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Abstracts Neue und bewährte Konzepte für den Darm Rostock Samstag, 10. Oktober 2015 9.00 – 15.15 Uhr Veranstaltungsort: Steigenberger Hotel „Sonne“ Neuer Markt 2 18055 Rostock Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. G. Lamprecht, Rostock

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Page 1: GastroForum 2015 Rostock Programm - drfalkpharma.de · Maligner Ileus – interdisziplinär, interventionell, intensiv ... endoskopische Verfahren zur primären Dekompression des

Abstracts

Neue und bewährte Konzepte für den Darm

Rostock

Samstag, 10. Oktober 2015 9.00 – 15.15 Uhr

Veranstaltungsort: Steigenberger Hotel „Sonne“ Neuer Markt 2 18055 Rostock

Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. G. Lamprecht, Rostock

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Programm Seite

9.00 Uhr Begrüßung Prof. Dr. G. Lamprecht, Rostock

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) Vorsitz: Prof. Dr. U. Seidler, Hannover Dr. H. Schäffler, Rostock

9.05 Uhr Mesalazin, Budesonid, Azathioprin – Wirkung und Indikation Dr. J. Ringel, Rostock

3 – 4

9.30 Uhr Etablierte und neue Biologika – Daten und Erfahrungen Prof. Dr. G. Lamprecht, Rostock

5 – 7

10.00 Uhr Ileocoecalresektion – andere Indikationsstellung durch neue Medikamente? (ohne Abstract) PD Dr. M. Witte, Rostock

10.30 –11.00 Uhr Kaffeepause

Ernährung Vorsitz: Prof. Dr. H.S. Willenberg, Rostock Prof. Dr. G. Lamprecht, Rostock

11.00 Uhr Ernährung des Zirrhose-Patienten – Evidenz, Praxis, Perspektive (ohne Abstract) Prof. Dr. M. Plauth, Dessau

11.30 Uhr Adipositas – die Rolle des Darms (ohne Abstract) Prof. Dr. S. Schmid, Lübeck

12.00 Uhr Darmversagen – Standardtherapie und neue Ansätze (ohne Abstract) Dr. U.-F. Pape, Berlin

12.30 –13.00 Uhr Mittagspause mit Imbiss

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Kolorektales Karzinom Vorsitz: Prof. Dr. J.-P. Ritz, Schwerin Dr. D. Nowak, Rostock

13.30 Uhr Rektumkarzinom – differenzierte Indikation zur neoadjuvanten Therapie Prof. Dr. M.E. Kreis, Berlin

8

14.00 Uhr Maligner Ileus – interdisziplinär, interventionell, intensiv Dr. B. Brinkmann, Rostock

9 – 10

14.30 Uhr Adjuvante Therapie des Kolonkarzinoms – für alle? Dr. M. Leithäuser, Rostock

11 – 12

15.00 Uhr Schlussworte Prof. Dr. G. Lamprecht, Rostock

Anschriften der Referenten und Vorsitzenden siehe Seite 13

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Mesalazin, Budesonid, Azathioprin – Wirkung und Indikation

J. Ringel

Internist, Rostock

Mesalazin in seinen verschiedenen Darreichungsformen spielt bei der Behandlung der

Colitis ulcerosa eine wesentliche Rolle und ist bei der milden bis moderaten Colitis

ulcerosa das Mittel der Wahl. In Abhängigkeit von der Entzündungsausbreitung ist die

Kombination von oraler und topischer Applikation der alleinigen oralen Gabe

überlegen. Mesalazin ist sowohl zur Remissionsinduktion als auch zur Remissions-

erhaltung bei der Colitis ulcerosa effektiv. Die Einmalgabe zeigte in Studien eine

bessere Compliance und damit höherer Effektivität. Zusätzlich scheint Mesalazin eine

protektive Wirkung hinsichtlich des Kolonkarzinomrisikos zu haben. Weit weniger

etabliert ist die Rolle von Mesalazin bei der Behandlung von Morbus Crohn.

Entsprechend der derzeit gültigen DGVS-Leitlinie ist Budesonid das Mittel der Wahl

bei der Behandlung von leicht bis mittelgradig aktivem M. Crohn im Ileozökalbereich.

Hierbei können nach einer Behandlungsdauer von 8–10 Wochen Remissionsraten von

51–60% erreicht werden. Der Vorteil von Budesonid liegt in den geringeren

Nebenwirkungen gegenüber den systemischen Steroiden. Seit diesem Jahr ist

Budesonid MMX, welches ein verändertes Freisetzungssystem besitzt, für die

Behandlung bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Colitis ulcerosa zugelassen,

bei denen die Mesalazintherapie nicht ausreicht. Voraussetzung für den Einsatz von

Budesonid stellt eine adäquate Leberfunktion dar.

Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin (6-MP) stellen langjährig bekannte Immun-

suppressiva zur Behandlung von M. Crohn und Colitis ulcerosa dar. Verschiedene

Studien haben den remmissionsinduzierenden und remissionserhaltenden Nutzen von

Azathioprin bei steroidabhängigen Verläufen bzw. mehrfachen schweren Schüben

belegt. Die optimale tägliche Dosis liegt für Azathioprin bei 2–3 mg/kg KG und für

6-MP bei 1–1,5/kg KG. Der Einsatz von Azathioprin führte in den Studien zu einer

Steroideinsparung, zu verringerten Krankenhausaufenthalten sowie zu einer

mukosalen Heilung. Zwei 2014 veröffentlichte Studien hinsichtlich des frühzeitigen

Einsatzes von Azathioprin beim M. Crohn führten zu einer umfangreichen Diskussion

zum Nutzen/Risiko dieses Medikamentes. Neben vielfältiger kritischer Betrachtung der

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Studiendurchführung zeigen auch aktuelle Untersuchungen und die Leitlinien

Azathioprin als eine wichtige Behandlungsoption von M. Crohn und Colitis ulcerosa.

Der Nutzen wird auch in einer aktuellen Studie unterstrichen, wo nach Beendigung

einer langzeitigen remissionserhaltenden Therapie mit Azathioprin das Rezidivrisiko

nach 1 Jahr deutlich erhöht war.

Studien haben auch gezeigt, dass die Kombination von Azathioprin mit Infliximab zu

höheren Remissionsraten bei bestimmten Patientengruppen sowohl bei M. Crohn als

auch bei der Colitis ulcerosa führt. Hierbei ist aber auch das deutlich erhöhte

Nebenwirkungsrisiko zu beachten.

Literatur: Dignass A, Preiß JC, Aust DE, Autschbach F, Ballauff A, Barretton G, et al. Aktualisierte Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Colitis ulcerosa 2011 – Ergebnisse einer Evidenzbasierten Konsensuskonferenz. AWMF-Registriernummer: 021/009. Z Gastroenterol. 2011;49(9):1276–341. Preiß JC, Bokemeyer B, Buhr HJ, Dignaß A, Häuser W, Hartmann F, et al. Aktualisierte S3-Leitlinie – „Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn“ 2014. AWMF-Registriernummer: 021-004. Z Gastroenterol. 2014;52(12):1431–84. Schmidt C, Herrlinger K, Siegmund B, Bokemeyer B, Schreiber S, Stallmach A; Kompetenznetz Darmerkrankungen. Azathioprin in der Therapie des Morbus Crohn – eine Standortbestimmung vor dem Hintergrund aktueller Studien. Z Gastroenterol. 2014;52(12):1423–30. M. Crohn Colitis ulcerosa Mesalazin ?Ileozökal? Remissionsinduktion und

Erhaltung Budesonid Remissionsinduktion

leicht bis mittelgradig aktiver Ileozökal-Crohn

Budesonid MMX bei leicht bis mittelschwer aktiver Colitis ulcerosa

Azathioprin Remissionsinduktion und Erhaltung

Remissionsinduktion und Erhaltung

Tab.: Einsatz von Mesalazin, Budesonid und Azathioprin

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Etablierte und neue Biologika – Daten und Erfahrungen

G. Lamprecht

Abteilung für Gastroenterologie, Endokrinologie und Stoffwechselkrankheiten,

Zentrum für Innere Medizin, Klinik II, Universitätsmedizin Rostock

TNFα-blockierende Antikörper stehen für die Therapie der chronisch entzündlichen

Darmerkrankungen seit mehr als 10 Jahren zur Verfügung. Infliximab und Adalimumab

sind für den Morbus Crohn und die Colitis ulcerosa zugelassen, Golimumab ist

gegenwärtig nur für die Colitis ulcerosa zugelassen. Die 3 Antikörper werden nach

Versagen einer konventionellen medikamentösen Therapie eingesetzt, wobei ihre

Wirksamkeit etwa vergleichbar ist.

Allen TNFα-blockierenden Antikörpern ist das Problem des sekundären Wirkungs-

verlustes gemeinsam. Diese Situation kann im Zusammenhang mit zu niedrigen

Medikamentenspiegeln und/oder mit neutralisierenden Antikörpern oder auch trotz

adäquater Medikamentenspiegel auftreten. Die Differenzialdiagnose zwischen echtem

Wirkverlust oder der Entwicklung einer Komplikation, die der medikamentösen

Therapie nicht zugänglich ist (penetrierende Komplikation oder Stenose), ist von

wesentlicher Bedeutung. Darüber kann das therapeutische Vorgehen anhand der

Bestimmung von Medikamentenspiegeln und des Nachweises von anti-drug

antibodies angepasst werden, wobei mit dem Vedolizumab tatsächlich eine alternative

Medikamentenklasse verfügbar geworden ist.

Die Kombination der TNFα-blockierenden Antikörper mit Azathioprin erhöht die

Wirksamkeit gemessen an der steroidfreien Remission, dem klinischen Ansprechen

und der Mukosaheilung. Deeskalationsstrategien, also die Reduktion einer

Kombinationstherapie zu einer TNFα-blockierenden Monotherapie wird intensiv

diskutiert und wird gegenwärtig nur nach vergleichsweise langer Kombinationstherapie

und bei niedriger Rezidivwahrscheinlichkeit empfohlen. Sekundäres Therapie-

versagen scheint unter eine Kombinationstherapie seltener als unter einer Mono-

therapie.

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Eine Sondersituation stellt möglicherweise die sogenannte deep remission dar, also

die vollständige Normalisierung klinischer Symptome und biochemischer Entzün-

dungsmarker sowie die nachgewiesene makro- und mikroskopischen Mukosaheilung.

In einer wenig selektierten finnischen Patientenkohorte war dieses Therapieziel

allerdings bei nur ~ 10% der Crohn-Patienten und bei ~ 30% der Colitis-Patienten

umzusetzen und über einen Nachbeobachtungszeitraum von etwa 1 Jahr erfolgreich,

wobei eine Azathioprin-Monotherapie fortgeführt wurde.

In der multimodalen Therapie des perianalen Crohn hat die Kombinationstherapie mit

einem TNFα-blockierenden Antikörper und Azathioprin (und neuerdings auch wieder

einer längerfristigen antibiotischen Therapie) einen festen Stellenwert, und zwar

sowohl bei bestehender Proktitis als auch bei fehlender bzw. kontrollierter Proktitis.

Seit der Zulassung von Vedolizumab für den M. Crohn und die Colitis ulcerosa steht

in der Situation des (primären oder sekundären) Therapieversagens unter einer TNFα-

Blockade ein alternatives Therapieprinzip zur Verfügung. Vedolizumab blockiert

spezifisch den Austritt von Leukozyten aus den Darmgefäßen ins Interstitium und wirkt

auf diese Weise entzündungshemmend. Der klinische Effekt tritt langsamer ein als bei

den TNFα-blockierenden Antikörpern. Aufgrund des anderen Wirkprinzips ist die

Wirkung von Vedolizumab nicht gut am C-reaktiven Protein abzulesen. Vedolizumab

scheint ein geringeres Risiko für Infektionen in sich zu tragen und ist bei der

Herzinsuffizienz nicht spezifisch kontraindiziert. In entsprechenden Situationen stellt

es also auch eine direkte Alternative zu den TNFα-blockierenden Antikörpern dar. Die

Datenlage, ob Vedolizumab bei TNFα-Versagern eine besonders gute Wirksamkeit hat

ist kontrovers. Die Fallzahlen zur Wirksamkeit bei Fisteln sind gegenwärtig noch zu

klein. Ob eine Kombination von Vedolizumab mit Azathioprin die Wirksamkeit

verbessert, ist nicht klar.

Mit den TNFα-blockierenden Antikörpern und dem Vedolizumab stehen hochpotente

Therapieprinzipien für die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen zur Verfügung,

die die Frage der Mukosaheilung als Therapieziel in die Diskussion gebracht haben.

Gleichzeitig hat die FDA festgelegt, dass neben den klinischen Indices (CDAI und

Mayo-Score) auch sogenannte patient-reported outcomes in Wirksamkeits- und

Zulassungsstudien aufgenommen werden. Hieraus ist die treat-to-target-Strategie

entwickelt worden, nach der nicht nur eine Symptomkontrolle angestrebt sondern

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vordefinierte Therapieziele kontrolliert und ggf. durch Therapieanpassung erreicht

werden sollen. Mit diesem Ansatz soll sowohl eine Unter- als auch eine Übertherapie

vermieden werden. Ein grundsätzliches Kriterium bei der Festlegung des Therapieziels

für einen individuellen Patienten erscheint dabei vor allem, ob dieses Therapieziel,

z. B. Mukosaheilung, überhaupt erreichbar ist, oder ob der Strukturschaden nicht so

weit fortgeschritten ist, dass die Symptomkontrolle im Vordergrund steht.

Abb. 1

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Rektumkarzinom – differenzierte Indikation zur neoadjuvanten

Therapie

M.E. Kreis

Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie, Charité – Universitätsmedizin,

Campus Benjamin Franklin (CBF), Berlin

Optimale Chirurgie des Rektumkarzinoms im mittleren und unteren Rektumdrittel in

Form der totalen mesorektalen Exzision reduziert die Lokalrezidivrate erheblich.

Allerdings wurde gezeigt, dass diese Rate beim fortgeschrittenen Rektumkarzinom

durch multimodale Therapiekonzepte weiter verbessert wird. In Deutschland ist derzeit

die neoadjuvante Radiochemotherapie für diese Tumoren sehr verbreitet und in der

entsprechenden S3-Leitlinie verankert.

Das klinische Staging mittels Endosonografie, CT und/oder MRT ist allerdings

insbesondere hinsichtlich der Lymphknotenkategorie unsicher, woraus eine Über-

therapie bei einer erheblichen Anzahl von Patienten, basierend auf einem Overstaging,

resultiert. Dies bedeutet, dass ein Teil der Patienten Nebenwirkungen und

Langzeitfolgen der neoadjuvanten Therapie in Kauf nehmen muss, ohne dass damit

ein onkologischer Gewinn verbunden ist. Die Prognose eines Patienten mit lokal

fortgeschrittenem Rektumkarzinom hängt jedoch nicht nur von der T- und N-Kategorie

ab, sondern auch vom Abstand des Tumors zum zirkumferenziellen Resektionsrand

bei der pathologischen Beurteilung. Letzterer ist im Gegensatz zur T- und N-Kategorie

prätherapeutisch sehr genau mittels MRT-Untersuchung vorherzusagen.

Basierend auf einer prätherapeutischen MRT-Untersuchung lassen sich somit

Patienten im Stadium UICC II und III identifizieren, die mit einer extrem niedrigen

Lokalrezidivrate primär operiert werden können, ohne den zusätzlichen Belastungen

und Nebenwirkungen einer neoadjuvanten Radiochemotherapie ausgesetzt zu sein.

Diesen Patienten kann somit eine primäre Operation angeboten werden, wenn diese

Nebenwirkungen und Folgen der Radiochemotherapie vermieden werden sollen, ohne

dass ein relevant erhöhtes Lokalrezidivrisiko anzunehmen ist.

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Maligner Ileus – interdisziplinär, interventionell, intensiv

B. Brinkmann

Abteilung für Gastroenterologie, Endokrinologie und Stoffwechselkrankheiten,

Zentrum für Innere Medizin, Klinik II, Universitätsmedizin Rostock

Bei einem Ileus handelt es sich um eine Passagestörung des Dünn- oder Dickdarms

infolge eines Darmverschlusses oder einer Darmlähmung. In Abhängigkeit von der

Pathogenese unterscheidet man den mechanischen, den funktionellen und den

gemischten Ileus. Im Mittelpunkt der Pathophysiologie des Ileus steht die Darmwand-

schädigung durch die Distension, den Druckanstieg und die Stase. Es kommt u. a. zur

Freisetzung von Toxinen, zur erhöhten Sekretion und verminderten Resorption. Die

Folgen sind Durchwanderungsperitonitis, Bilanzverschiebung mit Hypovolämie,

Schock, metabolische Störungen, Azidose, Elektrolytentgleisung, Nierenversagen und

Multiorganversagen. Hier ist eine rasche intensive, internistische Versorgung des

schwerkranken Patienten erforderlich. Die Therapie erfolgt mit Volumensubstitution

i.v., Ausgleich der Elektrolytstörung und der Azidose und kalkulierter Antibiose. Des

Weiteren Entlastung des Gastrointestinaltrakts durch eine Magenablaufsonde.

In 25% der Ileusfälle handelt es sich um einen Dickdarmileus. Die häufigsten Ursachen

des Dickdarmileus sind mit 40% die Kolon- und Rektumkarzinome.

Ein maligner Ileus des Kolorektums stellt einen chirurgischen Notfall dar. Die

Notfalloperation mit Anlage eines Kolostoma gilt immer noch als Standardverfahren.

In den meisten Fällen folgt ein mehrzeitiges Vorgehen mit Tumorresektion und

Stomarückverlagerung. Patienten mit einem akuten Darmverschluss sind in der Regel

älter, multimorbide und somit schlechte chirurgische Kandidaten. Die operative

Mortalität ist mit 10–20% und die operative Morbidität mit 40–50% hoch.

Seit den 90er-Jahren stehen bei der akuten Obstruktion des linken Kolons

endoskopische Verfahren zur primären Dekompression des Kolons zur Verfügung.

Hierzu gehören die Dekompressionssonde und der selbstexpandierende Metallstent.

Beide Verfahren erfordern eine hohe endoskopische Expertise und eine definierte,

sorgfältige Implantationstechnik unter endoskopischer Sicht und Röntgensicht.

Anschließend werden Diagnostik und Staging durchgeführt und eine gezielte, kurative

oder palliative Therapie geplant.

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Im Vergleich zum Stent zeigt die Sondeneinlegung in der Notfallsituation eindeutig

Vorteile bezüglich der Praktikabilität und der geringeren Komplikationsrate. Die

Gesamtperforationsrate bei Stenteinlage liegt nach einer Metaanalyse von Van

Halsema at al. aus dem Jahr 2014 bei 7,4% und ist in der Notfallsituation sicher höher

einzuschätzen. Cirocchi at al. haben 2013 in einer Metaanalyse die Vor- und Nachteile

des Kolonstents als „Bridge to Surgery“ versus Notfalloperation ausgewertet. Der

Vorteil des Stents liegt lediglich in einer höheren Rate der primären Anastomosen.

Die primäre Stentimplantation als „Bridge to Surgery“ ist aufgrund der nicht

ausreichenden und nicht gut vergleichbaren Datenlage kritisch zu betrachten. In der

Leitlinie der ESGE (European Society of Gastrointestinal Endoscopy) werden

selbstexpandierende Metallstents als „Bridge to Surgery“ bei linksseitigen malignen

Kolonstenosen als Standardtherapie nicht empfohlen (hohe Evidenz). Die

Stenttherapie kann als alternative zur Notfalloperation bei Patienten mit ASA > 3

und/oder Alter > 70 Jahre in Erwägung gezogen werden (niedrige Evidenz).

Die Implantation eines selbstexpandierenden Metallstents ist die Methode der Wahl in

der palliativen Therapie von malignen Kolonstenosen. Vorsicht ist geboten bei

Patienten mit antiangiogenetischer Medikation mit Bevacizumab, hier ist die

Perforationsrate höher.

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Adjuvante Therapie des Kolonkarzinoms – für alle?

M. Leithäuser

Internistischer Onkologe, Rostock

Seit Anfang der 90er-Jahre ist durch Studien belegt, dass eine adjuvante

Chemotherapie bei Patienten mit reseziertem Kolonkarzinom zu einer verringerten

Rezidivrate und verlängertem Gesamtüberleben führt. Dieser Effekt zeigt sich v. a. bei

Karzinomen des Stadiums UICC III. Durch die Gabe von 5-Fluorouracil über 6 Monate

kann das Gesamtüberleben der Patientengruppe signifikant verbessert werden.

Mittlerweile ist bekannt, dass die orale Gabe von Capecitabin der intravenösen 5-FU-

Gabe nicht unterlegen ist. Durch die zusätzliche Gabe von Oxaliplatin zu infusionalem

5-FU oder auch oralem Capecitabin konnte das Rezidivrisiko für nodal positive

Patienten nochmals signifikant gesenkt werden. Daher sollten gemäß der aktuellen

Leitlinien alle Patienten im UICC-Stadium III eine adjuvante Chemotherapie erhalten.

Für Patienten im UICC-Stadium II ist die Datenlage nicht so eindeutig. Für die

Gesamtgruppe ergibt sich keine signifikant verringerte Rezidivrate bzw. verbessertes

Gesamtüberleben durch eine adjuvante Chemotherapie. Subgruppenanalysen haben

aber einen signifikanten Vorteil für die Patienten mit tiefer Wandinfiltration

insbesondere mit T4-Tumoren gezeigt. Neben dem T4-Stadium werden als weitere

Marker für eine Hochrisikosituation im Stadium II Tumorperforation, eine Ileus-

operation sowie weniger als 12 Lymphknoten im histologischen Präparat in der Leitlinie

genannt. Vor allem Patienten mit einem dieser Risikofaktoren sollte die Option einer

adjuvanten Chemotherapie angeboten werden.

Da letztendlich der größere Teil der Patienten auch ohne adjuvante Chemotherapie

rezidivfrei bleibt, gibt es intensive wissenschaftliche Bemühungen, weitere prognos-

tische bzw. prädiktive Risikofaktoren zu ermitteln, um die Patientengruppe genauer zu

charakterisieren, die wirklich von einer adjuvanten Chemotherapie profitieren. Aktuell

sind jedoch außer dem UICC-Stadium und den o. g. Faktoren keine weiteren Marker

für die Entscheidung pro und contra adjuvanter Chemotherapie ausreichend gesichert

und sollten gemäß der Leitlinie außerhalb von Studien im klinischen Alltag nicht

routinemäßig zur Entscheidungsfindung herangezogen werden.

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In der Diskussion von Risikofaktoren gilt die Mikrosatelliteninstabilität als Marker für

eine insgesamt bessere Prognose, sodass aufgrund der Daten aus retrospektiven

Analysen eine adjuvante 5-FU-Therapie im Stadium UICC II mit Risikofaktoren bei

Nachweis einer Mikrosatelliteninstabilität in internationalen Leitlinien nicht empfohlen

wird. Weitere diskutierte Marker in den Leitlinien sind der histologische Nachweis einer

lymphovaskulären oder perineuralen Infiltration bzw. ein geringer Tumordifferen-

zierungsgrad. Andere molekulare Marker bzw. Genexpressionsanalysen haben noch

keinen Einzug in die klinische Routine gefunden. Auch wenn die Patientengruppe über

70 Jahre eindeutig in den randomisierten Studien unterrepräsentiert ist, gilt das

Patientenalter alleine nicht als Ausschlusskriterium für eine adjuvante Chemotherapie.

Die älteren Patienten profitieren vergleichbar von der adjuvanten 5-FU-/Capecitabin-

gabe wohingegen die zusätzliche Oxaliplatingabe in den Subgruppenanalysen nicht

die entsprechende Verbesserung von Rezidivfreiheit und Überleben zeigen konnte wie

bei den jüngeren Patienten.

Zusammenfassend stellt die ausführliche Besprechung der aktuellen Datenlage zur

Prognoseverbesserung durch eine adjuvante Chemotherapie inklusive des zu

erwartenden Nebenwirkungsprofils einen wichtigen Bestandteil der multimodalen

Behandlung des lokal fortgeschrittenen Kolonkarzinoms dar. Der Anteil der Patienten,

die trotz Indikation bzw. Eignung keine adjuvante Chemotherapie erhalten, sollte

weiter verringert werden. Die Etablierung weiterer und v. a. molekularer Risikomarker

zur besseren Risikostratifizierung wird dringend erwartet.

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Anschriften der Referenten und Vorsitzenden Dr. Beate Brinkmann Abteilung für Gastroenterologie, Endokrinologie und Stoffwechselkrankheiten Zentrum für Innere Medizin, Klinik II Universitätsmedizin Rostock Ernst-Heydemann-Str. 6 18057 Rostock Prof. Dr. Martin E. Kreis Klinik für Allgemein- und Viszeral-/Gefäßchirurgie Charité – Universitätsmedizin Campus Benjamin Franklin (CBF) Hindenburgdamm 30 12203 Berlin Prof. Dr. Georg Lamprecht Abteilung für Gastroenterologie, Endokrinologie und Stoffwechselkrankheiten Zentrum für Innere Medizin, Klinik II Universitätsmedizin Rostock Ernst-Heydemann-Str. 6 18057 Rostock Dr. Malte Leithäuser Internistischer Onkologe Wismarsche Str. 32 18057 Rostock Dr. Dietrich Nowak Internist und Gastroenterologe MVZ im Cityblick Joliot-Curie-Allee 49 18147 Rostock Dr. Ulrich-Frank Pape Hepatologie/Gastroenterologie Charité – Universitätsmedizin Campus Virchow-Klinikum (CVK) Augustenburger Platz 1 13353 Berlin Prof. Dr. Mathias Plauth Innere Medizin Städtisches Klinikum Dessau Auenweg 38 06847 Dessau-Roßlau

Dr. Jörg Ringel Internist St. Petersburger Str. 18c 18107 Rostock Prof. Dr. Jörg-Peter Ritz Allgemein- und Viszeralchirurgie Helios Kliniken Schwerin Wismarsche Str. 393–397 19049 Schwerin Dr. Holger Schäffler Abteilung für Gastroenterologie, Endokrinologie und Stoffwechselkrankheiten Zentrum für Innere Medizin, Klinik II Universitätsmedizin Rostock Ernst-Heydemann-Str. 6 18057 Rostock Prof. Dr. Sebastian Schmid Innere Medizin I Universitätsklinikum Schleswig- Holstein, Campus Lübeck Ratzeburger Allee 160 23562 Lübeck Prof. Dr. Ursula Seidler Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str. 1 30625 Hannover Prof. Dr. Holger S. Willenberg Sektion Endokrinologie und Stoffwechsel Zentrum für Innere Medizin Universitätsklinik Rostock Ernst-Heydemann-Str. 6 10857 Rostock PD Dr. Maria Witte Abteilung für Allgemein-/Thorax-/ Gefäß- und Transplantationschirurgie Chirurgische Klinik Universitätsmedizin Rostock Schillingallee 35 18057 Rostock