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Unser Gehirn - Ein Wunderwerk der Evolution 394 Kreativität und innovative Ideen Wie wir die Erkenntnisse der Gehirnforschung für mehr Kreativität und innovative Ideen nutzen können.

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Unser Gehirn - Ein Wunderwerk der Evolution

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Kreativität und innovative IdeenWie wir die Erkenntnisse der Gehirnforschung für mehr Kreativität und innovative Ideen nutzen können.

Kreativität und innovative Ideen

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Inhaltsverzeichnis

1. Was ist Kreativität?

2. Wie entstehen Gedanken und Ideen?

3. Ist Intelligenz Voraussetzung für Kreativität?

4. Ist Kreativität eine Frage der Persönlichkeit?

5. Was grenzt unsere Kreativität ein?

6. Was stört unsere Kreativität?

7. Was fördert unsere Kreativität?

8. Kann man Kreativität lernen?

9. Lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf!

10. Literatur und Quellenverzeichnis

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1. Was ist Kreativität?

Der Literaturnobelpreisträger George Bernhard Shaw sagte einmal: „Du siehst Dinge und fragst: ´Warum?’, Doch ich träume von Dingen und sage: ‚Warum nicht?’”

Und Goethe sagte: „In der Idee leben heißt, das Unmögliche behandeln, als wenn es möglich wäre.“

Sind also die Fähigkeit zu träumen und der feste Glaube an das Unmögliche der Schlüssel zur Kreativität?

Werfen wir einmal einen Blick in die Fachliteratur und schauen nach, ob wir dort eine Antwort auf die Frage „Was ist Kreativität?“ finden.

Im Brockhaus finden wir folgende Antwort:

„Kreativität ist das schöpferische Vermögen, das sich im menschlichen Handeln oder Denken realisiert und einerseits durch Neuartigkeit oder Originalität gekennzeichnet ist, andererseits aber auch einen sinnvollen und erkennbaren Bezug zur Lösung technischer, menschlicher oder sozialpolitischer Probleme aufweist.“

Auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Kreativität finden wir:

„Kreativität ist die Fähigkeit, Wissen und Erfahrungen aus verschiedenen Lebens- und Denkbereichen unter Überwindung verfestigter Struktur- und Denkmuster zu neuen Ideen zu verschmelzen.“

Und in einem Lexikon der Medizin steht:

„Kreativität ist ein spezifischer chemischer Zustand im Gehirn, der von unterschiedlichen Korrelaten determiniert wird.“

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Die Reihe der Definitionen ließe sich fast unendlich fortführen und lässt uns erkennen, dass es keine einheitliche Definition für Kreativität gibt. Vielmehr kann sich Kreativität in sehr vielen und sehr unterschiedlichen Formen ausdrücken und zeigen.

Fest steht allerdings eines: Kreativität und innovative Ideen sind gefragter als je zuvor:

Sie sind der Motor der Wirtschaft, Wissenschaft und der Kultur. Sie entscheiden über Erfolg oder Misserfolg. Und immer stärker hängt auch das Überleben eines Unternehmens oder einer Einrichtung von den kreativen Einfällen und innovativen Ideen der Mitarbeiter und Führungskräfte ab.

Die richtige Idee zur richtigen Zeit hat schon viele Menschen reich und berühmt gemacht, und viele Unternehmer, Künstler und Wissenschaftler haben es ihren kreativen Einfällen zu verdanken, dass sie erfolgreich geworden sind.

• Aber wie entstehen kreative und innovative Prozesse?

• Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein?

• Welche Rahmenbedingungen fördern oder verhindern kreative Prozesse?

• Kann man Kreativität trainieren oder ist sie angeboren?

Auf diese und andere Fragen im Hinblick auf Kreativität und innovative Ideen geben uns die jüngsten Erkenntnisse der Gehirnforschung erstaunliche Antworten.

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2. Wie entstehen Gedanken und Ideen?

Befragt man kreative Menschen, woher sie ihre Ideen und Einfälle beziehen, so erhält man oft als Antwort, dass ein Bauchgefühl ihnen diese mitgeteilt hätte.

Kreative und innovative Prozesse spielen sich aber keineswegs im Bauch ab, sondern im Gehirn.

Das so genannte Bauchgefühl ist lediglich ein Ausdruck, der uns die Ergebnisse unseres Gehirns körperlich spüren lässt.

Stark vereinfacht lässt sich dieser Prozess so beschreiben:

Durch unsere Sinneswahrnehmungen oder durch unsere Erinnerungen werden in den Arealen unseres Gehirns pausenlos Milliarden von elektrischen Impulsen erzeugt.

In nur Bruchteilen von Sekunden werden diese analysiert, mit bereits bestehendem Wissen und bestehenden Erfahrungen im Langzeitgedächtnis abgeglichen und vom limbischen System emotional bewertet.

Die meisten dieser Vorgänge bleiben uns im Unbewussten verborgen und äußern sich, wenn überhaupt, „nur“ in Form eines Bauchgefühls, also einer Intuition.

Andere durchdringen die Schwelle zum Bewusstsein und können dann auch sprachlich formuliert werden.

Ob unbewusst oder bewusst, für die Entstehung kreativer Einfälle und innovativer Ideen sind unsere Sinneswahrnehmungen, unser gespeichertes Wissen, unsere Erfahrungen und unsere emotionale Bewertung von enormer Bedeutung.

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Wer schlecht hört, wird wohl kaum in der Lage sein, ein fein abgestimmtes Musikinstrument zu entwickeln, aber er kann dadurch motiviert werden, ein perfektes Hörgerät zu erfinden.

Wer kein Wissen über die Funktionsweise eines Motors hat, wird auch nicht in der Lage sein, einen neuen Motor mit mehr Leistung und weniger Energieverbrauch zu entwickeln. Dieses fehlende Wissen kann aber auch durchaus nützlich sein, um über ganz neue Antriebsformen nachzudenken.

Wer keine Erfahrung im Umgang mit Menschen hat, wird wohl kaum in der Lage sein, Führungsstile zu verbessern, aber vielleicht kann er gerade deswegen besonders gut sachgerechte Ablaufpläne optimieren.

Und wer Angst davor hat, auf einen hohen Berg zu steigen, wird wohl kaum darüber nachdenken, auf welchem Weg man den Gipfel schneller erklimmen kann, aber er wird vielleicht tolle Ideen entwickeln, wie sich Angst abbauen lässt.

Wahrnehmungen, Wissen, Erfahrungen und Emotionen können also sowohl förderlich als auch hinderlich sein, wenn es darum geht, kreative Prozesse in Gang zu setzen.

Der Neurowissenschaftler Dr. Ernst Pöppel sagte einmal: „Kreativität zählt zu den komplexesten neuronalen Funktionen. Hochmoderne Untersuchungsmethoden, die das Gehirn in Aktion zeigen, belegen, dass originelle Einfälle nur dann entstehen, wenn beide Gehirnhälften optimal zusammenarbeiten.“

Fazit:

Wir müssen uns unsere Stärken und Schwächen bewusst machen und uns dann auf die Themen und Aufgaben konzentrieren, die unseren Fähigkeiten und Neigungen am meisten entsprechen.

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3. Ist Intelligenz Voraussetzung für Kreativität?

Die menschliche Intelligenz gehört zu den am besten erforschten Aspekten im Bereich der Persönlichkeitsmerkmale und lässt sich in Tests sehr gut messen und nachweisen.

Was die Wissenschaftler aber erst seit kurzem untersuchen, ist, wie sich die Gehirne von Intelligenten und die Gehirne von weniger Intelligenten unterscheiden.

In verschiedenen Studien konnte mit Hilfe von bildgebenden Verfahren nachgewiesen werden, dass intelligente Menschen die Aktivierung des Gehirns auf wenige und vor allem auf die für die jeweilige Aufgabenstellung notwendigen Areale beschränken können.

Aber auch das Arbeitsgedächtnis spielt eine wichtige Rolle. Unser Arbeitsgedächtnis kann nur maximal fünf bis neun Informationseinheiten gleichzeitig verarbeiten. Intelligente Menschen haben den Vorteil, dass sie Informationseinheiten stärker bündeln können, also so genannte Chunks bilden, was z.B. bei Entscheidungsprozessen mit vielen Einflussfaktoren nützlich ist.

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Weniger intelligente Menschen hingegen müssen mehr Areale ihres Gehirns für die Lösung der gleichen Aufgaben aktivieren und verbrauchen dadurch wesentlich mehr Energie, wodurch die Entstehung und Gestaltung von Ideen behindert wird.

Auch hat die Geschwindigkeit, mit der ein Gehirn arbeitet, großen Einfluss auf unsere kreativen Leistungen. Messungen der Gehirnströme haben ergeben, dass ein

langsamer Hirnrhythmus für kreative Prozesse förderlich ist. Dieser langsame Hirnrhythmus entsteht z.B., wenn man sich mit geschlossenen Augen Tagträumen hingibt.

Hieraus den Rückschluss zu ziehen, dass Tagträumer kreativere Menschen sind, ist jedoch falsch. Vielmehr ist es so, dass kreative Menschen in der Lage sind, sehr schnell zwischen niedriger und hoher Aktivität umzuschalten.

Kreative Menschen zeichnen sich also u.a. dadurch aus, dass sie in der Lage sind, von Phasen der Träumerei auf Phasen der totalen Konzentration umzuschalten, in denen dann vor allem die Intelligenz gefragt ist.

Kreativität und Intelligenz gehören also untrennbar zusammen. Auch dies beweisen viele Tests, in denen nachgewiesen werden konnte, dass der Intelligenzquotient und die Kreativitätsleistungen sehr stark voneinander abhängig sind.

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4. Ist Kreativität eine Frage der Persönlichkeit?

Unser Gehirn verfügt über rund 100 Milliarden Gehirnzellen. Jede einzelne Gehirnzelle ist mit bis zu 15.000 anderen Gehirnzellen verknüpft, und dennoch ist jede Gehirnzelle nicht mehr als vier Stationen von jeder anderen Gehirnzelle entfernt.

Bei unserer Geburt ist unser Gehirn sogar mit einem gigantischen Überschuss an neuronalen Verbindungen ausgestattet. Diese Verbindungen werden aber erst wirksam, wenn sie in den ersten Jahren unseres Lebens genutzt werden. Das Entscheidende dabei ist: Je breiter diese Matrix in den frühen Jahren unserer Kindheit entwickelt wurde, desto umfangreicher sind später die Möglichkeiten für neue Verknüpfungen, die sich dann als Kreativität entfalten können.

Studien über den Werdegang z.B. von Nobelpreisträgern oder erfolgreichen Unternehmern haben gezeigt, dass wer bereits im Vorschulalter in einer intellektuell stimulierenden Umgebung aufwächst, bessere Chancen, kreative Leistungen zu erbringen.

Ein weiterer sehr wichtiger Faktor für die Kreativität ist neben der frühkindlichen Prägung Art und Umfang von Erlebnissen und Erfahrungen.

Bei einer Studie, die bereits in den 1990er Jahren mit Geigern der Berliner Hochschule der Künste durchgeführt wurde, zeigte sich, dass die Studenten, die mit dem Geigespielen am frühsten angefangen hatten, auch die Besten waren. Im Alter von 20 Jahren verfügten einige der Studenten bereits über 10.000 Stunden Erfahrung mit der Geige.

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Wie sagte schon Thomas A. Edison: „Genialität besteht zu 1 % aus Inspiration und zu 99 % aus Transpiration“

Unsere Persönlichkeit ist daher das Ergebnis aus genetischer Veranlagung, vorgeburtlicher und frühkindlicher Prägung und der Summe unserer Erlebnisse und Erfahrungen.

Das alles macht uns zu dem, was wir heute sind, und besonders gute Chancen für kreative Leistungen und innovative Ideen haben dabei die Menschen, deren Persönlichkeitsmerkmale starke Gegensätze in sich vereinigen.

Auf der einen Seite strahlen sie Gelassenheit aus und auf der anderen Seite sind sie voller Tatendrang. Sie verfügen über ein Höchstmaß an Disziplin und Verantwortungsgefühl und verfügen dennoch über einen kindlichen Spieltrieb. Oder sie verfügen über eine hohe Intelligenz und sind dennoch natürlich-naiv.

Allerdings leiden auch manche kreativen Menschen an diesen Gegensätzen oder zerbrechen gar daran. Genie und Wahnsinn liegen eben doch ziemlich dicht beieinander.

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5. Was grenzt unsere Kreativität ein?

Unser Gehirn geht davon aus, dass es nicht notwendig ist, die Welt permanent neu zu entdecken. Vielmehr geht es davon aus, dass alles kontinuierlich und homogen abläuft, und daran hat es sich seit vielen tausend Jahren der Evolution gewöhnt. Wir sprechen daher von dem „Ökonomieprinzip des Gehirns“.

Dieses Ökonomieprinzip hat aber erhebliche Nachteile, wenn es um kreative Prozesse geht. Tritt etwas Neues oder etwas Unerwartetes auf, ist unser Gehirn bei der Informationsverarbeitung schnell überfordert.

Das Ökonomiegesetz des Gehirns ist daher der größte Feind der Kreativität, denn wenn man kreativ sein will, muss man die gewohnten Wege und Grenzen überschreiten.

Erschwerend kommt hinzu, dass das, was wir wahrnehmen oder was uns bewusst wird, in ein begrenztes zeitliches Fenster eingeordnet ist, denn unser Gehirn kann einen Sachverhalt nur etwa drei Sekunden lang festhalten. Beispiele hierfür sind musikalische Motive oder die Sprache. In allen Sprachen der Welt werden verbale Einheiten verwendet, die das Zeitfenster von drei Sekunden nicht übersteigen.

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Wenn also zwei Menschen sprachlich miteinander kommunizieren, dann wird die Sprache rhythmisch organisiert, denn nur dann kann sich der Hörer mit dem Sprecher synchronisieren. Verläuft die Kommunikation unrhythmisch, also nicht in dem Zeitfenster von drei Sekunden, wird der Rahmen überschritten und eine gemeinsame Kreativität ist nicht möglich.

Ein weiterer Feind der Kreativität ist kausales Denken, also das lineare Denken in Ursache und Wirkung. Unser Gehirn neigt zu dieser Denkweise, weil es Energie sparen möchte, und ist daher immer bemüht, die Dinge einfach, also monokausal, zu sehen.

Die meisten Probleme oder Aufgabenstellungen sind aber sehr komplex und oft von sehr vielen Einflussfaktoren und deren Wechselwirkungen gekennzeichnet. Die Suche nach nur einem Faktor, der alles bestimmt, engt die Kreativität daher erheblich ein.

Was unsere Kreativität ebenfalls behindert oder blockiert, ist unsere persönliche Prägung. Durch diese Prägung ist festgelegt, was wir als wichtig oder unwichtig, wertvoll oder weniger wertvoll ansehen.

Da aber jeder Mensch die Dinge anders bewertet oder beurteilt, ist eine gemeinsame Kreativität nur möglich, wenn sich alle Beteiligten darüber bewusst sind, dass jeder seine eigenen Vorurteile hat.

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6. Was stört unsere Kreativität?

Neue Technologien, die steigende Informationsflut, die Folgen der Globalisierung und ständige Veränderungsprozesse sind nur einige Faktoren, die unser Gehirn bewältigen und verarbeiten muss.

Dies gelingt nicht nur immer weniger Menschen, die dann als Folge an Stress leiden, sondern es schmälert auch die Produktivität und Kreativität.

Eine gesunde Portion Stress ist zwar gut für unser Gehirn, aber übertreibt man es, kann daraus schnell ein Burnout oder eine Depression werden.

Der bekannte Psychotherapeut Allen Elkin formulierte es einmal so: „Stress ist wie eine Violinsaite. Ohne Spannung entsteht keine Musik. Wird die Saite aber zu sehr gespannt, reißt sie.“

Wissenschaftler der University of California in Irvine haben bei einer Gruppe von Softwareentwicklern, Managern und Analysten herausgefunden, dass diese im Durchschnitt alle drei Minuten durch Email, SMS oder Telefon bei ihrer Arbeit unterbrochen werden. Diese Unterbrechungen lösen nicht nur Stress oder Erschöpfung aus, sie sind auch der sichere Tod für jede Art von Kreativität.

Den Stressfaktoren des Alltags ist man aber nicht hilflos ausgeliefert. Mit wenigen Veränderungen unserer Gewohnheiten lassen sie sich ausbremsen und unsere Belastbarkeit und Kreativitätsfähigkeit lassen sich wieder steigern.

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Hier fünf ausgewählte Tipps:

Planung

Planen Sie Ihren Arbeitstag bereits am Vorabend und legen Sie genau fest, was Sie wann erledigen wollen.

Email

Stellen Sie in Ihrem Emailprogramm die Pushfunktion oder den Signalton für neue Mitteilungen ab. Lesen und bearbeiten Sie Ihre Emails nur zu festgelegten Tageszeiten.

Telefon

Immer und überall erreichbar zu sein ist oft störend. Wenn Sie sich konzentrieren müssen oder kreativ sein wollen, stellen Sie Ihr Handy ab.

Termin mit sich selbst

Machen Sie Termine mit sich selbst. Informieren Sie die notwendigen Mitarbeiter oder Ihr Sekretariat darüber und schließen Sie Ihre Bürotür.

Pausen

Machen Sie im Abstand von maximal 60 bis 90 Minuten kurze Erholungspausen. Gehen Sie kurz an die frische Luft oder, wenn dies nicht möglich ist, schauen Sie aus dem Fenster. Fünf Minuten bewirken bereits Wunder.

Ein weiterer Störfaktor, der uns in der Entfaltung der Kreativität oft behindert, ist der Versuch, Multitasking betreiben zu wollen.

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Hier konnte inzwischen die Gehirnforschung eindeutig nachweisen, dass unser Gehirn Aufgaben nur nacheinander und nie parallel verarbeitet. Die Annahme, dass wir mehrere Dinge gleichzeitig tun können, entsteht nur dadurch, dass unser Gehirn in der Lage ist, sehr schnell zwischen verschiedenen Aufgaben hin und her zu springen, oft in nur Bruchteilen einer Sekunde.

Auch hierzu ein paar Tipps:

Multitasking nur bei Routineaufgaben

Erledigen Sie nur Routineaufgaben „gleichzeitig“. Das schafft Ihr Gehirn auch mit geringer Kraft.

Konzentration

Bei anspruchsvollen Aufgaben konzentrieren Sie sich allein auf die Aufgabe und halten Sie alles andere fern.

Entspannung

Entspannen Sie sich, bevor Sie an anspruchsvolle Aufgaben herangehen. Probieren Sie einfach mal verschiedene Entspannungsübungen aus und finden Sie heraus, welche bei Ihnen am besten wirken.

Wir sehen also, oft sind es nur wenige Dinge, die wir ändern müssen, um unsere Kreativität zu steigern und gleichzeitig auch noch unsere Gesundheit zu fördern.

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7. Was fördert unsere Kreativität?

Der Neurobiologe und Hirnforscher Gerald Hüther definiert Kreativität als Fähigkeit, in dem vorhandenen Wissenspool plötzlich Lösungen zu finden, wie sich Dinge auf zuvor für unmöglich gehaltene Weise verbinden.

Damit dies gelingt, ist es notwendig, dem Gehirn freien Lauf zu lassen. Die Lust, Neues zu schaffen, ist ein Urtrieb des Menschen, der sich aber nur dann entfalten kann, wenn er nicht durch starre Normen und Richtlinien eingeschränkt wird.

Der ehemalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen Jürgen Rüttgers sagte einmal: „Bill Gates wäre in Deutschland allein deshalb gescheitert, weil nach der Baunutzungsordnung in einer Garage keine Fenster sein dürfen.“

Eine weitere wichtige Voraussetzung für kreative Prozesse ist, unerwartete Herausforderungen und Provokationen zuzulassen. Fehlt es an Provokationen, versucht unser Gehirn nicht von eingefahrenen Wegen abzuweichen. Provozieren bedeutet in erster Linie in Frage stellen, kritisch bleiben und, wenn es notwendig ist, auch zerstören.

Für den britischen Mediziner und Buchautor Edward de Bono bedeutet daher Kreativität in erster Linie, „von vorgegebenen Bahnen abzuzweigen“. Und weiter sagt er: „Unsere Kultur ist leider nicht darauf ausgerichtet“.

Aber wie kann eine neue Kultur aussehen, in der sich Kreativität entfalten kann? Nun, das Wichtigste hierbei ist, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, in denen Menschen sich nicht durch Druck oder Angst gezwungen fühlen, effizient arbeiten zu müssen.

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Eine weitere wichtige Bedingung ist, dass wir eine Kultur brauchen, in der nicht die Nutzung der Ressourcen Boden, Arbeit und Kapital im Vordergrund steht, sondern der neue Produktionsfaktor Wissen.

Oder wie es der Neurobiologe Hüther einmal formulierte: „Es ist an der Zeit, die alte `Ressourcen-Nutzungskultur´ durch eine `Potential-Entfaltungskultur´ zu ersetzen.

Damit dies gelingt, muss aber ein Umdenkungsprozess stattfinden. Ein Umdenkungsprozess, der bereits in der Schule und im Studium beginnt.“

Statt Schülern alte Lösungen zu vermitteln, müssten sie lernen, neue Lösungen selbst zu entwickeln. Und statt Studenten mit dem Lernen von Fakten und Formeln zu langweilen, sollten sie

besser Zukunftsfähigkeiten wie z.B. soziale Kompetenz, emotionale Intelligenz, Persönlichkeitsentwicklung oder Teamfähigkeit erlernen. Selbst schon im Kindergarten lässt sich die Kreativitätsfähigkeit entwickeln. So üben Kinder bundesweit in rund fünfzig Horten, ohne Spielzeug auszukommen. Das Ergebnis: nach nur kurzer Zeit fangen die Kinder an, sich selbst Spiele auszudenken.

Unser Gehirn verfügt über die Gabe, sich ein Leben lang neu zu organisieren. Und unser Gehirn liebt es, Neues zu entdecken und zu verstehen. Im Hippocampus, einer Hirnstruktur, die für Lernprozesse eine große Bedeutung hat, werden jeden Monat mehrere tausend neue Gehirnzellen produziert. Werden sie benutzt, bleiben sie dann auch erhalten. Jeder bekommt das Gehirn, das er sich schafft!

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8. Kann man Kreativität lernen?

Wie wir bereits im vorherigen Kapitel erfahren haben, werden im Hippocampus Monat für Monat neue Gehirnzellen produziert und das ein Leben lang. Diese neuen Gehirnzellen möchten nur eins: lernen, lernen und nochmals lernen.

Der britische Mediziner und Buchautor de Bono sagte einmal: „Kreativität ist nichts Mysteriöses, das als Talent manchen gegeben ist. Kreativität kann man lernen. Es geht dabei um Asymmetrien in den Gedankengängen und um unerwartete Wendungen. So gesehen funktioniert Kreativität wie Humor.“

Geniale Ideen entstehen also nicht nur in wenigen Superhirnen, sondern auch in durchschnittlichen Gehirnen, was sich auch seit wenigen Jahren mit modernen Diagnostikmethoden wie z.B. der Positronen-Emissions-Tomographie nachweisen lässt.

So wurden in einer Studie Männern Videobrillen aufgesetzt, und man ließ sie ein virtuelles Autorennen fahren. Während dieses virtuellen Rennens waren die Hirnaktivitäten der Männer relativ gering, denn jeder war nur darauf fokussiert, Erster zu werden. Erst als die Männer in einer zweiten Runde die Rolle des Beifahrers übernahmen, fingen die Neuronen an wie wild zu feuern. Der Grund: in der Rolle des Beifahrers mussten sich die Probanden nicht mehr mit dem Ziel, Erster zu werden, beschäftigen. Sie hatten nun auch die Zeit, die Umgebung zu beobachten, und ließen ihre Gedanken schweifen.

Voraussetzung für die Entstehung von genialen Ideen ist allerdings, dass man begeistert ist. Fehlt es an Begeisterung, passiert im Gehirn nichts.

Dies ist auch der Grund, warum kleine Kinder sehr kreativ sind. Sie sprühen vor Begeisterung und unermüdlich probieren sie alles aus. Im Gegensatz dazu ist es bei älteren Menschen oft schwer, sie für etwas zu begeistern. Die Folge ist, dass keine neuronalen Strukturveränderungen angeschoben werden. Alles bleibt beim Alten!

Begeisterungsfähigkeit ist also sehr wichtig, und wem es gelingt, sich bis ins hohe Alter für Neues zu begeistern, der bleibt nicht nur jung im Gehirn, sondern kann sich auch ohne Probleme in der Zukunft zurechtfinden.

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Aber warum fehlt es älteren Menschen oft an Begeisterung?

Der ehemalige Direktor für Technologieforschung bei Daimler-Benz Walter Kroy hat es einmal auf den Punkt gebracht: „Die Leute trauen sich zu wenig zu. Alle haben heute so viel zu verlieren und scheuen daher jede Neuerung, die ihre Errungenschaften, Positionen und Vermögen gefährden könnten. Ihr übertriebenes Sicherheitsdenken bedroht den Fortschritt.“

Ein anderer Grund, warum es vielen Menschen an der Begeisterung für Neues fehlt, ist auch der weit verbreitete Glaube, dass man im Alter nicht mehr lernen könne. Aber stimmt das wirklich?

Die Antwort ist Ja! Aber nur dann, wenn man aufhört zu lernen, denn wer aufhört zu lernen, verlernt das Lernen. Außerdem sterben viele Gehirnzellen ab, wenn man aufhört zu lernen, und mit dem Absterben der Gehirnzellen stirbt dann auch das in ihren Verbindungen gespeicherte Wissen, was dann eine mögliche Ursache von Alzheimer oder Demenz sein kann.

Ansonsten aber heißt die Antwort Nein. Viele Studien belegen inzwischen, dass Lernen bis ins

hohe Alter möglich ist, vor allem wegen der bereits erwähnten lebenslangen Neuproduktion von Gehirnzellen im Hippocampus. Was allerdings stimmt, ist, dass das Lernen mit zunehmendem Alter langsamer wird. Dies hängt damit zusammen, dass der Botenstoff Acetylcolin, der für das Lerntempo sehr wichtig ist, mit zunehmendem Alter in seiner Konzentration abnimmt.

Dies ist aber nicht schlimm, sondern sogar von der Natur gewollt. Durch das langsamere Lernen ist unser Gehirn viel besser in der Lage, neues Wissen mit bestehendem Wissen zu verknüpfen, und durch das langsamere Lernen bleibt uns mehr Zeit, neue Ableitungen und Strategien zu entwickeln.

Langsames Lernen ist also keineswegs ein Manko, sondern ganz im Gegenteil. Es fördert unsere Kreativität und unseren Einfallsreichtum.

Und noch eine gute Nachricht aus der Gehirnforschung: Unser Gehirn verfügt über eine fast grenzenlose Speicherkapazität für neues Wissen und neue Fähigkeiten.

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9. Lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf!

Kreativität zu fordern und zu fördern ist keineswegs eine Modeerscheinung, sondern ein Urbedürfnis der Menschheit. Die gesamte Evolution des modernen Menschen ist seit mehr als 100.000 Jahren eine endlose Kette von Geistesblitzen und genialen Einfällen.

Von den Urlauten bis hin zur Internetkommunikation, von den Höhlenbewohnern bis hin zur Eroberung des Weltraums. Von der Entdeckung des Feuers bis hin zu solarzellengesteuerten Wärmeanlagen und von der Erfindung des Rades bis hin zur Automobilindustrie. Kreativität gibt es schon immer und wird es auch immer geben.

Nutzen Sie diese einmalige Fähigkeit des Gehirns und lassen Sie sich nicht von anderen davon abbringen:

• Halten Sie nicht an Bestehendem zwangsläufig fest.

Die Aussage: „Das haben wir noch nie so gemacht!“ ist das Motto der Erfolglosen.

• Haben Sie Mut zum Risiko.

Die Aussage: „Das haben andere auch schon mal versucht!“ ist der Wahlspruch der Hoffnungslosen.

• Seien Sie konsequent und beharrlich.

Die Aussage: „Wenn das wirklich so eine gute Idee ist, warum machen es dann nicht alle?“ ist der Schlachtruf der Mittelmäßigen.

Nutzen Sie das Potential Ihres Gehirns. Nur Strohköpfe sind nicht in der Lage, kreativ zu sein. Und wenn Sie wissen möchten, warum Strohköpfe dazu nicht in der Lage sind, dann gibt Ihnen der deutsche Aphoristiker Alexander Eilers eine passende Antwort:

„Strohköpfe sind nicht kreativ, denn ein Geistesblitz wäre brandgefährlich!“.

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10. Literatur- und Quellenverzeichnis

Autor Titel Jahr Verlag

De Bono, E. Kreativer Denken, effektiver arbeiten, mehr erreichen

2010 mvg

De Bono, E. Think!: Denken, bevor es zu spät ist

2009 Mvg

Dresler, Martin Kognitive Leistungen 2011 Spectrum

Hengstenberg, C. Mit Köpfchen ganz nach oben

2010 Fastbook publishing

Hüther, G. Was wir sind und was wir sein könnten

2010 Fischer

Hüther, G. Die Macht der inneren Bilder

2010 Vandenhoeck u. Ruprecht

Lehrer, Jonah Hirnforschung für Kreative

2007 Piper

Noack, Karsten Kreativitätstechniken 2008 Cornelsen-Verlag

Rosenzweig, R. Geistesblitz und Neuronendonner

2010 Mentis

Schonert-Hirz, S. Machen Sie Ihren Kopf fit für die Zukunft

2009 Campus

Speckmann, E.-J. Das Gehirn meiner Kunst

2008 Daedalus

Spitzer, Manfred Aufklärung 2.0 2011 Schattauer

Weidemann, B. Handbuch Kreativität 2010 Beltz

Zeki, Semir Glanz und Elend des Gehirns

2010 Reinhardt