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voestalpine Böhler Welding Schweiz AG Hertistrasse 15, Postfach, CH-8304 Wallisellen, T. +41 (0)44 832 88 55, F. +41 (0)44 832 88 58 Email: [email protected] / www.voestalpine.com/welding zertifiziert nach ISO 9001:2000 PRAKTIKER-INFO | Keine Werbung Bitte an die Technik weiterleiten Schwarz-Weiss-Verbindungen Rissbildung in unlegiertem Baustahl S235JR (S235JRG2 / St37-2) Zwei interessante Beobachtungen Fall 1: Ein Kunde hat für ein Gestell Flach-Profile aus S235JRG2 mit 4-Kant Stangenmaterial aus Ck 45 zu verbin- den. Da es sich bei dem Ck 45 um einen schwer schweissba- ren Stahl handelt, wurde dieser entsprechend vorgewärmt und für die Kehlnaht die Stabelektrode Fox A7 gewählt. Das Erstaunen war gross, als nahe der Schmelzlinie zum U-Profil Risse auftraten. Eigentlich hätte man damit eher im hoch koh- lenstoffhaltigen Ck 45 gerechnet. Fall 2: Ein Kunde schweisste an ein Panzerblech aus 1.7263 30CrMo5-2 U-Profile aus S235JR an. An diese U-Profile soll- ten später diverse Bauteile angeschraubt werden. Da es sich bei dem Panzerstahl um einen schwer schweissbaren Stahl handelte, wurde entsprechend vorgewärmt und als Schweiss- zusatz der Massivdraht Böhler A7-IG gewählt. Auch hier tra- ten an der Schmelzlinie zum unlegierten Baustahl S235JRG2 Risse auf. Was war passiert? Die Form der beobachteten Risse deutete auf eine Literatur- stelle aus der „Schweissen und Schneiden“ von 1989 hin, in der ähnliche Risse beim Schweissen von so genannten Misch- verbindungen näher untersucht wurden (Bild 1). Hierbei wur- den Doppelkehlnahtproben als Mischverbindungen von 1.4541 und St37-2 (S235JRG2) mittels Stabelektrode vom Typ E 23 13 2 R23 geschweisst, wobei verschiedene Chargen des unlegierten Baustahles, der untersucht werden sollte, ver- wendet wurden. Danach wurden an den Proben Farbein- dringprüfungen durchgeführt, von denen einige deutliche Rissanzeigen aufwiesen. Bild 1: Risse neben der Naht im unlegierten Baustahl. In Mikroschliffen war zu erkennen, dass die Risse nicht direkt entlang der Schmelzlinie, sondern interkristallin in einer Ent- fernung von 0,01 bis 0,02 mm von der Schmelzlinie entfernt im Grobkornbereich verliefen. (Bild 2) Die Art der Risse deu- tete darauf hin, dass es sich um Aufschmelzungsrisse han- delte, die in Folge von Korngrenzenbelägen und dem Auftre- ten von Schrumpfspannungen entstanden sind. Die Anfälligkeit von diesem unlegierten Baustahl für diese Art der Rissbildung wurde näher untersucht und folgende Er- kenntnisse gewonnen: Bild 2: Wiederaufschmelzrisse neben der Naht. Ergebnisse der damaligen Untersuchung: Der Mangan- und Schwefelgehalt haben einen bedeutenden Einfluss auf die in Frage kommende Rissbildungsart (Bild 3). In diesem Bild steht jeder Punkt für eine bestimmte Charge von den verwendeten S235JRG2. Hierbei ist deutlich zu er- kennen, dass bei einem bestimmten Schwefelgehalt im unle- gierten Baustahl ein Mindestgehalt an Mangan notwendig ist, um derartige Risse zu vermeiden. Eine quantitative Rissvor- hersage wird allerdings erst möglich, wenn alle anderen Ele- mente, die Mikrorisse begünstigenden, wie Phosphor, Koh- lenstoff, Silizium und Sauerstoff, in die Betrachtung mit einbezogen werden. Bild 3: Einfluss von Mangan und Schwefel auf die Rissanfälligkeit 0,80 0,40 0,50 0,30 0,20 0,70 0,60 0 0,010 0,020 50 12 62 58 15 P2 P4 P3 P9 3 41 A P8 P5 H D C E B F G 8 54 34 48 67 109 106 6 9 P1 101 105 44 33 16 0,030 0,040 0,050 0,060 103 102 63 Schwefelgehalt [%] Mangangehalt [%] eigene Versuchsschweißung ohne Riß eigene Versuchsschweißung mit Riß Versuchsschweißung Dritter ohne Riß Versuchsschweißung Dritter mit Riß nicht rißanfällig rißanfällig Grenzlinie 01.03 Schwarz-Weiss-Verbindungen / Rissbildung in unlegiertem Baustahl S235JR (S235JRG2 / St37-2) | Seite 1 von 2 | Stand: 2016-04-11

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Page 1: Schwarz-Weiss-Verbindungen - Voestalpine€¦ · RSt 37-2 1.0038 S235JR 0,035 0,040 St 37-3 U 1.0114 S235J0 0,030 0,035 1.0117 S235J2 0,025 0,030 0.005 0.015 0.010 0.020 0.030 0.025

voestalpine Böhler Welding Schweiz AGHertistrasse 15, Postfach, CH-8304 Wallisellen, T. +41 (0)44 832 88 55, F. +41 (0)44 832 88 58 Email: [email protected] / www.voestalpine.com/weldingzertifiziert nach ISO 9001:2000

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Schwarz-Weiss-VerbindungenRissbildung in unlegiertem Baustahl S235JR (S235JRG2 / St37-2)

Zwei interessante BeobachtungenFall 1: Ein Kunde hat für ein Gestell Flach-Profile aus S235JRG2 mit 4-Kant Stangenmaterial aus Ck 45 zu verbin-den. Da es sich bei dem Ck 45 um einen schwer schweissba-ren Stahl handelt, wurde dieser entsprechend vorgewärmt und für die Kehlnaht die Stabelektrode Fox A7 gewählt. Das Erstaunen war gross, als nahe der Schmelzlinie zum U-Profil Risse auftraten. Eigentlich hätte man damit eher im hoch koh-lenstoffhaltigen Ck 45 gerechnet.

Fall 2: Ein Kunde schweisste an ein Panzerblech aus 1.7263 30CrMo5-2 U-Profile aus S235JR an. An diese U-Profile soll-ten später diverse Bauteile angeschraubt werden. Da es sich bei dem Panzerstahl um einen schwer schweissbaren Stahl handelte, wurde entsprechend vorgewärmt und als Schweiss-zusatz der Massivdraht Böhler A7-IG gewählt. Auch hier tra-ten an der Schmelzlinie zum unlegierten Baustahl S235JRG2 Risse auf.

Was war passiert?Die Form der beobachteten Risse deutete auf eine Literatur-stelle aus der „Schweissen und Schneiden“ von 1989 hin, in der ähnliche Risse beim Schweissen von so genannten Misch-verbindungen näher untersucht wurden (Bild 1). Hierbei wur-den Doppelkehlnahtproben als Mischverbindungen von 1.4541 und St37-2 (S235JRG2) mittels Stabelektrode vom Typ E 23 13 2 R23 geschweisst, wobei verschiedene Chargen des unlegierten Baustahles, der untersucht werden sollte, ver-wendet wurden. Danach wurden an den Proben Farbein-dringprüfungen durchgeführt, von denen einige deutliche Rissanzeigen aufwiesen.

Bild 1: Risse neben der Naht im unlegierten Baustahl.

In Mikroschliffen war zu erkennen, dass die Risse nicht direkt entlang der Schmelzlinie, sondern interkristallin in einer Ent-fernung von 0,01 bis 0,02 mm von der Schmelzlinie entfernt im Grobkornbereich verliefen. (Bild 2) Die Art der Risse deu-tete darauf hin, dass es sich um Aufschmelzungsrisse han-delte, die in Folge von Korngrenzenbelägen und dem Auftre-ten von Schrumpfspannungen entstanden sind.

Die Anfälligkeit von diesem unlegierten Baustahl für diese Art der Rissbildung wurde näher untersucht und folgende Er-kenntnisse gewonnen:

Bild 2: Wiederaufschmelzrisse neben der Naht.

Ergebnisse der damaligen Untersuchung:Der Mangan- und Schwefelgehalt haben einen bedeutenden Einfluss auf die in Frage kommende Rissbildungsart (Bild 3). In diesem Bild steht jeder Punkt für eine bestimmte Charge von den verwendeten S235JRG2. Hierbei ist deutlich zu er-kennen, dass bei einem bestimmten Schwefelgehalt im unle-gierten Baustahl ein Mindestgehalt an Mangan notwendig ist, um derartige Risse zu vermeiden. Eine quantitative Rissvor-hersage wird allerdings erst möglich, wenn alle anderen Ele-mente, die Mikrorisse begünstigenden, wie Phosphor, Koh-lenstoff, Silizium und Sauerstoff, in die Betrachtung mit einbezogen werden.

Bild 3: Einfluss von Mangan und Schwefel auf die Rissanfälligkeit

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01.03 Schwarz-Weiss-Verbindungen / Rissbildung in unlegiertem Baustahl S235JR (S235JRG2 / St37-2) | Seite 1 von 2 | Stand: 2016-04-11

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Diese Information ist ein Hilfsmittel für den Praktiker. Sie gibt grundsätzliche technische Sachverhalte vereinfacht wieder und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.Die Gewährleistung der Eignung für einen bestimmten Verwendungszweck bedarf in jedem Fall einer ausdrücklichen schriftlichen Vereinbarung.

Eine ausreichend exakte quantitative Vorhersage der Auf-schmelzungsrissempfindlichkeit wurde erst mit dem gewon-nenen Aufschmelzungsrissäquivalent Y möglich, welches die Gehalte von Mangan, Silizium, Phosphor, Schwefel, Kohlen-stoff und Sauerstoff berücksichtigt.

Dieses Rissäquivalent Y erlaubte eine sehr gute Abschätzung der zu erwartenden Risslänge.

Risslänge Y = 153 – (1287 x %Mn) + (962 x (%Mn)2) + (252 x %Si) + (1855 x %P) + (2629 x %S) + (714 x %C) + (1053 x %O2)

Beurteilung der errechneten Werte:Y < 0%:Werkstoff ist nicht rissanfällig.

0% < Y < 50%: Werkstoff ist empfindlich; er sollte nicht verwendet werden für steife Konstruktionen, Bauteile mit dynamischer Bean-spruchung oder Bauteile, an denen im nachhinein Richtarbei-ten durchzuführen sind.

Y > 50%:Werkstoff ist stark rissgefährdet und sollte für Schweisskonst-ruktionen nicht verwendet werden.

Eine umfassende grafische Darstellung der Ergebnisse war auf Grund der zahlreichen Einflussfaktoren nicht möglich. Es liess sich jedoch zeigen, dass mit den Werten einer 5er-Ana-lyse an dem nachfolgenden Bild 4 eine grobe Abschätzung der zu erwartenden Risslänge durchgeführt werden konnte.

Bild 4: Rissäquivalent Y in Abhängigkeit vom Mn/S-Verhältnis und dem Phosphorgehalt bei 0,2% Si im Stahl.

Da der S235JRG2 in der Stückanalyse erhöhte Gehalte an Schwefel bei niedrigen Mangangehalten zulässt, wird er viel-fach von kleineren Stahlwerken hergestellt, die für die Er-schmelzung erhöhte Mengen Schrott zum Umschmelzen ver-wenden und daraus vorzugsweise kleinere Profile bzw. Bandstahl herstellen. Vielfach weisen diese Stähle ausser den Verunreinigungen wie Phosphor und Schwefel auch höhere Gehalte an Chrom, Nickel und Kupfer auf.

Gegenprüfung am Beispiel im Fall 2:Eine Gegenprüfung am oben genannten Beispiel im Fall 2 er-gab folgende Erkenntnisse:

Q Mit einem Mangangehalt von 0,56% und einem Schwefel-gehalt von 0,040% lag die Analyse an der Grenze der Rissemp-findlichkeit im Bild 3.

Q Die Berechnung des Aufschmelzungsrissäquivalents Y ergab einen Wert von 13,76%, was auf eine erhöhte Empfindlichkeit hindeutete.

Q Die verwendete Schweisszusatzlegierung mit 18%Cr, 8%Ni und 6%Mn hat mit ca. 18x10-6 einen wesentlich höheren Wärmeausdehnungskoeffizient als der unlegierte Baustahl. Die an der Schmelzlinie herrschenden Schubspannungen können dazu führen, dass diese Rissbildungsart begünstigt wird. Mit einem Nickelbasis-Schweisszusatz, wie z.B. UTP 068HH, der in etwa einen vergleichbaren Wärmeaus-dehnungskoeffizient hat wie der unlegierte Baustahl, müsste es möglich sein, diese Art der Rissbildung zu vermeiden. Allerdings zu einem sehr hohen Preis.

Die beste Methode, diese Art von Rissbildung zu vermeiden bleibt jedoch immer noch die, dass man vorab an Hand der Analyse prüft, ob das Grundmaterial für Schweisskonstruktio-nen gut geeignet ist.

Für eine grobe Abschätzung kann im Bild 3 unter Zuhilfe-nahme der Analyse des S235JR geprüft werden, ob der Stahl bei dem angegebenen Schwefelgehalt (Zeugnis mit Ist-Wer-ten notwendig)ausreichend mit Mangan legiert ist.

Es sollte allerdings beachtet werden, dass möglichst ein Zeug-nis mit einer Stückanalyse vorliegt, da gemäss Norm die Werte aus der Schmelzenanalyse niedriger liegen können, als die Werte aus der Stückanalyse. Nachfolgende Tabelle zeigt die maximal zulässigen Gehalte für Schwefel in unlegierten Baustählen.

Bez. gem. DIN 17100

Werkst.-Nr.Bez. gem. EN 10025

(2005)

Schmelz-Analyse max. %

Stück- Analyse max. %

RSt 37-2 1.0038 S235JR 0,035 0,040

St 37-3 U 1.0114 S235J0 0,030 0,035

1.0117 S235J2 0,025 0,030

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PHOSPHORMANGAN / SCHWEFEL

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