, Rhein und Donau (Stuttgart 2005) 195 197.77 H. Hellenkemper, The Roman Defences of Cologne Colonia Claudia Ara Agrippinensium, in: Maloney Hobley 1983,

    20 28.78 Ciureltti 2002.

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    Damit stellt sich in Bezug auf die Funktionsbestimmung der Aguntiner Stadtmauer zunchst die Frage,aus welchen Beweggrnden eine rmische Stadt eine Ummauerung erhielt. War es zu Zeiten des Augus-tus noch blich, jeder neuen rmischen Stadtgrndung eine Umfassungsmauer zu bauen79, endete dieserBrauch schon in der zweiten Hlfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. Trotzdem wurden weiterhin Stadtmauernund Tore errichtet, wobei die Erklrungen fr diese Bauten vor allem von der zweiten Hlfte des 1. Jahrhun-derts n. Chr. bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. oft schwer fallen. Diese Ummauerungen werden in ei-ner eher friedlichen Zeit ohne fortifikatorische Notwendigkeit errichtet, was ohne die Datierung begleitendearchologische Evidenz manchmal dazu fhrte, dass die Mauern in unruhigere Zeiten datiert wurden 80.

    Offensichtlich gab es aber auch noch andere Grnde, eine Befestigungsmauer zu errichten, wobei vorallem die nderung des Stadtrechts eine wesentliche Rolle gespielt haben drfte. Wurde eine Stadt zumMunicipium oder zur Colonia erhoben, so war es nicht ungewhnlich, dass dieses neue Brgergefhlin der Errichtung ffentlicher Bauten Ausdruck fand. So erhalten etwa Camulodunum (Colchester) undGlevum (Lincoln) bald nach ihrer Erhebung zu coloniae Stadtmauern81. Daneben ist fr Aventicum (Aven-ches)82, fr die Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Kln) und die Colonia Ulpia Traiana (Xanten)83 dieErhebung zur Colonia84 als Grund fr die Errichtung der Stadtmauer anzunehmen. Aber auch fr einigewenige municipia werden bald nach der Stadtrechtsverleihung datierende Mauerbauten vermutet: so fr

    das Municipium Tungrorum (Tongeren) in der ersten Hlfte des 2. Jahrhunderts n. Chr.85, fr Ulpia Novio-magus (Nijmegen) in der zweiten Hlfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. 86, wobei hier das genaue Aussehen derUmmauerung noch nicht geklrt ist, und fr Aelia Augusta (Augsburg) in hadrianischer Zeit87. Allerdings

    79 Eines der sptesten Beispiele hierfr ist die Stadtmauer von Xanten S. Leih, Die Colonia Ulpia Traiana und ihre Vorgn-gersiedlung zur Genese einer rmischen Stadt, in: G. Brands u. a. (Hrsg.), Rom und die Provinzen. Gedenkschrift HeinzGabelmann, BJb Beih. 53 (Mainz 2001) 173 177. Hierbei spricht die geringe Mauerstrke eher fr einen Reprsentationsbau,J.-S. Khlborn, Einige Beobachtungen zum Bau der Stadtmauer der Colonia Ulpia Traiana, BJb 187, 1987, 412 494, der alsMachtdemonstration an der Grenze des Reiches verstanden werden knnte; s. U. Heimberg A. Rieche, Colonia Ulpia Traiana.Die rmische Stadt. Planung, Architektur, Ausgrabung (Kln 1998).

    80 s. dazu die Argumentation E. Swobodas bei der Datierung der Aguntiner Mauer nach historischen berlegungen: Swoboda

    1935, 47 50.81 Th. Fischer, Beispiele zur Entstehung rmischer Stdte in den Nordwestprovinzen, in: Precht 2001, 11 16; H. Hurst, Civic space

    at Glevum, in: Hurst 1999, 152 160; J. Crickmore, Romano-British Urban Defences, BAR 126 (Oxford 1984); noch um 213n. Chr. wird die Stadtmauer von York anlsslich der Erhebung zur Colonia und Hauptstadt der Provinz Britannia ausgebaut:P. Ottaway, York: The study of late Roman Colonia, in: Hurst 1999, 136 150.

    82 Aventicum wird um 70 n. Chr. zur Colonia: R. Frei-Stolba, Die rmische Schweiz: Ausgewhlte staats- und verwaltungsrecht-liche Probleme im Frhprinzipat, in: ANRW II 5, 1 (Berlin 1976) 384 403 und J. F. Drinkwater, Roman Gaul. The three prov-inces, 58 B.C. A.D. 260 (Ithaca, NY 1983) 141 160. Die Ummauerung knnte als Unterstreichung der Rolle als Hauptstadtangesehen werden, so H. Bgli, Aventicum Die Rmerstadt und das Museum (Brugg 1991) 47. Fr das nahe gelegene AugustaRaurica lsst sich keine eindeutige Aussage treffen, da auch das Grndungsdatum umstritten ist, dazu zuletzt T. Tomasevic-Buck, Augusta Raurica Probleme, Anregungen, Neufunde, SchrVLM 7 (Bregenz 2003). Auffallend ist bei beiden Stdten dieUmmauerung eines weiten, nicht besiedelten Gebiets, M. Schaub, Das Osttor und die Stadtmauer von Augusta Raurica (Gra-bung 1993 .52), JBerAugst 15, 1994, 73 132.

    83 Drinkwater (Anm. 82) 141 160 zu Kln und Xanten. S. S. Frere dagegen nimmt an, dass hier die Reprsentation, nicht derpraktische Nutzen der wesentliche Grund fr den Bau der Ummauerung war: S. S. Frere, British Urban Defences in Earthwork,Britannia 15, 1984, 63 74.

    84 Fr Kln um 50 n. Chr.: H. Hellenkemper, The Roman Defences of Cologne Colonia Claudia Ara Agrippinensium, in: Malo-ney Hobley 1983, 20 28; Xanten in trajanischer Zeit: zuletzt Heimberg Rieche (Anm. 79).

    85 Zum Munizipialrecht A. Vanderhoeven, Das vorflavische Tongeren: Die frheste Entwicklung der Stadt anhand von Funden undBefunden, in: Precht 2001, 157 176.

    86 J. E. Bogaers, Civitates und Civitas-Hauptorte in der nrdlichen Germania Inferior, BJb 172, 1972, 312 318; bei H. Van Encke-vort J. Thijssen, Der Hauptort der Bataver in Nijmegen im 1. Jh. n. Chr., in: Precht 2001, 88 110 wird angenommen, dass dieErrichtung der Stadtmauer um 160 n. Chr. auch schon vor der Erhebung zum Municipium mglich wre.

    87 M. Schaub, Topographie und Stratigraphie des rmischen Augsburg aufgrund neuer Ausgrabungen, in: Wamser 2002, 109 120;zuletzt: L. Bakker, Vom Militrort zur Provinzhauptstadt, in: Archologie in Bayern Fenster zur Vergangenheit (Regensburg2006) 200 202, wobei hier ein Zusammenhang mit stdtischer Reprsentation wieder bestritten und der Bau um 170 n. Chr.datiert wird. Anders S. Ortisi, Die Stadtmauer der rtischen Provinzhauptstadt Aelia Augusta Augsburg, Augsburger Beitrge

    zur Archologie 2, 2001, 76 78, wo neben spter hinzutretenden fortifikatorischen Gedanken die stdtische Reprsentation alsursprnglicher Grund fr den Mauerbau angefhrt wird (Datierung des Baubeginns in die 60-iger Jahre des 2. Jhs. n. Chr.).

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    bleiben die meisten bekannten municipia ohne Befestigungsmauer oder erhalten eine solche erst deutlichspter88. So etwa Aquincum (Budapest), das 124 n. Chr. zum Municipium wird, seine Ummauerung abererst Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. erhlt, als die Stadt schon den Status einer Colonia (194 n. Chr.) in-nehatte89. Die Errichtung einer Stadtmauer in Zusammenhang mit der nderung des rechtlichen Status derStadt bedeutet nicht automatisch, dass die Ummauerung nun ausschlielich reprsentative Zwecke erfllte.So zeugt z. B. der angelegte Doppelgraben90 in Aelia Augusta (Augsburg) durchaus vom fortifikatorischenWert der Anlage. Eine klare Trennung von Reprsentation und Wehrbau scheint ohnehin schwer mglich 91,da ein Mauerring immer Schutz gegen etwaige Angriffe bedeutet.

    Auch fr das rmische Aguntum scheint es bei momentanem Forschungsstand mglich, die Erhebungder Stadt zum Municipium unter Claudius als Auslser fr eine in gewissem Sinne reprsentativere Baut-tigkeit anzusehen. Dafr spricht auch die geographisch und verkehrstechnisch gnstige Lage, die wirtschaft-lichen Aufschwung und einen gewissen Reichtum der Stadt schon zu Beginn der rmischen Einflussnahmeermglicht, wie die frhen rmischen Steinbauten in Aguntum bezeugen: etwa die Therme des beginnenden1. Jahrhunderts n. Chr. und das bald darauf mit einer ersten Phase entstandene Atriumhaus. Vor allem dieseszeugt von groem Wohlstand und dem Bedrfnis, das italische Brgertum mit entsprechenden Bauten zureprsentieren92. So knnte es sich auch beim Bau der Aguntiner Stadtmauer um ein Projekt handeln, das in

    italischer Tradition das Wesen der Siedlung als Stadt reprsentieren sollte.Ein vollkommen anderes Erklrungsmodell fr die Aguntiner Stadtmauer, das in der Forschungsdiskus-

    sion zu finden ist93, soll hier nicht unkommentiert bleiben. Es handelt sich um die Interpretation des Mauer-zuges als Hochwasserschutz, was angesichts der im Gebiet von Aguntum hufigen berschwemmungskata-strophen mglich erscheint und die kleinen und somit leicht verschliebaren Tore erklren wrde. Allerdingsfehlen vergleichbare rmische Anlagen vllig94, und es ist fr das antike Aguntum noch ungeklrt, wohereine eventuelle Hochwasserbedrohung anzunehmen wre, da sich die Gelndebedingungen und der Verlaufdes infrage kommenden Debantbaches aufgrund der mehrfachen bermurungen in den letzten 2 000 Jahrenstark verndert haben. Es sind bisher auch aus den Grabungen keine deutlichen Indizien fr eine Hochwas-serschutzmauer hervorgegangen, womit eine derartige Deutung sehr unwahrscheinlich bleibt.

    Der Schwachpunkt jeder funktionalen Interpretation der Aguntiner Stadtmauer bleibt zum momentanenZeitpunkt der Forschungsstand. So ist es nach wie vor unklar, ob das Bauprojekt Vollendung fand oder nurTeile der geplanten Ummauerung errichtet wurden. Im Nordteil verluft die Stadtmauer ab einem gewissenPunkt zur Gnze im Murenschotter, wo sie von Erich Swoboda auch nicht mehr festgestellt werden konn-te. Die schne Abmauerung im Sden spricht fr ein Ende der Mauer an dieser Stelle, aber auch hier istletztendlich noch keine vollkommene Sicherheit gegeben95. Weiters ist es, wie bereits erwhnt, noch nichtgesichert, ob im ursprnglichen Bauplan der Mauer eine groe Toranlage vorgesehen war.

    88 Neben den norischen Municipia ist hier Arae Flaviae (Rottweil) zu nennen, das sich aus einem Kastellvicus entwickelte undwohl um 80 120 n. Chr. den Municipialstatus verliehen bekam, aber ohne Ummauerung blieb; zuletzt: Gairhos (Anm. 76)195 197. Auch fr Forum Hadriani wird eine Ummauerung erst deutlich nach Verleihung des Stadtrechts (sptestens 160 n.Chr.) angenommen: Bogaers (Anm. 86) 318 326. Gleiches gilt fr das Anfang des 4. Jhs. n. Chr. ummauerte Scarbantia, dasschon in den 70-iger Jahren des 1. Jhs. n. zum Municipium wurde: K. Sz. Poczy, Stdte in Pannonien (Budapest 1976) 24 33.

    89 Zum rechtlichen Status von Aquincum: Poczy (Anm. 88) 41 55.90 S. Ortisi, Vallum cum turribus. Zur Westumwehrung der rtischen Provinzhauptstadt Aelia Augusta/Augsburg, in: Wamser 2002,

    145 156.91 Dazu auch Ortisi (Anm. 87) 76 78. Anders F. Kolb, der die Errichtung mancher Befestigungsbauten als oft nicht mehr als eine

    Verzierung der Stadt ansieht: F. Kolb, Die Stadt im Altertum (Mnchen 1984) 180 203.92 Dass der Bautyp des Atriumhauses fr die kalten Monate dieser Breitengrade nachteilig war, wurde den Bewohnern bald klar,

    weshalb offene Rume verschlossen und Hypokaustenanlagen eingebaut wurden: Tschurtschenthaler 2002, 1071 1089.93 Wotschitzky (Anm. 38) 119 123 und Alzinger (Anm. 39) 49.94 Abgesehen von der Mglichkeit einer Hochwasserverbauung in Celeia, die bislang aber auch nicht gesichert ist: I. Lazar, Celeia,

    in: M. Sael Kos P. Scherrer (Hrsg.), Die autonomen Stdte in Noricum und Pannonien. Noricum, Situla 40 (Ljubljana 2002)71 101.

    95 Dazu auch Miltner 1953b, 32 34, wo das Sdende als vorlufiges Sdende und nicht als gnzlich gesichertes Mauerende ange-

    sprochen wird, da die Grabung 5,5 m sdlich dieses Endes abgebrochen werden musste, weil man dem Damm des Debantba-ches schon zu nahe war.

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    35MUNICIPIUM CLAUDIUM AGUNTUM ZUR DATIERUNGSFRAGE DE R STADTMAUER

    Zusammenfassend betrachtet kann die Aguntiner Stadtmauer aus rechtlichen Grnden erst nach der Ver-leihung des Munizipialrechts durch Kaiser Claudius erbaut worden sein, war aber, wie aus der Auswertungdes archologischen Befundes hervorgeht, zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. schon weitgehend fertigge-stellt. Somit datiert der Mauerbau in die zweite Hlfte des 1. Jahrhunderts n. Chr., wobei die Frage nach denHintergrnden eines derartig aufwendigen Bauprojekts aufgrund der in diesem Bereich noch ausstehenden,ebenso aufwendigen modernen Feldforschung vorerst unbeantwortet bleiben muss.

    7. Fundkatalog

    7.1 Glas96

    Kat. 1 Abb. 17

    Randfrgt. einer Rippenschale Form Isings 3b AR 2.2.Dm: 10 18 cmFarbe: blaugrn (Rtti 570)Datierung: 2. Hlfte 1. Jh. n. Chr. 1. Hlfte 2. Jh. n. Chr.

    Kat. 2 Abb. 17

    Randfrgt. einer Rippenschale Form Isings 3b AR 2.2.Dm: 13 cmFarbe: blaugrn (Rtti 570)Datierung: 2. Hlfte 1. Jh. n. Chr. 1. Hlfte 2. Jh. n. Chr.

    7.2 Feinkeramik97

    Kat. 3 Abb. 17

    Bodenfrgt. eines Schlchens mit einer Zierleiste unmittelbar

    ber der Bodenauflage. Der Boden liegt flach, ohne Ansatzeines Standringes.Dm: 6,2 cmTon: keine erkennbare Magerung; grau (10YR 7/1-6/1); ber-zug: dunkelgrau (10YR 5/1)Vgl.: Ein hnliches Stck findet sich bei R. Fleischer V. Moucka-Weitzel, Die Straenstation Immurium Moos-ham im Salzburger Lungau (Salzburg 1998) Taf. 25, 20.Datierung: wohl ab der 2. Hlfte des 1. Jhs. n. Chr.

    7.3 Terra Sigillata98

    Kat. 4 Abb. 19

    Randfrgt. Form Consp. 34 mit Resten einer Barbotine-Verzie-rung (wohl eine Maske)Dm: ?

    Ton: gelb rtlich (5YR 7/6); berzug: rot (2.5YR 4/8)Datierung: spttiberisch flavisch, eventuell auch spter.

    Kat. 5 Abb. 19

    Randfrgt. Form Consp. 43.3.Dm: 8 cm

    Ton: gelb rtlich (5YR 7/6); berzug: rot (2.5YR 4/8)Datierung: 2. Hlfte 1. Jh. n. Chr. 1. Hlfte 2. Jh. n. Chr.

    Kat. 6 Abb. 21

    4 Randfrgte., 3 Wandfrgte., 2 Bodenfrgte. eines Tellers Drag.18/31.Rand-Dm: 31 cm; Boden-Dm: 10,5 cmTon: rtlich (2.5YR 6/8); berzug: rot (2.5YR 4/8)Datierung: 2. Jh. n. Chr.

    Kat. 7 Abb. 27

    Wandfrgt. einer Reliefschssel Drag. 37.

    Ton: hell rtlich (5YR 6/4); berzug: dunkelrot (10R 4/6)Dekor: Herkules mit Hydra und Eierstab mit Quaste am Stb-chenende. Zuordenbar der Werkstatt des MERCATO in LaGraufensenque.Vgl.: in Noricum: P. Karnitsch, Sigillata von Iuvavum (Salz-burg). Die reliefverzierte Sigillata im Salzburger Museum Ca-rolino Augusteum (Salzburg 1971) Taf. 21, 9.Datierung: letztes Viertel 1. Jh. n. Chr.

    7.4 Lampen99

    Kat. 8 Abb. 19

    Dreieckig geformter Lampengriff der Form Loeschcke III mitvegetabiler Verzierung und roter EngobeTon: brunlich (7.5YR 7/4); berzug: dunkelrot (10R 5/6)Datierung: 1. Jh. Anfang 2. Jh. n. Chr.

    96 Die Formbestimmung bezieht sich auf C. Isings, Roman Glass from dated Finds (Groningen 1957) und B. Rtti, Die rmischenGlser von Augst und Kaiseraugst, FiA 13 (Augst 1991) (AR), wobei die Farbe des Glases nach der bei Rtti wiedergegebenenFarbtafel bestimmt wurde.

    97 Farbbestimmung nach Munsell Soil Colour Charts (Revised Edition, Baltimore 1994).98 Farbbestimmung nach Munsell (Anm. 97). Die Formen werden nach E. Ettlinger u. a., Conspectus Formarum Terrae Sigillatae

    italico modo confectae, Materialien zur rmisch-germanischen Keramik 10 (Bonn 1990) bzw. H. Dragendorff, Terra Sigillata,BJb 96/97, 1895/1896, 18 155 angegeben.

    99 Farbbestimmung nach Munsell (Anm. 97). Die Form wird nach S. Loeschcke, Lampen aus Vindonissa. Ein Beitrag zur Ge-schichte von Vindonissa und des antiken Beleuchtungswesens (Zrich 1919) wiedergegeben.

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    36 Martin AUE R

    7.5 Teller und Platten100

    Kat. 9 Abb. 21

    1 Rand- und 1 Bodenfrgt eines engobierten TellersRand-Dm: 26,9 cm; Boden-Dm: 19,4 cm

    Ton: leicht glimmerhltig, mit kleinen Steinchen gemagert(Quarz?); gelblich (5YR 6/8); Engobe: hellrotorange (2.5YR5/8-6/8)Datierung: ?

    Kat. 10 Abb. 21

    1 Rand- und 1 Bodenfrgt. eines engobierten SoldatentellersRand-Dm: 35 cm; Boden-Dm: 31,6 cmTon: wenig glimmerhltig, mit wenigen kleinen Steinchen ge-magert (Quarz?); braungrau (10YR 5/3); Engobe: brunlichrot (5YR 3/3)Datierung: Sehr hufige Form, die vom Ende des 1. Jhs. n.Chr. bis in das 3. Jh. n. Chr. vorkommt.

    7.6 Gebrauchskeramik101

    Kat. 11 Abb. 19

    3 Randfrgte., 17 Wandfrgte. eines reduzierend gebranntenKruges mit HenkelanstzenRand-Dm: 9 cmTon: stark glimmerhltig, nur stellenweise pors (lagerungs-bedingt?); grau dunkelgrau (10YR 6/1-4/1)Vgl.: Nur in Aguntum sicher belegt: S. Schoitsch, Die kerami-schen Kleinfunde aus der Therme Aguntums (Ausgrabungen1964 1974) (Diss. Universitt Wien 1976) Taf. 44, 397.Datierung: ?

    Kat. 12 Abb. 19

    Wandfrgt. eines reduzierend gebrannten Deckels; verziert mitlngsrechteckigen Kerbreihen und Rillen.Ton: leicht pors; grau dunkelgrau (10YR 6/1-4/1)Datierung: ?

    Kat. 13 Abb. 19

    9 Wandfrgte. eines reduzierend gebrannten Topfes; verziertmit verdoppelten Wellenbndern und lngsrechteckigen Ker-

    breihen.Ton: wenig glimmerhltig, leicht pors; grau dunkelgrau(10YR 6/1-4/1)Datierung: ?

    Kat. 14 Abb. 18

    Randfrgt. eines reduzierend gebrannten TopfesDm: 30,4 cmTon: wenig glimmerhltig, sehr pors; dunkelgrau schwarz(10YR 3/1-2/1)

    Vgl.: Im norischen Raum sehr hufig belegt, zuletzt bei Gugl2000, Taf. 30, 17.Datierung: 1. 2. Jh. n. Chr.

    Kat. 15 Abb. 18

    1 Randfrgt., 6 Wandfrgte. eines reduzierend gebrannten Top-fes mit Wellenbndern und Bogenkammstrich verziert.Rand-Dm: 22,4 cmTon: wenig glimmerhltig, sehr pors; dunkelgrau schwarz(10YR 3/1-2/1)Vgl.: Im norischen Raum belegbar, u. a. bei A. Kaltenberger,Ausgrabungen St. Peter, Salzburg: II. Rmerzeitliche loka-le Gebrauchsware und mittelalterliche Keramik 1980 1995,Jh 67, 1998, Beibl. 244 484 Taf. 5, 29.Datierung: wohl 1. Jh. n. Chr. Anfang 2. Jh. n. Chr.

    Kat. 16 Abb. 18

    Randfrgt. eines reduzierend gebrannten TopfesDm: 17 cmTon: wenig glimmerhltig, sehr pors; grau dunkelgrau(10YR 6/1-4/1)Vgl.: Im norischen Raum hufig belegt, u. a. Gugl 2000,Taf. 53, 16.Datierung: 2. Jh. n. Chr.

    Kat. 17 Abb. 18

    Randfrgt. eines reduzierend gebrannten TopfesDm: 17 cmTon: leicht pors; dunkelgrau schwarz (10YR 3/1-2/1)Vgl.: Im norischen Raum sehr hufig belegt, so Gugl 2000,Taf. 44, 90.Datierung: 1. 3. Jh. n. Chr.

    Kat. 18 Abb. 18

    Randfrgt. eines reduzierend gebrannten TopfesDm: 14,4 cmTon: leicht pors; grau dunkelgrau (10YR 6/1-4/1)Vgl.: Im norischen Raum sehr hufig belegt, u. a. Gugl 2000,Taf. 38, 20.Datierung: 1. 3. Jh. n. Chr.

    Kat. 19 Abb. 20Randfrgt. eines reduzierend gebrannten TopfesDm: 21 cmTon: sehr pors; dunkelgrau schwarz (10YR 3/1-2/1)Vgl.: Im norischen Raum sehr hufig belegt, u. a. Gugl 2000,Taf. 32, 25; 33, 50.Datierung: 1. Jh. n. Chr.

    Kat. 20 Abb. 20

    Randfrgt. eines reduzierend gebrannten Topfes

    100 Farbbestimmung nach Munsell (Anm. 97).

    101 Farbbestimmung nach Munsell (Anm. 97). Der Glimmergehalt des Scherbens wird angegeben, wenn vorhanden. Ebenso wirdeine allfllig vorhandene Magerung, es handelt sich dabei meist wohl um Quarzpartikel, angegeben, falls vorhanden.

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    37MUNICIPIUM CLAUDIUM AGUNTUM ZUR DATIERUNGSFRAGE DE R STADTMAUER

    Dm: 20 cmTon: wenig glimmerhltig, leicht pors; grau dunkelgrau(10YR 6/1-4/1)Vgl.: Bisher nur in Aguntum eindeutig belegt: S. S