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Abschlussarbeit ÖÄK Diplomlehrgang Geriatrie Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Franz Böhmer Prim. Univ. Prof . Dr. Monika Lechleitner Rückfragen: Österreichische Akademie der Ärzte GmbH Weihburggasse 2/5 A-1010 Wien Tel.: +43 1 512 63 83

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Abschlussarbeit

ÖÄK Diplomlehrgang Geriatrie

Wissenschaftliche Leitung:

Prof. Dr. Franz Böhmer

Prim. Univ. Prof . Dr. Monika Lechleitner

Rückfragen:

Österreichische Akademie der Ärzte GmbH Weihburggasse 2/5 A-1010 Wien Tel.: +43 1 512 63 83

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Chondrocalcinose - eine vergessene Erkrankung des geriatrischen Patienten

PD Dr. Josef Hermann

Klinische Abteilung für Rheumatologie und Immunologie, Universitätsklinik für Innere Medizin, Medizinische Universität Graz, Auenbruggerplatz 15, 8036 Graz

1.) Einleitung

1.1 Definition

Der Begriff Chondrocalcinose beschreibt die Ablagerung von Kalziumsalzen im

artikulären und periartikulären Knorpel [1]. Es können drei Arten von

Kalziumkristallen im Knorpel gefunden werden: 1) Calciumpyrophosphat Dihydrat

(CPP) Kristalle 2) Hydroxylapatit Kristalle und 3) Dikalzium Phosphat Dihydrat

Kristalle. Ein definitiver Nachweis der Ablagerung von Kalziumsalzen kann nur

kristallographisch erbracht werden, Rückschlüsse auf das Vorliegen einer

Kalziumablagerung sind aber auch radiologisch oder durch eine Synoviaanalyse

möglich. Eine Chondrocalcinose kann ohne Krankheitswert vorliegen, Teil einer

Arthrose sein oder durch die Ablagerung von Calciumpyrophosphat Dihydrat

Kristallen (CPPD = Calciumpyrophosphat Dihydrat Deposition) eine Arthopathie

auslösen.

Im weiteren Verlauf der Diplomarbeit wird für die Erkrankung, die durch die

Ablagerung von CPP-Kristallen verursacht wird, der frühere Begriff Chondrocalcinose

durch den neuen Begriff Calciumpyrophosphat Dihydrat Kristallarthropathie (CPPD-

Kristallarthropathie) ersetzt [2].

1.2 Epidemiologie

Die Prävalenz der CPPD-Kristallarthropathie schwankt je nach Literaturstelle und

untersuchter Population. Sie betrug in einer italienischen Population 0,4% und in der

englischen Bevölkerung 7% [3,4]. Auch in einer amerikanischen Arbeit war ein

großer Unterschied in der Prävalenz der CPPD-Kristallarthropathie zwischen einer

amerikanischen (6,4%) und einer chinesischen Bevölkerungsgruppe (2,3%) zu finden

[5]. Die unterschiedlich angegebene Häufigkeit der CPPD-Kristallarthropathie ist

neben einer suspizierten unterschiedlichen genetischen Disposition in der

2

Bevölkerung möglicherweise auch auf die verwendeten diagnostischen Methoden

und auf das unterschiedliche Alter der untersuchten Bevölkerung zurückzuführen.

In allen Untersuchungen wurde jedoch uniform ein Anstieg der Prävalenz der CPPD-

Kristallarthropathie mit zunehmendem Lebensalter gefunden. In einer Untersuchung

von Teilnehmern an der Framingham Studie lagen bei 1402 Personen auswertbare

Kniegelenksröntgen vor [6]. Bei einem mittleren Alter der untersuchten Kohorte von

73 Jahren betrug die Prävalenz für eine CPPD-Kristallarthropathie 8,1%. Während

die Altersgruppe von <65 Jahren nur in etwa 4% Zeichen einer CPPD-

Kristallarthropathie aufwies, stieg die Zahl der Patienten mit einer CPPD-

Kristallarthropathie ab einem Alter von 70 Jahren stark an und erreichte bei

Menschen mit einem Alter über 85 Jahren ein Maximum von mehr als 27% (Fig. 1).

Die Diagnose einer CPPD-Kristallarthropathie wurde jedoch nur anhand eines

Kniegelenksröntgens gestellt. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass in dieser Studie

nicht alle Personen mit CPPD-Kristallarthropathie erfasst wurden, da mit Ausnahme

der Kniegelenke keine weiteren Gelenksregionen untersucht wurden und frühe

Formen einer CPPD-Kristallarthropathie nur durch eine Synoviaanalyse detektiert

werden können.

Die hohe Prävalenz einer CPPD-Kristallarthropathie bei geriatrischen Patienten wird

durch eine skandinavische Studie untermauert [7]. In dieser Untersuchung wurde bei

81 Personen aus Göteborg im Alter von 79 Jahren eine Anamnese und eine klinische

Untersuchung durchgeführt und ein Röntgen der Hände und Kniegelenke angefertigt.

Bei 16% der untersuchten Probanten wurden Hinweise auf eine CPPD-

Kristallarthropathie gefunden wobei 46% der Patienten mit CPPD-Kristallarthropathie

zum Zeitpunkt der Röntgenuntersuchungen klinisch symptomatisch waren. In dieser

Untersuchung waren überwiegend Frauen von der Erkrankung betroffen, wobei ein

alleiniger Befall der Handgelenke nur bei Frauen beobachtet wurde.

1.3 Ätiopathogenese

Die Ursache der CPPD-Kristallarthropathie und damit der Erstehung sowie

Akkumulation von CPP-Kristallen im Knorpel ist nicht bekannt. Die CPPD-

Kristallarthropathie tritt entweder familiär gehäuft auf oder ist mit anderen

metabolischen Erkrankungen assoziiert.

Die familiär auftretende Form der CPPD-Kristallarthropathie manifestiert sich als

autosomal dominant vererbte Erkrankung mit unterschiedlicher Penetranz entweder

als benigne oder destruktive Polyarthritis in der dritten oder vierten Lebensdekade

3

oder als sporadisch in der sechsten oder siebenden Lebensdekade auftretende Mon-

oder Oligoarthritis [8]. In einigen Fällen von familiär aufgetretener CPPD-

Kristallarthropathie wurde eine Mutation im ANKH-Gen (humanes Ankylosegen)

gefunden [9].

Mehrere metabolische Erkrankungen sind mit einer CPPD-Kristallarthropathie

assoziiert [10]. Zu ihnen zählen die Hämochromatose, der Hyperparathyreoidismus

und die Hypomagnesiämie.

1.3.1 Pyrophosphatmetabolismus

CCP-Kristalle entstehen extrazellulär in der Knorpelmatrix oder in artikulären

Knorpelvesikeln [11]. Die artikulären Knorpelvesikels enthalten Pyrophosphatasen

wie die Nukleotid-Pyrophosphohydrolase oder die nicht-gewebs-spezifische

alkalische Phosphatase, die aus Triphosphaten Pyrophosphat bilden können, und

formen CPP-Kristalle. Masuda und Mitarbeiter konnten zeigen, dass sich die Aktivität

der Nukleotid-Pyrophosphohydrolase mit zunehmendem Alter ändert; ein

pathophysiologischer Hinweis auf die klinische Beobachtung der Zunahme der

CPPD-Kristallarthropathie im Alter [12]. Im Knorpel von Patienten mit CPPD-

Kristallarthropathie wurden erhöhte extrazelluläre Konzentrationen von Pyrophosphat

gefunden, die nicht nur Folge einer vermehrten extrazellulären Erzeugung, sondern

auch eines vermehrten transmembranösen Transportes oder einer vermehrten

Sekretion von Knorpelmatrixproteinen sein könnten [13]. Da ein Zusammenhang des

ANKH-Gens mit der familiär auftretenden CPPD-Kristallarthropathie hergestellt

werden konnte [14], und das ANKH-Gen für ein transmembranöses Protein kodieren

dürfte, das für den Transport von Pyrophosphat in den Extrazellulärraum

verantwortlich ist, scheint eine Transportstörung für Pyrophosphat ebenfalls an der

Entstehung der CPPD-Kristallarthropathie beteiligt zu sein. Steigende

Konzentrationen von Pyrophosphat führen zur Zunahme der CPP-Kristall Bildung, ein

Hinweis auf die Bedeutung einer vermehrten Pyrophosphatbildung für die

Entwicklung einer CPPD-Kristallarthropathie [15].

1.3.2 Kristallinduzierte Synovitis

Die überwiegend im hyalinen Knorpel und im Faserknorpel deponierten CPP-Kristalle

werden durch eine mechanische, enzymatische oder metabolische Schädigung des

Knorpels sowie durch eine Änderung der Kalziumkonzentration und des

Ionisierungsgrades von Pyrophosphat in den Gelenksraum freigesetzt [16]. Die in

4

den Gelenksraum freigesetzten CPP-Kristalle werden von Granulozyten und

Monozyten phagozytiert und führen zur Lyse der Plasmamembran sowie intrazellulär

zur Aktivierung des Inflammasoms und konsekutiv der Caspase-1. Die Aktivierung

von Caspase-1 wiederum führt zur Freisetzung von Zytokinen wie Interleukin-1,

Interleukin-18 und Tumor Nekrosis Faktor alpha und über chemotaktische

Eigenschaften dieser Zytokine zur akuten Entzündungsreaktion in Form einer akuten

Arthritis [17]. CPP-Kristalle haben zusätzlich die Eigenschaft die Apoptose zu

inhibieren und damit den Entzündungsprozess zu prolongieren [18].

1.4 Klinische Manifestationen

Da die Ablagerung von CPP-Kristallen zu degenerativen und entzündlichen

Veränderungen führen, ist das Bild der CPPD-Kristallarthropathie vielfältig und reicht

von asymptomatischen Zuständen bis zu einer chronischen Arthritis oder Spondylitis.

1.4.1 Asymptomatische Calciumpyrophosphatdeposition (CPPD)

Die CPP-Kristallablagerung, die typischerweise in den peripheren Gelenken und

seltener in den Disci intervertebrales, in den Wirbelgelenken, in peripheren Sehnen

und Sehnenscheiden sowie in Bursen erfolgt, bleibt asymptomatisch so lange die

Knorpelarchitektur erhalten bleibt und keine Kristallfreisetzung erfolgt. In dieser

Phase ist die Erkrankung nur radiologisch fassbar.

1.4.2 Arthrose mit Calciumpyrophosphatdeposition

Die Ablagerung von CPP-Kristallen im hyalinen oder Faserknorpel führt bei mehr als

der Hälfte der Patienten zu Beschwerden, die sich von einer Arthrose nicht

unterscheiden. Die Mehrzahl der Patienten leidet an Anlauf- und

Belastungsschmerzen verbunden mit einer Morgensteifigkeit besonders an den

gewichtstragenden Gelenken der unteren Extremitäten, die durch 1-3 Wochen

dauernde akute entzündliche Episoden aggraviert werden können. Im Unterschied

zur idiopathischen Arthrose tritt die Symptomatik typischerweise bilateral auch an

den großen Gelenken der oberen Extremitäten und an den Fingergrund- und

mittelgelenken auf. Der Befall der Fingergrundgelenke II und III führt dabei zu

Schwierigkeiten in der Abgrenzung zur rheumatoiden Arthritis; die CPPD-

Kristallarthropathie führt jedoch nicht zum Auftreten von Erosionen.

Besonders beim geriatrischen Patienten und dabei überwiegend bei Frauen kann die

CPPD-Kristallarthropathie jedoch als destruierende Gelenkserkrankung imponieren

5

[19]. Es kommt dabei zu schmerzarmen hämorrhagischen Gelenksergüssen, zu

ausgedehnten Gelenksdestruktionen und zu rasch fortschreitenden

Funktionsdefiziten an peripheren Gelenken. Eine rasch fortschreitende

Gelenksdestruktion bei einer geriatrischen Patientin sollte deshalb immer hinsichtlich

einer CPPD-Kristallarthropathie abgeklärt werden.

1.4.3 Akute Calciumpyrophosphat Kristallarthritis

Die akute durch CPP-Kristalle induzierte Arthritis ist beim geriatrischen Patienten die

häufigste akute Arthritis mit einer Erstmanifestation im 6. Und 7. Lebensjahrzehnt

[7,20]. Sie entsteht durch die Freisetzung von CPP-Kristallen, die nach Traumen,

Operationen, Gelenksinjektionen, Infektionen und nach Diuretikagabe ausgelöst

werden kann. Sie ist meist eine Monarthritis und in weniger als 10% eine

Oligoarthritis bevorzugt an den großen Gelenken wobei in mehr als 50% der

Attacken das Kniegelenk befallen ist [21]. Mit fallender Häufigkeit tritt die Arthritis

auch in Handgelenken, Schultergelenken, Sprung- und Ellbogengelenken sowie in

kleinen peripheren Gelenken auf. Die Arthritis erreicht ähnlich wie die akute Arthritis

urika innerhalb von 1-2 Tagen ein Maximum und klingt nach 1-3 Wochen spontan ab.

Häufig ist die Arthritis von einer Rötung und manchmal auch von Fieber begleitet,

sodass differentialdiagnostisch an eine septische Arthritis gedacht werden muss.

Selten werden auch schmerzarme Arthritiden beobachtet und in 20% der Patienten

findet sich auch eine Hyperurikämie. Die Akute Kristallarthritis ist bei geriatrischen

Patienten gehäuft eine Polyarthritis; manchmal sind Fieber, Verschlechterung des

Allgemeinzustandes und Verwirrtheit jedoch die einzigen - unspezifischen -

Krankheitshinweise [22,23].

1.4.4 Spondyloarthritis

Durch Ablagerung der CPP-Kristalle im Faserknorpel kommt es in bis zu 80% der

Patienten mit CPPD-Kristallarthropathie auch zu Ablagerungen von CPP-Kristallen

an der Wirbelsäule. Neben den Disci intervertebrales können das Ligamentum

longitudinale posterius, die Ligamenta flava und die Facettengelenke betroffen sein

[24]. Vor allem bei geriatrischen Frauen mit akutem entzündlichem Nackenschmerz

sollte an das „crowned dens syndrome“ mit Ablagerungen von CPP-Kristallen im

Bereich des Ligamentum transversum atlantis gedacht werden, das zusätzlich

Kopfschmerzen, neurologische Defizite und eine Querschnittssymptomatik

verursachen kann [25]. CPP-Kristallablagerungen findet man auch in den lumbalen

6

Disci intervertebrales. Sie können dort neben degenerativen Veränderungen auch zu

einer Spinalkanalstenose mit Claudicatio spinalis und zu radikulären Defiziten führen

[26]. CPP-Kristalle können sich auch in der Symphyse und in den

Sakroiliakalgelenken ablagern, führen jedoch nur selten zu einer akuten Sakroileitis

[27].

1.4.5 Chronische Calciumpyrophosphat Kristallarthritis

Eine CPPD-Kristallarthropathie kann auch als chronische Oligo- oder Polyarthritis mit

systemischen Entzündungszeichen verlaufen. In diesem Fall ist sie schwer von einer

rheumatoiden Arthritis abgrenzbar und eine richtige Diagnose kann nur durch den

CPP-Kristallnachweis gestellt werden. Eine Oligo- oder polyartikuläre Verlaufsform ist

selten. So fand sich in einer Querschnittsuntersuchung nur bei vier von 50 Patienten

(8%) mit einem mittleren Erkrankungsalter von 70 Jahren ein chronischer

polyartikulärer Verlauf [28].

1.4.6 Periartikuläre Manifestationen

Ablagerungen von CPP-Kristallen finden sich bei schweren Verlaufsformen der

CPPD-Kristallarthropathie auch in Sehnen und Schleimbeuteln der oberen und

unteren Extremitäten [29,30]. Periartikuläre Sehnenverkalkungen finden sich unter

anderem an der Trizepssehne, der Quadrizepssehne und an der Achillessehne

sowie in Bursen. Diese können sich akut entzünden und Enthesitiden, Tendinitiden

und Bursitiden auslösen, die einen ähnlichen zeitlichen Verlauf wie die CPP-Kristall-

assoziierten Arthritiden aufweisen.

Sehr selten findet man periartikulär tumorartige Kalkablagerungen, die bis zu

mehrere Zentimeter im Durchmesser halten und zu ossären Destruktionen führen

können.

1.5 Diagnostik

Die Diagnostik einer CPPD-Kristallarthropathie stützt sich auf eine typische klinische

Symptomatik einer akuten, selbstlimitierten Arthritis oder Spondyloarthritis sowie

einer rasch progredienten und destruierenden Arthrose, dem Nachweis von CPPD-

Kristallen in der Synovialflüssigkeit und den nativ-radiologisch nachweisbaren

Kalkablagerungen im hyalinen und Faserknorpel.

7

1.5.1 Synoviaanalyse

Die Syoviaanalyse erfolgt makroskopisch und mikroskopisch aus der frischen

Synovialflüssigkeit [31]. Makroskopisch erscheint die Synovialflüssigkeit bei akuter

CPP-Kristallarthritis gelblich trüb oder typischerweise milchig weiß und nicht Faden

ziehend. Bei asymptomatischer CPPD-Kristallarthropathie findet sich eine normale

Zellzahl mit weniger als 100 Leukozyten/µl. Tritt eine akute Arthritis auf, steigt die

Zellzahl per Definition auf mehr als 2000 Leukozyten/µl an und erreicht manchmal

Werte von >50000/µl. In diesem Fall sind eine Gram-Färbung und eine kulturelle

Untersuchung der Synovialflüssigkeit zur Abgrenzung von einer septischen Arthritis

unerlässlich. Die Identifikation von CPP-Kristallen erfolgt im Polarisationsmikroskop,

in dem rhomboide Kristalle sichtbar werden. Die Kristalle sind aber nur in etwa 20%

der Fälle als doppelbrechende Strukturen im kompensierten Polarisationsmikroskop

nachweisbar [32]. Für die Identifikation von CPP-Kristallen ist deshalb eine

Untersuchung der Synovialflüssigkeit sowohl im Phasenkontrastmikroskop als auch

im Polarisationslicht erforderlich.

1.5.2 Röntgen

Das Nativröntgen ist neben der Synoviaanalyse die wichtigste Methode zur Diagnose

einer CPPD-Kristallarthropathie, obwohl die Sensitivität eine CPPD-

Kristallarthropathie zu entdecken zwischen 29 und 93% schwanken kann [2,33].

Nativ-radiologisch lassen sich oft symmetrisch Verkalkungen zuerst des

Faserknorpels und später auch des hyalinen Knorpels nachweisen [34]. Die

Verkalkungen sind als granuläre oder lineare Verdichtungen angeordnet und finden

sich besonders in den Kniegelenken im Bereich der Menisci, in der Handwurzel im

Bereich des Discus triangularis (Abb. 2) und in der Symphyse. Verkalkungen der

Gelenkskapsel findet man selten und dann besonders an den

Metacarpophalangealgelenken und Kniegelenken, wobei diese eine

Osteochondromatose imitieren können. Selten sind auch granuläre Verdichtungen in

Sehnen - insbesonders in der Achillessehne und Trizepssehne - sichtbar.

Bei der Diagnose der als Arthrose verlaufenden CPPD-Kristallarthropathie kann die

nativ-radiologische Gelenksdarstellung im Verlauf ebenfalls wertvolle Informationen

liefern. Vor allem sollte eine rasch progrediente und destruierende Arthrose an das

Vorliegen einer CPPD-Kristallarthropathie denken lassen.

8

An der Wirbelsäule findet man Verkalkungen im Discusbereich der LWS und als

Besonderheit selten auch im HWS-Bereich mit Befall der Facettengelenke, der

Ligamenta flava und dem Ligamentum transversum atlantis [24,25]. Diese

Manifestation der CPPD-Kristallarthropathie ist nur computertomographisch als

„crowned dens syndrome“ nachweisbar. Das crowned dens syndrome tritt in etwa 2%

der Patienten mit CPPD-Kristallarthropathie auf und kann klinisch leicht mit anderen

typischen Erkrankungen im höheren Lebensalter wie der Polymyalgia rheumatica,

der Riesenzellarteritis, der cervicalen Spinalkanalstenose und der rheumatoiden

Arthritis verwechselt werden [35].

1.5.3 Sonographie

Die Sonographie ist eine sehr sensitive Methode zur Detektion von

Gewebsverkalkungen. Ergebnisse von mehreren sonographischen Untersuchungen

an Patienten mit CPPD-Kristallarthropathie führten zur Entwicklung von

sonographischen Kriterien für die Detektion einer CPPD-Kristallarthropathie [36].

Dabei weisen dünne, hyperechogene lineare Strukturen parallel zur Oberfläche von

hyalinem Knorpel, punktförmige, echoreiche Strukturen im Faserknorpel und in

Sehnen sowie homogene, echoreiche, knotige Strukturen in Bursen und

Gelenkshöhlen auf eine CPPD-Kristallarthropathie hin. Am Kniegelenk deuten die

genannten sonographischen Veränderungen mit einer Sensitivität von 87%, mit einer

Spezifität von 96% und einer Likelihood Ratio von 24 mit großer Sicherheit auf eine

CPPD-Kristallarthropathie hin [37]. Auf Grund der raschen Verfügbarkeit, der

geringen Belastung insbesondere für ältere Patienten und der bisher dargestellten

hohen Sicherheit in der Aussagekraft könnte die Sonographie zum wichtigsten

bildgebenden Verfahren in der Diagnostik der CPPD-Kristallarthropathie werden.

1.6 Therapie

Die Therapie der CPPD-Kristallarthropathie fällt in Abhängigkeit von der klinischen

Manifestation der Erkrankung sehr unterschiedlich aus. Während für die

asymptomatische CPPD-Kristallarthropathie keine therapeutischen Möglichkeiten zur

Verfügung stehen und auch eine prophylaktische Zufuhr von Magnesium zu keiner

Reduktion von CPP-Kristall-Depots führte, stehen für die akute und chronische

Kristallarthritis symptomatisch gut wirksame Therapeutika zur Verfügung [38].

9

1.6.1 Therapie der akuten Kristallarthritis

Da es sich bei der akuten Kristallarthritis um eine hoch-entzündliche Erkrankung

handelt, ist eine Therapie mit Antiphlogistika, im speziellen mit nicht-steroidalen

Antirheumatika (NSAR) und mit Glucocorticoiden, erforderlich. Das Alter ist ein

unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten von gastrointestinalen Nebenwirkungen

von NSAR und geriatrische Patienten haben ein 4-fach höheres Risiko für NSAR-

induzierte peptische Ulcera [39]. Trotzdem sind in Analogie zur akuten Arthritis urika

NSAR auch bei geriatrischen Patienten mit akuter CPP-Kristallarthritis wegen der

guten Wirksamkeit Therapeutika der ersten Wahl. Die Dosierung von NSAR sollte in

den ersten Tagen ausreichend hoch und von einer Gastroprotektion begleitet sein.

Bei geriatrischen Patienten sollten NSAR mit kurzer Halbwertszeit, hoher Affinität

zum inflammierten Gewebe und mit prädominanter Ausscheidung über die Leber

bevorzugt werden. Für Diclofenac und Acemethacin treffen die genannten

Eigenschaften zu, wobei Diclofenac auf Grund seiner deutlich stärkeren

Prostaglandinhemmung nicht nur in der Praxis sondern auch theoretisch eine höhere

Wirksamkeit aufweist. Auf Grund der annähernd äquipotenten Wirksamkeit in der

Ulcusprophylaxe und der zusätzlichen protektiven Wirksamkeit im unteren

Gastrointestinaltrakt und an der Niere sollte einer Magenschutztherapie mit

Misoprostol der Vorzug gegeben werden [40,41,42].

Bei Kontraindikationen für eine Therapie mit NSAR werden Glucocorticoide lokal und

systemisch verordnet. Bei einer Mono- oder Oligoarthritis und Multimorbidität älterer

Menschen ist eine intraartikuläre Verabreichung von Glucocorticoiden wie

Betamethason oder Triamcinolonacetonid auf Grund des geringen

Nebenwirkungsrisikos besonders empfehlenswert. Alternativ können Glucocorticoide

auch oral und parenteral mit gutem Erfolg verabreicht werden; wegen der

erforderlichen hohen Dosen ist jedoch mit einem höheren Risiko für Nebenwirkungen

zu rechnen. Oral wird Prednisolon mit einer Dosis von 0,5mg/kg/d für 3 Tage und

anschließender 3-tägiger Dosisreduktion bis zum Absetzen eingesetzt. Für eine

einmalige parenterale Gabe von Glucocorticoiden liegen klinische Studien vor, die für

Betamethason und Triamcinolonacetonid ebenfalls eine gute Wirksamkeit

beschreiben [43,44].

10

1.6.2 Anfallsprophylaxe

Ist die CPPD-Kristallarthropathie Folge einer zugrunde liegenden Erkrankung wie

z.B. einer Hämochromatose, einer Hypomagnesämie oder eines primären

Hyperparathyreoidismus, führt die Behandlung der Grundkrankheit nicht zu einer

Reduktion der rezidivierenden CPP-Kristallarthritiden. Auch eine Prophylaxe der

CPP-Kristallablagerung scheint nicht möglich zu sein, da die bisher einzige Placebo-

kontrollierte Studie mit Magnesium zu keiner Reduktion der Kalziumablagerung im

Kniegelenksknorpel führte [45].

Somit scheint die Verabreichung von Colchicin und von niedrig dosierten NSAR die

einzige Möglichkeit zu sein, die Häufigkeit von wiederholten akuten CPP-

Kristallarthritiden zu reduzieren. In einer kleinen Untersuchung an 10 Patienten mit

CPPD-Kristallarthropathie führte eine prophylaktische Gabe von 2x0,6mg/d Colchicin

über ein Jahr zu einer Reduktion der akuten CPP-Kristallarthritiden von mehr als

60% [46]. Auch NSAR können in Analogie zur Anfallsprophylaxe bei Arthritis urika in

niedriger Dosis zur Verhinderung von akuten Attacken versucht werden; die

Wirksamkeit ist durch klinische Studien jedoch nicht untermauert.

1.6.3 Therapie der chronischen CPP-Kristallarthritis

Führt die CPPD-Kristallarthropathie zu einer chronischen Entzündung, ist eine

Dauertherapie mit NSAR auf Grund des Nebenwirkungsprofils problematisch und

eine solche wird von der European League Against Rheumatism auch nicht

empfohlen. Bei chronischen CPP-Kristallarthritiden sollte deshalb eine Dauertherapie

mit (Hydroxy)chloroquin und Methotrexat überlegt werden nachdem bisher nur die

zwei Substanzen in dieser Indikation untersucht wurden.

In einer unkontrollierten Studie wurden 5 Patienten mit chronischer CPP-

Kristallarthritis mit Methotrexat in einer niedrigen Dosis zwischen 5 und 10mg/Woche

im Mittel über 50 Monate behandelt [47]. Bei allen 5 Patienten kam es nach

durchschnittlich 7 Wochen zu einer Abnahme von Schmerzen, Zahl an

geschwollenen und druckschmerzhaften Gelenken und zu einer Reduktion von

akuten Attacken.

In einer doppelblinden Placebo-kontrollierten Studie über 6 Monate an 36 Patienten

mit chronischer CPP-Kristallarthritis war Hydroxychloroquin in steigender Dosis bis

400mg/d besonders gut wirksam [48]. Während unter der Therapie mit

Hydroxychloroquin die Zahl der geschwollenen Gelenke im Durchschnitt um 4,8

11

sank, reduzierte sich die Zahl an geschwollenen Gelenken in der Placebo-Gruppe

nur um 1,9.

Auch eine Dauertherapie mit Colchicin ist therapeutisch überlegenswert, nachdem

eine niedrig dosierte Therapie mit Colchicin (2x0,5mg/d) über 5 Monate bei einem

Viertel der Patienten zu einer 40%i-gen Reduktion eines Funktionsindex für das

Kniegelenk geführt hatte [49].

2.) Zielsetzung

Ziel der Abschlussarbeit war die Gegenüberstellung der an der Ambulanz der

Klinischen Abteilung für Rheumatologie und Immunologie erhobenen praktischen

Erfahrungen mit dem Krankheitsbild der CPPD-Kristallarthropathie mit den Angaben

in der Literatur.

3.) Methode

In die Gegenüberstellung wurden alle Patienten, bei denen in der Ambulanz der

Klinischen Abteilung für Rheumatologie und Immunologie in den Jahren 2007 bis

2012 eine CPPD-Kristallarthropathie diagnostiziert worden war, eingeschlossen. Die

Daten wurden retrospektiv aus dem in der Ambulanz der Klinischen Abteilung für

Rheumatologie und Immunologie verwendeten digitalen Dokumentationssystem

RCQM extrahiert, durch eine manuelle Durchsicht aller Patientenakten

vervollständigt, digital archiviert und durch beschreibende Statistik ausgewertet.

4.) Resultate

Bei der Abfrage des digitalen Dokumentationssystems RCQM nach den Stichworten

„Chondrocalcinose“ und „CPPD“ wurden 42 Patienten identifiziert. Nach Durchsicht

der digitalen und manuellen Krankengeschichten konnten 32 Patienten mit

gesicherter CPPD-Kristallarthropathie in die Analyse eingeschlossen werden. Zehn

Patienten waren für die Analyse nicht geeignet, da entweder die Diagnose einer

CPPD-Kristallarthropathie nicht gesichert werden konnte oder eine Zweiterkrankung

an den peripheren Gelenken (ein Patient mit Arthritis urika und eine Patientin mit

rheumatoider Arthritis) vorlag.

12

Von den 32 auswertbaren Patienten waren 25 (76%) weiblich und 7 Patienten (24%)

männlich. Das mediane Alter zum Zeitpunkt der Diagnosestellung betrug 72 Jahre

[Range 47-89], wobei der Häufigkeitsgipfel zwischen dem 65. und 70. Lebensjahr lag

(Abb. 3). Männer waren zum Zeitpunkt der Diagnosestellung im Median um 7 Jahre

jünger als Frauen (69 [Range 47-86] vs. 76 [52-89] Jahre).

Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung präsentierten sich 13 Patienten (41%) mit einer

Monarthritis, 8 Patienten (25%) mit einer Oligoarthritis und einem Befall von 2-4

Gelenken und 3 Patienten mit einer Polyarthritis und einem Befall von mehr als 4

Gelenken. Im Median waren zum Zeitpunkt der Diagnosestellung 1 Gelenk

druckschmerzhaft (Range 0-23) und 1 Gelenk geschwollen (Range 0-9). Am

häufigsten befallen waren die Handgelenke (13/32 Patienten) gefolgt von den

Kniegelenken (11/32 Patienten) und den Metacarpophalangealgelenken (10/32

Patienten) (Abb. 4). Die Schultergelenke, distalen Interphalangealgelenke,

Hüftgelenke und Zehengelenke waren bei allen Patienten zum Zeitpunkt der

Diagnosestellung frei von entzündlichen Veränderungen.

Insgesamt waren bei 24 Patienten (75%) zum Zeitpunkt der Diagnosestellung im

Blutserum pathologische Entzündungszeichen zu finden. Bei 14 von 23 Patienten

(61%) lag eine pathologisch erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) vor und die

BSG betrug im Median 30 mm/h (Range 5-90). Bei 23 von 32 Patienten (72%)

fanden wir eine Erhöhung des C-reaktiven Proteins (CRP) mit einem Median von

15,7 mg/l (Range 0,6-308,0).

Drei von 32 Patienten waren zum Zeitpunkt der Diagnosestellung beschwerdefrei

und zeigten weder Symptome einer Arthritis oder Tendinitis noch pathologische

Entzündungszeichen.

Die Diagnose wurde bei 5 Patienten durch den Nachweis von CPP-Kristallen im

Gelenkspunktat und bei den übrigen 27 Patienten durch den Nachweis von

Knorpelverkalkungen im Kniegelenk und/oder im Handgelenk gestellt. Bei 16 der 32

Patienten (50%) der Patienten fanden sich nativ-radiologisch Hinweise für

Ablagerungen von CPP-Kristallen zumindest in einem Handgelenk und bei 7

Patienten (22%) in beiden Handgelenken. Nativ-radiologisch Hinweise für

Ablagerungen von CPP-Kristallen in zumindest einem Kniegelenk waren bei 26 der

32 Patienten (81%) und Hinweise auf den Befall beider Kniegelenke waren bei 31%

der Patienten vorhanden. Bei 8 Patienten (25%) fanden sich im Nativröntgen sowohl

13

in den Kniegelenken als auch in den Handgelenken und bei je einem Patienten

zusätzlich noch in der Lendenwirbelsäule und in der Symphyse Ablagerungen von

CPP-Kristallen. Bei 4 Patienten lag zudem ein sonographischer Hinweis in Form von

echoreichen, inhomogenen Strukturen im hyalinen- oder Faserknorpel auf eine

CPPD-Kristallarthropathie vor. Drei von 32 Patienten waren zum Zeitpunkt der

Diagnosestellung beschwerdefrei; die Diagnose einer CPPD-Kristallarthropathie

konnte in diesen Fällen auf Grund der Anamnese und der nativ-radiologisch

nachweisbaren Verkalkungen im Knorpel gestellt werden.

Die Behandlung der Patienten mit akuter CPP-Kristall-Arthritis erfolgte bei 19

Patienten mit nicht-steroidalen Antirheumatika, wobei bei 11 der 19 Patienten

Diclofenac verordnet wurde. Als „Gastroprotektivum“ erhielten drei der 11 Patienten

Misoprostol in Form eines Kombinationspräparates mit Diclofenac. Bei 9 Patienten

erfolgte die antiphlogistische Therapie mit Prednisolon und 7 Patienten benötigten

zusätzlich eine analgetische Therapie mit Paracetamol (1 Patient), Methamizol (2

Patienten) oder Tramadol (4 Patienten).

Wegen eines rezidivierenden oder polyartikulären Krankheitsverlaufes wurden zwei

Patienten mit Methotrexat (10mg beziehungsweise 20mg pro Woche per os) und ein

Patient mit Colchicin (3x0,37mg/d) behandelt.

5.) Diskussion

Ziel der durchgeführten Untersuchung war die Beschreibung der CPPD-

Kristallarthropathie, die in medizinischen Kreisen kaum Beachtung findet. Die CPPD-

Kristallarthropathie ist neben der Arthrose von peripheren und axialen Gelenken und

der Arthritis urika eine typische entzündliche Gelenkserkrankung des geriatrischen

Patienten. Die CPPD-Kristallarthropathie verdient jedoch besonders beim

geriatrischen Patienten auf Grund ihrer Häufigkeit und des schmerzhaften, teilweise

chronisch destruierenden, Verlaufes mit der Gefahr des Verlustes der Aktivitäten des

täglichen Lebens besondere Aufmerksamkeit.

Im Laufe von 5 Jahren wurden an der Ambulanz der Klinischen Abteilung für

Rheumatologie und Immunologie des LKH-Universitätsklinikums Graz 32 Patienten

mit einer CPPD-Kristallarthropathie diagnostiziert. Bei jährlich etwa 900 in der

Ambulanz neu vorgestellten Patienten lag die Häufigkeit bei 0,04% und damit unter

14

der in der Literatur angegebenen Prävalenz von 0,1 bis 0,3% [50,51]. Bei der

Ambulanz der Klinischen Abteilung für Rheumatologie und Immunologie handelt es

sich jedoch um ein tertiäres Zuweisungszentrum, weshalb die in der vorliegenden

Untersuchung gefundene Prävalenz der CPPD-Kristallarthropathie nicht unerwartet

unter der zu erwartenden Prävalenz der CPPD-Kristallarthropathie in der

Bevölkerung lag.

Angaben über die Geschlechtsverteilung der CPPD-Kristallarthropathie in der

Literatur schwanken. Während ältere Studien ein mehr als 2-fach erhöhtes Auftreten

der CPPD-Kristallarthropathie bei Frauen beschrieben, deuteten Ergebnisse anderer

Studien auf ein ausgeglichenes Geschlechtsverhältnis hin [6,7,51]. In der hier

untersuchten Kohorte war der Anteil an Frauen mit 78% ungewöhnlich hoch; ein

Umstand der – unter Berücksichtigung der geringen Fallzahl - doch auf ein bei

Frauen gehäuftes Auftreten der CPPD-Kristallarthropathie oder ein erhöhtes

Gesundheitsbewusstsein hindeuten dürfte.

In Einklang mit der Literatur trat die CPPD-Kristallarthropathie auch in unserer

Untersuchung vorwiegend bei über 70-jährigen Menschen auf [6,7]. Während der

jüngste Patient zum Zeitpunkt der Diagnosestellung 47 Jahre alt war, wurde die

Erkrankung bei 78% der Patienten erst nach dem 70. Lebensjahr manifest. Das Alter

ist somit ein dominanter Risikofaktor für das Auftreten einer CPPD-

Kristallarthropathie, weshalb geriatrische Patienten bei Auftreten einer akuten

Arthritis oder einer rasch fortschreitenden - eventuell destruktiven - Arthrose regelhaft

auf das Vorliegen einer CPPD-Kristallarthropathie untersucht werden sollten.

Wenn der Verdacht auf eine CPPD-Kristallarthropathie geäußert wird, kann bei

geriatrischen Patienten als erste diagnostische Maßnahme eine sonographischen

Untersuchung der betroffenen Gelenke - insbesondere der Hand- und Kniegelenke -

durchgeführt werden. Die Gelenkssonographie wird zunehmend verfügbar und stellt

eine geringe körperliche Belastung dar, ein Umstand der für geriatrische Patienten

von besonderem Vorteil ist. Sonographisch lassen sich inhomogene, kalkdichte

Strukturen im hyalinen Knorpel, im Faserknorpel und in Bursen sowie Sehnen mit

hoher Sensitivität und Spezifität darstellen [36,37]. Auch in der vorliegenden

Untersuchung konnte bei vier Patienten die CPPD-Kristallarthropathie sonographisch

15

vermutet und nativ-radiologisch sowie durch die mikroskopische Synoviaanalyse

bestätigt werden.

Obwohl die definitive Diagnose einer CPPD-Kristallarthropathie nur durch eine

Analyse der Gelenksflüssigkeit (Synovia) möglich ist, kann bei geriatrischen

Patienten als weiterführende diagnostische Maßnahme eine nativ-radiologische

Untersuchung der betroffenen Gelenksregionen unter Einschluss beider Knie- und

Handgelenke sowie des Beckens und der der Hals- und Lendenwirbelsäule

durchgeführt werden, da diese Untersuchungstechnik auch für geriatrische Patienten

wenig belastend ist. Die nativ-radiologische Diagnose einer CPPD-

Kristallarthropathie ist aus der Literatur gut bekannt [3,6] und auch in unserer

Untersuchung waren nativ-radiologische Hinweise auf eine CPPD-Kristallarthropathie

bei 29 von 32 Patienten in den Handgelenken, Kniegelenken, an der Symphyse und

an der Lendenwirbelsäule und damit mit hoher Sensitivität zu finden. Trotzdem sollte

in Anbetracht der Differentialdiagnose einer durch basisches Kalziumphosphat

verursachten rezidivierenden aktivierten Arthrose, die zur Dauertherapie mit

Nebenwirkungen behafteten Medikamenten wie (Hydroxy)chloroquin und

Methotrexat verleiten könnte, auch bei älteren Patienten eine Gelenkspunktion als

Goldstandard der diagnostischen Maßnahmen zur Diagnose einer CPPD-

Kristallarthropathie angestrebt werden. Da die CPPD-Kristallarthropathie sich

überwiegend an gut zugänglichen Gelenken manifestiert, ist die diagnostische

Punktion auch bei älteren Patienten mit einem geringen Komplikationsrisiko

verbunden.

Zur Therapie der akuten CPP-Kristall-Arthritis stehen die antiphlogistisch wirksamen

NSAR und auch Glucocorticoide zur Verfügung. In der hier ausgewerteten Kohorte

an Patienten mit CPPD-Kristallarthropathie und einem Durchschnittsalter von mehr

als 70 Jahren wurden nahezu 60% der Patienten mit NSAR und weniger als die

Hälfte der Patienten mit Glucocorticoiden behandelt, ohne das signifikante

Komplikationen der Therapie berichtet wurden. Als Indikation für eine Therapie mit

Glucocorticoiden wurde in einem Fall eine chronische Niereninsuffizienz und in den

übrigen Fällen neben dem erhöhten gastrointestinalen und renalen Risiko auch das

hohe Alter der Patienten gesehen. Auf Grund der guten antiphlogistischen

Wirksamkeit, der kurzen Plasmahalbwertszeit und der teilweisen Ausscheidung über

16

die Leber wird Diclofenac als günstiges Präparat zur Therapie der CPP-Kristall-

Arthritis bei älteren Patienten angesehen. Auch in der hier vorgestellten klinischen

Studie wurden mehr als die Hälfte der Patienten mit Diclofenac behandelt, wobei bei

drei dieser Patienten eine gastroprotektive Therapie mit Misoprostol durchgeführt

wurde. Bei drei Patienten musste auf Grund des chronischen Verlaufes der

Erkrankung eine medikamentöse Dauertherapie eingeleitet werden, wobei zwei

Patienten mit Methotrexat und eine Patientin mit Colchicin behandelt wurden.

Während durch den Einsatz von Methotrexat - wie auch in der Literatur beschrieben

[47] - die chronische entzündliche Aktivität um mehr als zwei Drittel reduziert werden

konnte, ging die Zahl der attackenförmig auftretenden Arthritiden unter einer

Dauertherapie mit Colchicin bei einer Patientin um mehr als 80% zurück.

6.) Schlussfolgerung

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Analyse der Daten der in der

Ambulanz der Klinischen Abteilung für Rheumatologie und Immunologie von

Patienten mit CPPD-Kristallarthropathie im Einklang mit international berichteten

Ergebnissen stehen.

Die CPPD-Kristallarthropathie ist eine mit einem vorwiegend jenseits des 70.

Lebensjahres auftretenden Krankheitsbeginn typische Erkrankung der geriatrischen

Bevölkerung, die häufig unterdiagnostiziert oder mit einer Arthritis urika verwechselt

zu werden scheint.

Die Erkrankung wird lege artis durch die Gelenkspunktion und den Nachweis von

CPP-Kristallen diagnostiziert, wobei gerade bei geriatrischen Patienten bereits durch

eine sonographische Gelenks-, Sehnen und Schleimbeuteluntersuchung sowie durch

nativ-radiolgische Aufnahmen von Hand- und Kniegelenken eine Diagnose mit hoher

Wahrscheinlichkeit gestellt werden kann.

Die vorliegenden Daten deuten darauf hin, dass eine symptomatische

antiphlogistische Therapie mit NSAR auch bei geriatrischen Patienten möglich ist;

dass wegen der oft gleichzeitig vorliegenden Multimorbidität jedoch vermehrt

Glucocorticoide zum Einsatz kommen. Unter engmaschiger ärztlicher Aufsicht ist bei

dieser betagten Patientengruppe mit chronischem Verlauf auch eine Dauertherapie

mit Colchicin oder Methotrexat möglich.

17

7.) Literaturangabe

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22

Anhang

Abb. 1

0

5

10

15

20

25

30

<65 65-69 70-74 75-79 80-84 >85

ufi

gk

eit

(%

)

Alter (Jahre)

Legende zu Abb. 1: Darstellung der starken Zunahme der Häufigkeit der CPPD-

Kristallarthropathie an den Kniegelenken in Abhängigkeit vom Lebensalter. (Daten

aus der Framingham Studie von Felson et al. J Rheumatology 1989; 16:1241-5)

23

Abb. 2

Legende zu Abb. 2: Nativröntgen des linken Handgelenkes einer Patientin mit

mikroskopisch gesicherter CPPD-Kristallarthropathie. Man sieht deutlich die

inhomogenen, scholligen und röntgendichten Strukturen im Bereich des Discus

triangularis (Pfeil).

24

Abb. 3

Legende zu Abb. 3: Die Abbildung zeigt das mediane Alter sowie die 25 und 75%

Quartilen und die Minimum- und Maximumwerte des Alters der Patienten mit CPPD-

Kristallarthropathie zum Zeitpunkt der Diagnosestellung. Der Häufigkeitsgipfel lag

zwischen dem 65. und 70. (n=9) und zwischen dem 75. und 80. Lebensjahr (n=8).

25

Abb. 4

0

5

10

15

20

SchG EG HG MCP PIP DIP HŸftG KG SG ZehenG

Za

hl d

er

Ge

len

ke

Lokalisation

Legende zu Abb. 4: Dargestellt ist die Häufigkeit und Verteilung der akuten CPP-

Kristallarthritis an den peripheren Gelenken zum Zeitpunkt der Diagnosestellung.

Abkürzungen: SchG = Schultergelenke, EG = Ellbogengelenke, HG = Handgelenke,

MCP = Metacarpophalangealgelenke, PIP = proximale Interphalangealgelenke, DIP

= distale Interphalangealgelenke, HüftG = Hüftgelenke, KG = Kniegelenke, SG =

Sprunggelenke, ZehenG = Zehengelenke.